Geschichte der deutschen Lyrik vom 17. bis 21. Jahrhundert

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 Präsentation transkript:

Geschichte der deutschen Lyrik vom 17. bis 21. Jahrhundert Modul B3 18. Jahrhundert III: Antike und Moderne Prof. E. Geulen Neuere deutsche Literaturwissenschaft Sprechstunde: Dienstags 18-19.30 Uhr Vorlesung 4

Gegenstände der Vorlesung: Rekapitulation der letzten Vorlesung Das Erhabene: Brockes („Der Punct“) und Klopstock („Frühlingsfeyer“) Diachroner Exkurs: Antike und Moderne in Aufklärung, Empfindsamkeit und Sturm und Drang (1750-1780)

ad 2) Das Erhabene, Stichworte: “Über das Erhabene” (Pseudo-Longinus, 1. Jhd. n. Chr.); Kant: Das mathematische Erhabene und das dynamische Erhabene in der “Kritik der Urteilskraft” (1793) genus sublime Das Schöne vs. das Erhabene Unendlichkeit und Ohnmacht als ästhetische Lustgefühle: Erniedrigung und Erhebung des Subjekts als Erfahrung des Erhabenen Beispiel 1: Brockes, “Der Punct”, Reader Nr. 14 Beispiel 2: Klopstocks “Frühlingsfeyer” (freie Rhythmen!) Reader Nr. 28 Klopstock in Goethes Briefroman “Die Leiden des jungen Werther” (1774) Übergang zu Antike und Moderne Stichworte: Querelle des Anciens et des Modernes

ad 3) Antike und Moderne im 18 ad 3) Antike und Moderne im 18. Jahrhundert: die Diskussion um Mimesis (Nachahmung) und Poiesis (Schöpfung, Einbildungskraft) anhand von fünf Texten: a) Johann Jakob Winkelmann, “Gedanken über die Nachahmung der Griechen” (1755) b) Johann Jakob Herder, “Shakespear” (1772) c) Goethe, “Winkelmann und sein Jahrhundert” (1805) d) Schiller, “Über naïve und sentimentalische Dichtung” (1795) e) Hölderlin, Brief an Böhlendorff 1801

ad a) Aus Winkelmann, Gedanken über die Nachahmung: Der einzige Weg für uns groß, ja unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten. Die Kenner und Nachahmer der griechischen Werke finden in ihren Meisterstücken nicht allein die schöne Natur, sondern noch mehr als Natur, das ist, gewisse idealische Schönheiten derselben. Es gilt, die Verehrung der Denkmale der Griechen vom den ihr von vielen beigemessenen Vorurteile zu befreien, um nicht zu scheinen der Nachahmung derselben bloß durch den Moder der Zeit ein Verdienst beizulegen Das Studium der Natur ist ein längerer, umständlicherer Weg, den das Studium der Antike kürzer macht.

ad a) Aus Winkelmann, Gedanken über die Nachahmung: Wenn der Künstler auf diesen Grund baut und sich die griechische Regel der Schönheit Hand und Sinne führen läßt, so ist er auf dem Wege, der ihn sicher zur Nachahmung der Natur führen wird. Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterwerke ist endlich eine edle Einfalt und stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdruck. So wie die Tiefe des Meeres allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeigt der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.

ad b) Aus Herder, „Shakespear“: In Griechenland entstand das Drama wie es in Norden nicht entstehen konnte, in Griechenland wars, was es in Norden nicht sein kann. In Norden ists also nicht und darf nicht sein, was es in Griechenland gewesen ist. Das Künstliche ihrer Regeln war – keine Kunst, war Natur! Zu Shakespeare: Hier ist kein Dichter, ist Schöpfer, ist Geschichte der Welt”! … der Gedanke, daß auch dieser große Schöpfer von Geschichte und Weltseele immer mehr veralte, daß, da Worte und Gattungen der Zeitalter wie ein Herbst von Blättern welken und absinken, wir schon jetzt aus diesen großen Trümmern der Ritternatur so weit heraus sind (…) Glücklich, daß ich noch im Ablaufe der Zeit lebe, wo ich ihn begreifen kann!

ad c) Aus Goethe: „Winkelmann und sein Jahrhundert“ In ihn hatte die Natur gelegt, was den Mann macht und ziert. (…) Der Mensch und das Menschliche wurden am wertesten gedacht, und alle seine innern, seine äußern Verhältnisse mit so großem Sinne dargestellt als angeschaut. Noch fand sich das Gefühl, die Betrachtung nicht zerstückelt, noch war jene kaum heilbare Trennung in der gesunden Menschenkraft nicht vorgegangen. Eine solche antike Natur war, insofern man es nur von einem seiner Zeitgenossen behaupten kann, in Winckelmann wieder erschienen. So sehr Winckelmann schon hier auf dem rechten Wege erscheint, so köstliche Grundstellen diese Schriften auch enthalten, so richtig das letzte Ziel der Kunst darin schon aufgesteckt ist, so sind sie doch, sowohl dem Stoff als der Form nach, dergestalt barock und wunderlich, daß man ihnen wohl vergebens durchaus einen Sinn abzugewinnen suchen möchte, wenn man nicht von der Persönlichkeit der damals in Sachsen versammelten Kenner und Kunstrichter unterrichtet ist.

ad c) Aus Goethe: „Winkelmann und sein Jahrhundert“ Aber es ist auch nur eine Täuschung, wenn wir selbst Bewohner Athens und Roms zu sein wünschen. Nur aus der Ferne, nur von allem Gemeinen getrennt, nur als vergangen muß uns das Altertum erscheinen. Winckelmann erhob sich zu einer Geschichte der Kunst und entdeckte, als ein neuer Kolumbus, ein lange geahndetes und besprochenes, ja man kann sagen, ein früher schon gekanntes und wieder verlorenes Land. Goethe, Römische Elegien V und VII, Reader Nr. 37 und 41 Schiller, Dichter der alten und der neuen Welt, Reader Nr. 41a

ad d) Aus Schiller, “Über naïve und sentimentalische Dichtung”: Das Naïve ist eine Kindlichkeit, wo sie nicht mehr erwartet wird, und kann deswegen der wirklichen Kindheit in strengster Bedeutung nicht zugeschrieben werden. Die Naiven sind, was wir waren; sie sind, was wir wieder werden sollen. Wir waren Natur wie sie, und unsere Kultur soll uns, auf dem Wege der Vernunft und der Freiheit zurückführen. Naiv muß jedes wahre Genie sein, oder es ist keines. Seine Naivität allein macht es zum Genie … Unbekannt mit den Regeln, den Krücken der Schwachheit und den Zuchtmeistern der Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem Instinkt, seinem schützenden Engel geleitet, geht es ruhig und sicher durch alle Schlingen des falschen Geschmacks … Nur dem Genie ist es gegeben, außerhalb des Bekannten noch immer zu Hause zu sein und die Natur zu erweitern und über sie hinauszugehen.

ad e) Aus Hölderlin, Brief an Böhlendorff vom 4.12.1801 Wir lernen nichts schwerer als das Nationelle frei gebrauchen (…) Es klingt paradox. Aber ich behaupte es noch einmal und stelle es Deiner Prüfung und Deinem Gebrauche frei: das eigentlich Nationelle wird im Fortschritt der Bildung immer der geringere Vorzug werden. Deswegen sind die Griechen des heiligen Pathos weniger Meister, weil es ihnen angeboren war, hingegen sind sie vorzüglich in Darstellungsgabe, von Homer an, weil dieser außerordentliche Mensch seelenvoll genug war, um die abendländische Junonische Nüchternheit für sein Apollonsreich zu erbeuten, und so wahrhaft das Fremde sich anzueignen. Bei uns ists umgekehrt. Deswegen ists auch so gefährlich, sich die Kunstregeln einzig und allein von griechischer Vortrefflichkeit zu abstrahieren. Ich habe lange daran laboriert und weiß nun, daß außer dem, was bei

ad e) Aus Hölderlin, Brief an Böhlendorff vom 4.12.1801 den Griechen und uns das Höchste sein muß, nämlich dem lebendigen Verhältnis und Geschick, wir nicht wohl etwas gleich mit ihnen haben dürfen. Aber das eigene muß so gut gelernt sein wie das Fremde. Deswegen sind uns die Griechen unentbehrlich. Nur werden wir ihnen gerade in unserm eigenen, Nationellen nicht nachkommen, weil, wie gesagt, der freie Gebrauch des Eigenen das Schwerste ist.

Zur Vorbereitung der nächsten Sitzung: Hölderlin, “Stimme des Volks”, Reader Nr. 45 Eichendorff, “Nachtblume”, Reader Nr. 53 Goethe, “Auf dem See”, Reader Nr. 36 Brentano, “Abendständchen” und “Säusle liebe Mirte” und “Was reif in diesen Zeilen steht ..” (Nr. 46, 47, 48) Eichendorff, “Zwei Gesellen”, Reader, Nr. 51