Privatisierung von Krankenhäusern - ein Überblick Gemeinsame Konferenz von WSI und FEI Öffentliche Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck Marburg, 29. bis 30. Juni 2007 Privatisierung von Krankenhäusern - ein Überblick Thorsten Schulten Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI)
Gliederung 1. Bedeutung der Europäischen Union 2. Privatisierung von Krankenhäuser in Deutschland 3. Konsequenzen für Beschäftigte und Patienten Thorsten Schulten
Einfluss der Europäischen Union Keine explizite Kompetenz der EU im Hinblick auf die Krakenhausversorgung: „Bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt.“ EG-Vertrag Artikel 152 (5) Thorsten Schulten
Einfluss der Europäischen Union Europäischer Binnenmarkt Gesundheitsdienstleistungen und europäische Dienstleistungsrichtlinie Krankenhausfinanzierung und EU-Regelungen zu staatlichen Beihilfen Europäische Wirtschaftspolitik Beschränkung nationaler Fiskalpolitik durch den EU-Stabilitätspaktes Umbau der Sozialversicherungssysteme im Rahmen der Lissabonstrategie Europäisierung der Gesundheitspolitik Zunehmend Patientenmobilität Thorsten Schulten
Stand der Privatisierung in Europa Trägerstruktur Bedeutung privater Krankenhäuser Schweden, Dänemark vorwiegend öffentlich gering Großbritannien ca. 5% der Betten Belgien vorwiegend öffentlich oder freigemeinnützig Niederlande vorwiegend freigemeinnützig Österreich gemischt 17,2% der Häuser und 6,3% der Betten Deutschland 26,6% der Häuser und 12,5% der Betten Frankreich 37 % der Häuser und 20 % der Betten Thorsten Schulten
Strukturdaten: Krankenhäuser in Deutschland 1991-2005 Veränderung 1991-2005 Krankenhäuser 2.411 2.139 -11,3% Krankenhausbetten 665.565 523.824 -21,3% Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner 832 635 -23,7% Beschäftigte (insgesamt) 1.119.791 1.070.655 -4,4% Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) 875.816 796.097 -9,1% Fallzahl 14.576.613 16.873.885 +15,6% Belegungstage 204.204.000 144.576.000 -29,2% Verweildauer 14,0 Tage 8,6 Tage -38,6% Bettenauslastung 84,1% 75,6% -10,0% Thorsten Schulten Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Trägerschaft von Krankenhäusern in Deutschland 1991 und 2005 (in %) Thorsten Schulten
Trägerschaft von Krankenhäusern in Deutschland 2005 (in %) Thorsten Schulten
Rechtsform öffentlicher Krankenhäuser 2005 Thorsten Schulten
Ursachen für die Privatisierung: Unterfinanzierung von Krankenhäusern Öffentlichen Finanzen: Kontinuierlicher Rückgang der öffentlichen Krankenhausinvestitionen von 3,6 Mrd. Euro (1991) auf 2,7 Mrd. (2006) Investitionsstau bei den Krankenhäusern (25-50 Mrd. Euro) Neuregelung der Krankenhausfinanzierung: seit 1993: Umstellung vom Kostendeckungsprinzip zu gedeckelten Budgets seit 2004: Umstellung von Tagessätzen auf Fallpauschalen auf der Basis von DRGs (Diagnosis Related Groups) Thorsten Schulten
Privatisierung von Krankenhäusern 1. Welle (ab 1991) vorwiegend in Ostdeutschland 2. Welle (ab 2000) Ost- und Westdeutschland Privatisierung von großen Häusern Übernahmen/Fusionen von privaten Krankenhäusern Zukunft ??? bis zu 50% aller Krankenhäuser in privater Hand ??? Thorsten Schulten
Private Krankenhauskonzerne in Deutschland und Europa (2006) Kliniken Beschäftigte Deutschland Rhön-Klinikum AG 45 28.600 Helios Kliniken Gruppe (Fresenius AG) 56 26.800 Asklepios Kliniken GmbH 72 25.700 Sana Kliniken 33 13.200 Europa Générale de Santé (Frankreich) 173 18.938 Capio (Schweden) 100 14.150 General Healthcare Group (Großbritannien) 52 ca. 14.000 Thorsten Schulten Quelle: Stumpfögger (2007)
Merkmale privater Krankenhäuser Geringere Personalkosten Abkehr vom TVÖD, Haustarifverträge höhere Lohnspreizung Stärkeres Outsourcing von Service-Tätigkeiten Arbeits- und Leistungsverdichtung Geringere Fallkosten hoher Anteil an kleineren Häusern mit spezialisiertem Versorgungsprofil Effizienteres Management ??? Vorteile durch Verbundseffekte innerhalb des Konzerns Thorsten Schulten
Personalkosten privater Krankenhäuser in % der Personalkosten öffentlicher Krankenhäuser (2005) Thorsten Schulten
Anzahl der pro Arzt/Ärztin bzw Anzahl der pro Arzt/Ärztin bzw. pro Pflegekraft zu versorgende Betten (2005)* Thorsten Schulten
Auswirkungen der Privatisierung auf die Qualität der Versorgung Politisch geförderte Ökonomisierung von Krankenhausleistungen Widerspruch von ökonomischen und medizinischen Handlungsanforderungen Fallpauschalen führen zu kürzeren Krankanhausaufenthalten (blutige Entlassungen) Schlechtere Personalschlüssel von Ärzten/Pflegepersonal zu Patienten Höhere Patientenunzufriedenheit Gefährdung einer wohnortnahen Versorgung Thorsten Schulten
Politische Alternativen Verhinderung von Privatisierungen Bürgerbegehren und Bürger/Volksentscheide Breite Allianzen von Gewerkschaften, Berufsverbänden, Patientenvereinigungen und anderen sozialen Organisationen Re-Regulierung der Krankenhausversorgung Einheitliche Lohn- und Arbeitsstandards (Flächentarifvertrag) öffentliche Investitionsoffensive Neuregelung der Krankenhausfinanzierung Thorsten Schulten
http://www.pique.at/ Weitere Informationen … … zum aktuellen EU-Projekt „Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen“ (PIQUE): http://www.pique.at/ Thorsten Schulten