Die Umweltkrise im Zeichen der imperialen Lebensweise Ulrich Brand 28

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Agenda (lat.): was zu tun ist 21: für das 21. Jahrhundert
Advertisements

Exit statt Exitus: Das rote Projekt für den grünen Umbau RLS-Frühjahrsakademie,
Düsseldorf, 20. März 2011.
Zukunftsfähiges Wirtschaften – Wie gelingt der ? Andrea Lindlohr MdL
Missverständnis 1: Geld und Zins können auf Dauer kontinuierlich wachsen Richtig ist, es gibt verschiedene Wachstums-Muster im materiellen Bereich: natürliches.
Politische Partizipation im Kontext von Armut und Klimawandel Eine neue Perspektive Vortrag zur Konferenz Klimawandel als Herausforderung für.
Demokratisierung ökonomischer Verhältnisse – Ausgangs- und Einsatzpunkte einer aktuellen Notwendigkeit Track#9: Demokratie und Ökonomie Momentum12, 28.Sept.
Aspekte der demographischen Entwicklung in der EU
- Soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen eines nachhaltigen Energiekonsums in Wohngebäuden Allgemeine Hypothesen zu den Determinanten.
„Chemie – Old Economy oder Fortschrittsmotor?“
Die asiatische Herausforderung:
Besonderheiten des 2. Vorschlags
Staatsfinanzen und Steuern aktualisiert März 2010
1. Wir können es: Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden
Corporate Citizenship – Teil 1
Was ist Globalisierung?
9. Jan: Klassen und Schichten
11. Sitzung Lernort Gemeinde Kirchensoziologische Betrachtungen.
Definition Allgemeines, Historisches
gegen Armut und soziale Ausgrenzung
Blutige Fakten Alle 15 Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen von Arbeit. Jährlich tödliche Arbeitsunfälle. Etwa zwei Mio. erliegen Berufskrankheiten.
Prekäre Beschäftigung in Europa
® LOG, Bruchköbel 2008 Fabian Dünow
Kapitel 1: Eine Einführung Kapitel 1 Einführung Einleitung
Wie groß ist mein Fußabdruck ?
Wirtschaft Technologie Umwelt Vorstand Wilfried Kurtzke Konjunktur: Aufschwung ohne breite Grundlage Einkommen, Nachfrage, Arbeitsplätze Kollektive Arbeitszeitverkürzung.
Staatsaufgaben Wirtschaftlicher Teil
Die Gewerkschaften und die Krise Budapest,
Mehr arbeiten – weniger verdienen... Ein Mausklick und es geht los: Mit jedem Mausklick wird es besser bei der Telekom.
Le défi démocratique: Quelle corrélation entre le niveau de la démocratie et le degré de la protection sociale ? Conseil de lEurope – Com. Sociale/Santé/Famille.
Kommentar: Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Daseinsvorsorge als globale Herausforderung. Rosa-Luxemburg-Stiftung politökonomische Perspektive die allgemeinen Produktionsbedingungen des.
Kapitel 1 Einleitung Originale (englisch) von Iordanis Petsas
Clean Capitalism? Die Inwertsetzung der Natur als Krisenstrategie Tagung Neoliberalismus – Krisenfolgen – Machtverhältnisse Graz, Markus Wissen.
Where Europe does business Lück, JDZB | Seite © GfW NRW 252 a.
Gibt es einen Klimawandel?
Was ist der Club of Rome? Gegründet 1968 in Rom von Aurelio Peccei & Alexander King Ein Club von Denkern und Wissenschaftlern, der sich mit der Frage beschäftigt,
Was ist Natur? 1. Definition
Weyregg – eine Pfarre zum Wohlfühlen
Symbolische Orte des (Klima-)Wandels KlimaSTADTWandel 4. Sächsischer Klimakongress 4. Dezember 2010, Theater Wechselbad Dr. Achim Brunnengräber.
GK/LK Sozialwissenschaften
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
„Dem Wert auf der Spur…“ Karl Marx‘ Das Kapital - Erster Band
Evangelische Internatsschule in Gaienhofen auf der Höri
Herbst-BFK Finca La Florida - Vom eigenen Land leben.
Automobilindustrie – Stand 22. Januar 2014
Europawahlprogrammentwurf Mitentscheiden Europa braucht ein starkes Parlament, kein regieren in Hinterzimmern Europa vor Ort – Subsidiarität respektieren.
Eine Fallstudie zum ökologischen Fußabdruck von China und Österreich im Vergleich Yu Shi Lehrgang „MehrsprachigeWissensvermittlerin für Nachhaltigkeit“,
Globalisierung für Arme?
REGIONAL POLICY EUROPEAN COMMISSION Überlegungen zur Zukunft städtischer Aktionen EU Kohäsionspolitik nach 2013 Dr. Alexander FERSTL, Europäische Kommission,
STAND UP- Der weltweite Aktionstag gegen Armut vom Oktober
WTO – W eltweit T aube O hren? Aktion für gerechten Welthandel zum G8-Gipfel 2007.
Die DaimlerChrysler AG
Referat „Soziale Wandel“
Aktion Impulse für den Wohnungsbau Verbändemeeting Berlin am
In welcher Welt leben wir?
Wohin entwickeln sich die Wohnungsmärkte?
Ein starkes Stück Deutschland
Multimedia und Virtual Reality Vorlesung am Martin Kurze Virtual Reality - Überblick.
1. Europa 1.1. Grenzen Europas.
Vorstellung des Faches GWU
F 1Neoliberalismus und sozialdemokratische Politik- Josef Weidenholzer I 1) Was verstehen wir unter Sozialdemokratie? I 2) Liberalismus und Sozialdemokratie.
Grundzüge der Entwicklungsmodelle
Das Auge des Orkans Kjell Nordstokke Versammlung 2015 Diakonia-DRAE 4. Juli 2015.
Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen Paulus im 2
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
Industrielle Revolution im 19.Jhd
Folie 1 Kulturelle Vielfalt: eine ethische Reflexion Peter Schaber (Universität Zürich)
Ausgangslage Problem zukunftsfähiger Politik
Transformationskurve und Opportunitätskosten
 Präsentation transkript:

Die Umweltkrise im Zeichen der imperialen Lebensweise Ulrich Brand 28 Die Umweltkrise im Zeichen der imperialen Lebensweise Ulrich Brand 28. Juni 2014 Tagungsreihe „Die Wirtschaft der Gesellschaft“, Frankfurt/M. jüngere Dynamiken mein Argument Begriff der (imperialen) Lebensweise: Charakteristika, historisch Beispiel Automobil imperiale Lebensweise als Klassenfrage (Begriff der Lebensweise als Strukturkategorie … je nach Zeit) Was tun?

Jüngere Dynamiken – einige Aspekte Aufstieg der Schwellen-/ Entwicklungsländer mit ressourcen-intensivem Modell (nachholende Industrialisierung, Ressourcen-Extraktivismus) Neue geopolitische und –ökonomische Konkurrenz (z.B. Arktis, Antarktis, Tiefsee; Fragen des Eigentums und Verfügbarkeit “Over half of the Earth’s surface is not currently under the jurisdiction of any nation.” (WTO, 2010). KRISE(N) Umweltkrise (Klimawandel, Resosourcenknappheit, Biodiv-Erosion etc.): zwischen ineffektiv und Re-Politisierung Teil einer multiplen Krise Krise der Überakkumulation  Staatsverschuldung Krise des neoliberalen Gesellschaftsumbaus … aber auch Persistenz (Austeritätspolitik)

Argument Problemlagen deutlich - „eigentlich“ gute Voraussetzungen, um materielle und energetische Basis der Gesellschaft zu verändern Es ändert sich wenig aus ökonomischen und politischen Gründen Scheitern des „Rio-Typus“ von Politik, globales Umweltmanagement Grenzen der ökologischen Modernisierung bzw. Green Economy Persistenz neoliberaler Verhältnisse Positionssicherung der Eliten Wachstumsorientierung Auch bei Verarmung viele Menschen: Hoffnung auf Normalisierung; weniger: Alternativen entwickeln

aber eben auch: tief verankerte imperiale Produktions- und Lebensweise die sich tendenziell vertieft und räumlich ausbreitet The new consumers (Kent/Myers) Transnationale Verbraucherklasse (Wuppertal-Institut) Ausbreitung bedeutet nicht, alle Menschen leben gleich (s.u.) eher eine Art allgemein akzeptierter Entwicklungslogik Dahinter stehen Interessen, Macht (gestern Energiewende) bestimmte Vorstellungen von „gutem Leben“ und gesellschaftlicher Entwicklung sind tief verankert  hegemonial

Imperiale Lebensweise Umweltkrise ist nicht-intendierte Folge des fossilistischen, industrialistischen und kolonialen Kapitalismus Charakteristika Produktivität der Natur ist zentral und negiert Exteriorisierung negativer Konsequenzen Reproduktion der Arbeitskraft ist einfacher unter diesen Bedingungen Als Teil einer expansiven kapitalistischen Produktionsweise – Geld vermittelt und Profit-/Wachstums-getrieben Menschen reproduzieren sich materiell immer stärker über Erwerbsarbeit / Geld (und Vermögen)

Imperiale Lebensweise (2) Strategische und praktische Dimensionen Unternehmenssrategien unter Konkurrenzbedingungen Staatliche Politiken Kolonialismus Wissenschaft und Forschung Entwicklungs-Dispositive – “Fortschritt”, gutes Leben Patriarchale Dimensionen und instrumentelle Rationalität tägliche Praktiken / Habitus / Status / Erfolg

historisch Seit Kolonialismus basiert Lebensweise der herrschenden Klassen in Zentren auf billiger Arbeitskraft und billigen / zugänglichen Ressourcen anderswo Verfügbarkeit über Markt und (macht-)politisch abgesichert 19. Jahrhundert: industrielle Revolution, Luxuskonsum Fordismus: neue und attraktive Lebensweise auch für Lohnabhängige Damit wird sie hegemonial, attraktiv Enorme Verbesserung der Lebensbedingungen breiter Bevölkerung carbon democracy (Timothy Mitchell) Heute global: zwei Drittel der Menschheit auf dem Weg in die fossilistisch-indistrialistisch-kapitalistische Lebensweise

Beispiel: Bedeutung und Dynamik des Automobils Deutschland (2010) 42 Millonen PKW – 51 Mio KfZ insgesamt; 40.000 mit Elektro- oder Hybridmotoren 50 % der Emissionen im Bereich Transport durch Autos Exporte Deutschland (Werte): 25% Transportindistrie, 15% Maschinenbau, 15% Chemie Dtl. 570 Autos pro 1000 EnwohnerInnen China ca. 10 für 1000; Beijing aber schon 100 (en 2007) Indien ca 6 Von 1999 - 2010: plus 38 % auf 800-900 Mio Autos Prognose: 1.600 Millionen in 2030

Globale Automobilproduktion 2010: 77,6 Mio (2009: 61,7 Mio.) China: 18,3 Mio Japan: 9,6 Mio USA: 7,8 mio Deutschland: 5,9 mio Süd-Korea: 4,3 mio Toyota: 7,2 mio General Motors: 6,5 mio Volkswagen 6,1, mio Ford: 4,7 mio Hyundai: 4,6 mio

Automobilität und Staat Staat als “soziales Verhältnis” (Poulantzas / Hirsch) ... sichert zuvorderst herrschende Interessen, aber auch Produktions- und Lebensweisen ab .... ist strukturell nicht-nachhaltig Sozial-ökologische Ausrichtung des Staates über Auseinandersetzungen, Veränderungen gesellschaftlicher (Kräfte-) Verhältnisse, staatliche Politiken Beispiel Abwrachpämie in Deutschland 2008/2009 als Teil der “Konjunkturpakete“ “Umweltprämie” in 2. Konjunkturpaket von Januar bis Sept 2009 2.500 EUR wenn Auto verschrottet wird und neues gekauft Großer Erfolg: 1,75 Millionen neue Autos Sicherte neben Gewinnen auch Arbeitsplätze Knüpfte an hegemoniale Produktions- und Lebensweise an

Imperiale Lebensweise als Klassenfrage Größe des ökologischen Fußabdrucks korreliert stark mit Einkommen Klassen-, milieuspezifische Lebensweise und Konsummuster Für Ober- und obere Mitteklassen: auch Distinktion bei Subalternen / Schwächeren Form der Reproduktion der Arbeitskraft Gesellschaftliche Teilhabe Kompensatorischer Konsum in entfremdeter (Arbeit-)Welt (Real-)Suggestion von Wahl- und Handlungsmöglichkeiten

Lebensweise Strukturkategorie Empirisch: Mannigfaltigkeit der Lebensweisen (z.B. Milieus) Nicht Lebensstil oder Konsummuster Wie reproduzieren sich Menschen materiell und symbolisch? Enger Zusammenhang mit kapitalistischer Produktionsweise Stark Geld-vermittelt (nicht ausschließlich) Für die meisten Menschen: Erwerbsarbeit (für manche Vermögen) Lebensweise ganz praktische Frage, nicht auf Bewusstsein reduzierbar Hegemoniale Lebensweise

Was tun? – Politiken hin zu emanzipatorischer und sozialökologischer Lebensweise Gegen wertkonservative oder grünbürgerliche generelle Perspektive auf Verzicht („Befreiung“) Frage der attraktiven Produktions- und Lebensweise in Bereichen Ernährung, Kleidung, Wohnen, Mobilität etc. Umfassende (Ver-)Lernprozesse Konversion mit Beschäftigten Nachhaltigkeit, aber auch Demokratie Entsprechende politische Initiativen und Projekte Verteilungsfragen stellen und bearbeiten Statt Wachstumszwänge – deren Zurückdrängung, Ausbau sozialer Infrastruktur

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! gerne zum Ansehen / Mitnehmen „ABC der Alternativen“, 2. Auflage (8.-) Buch „Postneoliberalismus“ (8.-) engl. Aufsatz zur imperialen Lebensweise aktueller Aufsatz zu Wachstumskritik in „Prokla“, Juni 2014