Klassische Formen der Konfliktbearbeitung: Völkerrecht und Internationale Organisation Hauptseminar: Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen.

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Klassische Formen der Konfliktbearbeitung: Völkerrecht und Internationale Organisation Hauptseminar: Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen System Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Wintersemester 2011/12 Dozent: Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Meyers Referentin: Lena Topel

Gliederung I Völkerrecht Definition Entwicklung Die wichtigsten Völkerrechtsquellen Internationale Anwendung Durchsetzung Herausforderungen II Internationale Organisationen Allgemein Geschichtlicher Hintergrund IGO – INGO Abgrenzungskriterien: IGO Rolle im internationalen System: Instrument, Arena, Akteur Spezifische Wirkungen im internationalen System Konfliktbearbeitung

Völkerrecht: Definition Herkömmliche (überkommene) Definition Völkerrecht (Im Folgenden: „VR“) = dasjenige Recht, welches die Beziehungen zwischen den (souveränen) Staaten regelt Nur die Staaten sind Völkerrechtssubjekt Moderne Definition VR= dasjenige Recht, das das Verhalten von Staaten und internationalen Organisationen betrifft, ihre Beziehungen untereinander und gewisse Beziehungen zu natürlichen und juristischen Personen  Auch internationale Organisationen und selbst Individuen können Träger völkerrechtliche Rechte und Pflichten sein

Entwicklung des Völkerrechts Angesichts der Globalisierung besteht ein hoher Bedarf an Regelungen, die über die Grenze des Nationalstaates hinaus wirksam sind  Seit 1945: mehr als 40 000 zwischenstaatliche Verträge Kein zentrales Gesetzgebungsorgan auf internationaler Ebene:  Koordinationsleistung der Staaten

Die wichtigsten Völkerrechtsquellen Das VR besteht im Wesentlichen aus Verträgen und dem Völkergewohnheitsrecht sowie allgemeinen Rechtsgrundsätzen Die wichtigste Rechtsquelle: die Charta der Vereinten Nationen Allgemeines Gewaltverbot (Angriffskriege sind untersagt)  oft als eine Art „Verfassung der Weltgemeinschaft“ bezeichnet  völkerrechtlicher Vorrang gegenüber anderen internationalen Übereinkünften

Internationale Anwendung VR als eigenständiges Rechtsystem: In Reichweite und Funktion mit einem innerstaatlichen Rechtssystem vergleichbar  legt den Staaten Beschränkungen auf  hat Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess Vorrang auf internationaler Ebene

Durchsetzung Problematik Es gibt keine wirksame Instanz, um das Recht auch durchzusetzen Internationale Gerichtshöfe verfügen über keine Vollstreckungsorgane Warum wird das VR dennoch in weiten Teilen beachtet und angewandt? Rechtfertigungsdruck vor der Öffentlichkeit  Frage der Legitimität und (moralischen) Glaubwürdigkeit Befürchtung politischer oder wirtschaftlicher Vergeltung durch andere Staaten

Herausforderungen des Völkerrechts Krise des Nationalstaates: zunehmender Souveränitätsverlust durch globaler werdende Problemstellungen Handlungsansprüche und Entscheidungskompetenzen aber hauptsächlich auf den Nationalstaat bezogen Teilweise Anreizdefizite: Verhalten im Interesse aller oft zu wenig belohnt Asymmetrische Konflikte statt klassische Staatenkriege - besondere Herausforderung für das humanitäre Völkerrecht

Internationale Organisationen eine besondere Form zur Steuerung im internationalen System  erforderlich geworden aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Staaten in ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht Ziel: Gewährleistung von Rechts- und Arbeitsgrundlagen für die Zusammenarbeit der Staaten bzw. nationaler Akteure bei grenzüberschreitenden Transaktionen (Internationale Organisation(en) im Folgenden „I.O.“ abgekürzt.)

Geschichtlicher Hintergrund Erste Vorläufer nach dem Wiener Kongress (v.a. zur Lösung technischer und humanitärer Probleme und im Bereich der Sicherheit) Erste nennenswerte Welle der Gründung von I.O. im letzten Drittel des 19.Jhdts. 1840 – 1900: grenzüberschreitende Interaktionen der Staaten dehnen sich derartig aus, dass gemeinschaftliche Verwaltungen im Sinne von „low politics“ eingerichtet werden mussten Im Zuge der Industrialisierung: Herausbildung eines quasi globalen Weltwirtschaftssystems  starker Anstieg der Zahl der I.O. Weiterer Schub nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der UN, IWF, Weltbank  Begriff „Internationale Organisation“ setzt sich durch Heute: etwa 250 IGOs, >6000 INGOs

International Governmental Organization (IGO) Eine durch multilateralen völkerrechtlichen Vertrag geschaffene Staatenverbindung Eigene Organe und Kompetenzen Ziel: Zusammenarbeit von mindestens drei Staaten auf politischem und/oder ökonomischem, militärischem, kulturellem Gebiet IGOs sind Völkerrechtssubjekte wie die Staaten

International Non-Governmental Organization (INGO) „Zusammenschluss von wenigstens drei gesellschaftlichen Akteuren aus mindestens drei Staaten (Parteien, Verbände etc.), der zur Ausübung seiner grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Regelungsmechanismen aufstellt.“ (Handwörterbuch Internationale Politik) Gründungsakt ohne staatliche Beteiligung

Aus: Rittberger, Volker; Berhard Zangl (2003): Internationale Organisationen. Politik und Geschichte, 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden, S. 28

Unterscheidungs- und Abgrenzungskriterien: IGOs Zeitliche Ebene: (Geltung für) bestimmten  unbestimmten Zeitraum Räumliche Ebene: globaler  regionaler Charakter, universale  partikulare Mitgliedschaft Inhaltliche Ebene: politisch  unpolitisch (high politics  low politics) Problemfeldspezifisch  problemfeldübergreifend Intergouvernemental  supranational Verschiedene Organisationsstrukturen

Aus: Rittberger, Volker; Berhard Zangl (2003): Internationale Organisationen. Politik und Geschichte, 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden, S. 30

Rolle der I.O. im Internationalen System Internationale Organisation Instrument Akteur Arena

I.O. als Instrument I.O. dienen den Staaten entsprechend ihrer Machtposition im internationalen System dazu, ihre eigennützigen Interessen zu verfolgen Annahme: Überwindung des anarchischen Staatensystems von den I.O. nicht zu erwarten

I.O. als Arena I.O. eher „Spielfeld“ oder „Schaubühne“ als Mittel staatlicher Politik Bilden einen Rahmen für zwischenstaatliche Kontakte und Kooperation: „In dieser Sicht sind internationale Organisationen vor allem konferenzdiplomatische Dauereinrichtungen bzw. intergouvernementale Verhandlungssysteme […], in denen alle Themen von internationalem Belang auf verschiedenen Kooperationsniveaus behandelt werden können.“ Aus: Rittberger, Volker; Berhard Zangl (2003): Internationale Organisationen. Politik und Geschichte, 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden, S. 23

I.O. als Akteur I.O. treten selbst als Handelnde im internationalen System auf – auf der Basis der ihnen zugrunde liegenden Satzung und durch Vertreter ihrer Institutionen Unabhängige Handlungspotenziale, aber letztlich satzungsmäßig abhängig (Mitgliedstaaten verfügen weiterhin über Kompetenz- Kompetenz)

Spezifische Wirkungen der I.O. im internationalen System Gegenelite und Parallelelite zur Diplomatie des Nationalstaates Multilaterale und multinationale Interessenbündelung Wirkung als spezifische Konfliktverhütungs- und -regelungsagenturen Vermittlungsfunktion Kollektive Organisierung schwacher und kleiner Nationalstaaten Internationale Öffentlichkeit

Konfliktbearbeitung durch I.O. Herausforderung: Aus einer dyadischen Konstellation ( Konfliktparteien) eine triadische Konstellation machen Ziel: aus einem Nullsummenspiel ein Nicht-Nullsummenspiel kreieren „negative sum game“ „positive sum game“

Negative sum game Positive sum game Alle Konfliktparteien verlieren  ziehen infolge des Drucks von außen (notgedrungen) von sich heraus alternative Lösungsmöglichkeiten in Betracht Voraussetzung: I.O. muss über weitreichende Ressourcen in militärischer, politischer, wirtschaftlicher Hinsicht verfügen  in der Regel nicht der Fall Positive sum game Alle Konfliktparteien gehen als Sieger hervor (oder haben diesen Eindruck) Mögliche Mittel: Kompensationen in bis dato nicht berücksichtigten Bereichen die gemeinsame Nutzung von Ressourcen die Neudefinition der Interessen der Parteien mit nunmehr kompatiblen Elementen

Konfliktparteien von entscheidender Rolle: Es muss eine von ihnen akzeptierte und nachfolgend auch unterstützte Regelung gefunden werden, damit die Abwehr vom gewaltsamen Konfliktaustrag bis hin zu Beseitigung der Konfliktursachen möglich ist. Oft jedoch: „autistisches Milieu“: Konfliktparteien verharren in festgefahrenen Positionen Können für die Konfliktbearbeitung keine Anstöße mehr bringen, sodass diese immer unwahrscheinlicher wird

Aufgabe der I.O. Konfliktparteien bei den Bemühungen zur Konfliktbearbeitung unterstützen Die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine solche interne Konfliktbearbeitung (mit)schaffen  neue Anstöße bringen (Teil-)Erfolge schon vor der endgültigen Überwindung eines Konflikts möglich: Durch das Erreichen einer Konflikttransformation wird die Lösungsfindung wahrscheinlicher bzw. eher möglich als zuvor Regionale Organisationen oft besonders geeignet Nähe zum Konflikt größere unmittelbare Betroffenheit

Quellen Bruha, Thomas; Tans, Christian J.: Die vereinten Nationen und das Völkerrecht, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 22/2005. Brummer, Klaus: Konfliktbearbeitung durch internationale Organisationen, Wiesbaden 2005. Kokott, Doehring, Buergenthal: Grundzüge des Völkerrechts, 3. Auflage. Heidelberg 2003. Rittberger, Volker; Bernhard zangl: Internationale Organisationen. Politik und Geschichte, 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden 2003, S. 15-47 Varwick, Johannes: Völkerrecht/Internationales Recht, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, 12., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Bonn 2011. Woyke, Wichard: Internationale Organisationen, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, 12., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Bonn 2011.