LV Neuer und Alter Humanitarismus. 3. Einheit 6.4.2005 Methodische Zugänge (Nachtrag 1) –Ideengeschichte vs. Ereignisgeschichte Paradigmengeschichte (Cambridge.

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 Präsentation transkript:

LV Neuer und Alter Humanitarismus. 3. Einheit Methodische Zugänge (Nachtrag 1) –Ideengeschichte vs. Ereignisgeschichte Paradigmengeschichte (Cambridge School of Political Thought) Begriffsgeschichte: Reinhart Koselleck: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Diskursanalyse (Foucault): untersucht nicht nur Sprache, sondern „Praxisfelder“ (wie z.B. Humanitarismus).

–Organisationsgeschichtliche Ansätze: untersuchen personelle und organisatorische Kontuitäten von Organisationen; „Organisationsmilieus“/ Organisationsformen sozialer Bewegungen (Anti- Sklavereibewegung, Frauenbewegung, Anti- apartheidsorganisationen) –Normative Politische Ansätze: Welche Politik soll verfolgt werden, wenn man bestimmte Grundsätze/ Überzeugungen annimmt? Fragestellung: Was soll sein? –Policy-Analysen (wer beschließt welche Maßnahmen in welchen Entscheidungsprozessen aufgrund welcher Informationen mit welchem Ziel; welche Folgen haben entsprechende Entscheidungen). Fragestellung: Was ist der Fall, warum ist dies der Fall?

–Herrschaftssoziologisch (Polity & Politics Aspekt): Welche Macht- und Herrschaftsstrukturen gibt es? Herrschaftskritik Analyse von Formen von Staatlichkeit/ Governanc –Analyse formeller (rechtlicher Formen) von Staatlichkeit/ Governance

Periodisierung des Völkerrechts Vor 1648: ius inter gentes, christlich geprägtes Völkerrecht 1648: „Westfälische Ordnung“. Ende der Vorstellung einer geeinten Christenheit, säkuläre Nationalstaatsordnung Gegenüber nicht westlicher Welt: zwiespältig. –Einerseits Ausschluss (Prinzip des Lines of Amity) –Andererseits: Durchaus Bedürfnis der Legitimation der kolonialen Landnahme durch „Verträge“ mit lokalen Herrschaftsträgern und insofern tw. Anerkennung indigener Souveränität und Völkerrechtswürdigkeit

17. Jh.: Abkehr von der christlichen Lehre des ius bellum zur säkularen Lehre des ius ad bellum und später ius in bello. Mit Wiener Kongress: Beginn der Kodifizierung des Völkerrechts. Gleichzeitig, neuer Stoßrichtung des Völkerrechts mit der Durchsetzung von Nationalstaatlichkeit Erste Kodifizierungen des ius in Bello in er zweiten Hälfte des 19.Jh. und anfangs des 20.Jh.

Nach dem ersten Weltkrieg: –Erste Versuche der Beschränkung des ius ad bello (Briand-Kellog Pakt 1927) –Erste Beschränkungen kolonialer Herrschaft, allerdings nur in bezug auf Territorien der Mittelmächte (Osmanisches Reich, Deutsches Reich) (Mandatsgebiete) –Erster Elemente eines internationalen Flüchtlingsregimes, allerdings nur in bezug auf vordefinierte Gruppen (Russen, tw. auch Griechen, Türken, Armenier im Rahmen der Politik des „Be –völkerungsaustausches“

Nach dem zweiten Weltkrieg –Errichtung des UN-Systems –Absolutes Gewaltverbot in der UN-Charta –Universelle Deklaration der Völkerrechte (nicht bindend, aber normativer Bewertungsmaßstab) –Neue Instrumente humanitären Völkerrechts: Durch Judikatur (Nürnberger Prozesse: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, Völkermord) Durch neue Konventionen: Völkermord 1949, Genfer Konventionen (u.a. zur Behandlung von Kriegsgefangenen), Statut des UNHCR (1950), Genfer Flüchtlingskonvention (1951), Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966), Pakt über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte (1966)

Gründe für die Expansion des Völkerrechts in Richtung humanitäres Völkerrecht Kriegserfahrung (1., 2. Weltkrieg) Humanitäre „Probleme“ als Quelle zwischenstaatlicher Konflikte (v.a.: Flüchtlinge) Erfahrung des Holocausts und der totalen Kriegsführung im 2. Weltkrieg  Moralisierung des Völkerrechts Für neueste Entwicklungen (Internationaler Strafgerichtshof): „neue Kriege“, Bürgerkrieg, massive Menschenrechtsverletzung gegenüber der Zivilbevölkerung Normalfall von modernen Kriegen

Afrika, Staatlichkeit und Expansion des Völkerrechts über Europa hinaus Bis ins späte 19. Jh.: Völkerrecht Recht „zivilisierter Nationen“ (z.B. Nichtanerkennung des Osmanischen Reichs) Spannung zwischen Teilanerkennung von Völkerrechtssubjektivität vorkolonialer afrikanischer Staaten und Anmaßung eines Rechts auf Koloniale Landnahme

Notwendigkeit der Legitimation kolonialer Landnahme verweist auf die wahrgenommene Problematik der Landnahme bewohnter Gebiete Koloniale Legitimationsstrategien: –Zivilisierung, Öffnung für den Handel, Missionierung (Three „Cs“ – Ciziliation, Commerce, Christianity) –Unterbindung „menschenrechtswidriger“ Praktiken (v.a.: arabischer Sklavenhandel, vor allem im ostafrikanischen Raum)

Rechtsstatus afrikanischer Kolonien während des Kolonialismus Verschiedene Praktiken: „Protektorate“, Siedlerstaaten, Kolonien, Kronländer, Teil des Staatsgebiets (Algerien und Dakar bzw. Senegal in bezug auf Frankreich); nach dem 1.Weltkrieg: Mandatsgebiete des Völkerbundes/ 2. Weltkrieg: Treuhandgebiete der UN Kein Staatsbürgerschaftsstatus für Kolonialisierte: „Subjecthood“ (vgl. Mahmood Mamdani: Unterscheidung zwischen „Natives“, „Settlers“ und colonial aliens (Inder etc.). Daher auch keine entsprechende Rechtsentwicklung wie in Mutterländern Kolonialstaaten: Reine Verwaltungsstaaten

Dekolonisation Bruch mit klassischem Imperialismus bereits mit der Übernahme ehemaliger deutscher Kolonien als Mandatsgebiete Regierung im Interesse der Bevölkerung, implizit bereits Unabhängigkeit als langfristiges Ziel Atlantic Charta 1943: Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung. Formuliert in Hinblick auf die Expansionspolitik Nazi-Deutschlands, aber indirekt auch Legitimation für Unabhängigkeits- bewegungen

Globalisierung des Völkerrechts Globalisierung des Völkerrechts durch die Dekolonisation Wichtige Fortentwicklungen (diverse Konventionen) nur in Hinblick auf die Globalisierung des VR verständlich Globalisierung des Völkerrechts in neuerer Zeit aber auch getragen von sozialen Bewegungen

Staatlichkeit, Staatszerfall, Humanitäres Handeln Regionale Fortentwicklungen des VR (vgl. OAU Flüchtlingsdefinition), humanitäre Praxis zunehmend formuliert nicht gegen Staaten, sondern in Hinblick auf deren Zerfall/ Abwesenheit staatlicher Strukturen. „Totaler Zusammenbruch der Ordnung“ Humanitarismus daher auch als ein „Governance Regime“ der globalen Randzonen