Schülerinnen und Schüler mit auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen Dr. Jókay, Mai 2012.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
0 – 12 Monate Alter Artikulation Satzbau Wortschatz
Advertisements

Gliederung der Ausführungen: Einleitung, Hauptteil, Schluss
Evaluation von Gesundheitsförderung im Unterricht und in der Schule
Zu Form und Gestaltung eines Referats
wie man es nicht machen soll.
Präsentationstechnik
Lautunterscheidungstest für Vorschulkinder (4-7 Jahre) LUT
Konstruktionsmerkmale 2 des neuen Bildungsplans der Schule für Hörgeschädigte in B.-W. Stecher, Rau , Löschmann, Martens-Wagner, Jacobsen, Erdmann-Barocka.
Inhalte zielgerichtet darstellen Adressatengerechte Informationen
Autismus in Oberschwaben
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS)
Das Didaktische Dreieck
Merkmale einer neuen Lernkultur
Auditive Wahrnehmungsstörungen und Verarbeitungsstörungen – AVWS
Eva Seng und Daniela Kretschmer Sonderschullehrerinnen
Wie hält man gute Vorträge?
„Gefahrenstelle Schriftspracherwerb“
Umgang mit erwartungswidrigem Verhalten
(AVWS) Überprüfung von Kindern und Jugendlichen
Umgang mit Kindern/Jugendlichen mit ADHS
Trainingsraum-Modell
Sprachen lernen in der Schule
Willkommen zu den Lerntypen.
Was man über Präsentationen wissen sollte
Grunderfahrungen für den Schreib- und Leselernprozess
Sprechfertigkeit Sprechen
TRANSAKTIONEN (Transaktionsanalyse)
Wichtige Fähigkeiten für die vwa (KOMPETENZEN)
„Wuppis Abenteuerreise durch die phonologische Bewusstheit“ ist ein umfassendes Sprachförderprogramm für Vorschulkinder, mit der Leitfigur Wuppi als liebenswerter.
12 Schritte zur didaktischen Orientierung bei der Vorbereitung von Unterricht .
KOMMUNIKATION ... will gelernt sein
Was sollten Schulanfänger wissen und können?
Elternabend Donnerstag,
Elternabend der Schule … vom …
SPRACHERWERB in FÜNF FERTIGKEITEN. 1. Hören 2. Lesen 3. An Gesprächen teilnehmen 4. Zusammenhängend sprechen 5. Schreiben.
Zusammenarbeit von SHP mit Lehr- und Fachpersonen
Visualisieren, Animieren und Präsentieren mit
Arbeiten mit Kompetenzrastern und Checklisten
Modul Nr.: 7 / Aktivität Nr.: 11 Günstige Lernumgebungen für SeniorInnen schaffen Modul Nr.: 7 / Activität Nr.: 1.
Keine Angst vor Referaten!
Zertifikat B1 Informationsveranstaltung II Athen Dr
Präsentationen im Unterricht
Fremdsprachenunterricht in der Volksschule
Kleingruppen leiten in Konfi3
VIA-Elterntraining Inhalt Besprechung der Hausaufgabe
Willkommen an der WBS.
Aufmerksamkeit, Funktion, Symptom Merkmale einer Legasthenie:
Verfassen von Aufsätzen
Wahrnehmungsstörung am Beispiel von Menschen mit autistischer Störung
Arbeit mit Arbeitsaufträgen
Emotionale Intelligenz
Hörbilderbuch Ein Baustein zur Medienbildung
ESL: Kommunikation.
Informationsveranstaltung zur Prüfung im Fach Schulpädagogik nach LPO I vom Termine Staatsexamen.
Entwicklungsspezifische Unterschiede im Textverstehen
WAS WAR DAS THEMA DER LETZTEN UNTERRICHTSSTUNDE ?
Eine gute Rede erstellen
Lerntypen.
„Und plötzlich sind sie Teenager…“ Modul 2: Gespräche mit Teenagern
1 2 Auf die Plätze, fertig, SCHULE ! ausgearbeitet vom Team 1/2 der GS Bessenbach Stand: November 2015.
Freiburger Elterntraining für Autismus-Spektrum-Störungen
Willkommen Deutsch 13b Helfen Sie bitte bei diesem Umbau.
Fakultät für Humanwissenschaften Lehrstuhl für Schulpädagogik, Dr. Matthias Erhardt I NFORMATIONSVERANSTALTUNG ZUR P RÜFUNG IM F ACH S CHULPÄDAGOGIK NACH.
1 Als pädagogische Fachkraft in der Kita Mütter, Väter und Kinder mit Flüchtlingserfahrungen begleiten.
Workshop: Wie setze ich Körpersprache gezielt ein? Eine Präsentation von Anka Pistner Modul 3: Klassenmanagement.
Englischunterricht mit dem Lehrmittel «New World».
Kommunikation mit Patienten Rothenburg ob der Tauber 19. November 2004.
Wertschätzende Kommunikation in der Pflege
Lesen & Schreiben Aufgabenkultur & Leistungsermittlung Rechtenthal 16./17. März 2015 Tel.:
 Präsentation transkript:

Schülerinnen und Schüler mit auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen Dr. Jókay, Mai 2012

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) Schüler mit AVWS hören zwar von der Lautstärke her normal, haben aber Probleme insbesondere beim Verstehen gesprochener Sprache unter Störlärm, bei der Lautunterscheidung und im Bereich der auditiven Merkfähigkeit. Dr. Jókay, Mai 2012

Beispiele für Teilfunktionen der zentral-auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung Auditive Lokalisation: Erkennen der Richtung einer Schallquelle Auditive Selektion: Herausfiltern informationsrelevanter Schallereignisse aus Störlärm Auditive Separation: Auswerten auf jedem Ohr zeitgleich einlaufender, aber unterschiedlicher Informationen (dichotisches Hören) Auditive Differenzierung: Unterscheiden von Hörereignissen auf Geräusch-, Klang-, Phonemebene Auditive Zeitauflösung: Verstehen von schneller als normal gesprochener Sprache Auditive Aufmerksamkeit: Lenken der Aufmerksamkeit auf allgemeine Schallereignisse (Horchen) Auditive Kurzzeitspeicherung: Merkfähigkeit (z. B. Geräusche, Wörter) Auditive Sequenzierung: Speichern in korrekter Reihenfolge Dr. Jókay, Mai 2012

Warnsignale im Alltag (zit. aus NICKISCH) häufiges Nachfragen, Missverständnisse und inadäquate Reaktionen auf verbale Aufforderungen hin auffallende Unempfindlichkeit/ Unaufmerksamkeit gegenüber Schallreizen oder übermäßige Empfindlichkeit gegenüber lauten oder schrillen Schallreizen auffallend vermindertes Sprachverstehen im Lärm und bei mehreren Gesprächspartnern wenig Interesse bzw. Ausdauer, wenn vorgelesen wird Richtungshörschwäche im Alltag Verwechslung klangähnlicher Wörter Probleme beim Auswendiglernen von Versen, Gedichten Merkfähigkeitsprobleme im Alltag bei mehrteiligen Aufforderungen Lese- und/ oder Rechtschreibstörungen bei ansonsten durchschnittlichen Schulleistungen Dr. Jókay, Mai 2012

Empfohlene Voruntersuchungen vor Testung von auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen (nach NICKISCH) Reintonaudiogramm Intelligenz, möglichst über einen großen Intelligenztest (z.B. HAWIK-R) Lese-Rechtschreibdiagnostik (75% der Kinder mit AVWS haben eine Legasthenie) Ggf. neuropsychologisch – kinderpsychiatrische Abklärung bzgl. einer schweren AD(H)S Möglichst differenzierte schulische Stellungnahme, ggf. auch über einen Fragebogen Dr. Jókay, Mai 2012

Unterscheidung AVWS – ADHS/ADS (geordnet nach Bedeutung für Störungsbild) Hörschwierigkeiten bei Störlärm Schwierigkeiten, längeren verbalen Instruktionen zu folgen Schwierigkeiten, länger zuzuhören Verzögerung der sprachl. Entwicklung Abgelenkt unaufmerksam AD(H)S Unaufmerksam Abgelenkt (hyperaktiv/unruhig/ impulsiv/Mangel an Ausdauer) (Regelverletzungen) Unstrukturiert Vergesslich Verzögerung der sprachl. Entwicklung Dr. Jókay, Mai 2012

Förderbedarfsfeststellung ja nein Periphere Hörschädigung Zentrale Prozesse des Hörens gestört Fragebögen, Vorbefunde, Anamnese, peripherer Hörstatus nonverb. IQ > 85 Psychologische Diagnostik der NV-kognitiven Fähigkeiten primärer Förderbedarf im auditiven Bereich MSD Hören oder FZ Hören SFZ anderer Förderschwerpunkte externe Diagnostik Audiologische Überprüfung der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung Psychologische Differenzialdiagnostik Verdacht auf komorbide Störungsbilder Ablaufschema der Förderbedarfsfeststellung Dr. Jókay, Mai 2012

Überprüfungsprofil Förderbedarf Dr. Jókay, Mai 2012

Folgen einer ausgeprägten AVWS – „einer unsichtbare Behinderung“ Oft erschwerter Lautspracherwerb Andere Kommunikationswege Oftmals Diagnosemarathon bei AVWS-Kindern Erschwerte Information Erschwerter Schriftspracherwerb Oft reduzierten Wortschatz Oft fehlerhafte Lautsprachgrammatik Dr. Jókay, Mai 2012

Unterrichtsbedingungen für Schüler mit einer AVWS Strukturierung, Visualisierung und Transparenz Dr. Jókay, Mai 2012

Äußere Struktur: Reduktion, Transparenz und Visualisierung Fester Arbeitsplatz mit gesichertem äußerem Rahmen Klassenzimmergestaltung:  Klare Raumordnung  Nicht überfrachten Klassenraum mit günstigen raumakustischen Bedingungen FM-Anlage Passender Sitzplatz : Lichtverhältnisse, Absehen, Hören Feste Regeln: Hausordnung/ Klassenregeln Dr. Jókay, Mai 2012

Innere Struktur: Reduktion, Transparenz und Visualisierung Vorausschauende Planung Kleine Arbeitsschritte Klar abgegrenzte Arbeitsphasen mit klarer Ansage des Wechsels Zeitlich großzügig planen Reizpausen und Hörpausen einplanen Gut gegliederter Unterricht Ankündigung der nächsten Schritte Schriftliche Stichwörter und Zusammenfassungen Symbole verwenden Ruhige Arbeitsatmosphäre Disziplinierte Unterrichtsgespräche – Schüler mit AVWS können immer nur einen Sprecher verstehen Abbildungen/Darstellungen/Filme/ Internet Handlungsorientierung („Learning by doing“) Dr. Jókay, Mai 2012

„AVWS-Prinzip“: Lehrersprache Gute Mimik und Gestik begleiten die Gespräche Für Gesprächsdisziplin sorgen Fokussierung der Aufmerksamkeit  erst dann reden Die Schüler mit Namen aufrufen und hindeuten Antlitzgerichtetheit Deutliche und verständliche Sprache (gut moduliert, nicht zu schnell und nicht zu langsam, nicht übertrieben) Dialekt vermeiden Auf angemessene Lautstärke achten Nebengeräusche vermeiden Dr. Jókay, Mai 2012 13

„AVWS-Prinzip“: Lehrersprache Sprechpausen einlegen Wenn möglich auf Augenhöhe kommunizieren (wörtlich gemeint!) Möglichst keinen Standortwechsel während des Sprechens Richtige Antworten der Schüler wiederholen bzw. wiederholen lassen (bei Wiederholungen gleiche Wortwahl verwenden) Korrektives Feedback / Auffangmethode Arbeitsaufträge knapp und klar formulieren Dr. Jókay, Mai 2012 14

„AVWS-Prinzip“: Transparenz Vorausschauende Planung Vor der Unterrichtseinheit den Schülern Informationen über den Ablauf zukommen lassen (Rahmen und Halt geben) Vorerwartungen aufbauen, Aktivierung von Vorwissen Themenwechsel immer ankündigen Klares, eindeutiges und konsequentes Lehrerverhalten Dr. Jókay, Mai 2012 15

„AVWS-Prinzip“: Reduktion Bezieht sich auf die sprachliche Aufbereitung und nicht auf die Lernziele Sprache vereinfachen: Nicht redundant, sondern verkürzt ( keine Bandwurmsätze) Sprechpausen nach Sinneinheiten Wortschatzvorentlastung (Wortinhaltserarbeitung/ -sicherung)  Zuerst Begriffe klären, dann inhaltlich arbeiten Sprachpotential der Schüler nicht überschätzen Übersichtliches und reizreduziertes Bildmaterial  klare Figur-Grund-Gliederung Dr. Jókay, Mai 2012 16

AVWS ist nicht gleich AVWS! Spezielle Unterstützungsmöglichkeiten Richtungshören (aud. Lokalisation): Hinweise auf aktuellen Sprecher in Klasse Trennung Störgeräusch/Nutzschall (auditive Selektion): wenig Hintergrundgeräusche, Kind zum Gespräch vorholen, Blickkontakt, vorne sitzen, ruhige Banknachbarn, visuell! Beidohriges Hören (dichotisches Hören): Gesprächsregeln! Dr. Jókay, Mai 2012

AVWS ist nicht gleich AVWS! Spezielle Unterstützungsmöglichkeiten Auditive Speicherung: langsames steigern von Speicherlängen, Nacherzählungen Phonemdifferenzierung: Wörter nach Silbenzahl unterscheiden lassen, Wortpaare mit vielen Unterschieden nachsprechen lassen, dann mit wenig Phonemidentifikation: Übungen zur phonologischen Bewusstheit („Wo hörst du bei Schrank das a?“) Auditive Aufmerksamkeit: Geschichten mit unpassenden Wörtern, Geschichten, wo immer bei einem bestimmten Wort aufgestanden werden muss… Dr. Jókay, Mai 2012

Anlaufstellen Niedergelassene HNO-Ärzte HNO-Kliniken (München-Großhadern, München-Rechts der Isar) Kinderzentrum München Staatliche Gesundheitsämter in Oberbayern („Hör-Sprechtage“) Dr. Jókay, Mai 2012 19

Anlaufstellen Pädagogisch-Audiologische Beratungsstellen Förderzentrum Hören, Musenbergstr. 32, 81929 München (Früherkennung, Grundschule) Tel.:95728-3702 e-Mail: sekretariat@fzhm.de Samuel-Heinicke-Realschule,Förderschwerpunkt Hören, In den Kirschen 1, 80992 München (ab 4.Klasse) Tel.: 089/17905-120 e-Mail: pab.lindauer@augustinum.de Dr. Jókay, Mai 2012