Soziale Netzwerke und Soziale Unterstützung von Kindern

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 Präsentation transkript:

Soziale Netzwerke und Soziale Unterstützung von Kindern Dipl. Päd. Julia Elisabeth Günther TU Dresden 28.05.2009

Soziale Netzwerke und Beziehungen von Kindern in der Netzwerk- und Unterstützungsforschung erst spät thematisiert wenig und späte lebenslaufbezogene und altersgruppenspezifische Arbeiten und Erhebungen Kindheitsforschung vor allem auf Mutter-Kind-Beziehung und Gleichaltrigenbeziehungen bezogen danach vereinzelt Arbeiten zu ausgewählten Beziehungsformen von Kindern (Geschwister-, Freundschaftsbeziehungen…) oder bestimmter „Problemgruppen“ erst ab ca. 1990er Jahren verstärkt ganzheitlichere Netzwerkperspektive und –forschung Fazit aller Arbeiten: Netzwerke und Unterstützung zentral für Sozialisation, Wohlbefinden und Gesundheit von Kindern!

Kindernetzwerke und soziale Unterstützung beeinflussen positiv sozio-emotionale Entwicklung (Bryant 1985) sprachliche Kompetenz (Salzinger & Hampson 1988) soziale, kognitive, motorische Fähigkeiten (Gödde et al. 1996) Schulerfolg (Cochran & Bø 1989) Selbstkonzept (van Aken & Asendorpf 1997) Verhaltensauffälligkeiten (Svedhem 1994) Anzahl selbstberichteter krimineller Handlungen (Cochran & Bø 1989) gesundheitsbezogene Lebensqualität (Ravens-Sieberer & Wille 2008)

Zentrale Sektoren kindlicher Netzwerke

Das Wichtigste zuerst: Die Familie I Familiennetze starken Veränderungen unterlegen Wandel von Familienformen  mehr Kinder in Ein-Eltern-Familien, nicht-ehelichen Gemeinschaften, Stieffamilien etc. mehr soziale Elternschaft  z. B. in Fortsetzungsfamilien, seit 1990 leichter Anstieg Kinder in Pflegefamilien geringere Familiengröße, weniger Geschwister- beziehungen, mehr Halb- und Stiefgeschwister erweitertes familiäres Netz ist kleiner, vor allem weniger vertikale Verwandte aber längere Großeltern-Enkel-Beziehungen („Bohnenstangen-Familie“)

Die Familie II: Struktureigenschaften und Einflussfaktoren Studie mit 8- bis 9jährigen Kindern (Kinderpanel DJI ; Alt 2005) Größe der wahrgenommenen Familie 9,5 (♀ ) bzw. 8,3 Personen (♂) Kinder mit positivem Selbstbild größeres Familiennetz als mit negativem (9,2 bzw. 6,7 Personen) Kinder verheirateter Mütter größere familiale Netze als von ge- trennt lebenden, ledigen, geschiedenen und verwitweten Müttern Kinder mit Migrationshintergrund kleinere Familiennetze (7,9 bzw. 9,1) Familiennetzwerke der Kinder vollzeiterwerbstätiger Mütter < nicht erwerbstätiger Mütter < Teilzeit arbeitender Mütter mit steigendem sozialen Status nimmt Größe des familialen Netzes zu, ebenso die Qualität der Beziehungen aus Kindersicht Belastungen der Wohnumgebung (schlechtes Umfeld) verschlechtern auch die Qualität familiärer Beziehungen

Die Familie III: Eltern-Kind-Beziehung geprägt durch biologische Verbundenheit, hohe Emotionalität, Unauflöslichkeit Eltern, insbes. Mütter, primäre Bezugs-, Bindungs- und Unterstützungspersonen im Kindesalter und primäre Ansprechpartnerin für ältere Kinder/Jugendliche bei Problemen Väter etwas weniger relevant für soziale Unterstützung, insbesondere für Mädchen, und hier teilweise Vater weniger bedeutend als Freunde/innen (Freitag 1995) Unterstützungspotenzial der Eltern aus Kindersicht abhängig von Familienform: Kinder mit leiblichen Eltern > Kinder in Stieffamilien (Thomson et al. 1994) Pflegeeltern ~ biolog. Eltern (Nestmann et al. 2008, Günther 2008)

Wer gehört noch zur Familie? Geschwister trotz Geburtenrückgang nur ca. 25% aller Kinder geschwisterlos 48% haben 1 Schwester/Bruder, 19% =2 Geschwister, 8 % = 3 oder mehr (StatBA 2005) positiv: Kontinuität, Nähe und Intimität, vielfältige soziale Unterstützung, Koalition gegen Eltern, Vorbild problematisch: ambivalente Empfindungen, Rivalität, Konkurrenz, Eifersucht, Streit je besser Geschwisterbeziehung, umso wohler fühlen sich Kinder in Familien aber: Kinder mit vielen Geschwistern öfter in prekären Lebenslagen, schlechteren Wohnverhältnissen und Bildungs- und Freizeitbedingungen

Großeltern nach Eltern (und Haustieren) meist zweitwichtigste Bezugspersonen – vor allem Großmütter im Jugendalter Freunde wichtiger Großeltern-Enkel-Beziehungen weniger konfliktbelastet als Eltern-Kind- und Geschwisterbeziehungen Beziehungen zu Großeltern starken Veränderungen unterworfen infolge demografischer und familialer Wandlungen (z.B. mehr soziale Großelternschaft statt biologischer) oft spezifische Unterstützungsfunktionen für Kinder, z. B. Hausaufgabenhilfe, Betreuung, Geselligkeit Vermittlung von Orientierungen und Werten häufig wichtigste Unterstützungspersonen bei problematischen familiären Lebenssituationen (z. B. Trennung/Scheidung d. Eltern)

Nachbarschaft und Wohnumfeld Bedeutung bislang unterschätzt, aber: neben Familie und Schule die primäre Lebenswelt von Kindern nach der Schule zentraler Raum zum Knüpfen von Beziehungen und Freundschaften wichtig für Freizeitverhalten und Sicherheit (Kontakträume, Infrastruktur) Nachbarskinder wichtig für Geselligkeit, Kommunikation, soziale Unterstützung Bedingungen der Nachbarschaft beeinflussen z. B. Schullaufbahn, Bildungserfolge, Risikoverhalten, Teenagerschwangerschaften (Brooks-Gunn & Duncan (1997) Effekte durch Rollenvorbilder, Vergleichsfolien und positive bzw. negative Peergruppeneinflüsse

Gleichaltrige und Freunde im Gegensatz zu familiären Beziehungen freiwillig, kündbar weitere Kennzeichen von Peers: ähnliches Alter, ähnliche Bedürfnisse und Interessen, relative Gleichberechtigung primäres Beziehungssystem neben Familie, im Jugendalter wichtig für Ablösung vom Elternhaus wichtig zum Erlernen sozial-kognitiver Fähigkeiten multifunktional: umfangreiche soziale Unterstützung, z.B. Gesprächspartner bei Problemen, Vermitteln von Geborgenheit und sozialen Standards Kinderfreundschaften selbst unterstützungsabhängig, z.B. durch Eltern, räumlich-zeitliche Bedingungen, Institutionen

Welchen Einfluss haben unterschiedliche Lebensorte auf die sozialen Netzwerke von Kindern? DFG-Forschung an der TU Dresden (2002-2005) Erhebung persönlicher Netzwerke 6- bis 12jähriger Kinder (N=60) in Heimerziehung (10 ♂, 10 ♀) Pflegefamilien (10 ♂, 10 ♀) Herkunftsfamilien (10 ♂, 10 ♀) Netzwerkvergleich hinsichtlich struktureller Aspekte (z.B. Größe, Dichte, Primär- u. Sekundärbeziehungen) sowie qualitativ-funktionaler Dimensionen (z.B. soziale Unterstützung, Kontrolle, Konflikte)

Ergebnisse Netzwerkgröße männlich weiblich gesamt N 30 60 Mittelwert   männlich weiblich gesamt N 30 60 Mittelwert 32.53 42.87 37.7 Standardabweichung (10.34) (17.58) (15.22)   F Signifikanz Zwischen den Gruppen 7.704 .007

Netzwerkzusammensetzung II Familienkind Familie Schule Verwandtschaft Nachbarschaft Freizeit   Heimkind Heim Pflegekind Pflegefamilie Verwandtschaft 1 Herkunftsfamilie Verwandtschaft 2

Dominanz institutioneller und nicht freiwilliger Netzwerkbeziehungen bei den Heimkindern fehlende nachbarschaftliche Beziehungen bei Heimkindern zwei Verwandtschaftsnetzwerke bei Pflegekindern Heimkinder haben trotz hoher Kontaktchancen die wenigsten Freunde

Nähe und Distanz von Beziehungspersonen Mädchen haben zu mehr Personen sehr enge Beziehungen als Jungen nahestehendste Personen sind Eltern, Pflegeeltern und Erzieherinnen Pflegekinder haben trotz Trennung weiter sehr enge Bindung an ihre Herkunftseltern Heimkinder haben die größte Anzahl distanzierter Beziehungen bei Heimkindern steigt Bedeutung der Geschwister- beziehung, wenn diese mit im Heim leben emotionale Nähe bzw. Distanz korreliert nicht mit der Funktionalität von Netzwerkmitgliedern

Qualitativ-funktionale Netzwerkdimensionen 1.Soziale Unterstützung   Heim-kinder Pflege- kinder Familien-kinder gesamt männlich 52.8 53.4 70.2 58.8 (21.85) (29.68) (39.34) (31.13) weiblich 59.2 57.7 70.7 62.53 (16.3) (31.58) (25.79) (25.17) 56 55.5 70.45 60.67 (19.04) (29.91) (32.38) (28.13) Unterbringungsform und Netzwerkgröße beeinflussen signifikant die Menge der Unterstützungsleistungen Familienkinder haben funktionalere Netzwerkbeziehungen als Heim- und Pflegekinder Heimkinder, insbesondere Jungen, erleben weniger emotionale Unterstützung, Rückhalt und Geborgenheit als andere Kinder Jungen haben weniger Unterstützungspersonen als Mädchen. Im schulischen Kontext haben Jungen signifikant weniger unterstützende Personen als Mädchen

2. Soziale Regulation und Kontrolle   Heimkinder Pflege-kinder Familien-kinder gesamt männlich 22.6 13.5 12.2 16.1 (10.84) (5.72) (5.43) (8.83) weiblich 27.1 10.9 14.1 17.37 (10.96) (7.31) (4.84) (10.58) 24.85 13.15 16.73 (10.86) (6.53) (5.1) (9.68) Heimkinder erleben signifikant mehr Regulationen Heimkinder erhalten mehr Verbote und Regulationen zur Sicherung eines geregelten Tagesablaufs Heimkinder erleben weniger Anleitung und Führung im Alltag und in für sie unbekannten Situationen Kontroll- und Regulationsfunktionen werden fast ausschließlich von Erwachsenen ausgeübt

3. Soziale Belastungen und Konflikte   Heim-kinder Pflege-kinder Familien-kinder gesamt männlich 8.3 11.9 12.1 10.77 (5.67) (6.54) (6.95) (6.43) weiblich 11.1 13.6 19.1 14.6 (8.44) (6.45) (8.96) (8.46) 9.7 12.75 15.6 12.68 (7.14) (6.38) (8.59) (7.69) Heimkinder fühlen sich signifikant am wenigsten durch andere Personen belastet Mädchen erleben signifikant mehr Belastungen als Jungen Heimkinder erhalten mehr Strafen, Pflege- und Familienkinder erleben mehr Normkonflikte Angst und Gewalt spielen für alle Kinder als Belastungsdimensionen keine Rolle

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit