Institut für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments Sommersemester 2009 Basismodul-Unterseminar: Wege ins Neue Testament. Einführung in die.

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Institut für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments Sommersemester 2009 Basismodul-Unterseminar: Wege ins Neue Testament. Einführung in die Exegese neutestamentlicher Texte Textkritik

Einführung Textkritik Verlorengehen der Originalhandschriften des NT -> kein Erhaltensein eines Autographen Aufgabe und Ziel der Exegese: Auslegung und Verstehen der neutestamentlichen Texte in ihrer ursprünglichen Überlieferung, nicht in der sekundären Textüberlieferung Vielzahl und Vielfalt der Handschriftenüberlieferung mit einer großen Zahl von kleineren und größeren Abweichungen Ziel der Textkritik: hypothetische Rekonstruktion des ursprgl. Textes aus der späteren Überlieferung der Texte in Handschriften, Lektionarien, Übersetzungen

Textvarianten Bereitstellen von Kriterien für die Zuordnung und Bewertung einzelner Handschriften, um darüber bestimmte Lesarten zu begründen Textvarianten: von einer oder mehreren Handschriften bezeugte unterschiedliche Lesarten in der Überlieferung des neutestamentlichen Textes Kein Verstehen der neutestamentlichen Schriften im Sinne des Verbotes der Veränderung von Wörtern oder Buchstaben Ursachen für die Abweichungen bzw. Varianten: Freiheit zur Verbesserung des Textes (absichtliche interpretierende Korrekturen) und Schreib- und Hörversehen

Aufgaben der Textkritik 1. Notieren der Handschriften-Varianten 2. Identifizierung der jeweiligen Textzeugen für bestimmte Lesarten und ihre textgeschichtliche Lokalisierung 3. Textkritische Entscheidung bzgl. des ursprünglichen Wortlautes

Gliederung der neutestamentlichen Textzeugen Gliederung der Handschriften nach Beschreibstoff, Schriftform, Inhalt Kombinierte Gliederung in Papyri, Majuskeln, Minuskeln und Lektionare

Papyri Große Bedeutung aufgrund ihres hohen Alters und der guten Textqualität Insgesamt 116 neutestamentliche Papyri bekannt Älteste bekannte Urkunde P52 mit Joh 18.31-33.37f. aus dem 2. Jh. Chester Beatty Papyrus (2./3. Jh. n. Chr.): P45: Evangelien, P46:Paulusbriefe bis auf 2 Thess, Phil und die Pastoralbriefe, P47: Apk Papyrus Bodmer (2./3. Jh. n. Chr.): P66> Johannesevangelium als Buch, P72 Judas- und 1. und 2. Petrusbrief, P75 Lukasevangelium und das Johannesevangelium Wichtigkeit der Chester-Beatty-Papyri der Bodmer-Papyri aufgrund ihres Alters und des Umfangs und des Charakters der von ihnen gebotenen Texte

Majuskeln Insgesamt 307 Majuskeln bekannt Die älteste Pergamenthandschrift stammt aus dem 2./3. Jh. und Vorliegen von Fragmenten für das 3/4. Jh. Dominierende Rolle der großen Pergamenthandschriften aus dem 4./5. Jh. für die Konstitutierung des neutestamentlichen Textes:

א(01) Codex Sinaiticus Vollbibel aus dem 4. Jh. (gesamtes NT und große Teile des AT) Entdeckt 1844 von Tischendorf im Katharinenkloster auf dem Sinai; 1859 Übereignung an den russischen Zaren; 1933 Verkauf des Codex an das Britische Museum hoher Textwert

A (02): Codex Alexandrinus Vollbibel aus dem 5. Jh. (gesamtes At; NT bis auf Mt 1,1-25,6; Joh 6,50-8,52; 2Kor 4,13-12,6) Nachweisbarkeit der Handschrift seit dem 11. Jh. in der Bibliothek des Patriarchen von Alexandria; Geschenk an England Schwankender Wert des Textes (in den Evangelien niedrig, am höchsten in der Offb.), weil der Schreiber unterschiedliche Vorlagen benutzte

B (03) Codex Vaticanus Enthält fast das gesamte AT und das NT bis Hebr 9,14a Älteste erhaltene Pergamenthandschrift: 350 n. Chr. geschrieben; nachgewiesen seit 1475 in der Bibliothek des Vatikans Bedeutendste Majuskel und enge Verwandtschaft mit P75

C (04) Codex Ephraemi Syri (rescriptus) Vollbibel aus dem 5. Jh.; Abschabung im 12. Jahrhundert und erneute Beschreibung mit 38 Traktaten des Kirchenvaters Ephraem in griech. Übersetzung (Palimpsest) Wiedergewinnung des früheren Texts durch Tischendorfs chemische Aufbereitung der Handschrift Geringe Teile des AT; NT bis auf 2Thess und 2Joh Mäßiger Textwert aufgrund erheblicher Lücken und vieler Eigenheiten in den Evangelien Heute in der Nationalbibliothek in Paris

D (05) Codex Bezae Cantabrigiensis Griechisch-lateinische Bilingue aus dem 5./6. Jh. Enthält den größten Teil der Evangelien, die Apostelgeschichte und ein Bruchstück des 3Joh Benennung nach dem früheren Besitzer Theodor Beza, der die Handschrift 1581 der Universität Cambridge vermachte Begrenzter Textwert aufgrund der vielen Zufügungen, Streichungen und Neuformulierungen v.a. bei Lukas und in der Apg

Minuskeln Die Masse der neutestamentlichen Handschriften bilden die Minuskeln Einführung der Minuskel als Buchschrift als Ersatz für die lateinische Schrift in Großbuchstaben -> Einsatz der Minuskelhandschriften im 9. Jh. Die älteste Minuskelhandschrift ist die Evangelienminuskel 461 aus dem Jahr 835 Keine volle Auswertung der Minuskeln für die Textkritik bis jetzt; zunehmende Bedeutung aufgrund ihrer teilweise hohen Textqualität (80% Koine-Text, 10% mit altem wertvollen Text)

Lektionare Geringes textkritisches Gewicht der Lektionare Konzeption a priori für den gottesdienstlichen Gebrauch -> Aufgliederung des Texts nach der Leseordnung der Kirche Lektionare enthalten vornehmlich den Koine-Text bzw. byzantinischen Reichstext

Weitere Kriterien für die Zuordnung und Bewertung einzelner Handschriften: Der frühe Text Älteste Textzeugen: Handschriften vom 2. Jh. – 3./4. Jh. Bezeugung des sog. frühen Textes vor der Ausbildung von festen Texttypen: 39 Papyri automatische Bedeutung und Priorität der Handschriften des frühen Textes bei der Rekonstruktion des „Urtextes“ aufgrund ihres Alters Ab dem 4. Jh. Entscheidung allein der Qualität des Textes

Texttypen Ägypten: Alexandrinischer Texttyp ( P 75, Codices B,A,א) Sorgfalt der Überlieferung -> größte Bedeutung für die Gewinnung des „Urtextes“ Kennzeichen: Kürze und Strenge der Ausdrucksform; der Text ist im Allgemeinen kürzer und weist weniger grammatikalische und stilistischer Verbesserungen auf Weiterentwicklung zum ägyptischen Text unter Einfluss des Koine-Textes

Texttypen Antiochia: Koine-Text bzw. Byzantinischer Reichstext Benannt nach seiner allgemeinen Verbreitung Rasche Durchsetzung in der byzantinischen Kirche und daher von der Mehrheit der Handschriften bezeugt Kennzeichen: sprachliche Glättung, Eleganz des Ausdrucks, stilistische Änderungen, inhaltliche Harmonisierung -> Unterwerfung unter starke Veränderungen geringer Wert für die textkritische Arbeit, aber teilweise Bewahrung alter Lesarten

Texttypen nach seinem Hauptvertreter genannter D-Text (Codex D 05) Bezeugung vor allem im westlichen Mittelmeerraum, entstanden im Osten des Römischen Reiches Kennzeichen: Korrekturen, Umstellungen, Hinzufügungen, Paraphrase bei Lk und Apg vgl. Apg ist um 10% länger als der Text in den übrigen Handschriften Hoher Wert nur bei Übereinstimmung mit dem alexandrinischen Text, ansonsten von geringer Bedeutung

Textkritische Entscheidung: Äußere Kriterien 1. Die bestbezeugte Lesart ist ursprünglich. 2. Die Verwandtschaft der Handschriften ist zu berücksichtigen. 3. Zeugengruppen sind gegeneinander abzuwägen. 4. Paralleleinfluss ist zu berücksichtigen. 5. Zusammenhängende Lesarten müssen beachtet werden.

Textkritische Entscheidung: Innere Kriterien 6. Die schwierigere Lesart ist ursprünglich (lectio difficilior). 7. Die kürzere Lesart ist ursprünglich (lectio brevior). 8. Die bevorzugte Lesart muss im Einklang mit dem Kontext stehen. 9. Aus der bevorzugten Lesart müssen sich die Varianten erklären lassen. 10. Nur im äußersten Fall darf man die Konjektur zu Hilfe nehmen