Referat von Martin Huber

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 Präsentation transkript:

Referat von Martin Huber MUDs Referat von Martin Huber

Abkürzung für Multi User Dimensions MUD Abkürzung für Multi User Dimensions oder Multi User Dungeons

Geschichte Mitte der 70er „Dungeons & Dragons“ erstes Fantasy Rollenspiel (Brettspiel) Kerkermeister erschafft Welt Mitspieler können Figur frei gestalten, indem sie zwischen verschiedenen Völkern und Charakterklassen wählen Regelwerk mit Charismapunkten, magischen Ebenen und Würfel

Geschichte viele Computerfreaks wurden von D&D in den Bann gezogen 1975: erstes sg. Textadventure „Advent“ Textadventures: Umgebung ausschließlich durch Texte beschrieben Vorstellungsvermögen gefragt Spieler übernimmt Rolle eines oder mehrerer Mitspieler, die durch Befehlseingabe durch virtuelle Welt gesteuert werden (Beispiel)

Geschichte basierend auf dem Source-Code vom Advent entwickelten Studenten der Uni Essex in England 1980 das Mehrbenutzer-Textadventure für Netzwerke „Multi User Dungeon“ Dungeon: auf Ähnlichkeit zu D&D oder auf Textadventure „Dungeon“ zurückzuführen anfangs nur Universitätsnetze, durch Erreichbarkeit über Telefonnetz große Öffentlichkeit in Großbritannien und den USA

Technisches MUDs ursprünglich nur jene Programme, die auf demselben Programmiercode wie MUD beruhten verweisend auf andere Codes hießen andere Spiele MOO, MUSE, MUCK oder MUSH MUD als Überbegriff

Technisches MUDs von Programmen (Gamedriver), die auf einem zentralen Rechner (Server) laufen, bereitgestellt der Spieler (User, Mudder) stellt über ein Client-Programm (Telnet-Client, JAVA-Client, spezielle MUD Clients) von seinem Computer zum Server her Server nimmt über Gamedriver die einzelnen Eingaben der Spieler entgegen und berechnet die Reaktionen der Computerumgebung sowie der darin enthaltenen Objekte darauf Reaktionen in Textform wieder ausgegeben

Technisches MUD-Lib: Basissoftware eines MUDs dient dem MUD-Programmierer (Wizard) als Konstruktionssprache für die zu erschaffende Welt Entwicklung zeitaufwändig → viele MUDs basieren auf denselben MUD-Libs

Abgrenzung MUDs: so gut wie ausschließlich textbasierte Mehr-Benutzer-Rollenspiele vereinzelt auch MUDs mit grafischem Interface (grafische MUDs, 3D-MUDs, Avatar-Welten) Szenen und Personen über Computergrafiken dargestellt Bewegungssteuerung über Maus, Kommunikation über Texteingabe besser als MMORPG (Massive Online Roleplaying Game) bezeichnet ?

Klassifikation Döring (1999): abenteuer-orientierte und soziale MUDs abenteuer-orientierte: Spiel-Aspekt des Punktesammelns und Kämpfens im Vordergrund soziale: Priorität auf zwischen-menschliche Beziehung und Interaktion innerhalb der sozialen MUDs weitere Unterteilung in LernMUDs, ForschungsMUDs und Phantasieumgebungen als soziale Freizeittreffs Programmiersprache abenteuer-orientierter MUDs darauf ausgelegt, Punkte zu verwalten und Kämpfe darzustellen, während in sozialen MUDs Interaktion und die Erzeugung virtueller Objekte ermöglicht werden soll

Klassifikation Verbreitung sozialer MUDs erst ab den Neunziger-Jahren wegen fehlendem abenteuerlichem Kontext auch als TinyMUDs oder MUSHEs (Multi User Shared Environtments) laut Döring (1999) auch der Grund für die alternative Bezeichnung Multi User Dimensions Turkle (1998) sieht diese eher darin begründet, dass die jungen Benützer in den Neunzigern die ursprünglichen Dungeons nicht mehr kannten

Inhalt die meisten MUDs beschäftigen sich mit Fantasy-Geschichten Lösen sg. Quests: Abfolgen von in eine Geschichte eingebetteten Rätseln ähnlich Adventurespielen (wikipedia.org) Sammeln von Erfahrungspunkten im Laufe dieser Quests (spiegelt sich in erhöhter Funktionalität der Figur wider)

Inhalt Aufstiegsmöglichkeiten mittels Erfahrungspunkten: Status vermittelt eine soziale Hierarchie Spieler können so auch selbst zu Gestaltern (Wizards) aufsteigen z.B. im MUD MorgenGrauen erreicht man mit 100 gesammelten Stufenpunkten die nächste Stufe Beispiele für Stufen im MorgenGrauen: Magierlehrling, Vollmagier ohne Region, Vollmagier mit Region, Hilfsmagier, Regionschef, Weiser, Erzmagier, Gott

Inhalt MUDs bieten auch die Gelegenheit, sich zu Gruppen („Gilden“) zusammenzuschließen in diesen Gruppen kann man bestimmte Fähigkeiten erlernen Gruppen entweder frei zugänglich oder an bestimmte Anzahl an Erfahrungspunkten gebunden Beispiel: Gilden im MorgenGrauen: Abenteuer, Karate, Krieger, Chaos, Zauberer, Heiliger Orden, Bierschüttergilde, Kämpfer

Inhalt Töten von Mitspielern (playerkill) in den meisten MUDs verboten, manchmal erlaubt oder gar erwünscht Bekämpfen von computergesteuerten Charaktern – sogenannten NPCs (non player characters) – zur Lösung der Quests und zum Sammeln von Erfahrungspunkten normalerweise nötig Lebenspunkte (health points) geben Auskunft über den Gesundheitszustand des Characters (beeinflusst z.B. durch Kämpfen, Essen und Trinken) Erfahrungs- und Lebenspunkte zählen zu den Attributen eines Charakters bestimmen Fähigkeiten und legen Aufstiegsmöglich-keiten fest

Inhalt unterschiedlich strenge Kommunikationsregeln in den verschiedenen MUDs: einerseits jene, die vorwiegend zum Chatten gebraucht andererseits solche, in denen Chatten außerhalb des Spielkontextes nicht gern gesehen ist oder speziell markiert werden muss beim Chatten in MUDs gibt es ähnliche Möglichkeiten und Verhaltensweisen wie in IRCs: Flüstern, Smileys und Emotes sind auch hier gebräuchlich auch das Chatten basiert auf simpler Befehlseingabe MUDs bieten außerdem mehrere Ebenen für Chatter: manche Messages können von den Leuten im selben Raum (z.B. sage …), manche im ganzen MUD (z.B. rufe …), manche nur von den Mitgliedern derselben Gruppe, manche sogar in anderen MUDs gesehen werden.

Inhalt Beispiel für Kommunikation über eine Ebene:

Inhalt andere synchrone und asynchrone Kommunikationsformen wie IRC, Newsgroups oder Mailinglisten sind laut Utz (1999) „… Diskussionen, die eben getippt statt gesprochen werden.“ im Vergleich dazu bilden die MUDs mit ihren Räumen und Elementen eine Analogie zur wirklichen Welt „Die Beschreibungen von Raum und Zeit liefern … Hinweise über den sozialen Kontext, in den die jeweilige Situation eingebettet ist.“ MUDs der realen Welt strukturell nahe → seltsame Sonderstellung zwischen Virtual Reality und Real Life

Charaktere & Identität „Während man beim Mailen, in Mailinglisten und in Newsgroups üblicherweise unter dem richtigen Namen kommuniziert und zudem meist durch Organisationszugehörigkeit, Adresse usw. identifizierbar ist, bleibt man bei der Chat und insbesondere bei der MUD-Kommunikation häufiger anonym oder pseudonym. Im zwischenmenschlichen Kontakt steht hier nämlich nicht der reale Name an erster Stelle, sondern der Nick und ggf. der Avatar.“ (Döring,1999)

Charaktere & Identität Avatar: künstliche Person oder virtueller Stellvertreter einer Person in der virtuellen Realität statt Avatar spricht man auch von Online-Character oder Character Der Mudder ist gezwungen, „… sich einen expliziten Repräsentaten in der virtuellen Umgebung zu schaffen, der nicht nur einen Namen trägt, sondern auch durch äußere Merkmale, Besitzgegenstände oder Fähigkeiten charakterisiert ist.“ (Döring, 1999)

Charaktere & Identität Abgrenzung von sg. NPCs oder Bots oft schwer NPCs / Bots: computergesteuerte virtuelle Charaktere wirken im ersten Augenblick oft wie menschlich gesteuerte Characters

Charaktere & Identität beim ersten Betreten eines MUDs gilt es das individuelle Erscheinungsbild eines Characters festzulegen (Selbstbeschreibung) diese Beschreibung ist für andere Spieler über Befehle abrufbar (z.B. schau <nick>) für Leute, die in ein MUD nur kurz hineinschnuppern wollen, werden üblicherweise Gastidentitäten angeboten, die den Gast für andere User als solchen ersichtlich machen Gäste werden mit einer Standardbeschreibung ausgestattet, brauchen also weder Selbstbeschreibung noch Passwort.

Charaktere & Identität zur Schaffung eines neuen Characters sind zuerst ein Nickname, ein Passwort, sowie die Festlegung des Geschlechts nötig dann muss die Spieler-Kategorie gewählt werden, die Anfangs maßgebend für die Selbstbeschreibung ist die Spielerkategorie bestimmt spezifische Fähigkeiten, mit denen der Character ausgestattet wird Je nach Kategorie erhält man erst eine Selbstbeschreibung vorgegeben, kann diese aber jederzeit erweitern bzw. ändern. neben der Selbstbeschreibung gehören zum Character auch Erfahrungspunkte, erworbene Fertigkeiten und gesammelte Besitzgegenstände

Charaktere & Identität der größere Aufwand, der zum heimisch Fühlen in einem MUD im Vergleich zu anderen CMC-Formen nötig ist, führt zu einer stärkeren Bindung an das MUD (Döring, 1999) Explorieren der Räume und Kennenlernen der anderen Benutzer mit deutlich mehr Zeitaufwand verbunden MUDs-System besteht aus vielen Räumen, wo sich die User aufhalten können IRC im Vergleich dazu leichter überschaubar MUDs benötigen das Erlernen einer spezifischen Befehlssprache Döring (1999) vergleicht das Einleben in einem MUD mit dem Kennenlernen einer fremden Stadt mit fremden Sitten und Gebräuchen

Charaktere & Identität entsprechend enger sind auch die Beziehungen zwischen regelmäßigen Spielern von MUDs „Das Rollenspiel hat hier also nicht primär die Funktion sich vor anderen zu verstecken und anonym zu bleiben, sondern stellt eine spezifische Form der Interaktion zwischen Personen dar, die sich meist auch anderweitig kennenlernen (wollen).“ (Döring, 1998)

Charaktere & Identität mit steigendem Ausmaß der Beteiligung an der virtuellen Welt steigt auch die Identitätsrelevanz Dem Spieler ist es möglich, im Alltag unterrepräsentierte Selbstaspekte zu realisieren und die daraus resultierenden Konsequenzen abzuwarten. „In anderen CMC-Formen wird es oft als Vertrauensmissbrauch gewertet, wenn sich jemand eine falsche Identität aufbaut. Im MUD dagegen gehört es ausdrücklich zum Spiel, sich entsprechend einer Rolle zu verhalten.“ (Utz, 1999) die Möglichkeit der anonymen Interaktion über Nicknames schafft neue Optionen zur selektiven Selbstrepräsentation

Rollenspiele & MUDs Sherry Turkle (1998) hält Rollenspiele und insbesondere Online-Rollenspiele aus psychologischer Sicht für besonders aufschlussreich: bei MUDs ist die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit noch stärker verwischt. Turkle stellt sich gegen die verallgemeinernde These, wonach Rollenspiele lediglich eine Flucht vor dem Alltag darstellen Sie sieht sie als ernsthafte Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Problemen des Lebens Dennoch fallen Rollenspiele durch ihre zeitliche Begrenzung eher in die Kategorie „Spiel“ Identität liegt beim realen Rollenspiel offen

Rollenspiele & MUDs In MUDs hat die Handlung keinen vorgegebenen Endpunkt MUDs sind jederzeit unbegrenzt verfügbar, wodurch sie für Mudder zum festen Bestandteil des wirklichen Lebens werden Bsp.: aggressives Ausagieren im MUD gegen Prüfungsangst oder Holen von positivem soz. Feedback im MUD

Rollenspiele & MUDs Rollenspiele erlauben, in unterschiedlichen Spielen (das heißt zu unterschiedlichen Zeitpunkten) unterschiedliche Rollen zu übernehmen, während MUDs „parallele Leben in synchronen Welten“ (Turkle, 1998) ermöglichen.

MUDs & RL „MUDs eröffnen Zugang zu parellelen Identitäten und parellelen Lebenswelten. Die Erfahrung dieses Parellelismus bestärkt einen darin, das Leben ‚on screen‘ und ‚off screen‘ in erstaunlichem Maße gleich zu behandeln.“ (Turkle, 1998) Fenster bieten die Möglichkeit, mehrere Programme gleichzeitig zu betreiben durch die Funktion des zeitweiligen Abmeldens kann man quasi gleichzeitig Real Life- (RL) und virtuellen Aktivitäten nachgehen.

MUDs & RL „…in der alltägliche Praxis vieler User sind Fenster zu einer starken Metapher für die Annahme geworden, dass das Selbst ein multiples, dezentriertes System ist. … Die Fenster nötigen uns … die Lebenspraxis eines dezentrierten Selbst auf, das in vielen Welten existiert und viele Rollen gleichzeitig spielt.“ (Turkle, 1998) → So gesehen wird das RL ebenso wie das MUD zu einem Fenster unter vielen.

MUDs & RL „Die Spieler beschreiben ihr wahres Selbst gelegentlich als ein Kompositum aus ihren Figuren, und sie bezeichnen ihre Personae als Instrumente, um an ihrem RL-Leben zu arbeiten.“ (Turkle, 1998)

MUDs & RL Es gibt aber auch Aspekte, die die Virtualität von MUDs unterstreichen: radikale Selbstverwandlungen sind nach belieben möglich im RL nicht verwirklichbare Erfahrungen können im MUD erlebt werden (kann auch ganz Alltägliches betreffen, vgl. Behinderte)

MUDs & RL Turkle unterscheidet allgemein zwischen 3 Mudder-Typen: Personen, deren Personae sich grundsätzlich von ihrer RL-Identität unterscheiden Personen, die online ihre eigene Identität verkörpern Personen, die in der Realität unterrepräsentierte oder unterdrückte Persönlichkeitsaspekte ausleben.

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung „Das Leben im Cyberspace bietet, wie das Leben überhaupt, nicht allen gleiche Chancen. … Wenn man über ein gesundes Selbst verfügt, das sich durch Beziehungen weiterentwickeln kann, dann können MUDs sehr hilfreich sein. Andernfalls drohen einem ernste Schwierigkeiten.“ (Turkle, 1998)

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung Turkle zieht einen Vergleich mit therapeutischen Methoden: gleich wie in vielen Therapieformen bieten MUDs die Möglichkeit, sich anderen Menschen frei anzuvertrauen die Besonderheit der therapeutischen Beziehung als allen Therapieschulen eigenes Element fehlt jedoch

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung MUDs bieten für manche die Gefahr des Ausagierens von maladaptiven Verhaltensmustern, wodurch in der Regel keine Einsicht in Probleme möglich ist. die in Therapien auftauchenden Probleme werden hingegen (im Idealfall) nicht ausagiert, sondern durchgearbeitet starre Reaktionsmuster werden erkannt und innerlich verändert

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung MUDs stellen für beides viel Spielraum bereit: „Sie bieten Möglichkeiten für echte Veränderung, aber auch für unproduktive Wiederholungen.“ (Turkle, 1998) → individuelle Entwicklungsmöglichkeiten bestimmt durch: emotionale Herausforderung an den Spieler mitgebrachte emotionale Ressourcen

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung MUDs sind für Turkle (1998) moderne Ersatzmittel zu Erik Eriksons psychosozialem Moratorium der Identitätsentwicklung in der Adoleszenz: Erikson: Moratorium als Phase der Experimentierfreude im Dienste einer Kernselbstentwicklung Erfahrungen finden in einem Freiraum außerhalb des festgefügten Alltags statt Theorie in den 50ern entwickelt: Collegejahre als Moratorium heute schwer als Moratorium vorstellbar → Verlagerung auf die virtuellen Gemeinschaften

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung Eriksons Theorie wurde in den 50ern entwickelt: Collegejahre als Moratorium heute schwer als Moratorium vorstellbar → Verlagerung auf die virtuellen Gemeinschaften Eriksons Stufenmodell ist nie abgeschlossen → Adoleszenz-Moratorium kein Durchgangs-stadium, sondern ein Erfahrungsmodus, der auch im Erwachsenenalter unverzichtbar ist. (vgl. „Erwachsenenmoratorium“ Urlaub)

MUDs und Persönlichkeitsentwicklung MUDs bieten als moderne Moratorien permanente Zugänglichkeit zum Freiraum einer anderen Wirklichkeit, in der wir den kreativen Umgang mit uns selbst experimentell erschließen können. (Turkle,1998)

Studien Nicola Döring (1996): Führen Computernetze in die Vereinsamung? schriftl. on- und offline Untersuchung mit standardisierten Fragebögen Eine Stichprobe von 48 Muddern wird mit der Gesamtstichprobe der Internetbenutzer (n=332) verglichen: signifikante Unterscheidung in zwei Punkten: Mudder waren im Durchschnitt jünger (25 ggü. 27 Jahren, t=3,6, p<0,001) Mudder befürworteten eher die Aussage „Ich möchte gerne jemand anderes sein“ (M=1,91 ggü. M=1,59, t=-1,8, p<0,1) sie unterschieden sich jedoch nicht hinsichtlich… Selbstwertgefühl, Einsamkeit, Freundeszahl, Bekanntenzahl, Partnerschaft

Studien Döring (1996) folgert daraus: „Das Spielen mit Identitäten und Rollen, wie es in MUDs üblich ist, ist für die Spieler zwar attraktiv, aber offenbar kein Anlass, reale Kontakte zu reduzieren.“ Geschlechtervergleiche aufgrund unausgewogener Stichprobe nicht möglich: 96% der 332 Teilnehmer waren männlich, was einem Frauenanteil von genau 13,28 entspricht. Darin spiegelt sich aber wahrscheinlich die Geschlechterverteilung der Internetbenutzer zum Untersuchungszeitpunkt (1994) wider.

Studien Gerit Götzenbrucker (2001): Integrations- und Desintegrationspotentiale neuer Technologien am Beispiel von MUDs. teilnehmende Feldbeobachtungen, 40 persönliche Leitfaden-Interviews und standardisierte Fragebogenerhebungen mit Muddern aus Österreich (zitiert nach Döring, 2001) Zusammengehörigkeit der Mudder in ihren virtuellen Gemeinschaften durch vorgelagerte Werthaltungen und Lebensstile mitbestimmt: überwiegend Personen, die Pflicht- und Akzeptanzwerte ablehnen, für die dafür Bürgerschaftlichkeit und Selbstentfaltung wichtige Werte sind. Mudder ähnlich hinsichtlich Bildungsniveau, Mediennutzung, alternative Wohnformen, bestimmte Freizeitinteressen → Gemeinschaftsbildung auf Neigungsähnlichkeit zurückzuführen

Studien Gerit Götzenbrucker (2001): Integrations- und Desintegrationspotentiale neuer Technologien am Beispiel von MUDs. soziale Praxis verstärkt innerhalb der MUDs die soziale Integration (Kommunikation oft wichtiger als Spielhandlung) Zugehörigkeit und Status durch permanente positive Anerkennung u. dgl. gegenseitig bestätiget Mudder verdichten ihre sozialen Netzwerke über gemeinsames MUD-Spielen → häufig längerer Kontakt auch auf der RL- oder anderen Ebenen (vgl. Mudder-Treffen)

Studien Sonja Utz (1996): Verteilung der MUD-Zeiten auf einzelne Aktivitäten (Befragung) Chat Role Play Coding Frauen 76% 19% 5% n=15 Männer 44% 36% 20% n=88 gesamt 49% 34% 17% n=103 durchschnittlich 12 Wochenstunden im MUD deutliche Geschlechterunterschiede, allerdings sehr kleine weibliche Stichprobe Chatten trotzdem als MUD-Hauptaktivität bei beiden Geschlechtern

Studien Sonja Utz (2001) zwei zentrale Fragen: Sind alle Mudder daran interessiert, Kontakte mit den anderen Spielern aufzubauen (socializing)? Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus?

Studien Sonja Utz (2001) Emoticons in MUDs: feelings: vordefinierte Verben und Adjektive, bei deren Eingabe aber ein ganzer Satz ausgegeben wird z.B. smi peter → You smile understandingly at Peter. emotes: Eingabe eines beliebigen Textes, der die Figur beschreibt z.B. emote fühlt sich einsam → <nick> fühlt sich einsam. smileys: kleine Gesichter aus ascii-Zeichen, die Emotionen symbolisieren z.B. :-)

Studien Sonja Utz (2001) Online-Fragebogenstudie an Muddern. Erhoben wurden: demographische Daten, MUD-Verhalten, Motive für das Mudden, Gebrauch und Bewertung von Emoticons, Aufbau von Online Freundschaften, Einstellungen zum MUD, soziale Kontaktfähigkeit. Stichprobe: 186 Mudder (35 weiblich), hauptsächlich aus Nordamerika (70%) und Europa (20%), durchschnittl. MUD-Erfahrung 46 Monate (s=34), durchschn. wöchtentl. MUD-Zeit 22 Stunden (s=16)

Studien Sonja Utz (2001) Sind alle Mudder daran interessiert, Kontakte mit den anderen Spielern aufzubauen (socializing)? Die Mudder berichteten im Großen und Ganzen, dass sie Freundschaften gschlossen haben. (M=4.36, signifikant über dem Mittelpunkt der verwendeten 6-Punkt-Skala, t=9.38 p<.001) Nutzung von Emoticons (geordnet nach mittlerer Häufigkeit): emotes (M=4.16) feelings (M=4.02) smileys (M=3.49) Korrelation mit dem Aufbau von Online-Freundschaften: smileys (r=.31 p<.001) emotes (r=.24 p<.01) feelings (r=.14 p<.05)

Studien Sonja Utz (2001) Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus? Bewertung von Emoticons:

Studien Sonja Utz (2001) Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus? Hinsichtlich der Haupt-Motive der Mudder kommt Utz zu anderen Ergebnissen als in ihrer Erhebung 1996: Chat Rollenspiel Quests (Spiel) Programmieren 15,6% 33,3% 26,7% 24,4% Die vormals größte Gruppe ist nunmehr die kleinste. Unter Umständen könnte das auf das spezialisierte Angebot von unzähligen Chats zurückzuführen sein. Eventuell ziehen die mittlerweile technisch doch etwas antiquierten MUDs nur mehr die echten „Nerds“ an, die sich eben für Rollenspiele, Quests und das Programmieren begeistern können.

Studien Sonja Utz (2001) Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus? Die Motivation beeinflusst den Aufbau von Freundschaften: → Chatter und Programmierer mit höheren Werten bei Online- Freundschaften als Rollenspieler und Spieler

Studien Sonja Utz (2001) Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus?

Studien Sonja Utz (2001) Wie wirkt sich die Motivation auf die Verwendung von Emoticons und den Aufbau von Online-Freundschaften aus? → Chatter und Programmierer: alle 3 Emoticon-Formen gleich häufig eingesetzt → Rollenspieler bevorzugen Emotes. → Spieler bevorzugen Feelings. Über getrennte Regressionen wurde ermittelt, dass die Verwendung von Emoticons nur für Spieler und Rollenspieler einen signifikanten Vorhersagewert für Online-Freunschaften leistet: → Rollenspieler profitieren vom häufigeren Einsatz von Smileys → Spieler vom häufigeren Einsatz von Emotes.

Studien Sonja Utz (2001) Fazit Die in der vorliegenden Studie untersuchte Stichprobe zeichnet sich durch eine lange durchschnittliche MUD-Erfahrung aus. Die Verwendung von Emoticons spielt allerdings primär am Beginn des Kennenlernprozesses eine Rolle. Nur ein geringer Bruchteil hat wirklich großes Interesse (Hauptmotivation) andere Mudder kennenzulernen. Motivation beeinflusst den Aufbau von Online Freundschaften („motivierte“ Chatter und Programmierer mit höheren Werten) Die vier Motivationstypen unterscheiden sich hinsichtlich der Verwendung von Emoticons (s.o.) Einsatz von Emoticons hat nur für Gruppen mit geringem Interesse an Online-Freundschaften (Rollenspieler und Spieler) Vorhersagekraft.