Der gläserne Wähler Über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Schätzung von Wähler-Wechsel-Wahrscheinlichkeiten Thomas Ledl Universität Wien Österreichische Statistik-Tage 5. Oktober 2006
Prognosen zur Nationalratswahl 2006
Gerhart Bruckmann (1966)
Inhalt: Meinungen Hochrechnung Wählerstromanalyse Ergebnisse Zusammenfassung Links und Quellen
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Diverse Meinungen „Wie soll das gehen, dass man identifiziert, wer wohin gewechselt hat, wenn man nicht einmal von einer der beiden Wahlen weiß, wer was gewählt hat?“ „Da werden aber Befragungsergebnisse auch miteinbezogen, oder?“ „Das glaub ich nicht. Das kann ja keiner überprüfen.“
Diverse Meinungen „Wahlbörsen, Wählerstromanalysen und Hochrechnungen werden zwar in der Öffentlichkeit viel beachtet, in der politikwissenschaftlichen Forschung aber nur selten diskutiert, weil die Methodologie jeweils komplex und ungewohnt ist.“ (Ogris & Hofinger, 2002) „Eine Wahl ist eine Veranstaltung zur Überprüfung demoskopischer Vorhersagen.“ (Robert Lembke)
Begriffsabgrenzung Wählerstromanalyse: Schätzung von Wählerwanderungen zwischen einer vergangenen Vergleichswahl und der aktuellen Wahl (meistens nur mithilfe der Wahldaten) Wahlhochrechnung: Verwendung von Teilergebnissen der aktuellen Wahl und des Endergebnis einer Vorwahl zur Prognose des Endergebnisses der aktuellen Wahl Wahltagsbefragung (exit poll): Befragung beim Verlassen des Wahllokales Wahlanalysen: obige Punkte & Theorienbildung Wahlbörsen
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Law of Cubic Proportion
SP06 = a + b x SP02
Modelle mit einem Parameter (Bruckmann, 1966) Stimmenanteil proportional dem Anteil bei der Vorwahl Stimmenanteil proportional dem Anteil der anderen Parteien bei der Vorwahl Konstante Differenzen Odds-ratio-Ansatz Gerade geht durch 0/0 Gerade geht durch 1/1 Gerade hat Steigung 1 Gleichseitige Hyperbel durch 0/1, 1/1 und dritten Punkt
Probleme – Aspekte - 1 Daten in Scatterplot sind heteroskedastisch Daten im Scatterplot sind autokorreliert Interpretation von b als Übergangsrate nicht immer möglich (Schätzungen tw. kleiner als 0 oder größer als 1) => Unrestringierter OLS-Schätzer ist ungeeignet und liefert unplausible Ergebnisse!
Probleme – Aspekte - 1 Daten in Scatterplot sind heteroskedastisch Daten im Scatterplot sind autokorreliert Interpretation von b als Übergangsrate nicht immer möglich (Schätzungen tw. kleiner als 0 oder größer als 1) => Unrestringierter OLS-Schätzer ist ungeeignet und liefert unplausible Ergebnisse! Gemeinden sind stark inhomogen, sowohl bezüglich der Stimmenanteile alsauch bezüglich des Parteiwechselverhaltens zwischen 2 Wahlen => Gemeinden müssen nach unterschiedlichen Parteiwechselverhalten unterschieden werden (Clustering, Mischverteilungsmodelle)
Probleme – Aspekte - 2 Stimmenanteil einer Partei bei der aktuellen Wahl i.a. nicht nur vom Stimmenanteil einer Partei bei der letzten Wahl abhängig => Multiples Regressionsmodell: SP06 = a + b x SP02 + c x VP02 + d x FP02 + e x GR02 + f x LIF02 + g x NW02 Multikollinearität Voraussagen für SP06, VP06, FP06, GR06, BZ06, And06 und NW06 sind ebenfalls (tw. stark) korreliert => Multivariates multiples Regressionsmodell (SURE)
SP06 = a1 + b1 x SP02 + c1 x VP02 + d1 x FP02 + e1 x GR02 + f1 x NW02 VP06 = a2 + b2 x SP02 + c2 x VP02 + d2 x FP02 + e2 x GR02 + f2 x NW02 FP06 = a3 + b3 x SP02 + c3 x VP02 + d3 x FP02 + e3 x GR02 + f3 x NW02 GR06 = a4 + b4 x SP02 + c4 x VP02 + d4 x FP02 + e4 x GR02 + f4 x NW02 BZ06 = a5 + b5 x SP02 + c5 x VP02 + d5 x FP02 + e5 x GR02 + f5 x NW02 And06 = a6 + b6 x SP02 + c6 x VP02 + d6 x FP02 + e6 x GR02 + f6 x NW02 NW06 = a7 + b7 x SP02 + c7 x VP02 + d7 x FP02 + e7 x GR02 + f7 x NW02
Probleme – Aspekte - 3 Veränderungen der Wählerschaft Wahlkarten
Nach Entwicklung eines geeigneten Modelles:
Multipler Ansatz führt direkt zur Wählerstromanalyse – die Übergangsmatrix fällt als “Abfallprodukt” an
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Wechselwählerverhalten
Wechselwählerverhalten
Der ökologische Trugschluss
Der ökologische Trugschluss – Was tun? Validierung anhand der Hochrechnung: stets bessere Hochrechnung =>verlässlichere Schätzungen Wahrscheinlichkeitsaussagen gegeben ein Modell (Maximum Likelihood)
Modell Betrachte Übergangswahrscheinlichkeiten anstelle von Übergangsanteilen
Modell Sicht jeder einzelnen Person: Abgabe der Stimme bei der aktuellen Wahl ist ein multinomialer Entscheidungsvektor mit n=1 Beispiel: FP-Wähler von 2002 hat eine Stimme. Stimmabgabe: (SP06,VP06,FP06,GR06,BZ06,And06,NW06)= (0,0,0,0,1,0,0)
Modell Dieser Vektor (0,0,0,0,1,0,0) ist die Realisierung eines Multinomialexperimentes mit den Wahrscheinlichkeiten (c1,c2,c3,c4,c5,c6,c7) Varianzen einer Summe von unabhängigen multinomialverteilten Zufallsvektoren bekannt Kovarianzen der Elemente einer Summe von unabhängigen multinomialverteilten Zufallsvektoren bekannt ML-Schätzung möglich
Modell
Modell X...alte Wahl, y...neue Wahl, β…Wählerwechselwahrscheinlichkeiten Alle Wahrscheinlichkeiten sind zwischen 0 und 1 Zeilensumme ist 1 Neues Wahlergebnis im gesamten Wahlgebiet= =altes Wahlergebnis x Übergangsmatrix
Modell F(β) ist dennoch konvex! X...alte Wahl, y...neue Wahl, β…Wählerwechselwahrscheinlichkeiten Ω hängt vom gesuchten Parametervektor β ab Ω ist singulär, im allgemeinen mit Rangdefizit N Restriktionen für β F(β) ist dennoch konvex!
Restriktionen für β
Probleme – Aspekte - 1 Daten in Scatterplot sind heteroskedastisch Daten im Scatterplot sind autokorreliert Interpretation von b als Übergangsrate nicht immer möglich (Schätzungen tw. kleiner als 0 oder größer als 1) => Unrestringierter OLS-Schätzer ist ungeeignet und liefert unplausible Ergebnisse! Gemeinden sind stark inhomogen, sowohl bezüglich der Stimmenanteile alsauch bezüglich des Parteiwechselverhaltens zwischen 2 Wahlen => Gemeinden müssen nach unterschiedlichen Parteiwechselverhalten unterschieden werden (Clustering, Mischverteilungsmodelle)
Probleme – Aspekte - 1 Gemeinden sind stark inhomogen, sowohl bezüglich der Stimmenanteile alsauch bezüglich des Parteiwechselverhaltens zwischen 2 Wahlen => Gemeinden müssen nach unterschiedlichen Parteiwechselverhalten unterschieden werden (Clustering, Mischverteilungsmodelle)
Alternative Möglichkeiten Exit-Poll (Wahltagsbefragung) Datenbeschaffung Bewusst falsche Auskunft Unerreichbarkeit der Nichtwähler Falsche (verzerrte) Rückerinnerung Panel Teuer Falsche Auskunft
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Hochrechnung EU-Wahl 2004
Partei: SP Bundes-land: NÖ
Partei: VP Bundes-land: NÖ
Partei: FP Bundes-land: NÖ
Partei: GR Bundes-land: NÖ
Partei: MARTIN Bundes-land: NÖ
Partei: SP Bundes-land: OÖ
Partei: VP Bundes-land: OÖ
Partei: FP Bundes-land: OÖ
Partei: GR Bundes-land: OÖ
Partei: MARTIN Bundes-land: OÖ
Partei: VP Bundes-land: Salzburg
Hochrechnung EU-Wahl 2004 Gesamt - Österreich
Partei: SP inklusiveWien
Partei: SP exklusiveWien
Partei: VP inklusiveWien
Partei: VP exklusiveWien
Partei: FP inklusiveWien
Partei: FP exklusiveWien
Partei: GR inklusiveWien
Partei: GR exklusiveWien
Partei: MARTIN inklusiveWien
Partei: MARTIN exklusiveWien
Wählerstromanalyse Übergänge zwischen den Nationalratswahlen 2002 und 2006
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
Tirol
Vorarlberg
Wien
Österreich
Modellschwachpunkte Beobachtungen bei vergangenen Wahlen
EU-Wahl 2004: Wien
EU-Wahl 2004: Österreich
Nationalratswahl 1999 auf 2002:
Zusammenfassung/ Ausblick Für den Statistiker interessant, da viele unverzerrte Daten Prognoseunterschiede verschiedener Hochrechnungsmodelle sind für den Konsumenten irrelevant Wählerstromanalysen liefern teilweise massive Unterschiede Das Multinomialmodell scheint den anderen Modellen in der Hochrechnung leicht überlegen zu sein Über Clustereinteilungen muß verstärkt nachgedacht werden
Links und Quellen http://SunSITE.univie.ac.at/Austria/elections http://www.sora.at http://www.siemens.at/wahl http://www.bmi.gv.at/wahlen http://homepage.univie.ac.at/thomas.ledl
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