Frailty Das Frailty-Konzept und seine praktische Relevanz MHH, 11.07.2012, Hörsaal M K. Hager Zentrum für Medizin im Alter Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung.

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Diagnose, Prävention und Therapie des postoperativen Psychosyndroms und des Delirs im Alter , 3. Medizinisch-Psychiatrisches Colloquium, Hildesheim.
Advertisements

„Schach dem Herzinfarkt“
Hoebel, Jens; Richter, Matthias; Lampert, Thomas
Anthroposophische Medizin Rudolf Steiners
Kompetenzfeld Tod und Trauer
„Netzwerk Medizin und Geschlecht“ an der Medizinischen Hochschule Hannover Projektleitung: Dr. phil. Bärbel Miemietz Projektkoordination: Larissa Burruano,
Individualisierte Medizin am Inselspital Genetik und Perioperative Medizin.
study of medicine no obligatory training content in almost all medical schools (universities) in Germany elective subject for medical students during.
Vorlesung: 1 Betriebliche Informationssysteme 2003 Prof. Dr. G. Hellberg Studiengang Informatik FHDW Vorlesung: Betriebliche Informationssysteme Teil2.
"Neurobiologische Effekte körperlicher Aktivität"
Medizinische Psychologie
Studien zur Effektivität Bereich: affektive Störungen Vergleichbare Wirksamkeit von religiöser und nicht religiöser kognitiver Verhaltenstherapie für die.
Behinderung und Männlichkeit
Behinderung – was ist das ?
Klinische Bedeutung somatoformer Störungen
Prof. Dr. med. Burkhard Weisser Sportmedizin CAU Kiel
S. Kujumdshiev, Pneumologie, Frankfurt
AWA 2007 Natur und Umwelt Natürlich Leben
LEBEN MIT DER KRANKHEIT DIABETES
Herztransplantation und Molekularbiologie: Der Patient profitiert von der Forschung und gibt ihr Impulse Ao. Univ. Prof. DDr. Seyedhossein Aharinejad.
“Ärzte ohne Grenzen – Gesundheit mit Grenzen” Ärzte ohne Grenzen, Anita Sackl Wien, Oktober 2010 © Sophia Ioannou MSF.
Epitheliale Hauttumoren 2010 Teil2
Prävention und Anti-Aging: die Medizin des 21. Jahrhunderts Christoph M. Bamberger Medizinisches PräventionsCentrum Hamburg am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Geriatrie Geriatrie Geriatrie – 1 1.
Mobilität und Rehabilitation – die Rolle der Akutgeriatrie
Weg mit dem Speck Präventivmedizin. Bedeutung von Bewegung am Beispiel des Metabol. Syndroms Dr. Helmut Brath Diabetesambulanz Gesundheitszentrum Süd,
Dem Krebs davonlaufen? Ist das möglich?
Name Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Osteoporose - Häufigkeit in Deutschland
Gastrointestinaler Stromatumor (GIST)
Medizinische Universität Wien, Abteilung für Rheumatologie
Darmkrebsvorsorge Dr. Alexander Calderoni
Abschluss-Symposium „FISCHNETZ“
G. Gatterer Geriatriezentrum am Wienerwald
Gesundheit ist nicht das wichtigste?
Besondere Bedürfnisse, Störungen, Erschwerungen, Behinderungen, sind relativ. Kann ein Klassifikationssystem Objektivität und Gerechtigkeit sicherstellen?
Lebensqualität von Lymphödem – Patienten
Bekanntheit und Wissen über COPD
Kompetenz hat ein Gesicht –
Cluster 3 – Psychische Erkrankungen und Pension (inkl. Begutachtungen)
Grippeimpfung im Alter Gibt es valide Daten?
3. Treffen des Lymphnetzwerkes im Kreis Heinsberg
Einführung in die klinische Medizin
Ethische Aspekte der Diagnostik und Therapie depressiver Störungen
Dr. med. Judit Koller Modenschau Mode Frau müde.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Myokardinfarkt – Tatsächliche Mortalität
Sturzprävention im Pflegeheim
Plötzlicher Herztod – Definition (I)
HIV-Infektion in der Schwangerschaft
Innovationsforum Magdeburg
Akute myeloische Leukämie
Osteoporose in Bielefeld und OWL
Forum für Altersfragen Kanton Zug 12. Juni 2014
Die perioperative Therapie beginnt beim Hausarzt
Wie wird Gesundheit diagnostiziert und gemessen ?
Apathiesymptome nach Schlaganfall:
„Hängen Gesundheit und Leistungs-fähigkeit unweigerlich zusammen?“
Was ist Qigong? Qigong auch (Chi Kung) genannt hat seinen Ursprung in China und wird dort seit mehr als 1500 Jahren erfolgreich praktiziert Qigong gehört.
Was ist Gesundheit? 健康 ¨Die Abbildung zeigt Äskulap mit Äskulapstab. Er war bei den Alten Grieche der Halbgott der Medizin. Der Äskulapstab ist noch heute.
Sepsis erkennen, initiale Diagnostik und Therapie
Älter werden - Abhängig sein?
– Herausforderungen für Frauen mit HIV
K. Hager Hinfällig nach einer akuten Erkrankung – Reha oder palliativ? (Geriatrische Versorgungsstrukturen, geriatrische Rehabilitation, Prognose, palliatives.
18. Mai 2015 Dr. med. Cyrill Jeger-Liu, Olten
Praktische Anwendung des I S A R
Franz Jakob Muskelschwund im Alter – Was wissen wir darüber Universität Würzburg Bezirk.
ALBERT-LUDWIGS- UNIVERSITÄT FREIBURG Einführung „Klinische Psychologie“ Tobias Stächele - Vertiefendes Seminar zur Vorlesung Klinische Psychologie - Institut.
Burnout, Depression und Ängstlichkeit bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Lucia Jerg-Bretzke¹, Harald C. Traue¹, Kerstin Limbrecht-Ecklundt²,
K. Hager, M. Brecht, O. Krause, V. Grosse
 Präsentation transkript:

Frailty Das Frailty-Konzept und seine praktische Relevanz MHH, 11.07.2012, Hörsaal M K. Hager Zentrum für Medizin im Alter Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH Photo aus dem Internet

Agenda Einführung, Beispiele Konzept, Ursachen Differentialdiagnostik Einleitung Agenda Einführung, Beispiele Konzept, Ursachen Differentialdiagnostik Operationalisierung Prävalenz prognostische Bedeutung Pathophysiologie Prävention, Therapie

Einleitung Mod. Barthel-Index bei Aufnahme und relatives Risiko für die Entlassung ins Heim Mod. Barthel-Index Hager, K.: Die Vorhersage eines komplexen Therapieergebnisses. Vortrag bei der DGGG-Jahrestagung 1997 3

Biologische Redundanz und Alter Konzept, Ursachen Biologische Redundanz und Alter

Konzept, Ursachen Reservekapazität ca. 40% der Organkapazität ermöglichen ein Leben im Rahmen von Alltagsaktivitäten aber: geringere Kompensationsfähigkeit für Störungen der Homöostase in einigen Organsystemen bestehen höhere, in andere niedrigere Reserven unterschiedliche Verläufe (z.B. Erkrankungen)

Physiologische Parameter und Alter Konzept, Ursachen Physiologische Parameter und Alter Alter (Jahre) Physiologische Parameter Alltagstauglichkeit Gebrechlichkeit, Frailty 65 100

Frailty – eine Definition Konzept, Ursachen Frailty – eine Definition “A biologic syndrome of decreased reserve and resistance to stressors, resulting from cumulative declines across multiple physiologic systems and causing vulnerability to adverse outcomes” Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156

Konzept, Ursachen Definition von Gebrechlichkeit laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Frailty) Gebrechlichkeit ist keine Krankheit, sondern ein komplexes Syndrom, das mit dem Lebensalter eines Patienten assoziiert auftritt, sich aber ursächlich nicht nur mit dem Alter erklären lässt. Gebrechlichkeit ist die Folge des natürlichen Alterungsprozesses, kombiniert mit diagnostizierbaren Organ- und Funktionsstörungen, die in der Summe zu erhöhten diagnostischen, pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen führen.

Diff.Diagnose Prefrailty Sternberg et al., JAGS 59:2129–2138, 2011

Komorbidität – Behinderung – Frailty Diff.Diagnose Komorbidität – Behinderung – Frailty “Frailty: the aggregate of subclinical losses of reserve across multiple physiologic systems” “Comorbidity: the aggregation of clinically manifest diseases present in an individual” Fried et al., 2004, J. Geront., Vol. 59/3, M255-M263 Disability: Behinderung, ein mögliches Symptom von Frailty Fatique-Syndrom: Zustand bei chronischen Erkrankungen

Überlappungen Diff.Diagnose Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156

Definition und Operationalisierung 5 Kriterien Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156

Operationalisierung Messung von Gebrechlichkeit laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Frailty) Wenn bei einem Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter drei oder mehr der nachfolgend aufgeführten Faktoren vorliegt, so spricht man von einem Frailty-Syndrom: unfreiwilliger Gewichtsverlust (über 10 % in einem Jahr oder mehr als 5 % in sechs Monaten) objektivierte Muskelschwäche (beispielsweise durch Handkraftmessung bestimmt) subjektive Erschöpfung (mental, emotional, physisch) Immobilität, Instabilität, Gang- und Standunsicherheit mit Sturzneigung herabgesetzte körperliche Aktivität (hinsichtlich basaler und/oder instrumenteller Alltagsaktivitäten) Werden nur zwei dieser Kriterien erfüllt, so spricht man vom Prefrailty-Syndrom.

Operationalisierung Komplexe Kriterien - Canadian Study of Health and Aging (CSHA) Frailty Index Rockwood et al., CMAJ • 2005; 173 (5), 489-494

Operationalisierung Einfaches Kriterium - klinischer Eindruck, z.B. die CSHA Clinical Frailty Scale Rockwood et al., CMAJ • 2005; 173 (5), 489-494

Frailty – Messen oder klinischer Eindruck Operationalisierung Frailty – Messen oder klinischer Eindruck Rockwood et al., CMAJ • 2005; 173 (5), 489-494

Frailty Subtypen Physical Frailty Phenotype (PFP) Operationalisierung Frailty Subtypen Physical Frailty Phenotype (PFP) Mental Frailty Phenotype (MFP) Social Frailty Phenotype (SFP) Garre-Olmo et al., Age and Ageing 2012; 0: 1-6, doi: 10.1, 093/ageing/afs047

Screening-Instrumente für Frailty Operationalisierung Screening-Instrumente für Frailty Das ideale Instrument gibt es (noch) nicht. Bestehende Instrumente erkennen „Frailty“ relativ gut. Instrumente stufen aber zu viele Personen als „frail“ ein, zu viele falsch positive Ergebnisse - schwierig für Interventionsstudien Pijpers et al., Eur. J. Intern. Med., 2012, 23/2, 118-123

ICD-10 Kodierung mit R54 (ist aber nicht erlösrelevant) Operationalisierung ICD-10 Kodierung mit R54 (ist aber nicht erlösrelevant) statt dessen beispielsweise (erlösrelevant) U50 (Motorische Funktionseinschränkung, z.B. Barthel-Index) Z74 (Probleme mit Bezug auf Pflegebedürftigkeit)

Häufigkeit von Frailty Prävalenz Häufigkeit von Frailty Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156 CHS – n=4,735; 4 U.S. communities Age: 65-101; mean 72.7 Gender: 57% female; 42% male

Prävalenz von Frailty und Prefrailty Anstieg mit dem Alter Frauen häufiger „frail“ 41,8% prefrail 8,4% frail Garcia-Garcia et al., The Journal of Nutrition, Health & Aging, Volume 15, Number 10, 2011, 852-856

Frailty - Überleben Prognostische Bedeutung Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156

Prognostische Bedeutung von Frailty Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156 „Frailty“ besitzt eine hohe prognostische Wertigkeit für Überleben, Pflegebedürftigkeit, Mobilität

Frailty – CSHA Clinical Frailty Scale Prognostische Bedeutung Frailty – CSHA Clinical Frailty Scale Rockwood et al., CMAJ • 2005; 173 (5), 489-494

Prognose von Frailty Prognostische Bedeutung Song et al., JAGS 58:681–687, 2010

Frailty und Überleben Prognostische Bedeutung Song et al., JAGS 58:681–687, 2010

Pathophysiologie von „Frailty“ - Makroebene Fried et al., J. Geront. 2001, Vol. 56A, No. 3, M146-M156

Frailty – ein Teufelskreis Pathophysiologie Frailty – ein Teufelskreis Ahmed et al., The American Journal of Medicine (2007) 120, 748-753

Frailty - Mikrokosmos Pathophysiologie Sakuma und Yamaguchi, Journal of Aging Research, 2012, 251217, 11 Seiten Frailty - Mikrokosmos

Biomarker für Frailty? IL-6 CRP TNF- Immunologische Parameter Pathophysiologie Biomarker für Frailty? IL-6 CRP TNF- Immunologische Parameter Leberfunktion … ALT (GPT) Le Couteur et al., J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 2010 July;65(7):712–717

Prävention und Therapie von Frailty Prävention, Therapie Prävention und Therapie von Frailty Prävention der Funktionsverluste im Verlauf des Alterns Prävention von Erkrankungen Therapie von und Rehabilitation nach Erkrankungen Therapie von Frailty Alter (Jahre) Physiologische Parameter Prefrailty Gebrechlichkeit, Frailty 65 100

Prävention von Frailty Prävention, Therapie Prävention von Frailty Sternberg et al., JAGS 59:2129–2138, 2011

Prävention und Therapie Prävention, Therapie Prävention und Therapie Krankheiten soweit möglich behandeln Medikamente optimal einstellen „geriatrische“ Herangehensweise möglichst viel optimieren geriatrisches Assessment und Komponenten der Frailty behandeln (Mangelernährung, Sarkopenie...) Sarkopenie vermindern Kraft- bzw. Ausdauerübungen eiweißreiche Ernährung Ernährung optimieren positive Einstellung (Ostir et al., Psychol. Aging 2004, 19:402-408) Versorgungssituation klären ggf. Hilfsmittelanpassung Medikamente? Hormone?

Training verbessert die physische Leistungsfähigkeit Prävention, Therapie Training verbessert die physische Leistungsfähigkeit Binder et al., JAGS 50:1921–1928, 2002

Frailty und Ernährung Prävention, Therapie Volkert, SZE, 2009, 4, 25-30

Proteinzufuhr Prävention, Therapie Paddon-Jones und Rasmussen, Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care 2009, 12:86–90

Prävention, Therapie „hochkalorisches“ Frühstück einer gebrechlichen älteren Dame am 09.07.2012

Weitere medikamentöse Therapie, nur einige Beispiele? Prävention, Therapie Weitere medikamentöse Therapie, nur einige Beispiele? Muskeldystrophie? Eicosapentaenoic acid, ursolic acid (Sakuma, 2012) Leucin-Supplementation? wie im Fitnessstudio Hormone? Anabolika? Testosteron-Supplementation beim Mann bei Testosteronmangel? …

Prävention und Therapie Prävention, Therapie Prävention und Therapie Food: maintain intake Resistance exercises Atherosclerosis: prevent Isolation: avoid (i.e., go out and do things) Limit pain Tai Chi or other balance exercises Yearly check for testosterone deficiency http://www.thedoctorwillseeyounow.com/content/aging/art2070.html?getPage=1

Etliche Interventionsstudien Prävention, Therapie Etliche Interventionsstudien Studie aus Göteborg dreiarmig über 80jährige, selbständige Menschen nach 3 Monaten keine Veränderung der „Frailty“, aber Selbsteinschätzung der Gesundheit und der Selbständigkeit verbessert Gustafsson et al., JAGS, 2012, 60: 447-454

Zusammenfassung Zusammenfassung -1 Gebrechlichkeit (frailty) ist ein Zustand, der klinisch intuitiv erfasst werden kann. Gebrechlichkeit ist ein (geriatrisches) Syndrom definiert durch eine herabgesetzte Kompensationsfähigkeit in multiplen Systemen mit erhöhter Vulnerabilität und letztlich schlechter Prognose mit unterschiedlichen Schwerpunkten – physisch, mental, sozial mit Überlappungen zu Behinderung und Morbidität viele Assessmentinstrumente (einfach bis komplex) Häufigkeit bei über 65jährigen ca. 6%, Anstieg mit dem Alter, bei über 85jährigen ca. 25%-40% Frauen häufiger betroffen als Männer Prefrailty ca. 40% der über 65jährigen?

Zusammenfassung -2 Prognostisch ungünstig z.B. Versterben, Übersiedeln in ein Pflegeheim, Mobilität, Pflegebedarf Alternsprozess und Erkrankungen als Ursache Mangelernährung, Sarcopenie… Biomarker? Prävention und Therapie frühzeitig erkennen und gegensteuern, möglichst bei „Prefrail“ beginnen mit dem Erkennen von Frailty „energische Maßnahmen“ Krafttraining, Ernährung … Der Frailty-Prozess kann, analog dem Alternsprozess, nicht gestoppt, aber beeinflusst werden.

Zusammenfassung Bedenken Ist Frailty tatsächlich ein eigener „Phänotyp“ oder wäre es besser, die einzelnen Aspekte von Frailty (z.B. Sarkopenie, Malnutrition) eigenständig zu untersuchen? Ist „Frailty“ hilfreich für die tägliche Praxis?

Literaturstellen und Arbeiten beim Referenten