Geistliche Höfe als literarische Zentren

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 Präsentation transkript:

Geistliche Höfe als literarische Zentren Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Kanzler des Reichs; Wolfger von Erla, Bischof von Passau; Engelbert von Berg, Erzbischof von Köln.

Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Kanzler des Reichs (s Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Kanzler des Reichs (s. LexMA) * um 1120, † 14.8.1167; 1159-67 Erzbischof von Köln. Ausbildung an der Domschule von Hildesheim; Studium in Paris; in zahlreichen diplomatischen Missionen der Kirche und des Reichs tätig. 1156 Berufung zum Kanzler des röm. Reichs und Vertreter des Kaisers. 1159 auf Veranlassung des Kaisers Friedrich I. zum Erzbischof von Köln gewählt (aber erst 1165 auf Druck der Reichsbischöfe zum Priester geweiht). Große Verdienste für den Aufbau der Reichsverwaltung in Italien. 1164 Überführung der Gebeine der heiligen drei Könige aus dem unterworfenen Mailand nach Köln (Dreikönigsschrein des Nicolaus von Verdun von 1181 im Dom zu Köln).

Schrein des Nicolaus von Verdun (1181) für die Gebeine der hl Schrein des Nicolaus von Verdun (1181) für die Gebeine der hl. Drei Könige Dom zu Köln, Chor

Ein Dichter in der Umgebung des Erzbischofs: der Archipoeta (s Ein Dichter in der Umgebung des Erzbischofs: der Archipoeta (s. VL, Bumke, LV 3, S. 157f.) Der Autor: unbekannt, nur über das ‚Pseudonym‘ Archipoeta ‚Erzdichter/oberster aller Dichter‘ identifiziert. Selbstnennung auch vates vatum ‚höchster Dichter‘ (sog. hebr. Genitiv, vgl. Buch der Bücher). Werk: ausschließlich lateinisch; raffinierte Stilisierung. Erhalten sind 10 sangbare und zum Vortrag bestimmte Gedichte, in der Überlieferung z.T. neumiert. Form: oft in der sog. Vagantenstrophe. Sie lassen sich anhand von Anspielungen auf Zeitumstände in die Jahre 1161-1167 und in die Umgebung Reinalds von Dassel und Kaiser Friedrichs I. datieren. Reinald gegenüber nennt sich der A.: poeta/vates tuus (‚dein Dichter‘)

Archipoeta: Das Werk Mehrfach Bitte um Entgelt für Dichtung; Schilderung persönlicher bitterster Armut (Topos??), z.T. verbunden mit einem Lob Rainalds von Dassel und seiner Freigebigkeit (IV, VII); Freigebigkeit des Gönersim Tausch gegen Dichtung (VII) Schilderung der elenden Situation des Vagantendichters: Hunger, Kälte, Krankheit, kein Geld für Wein und Mädchen etc. „Dichten kann ich nur, wenn ich genügend Wein habe…“ (IV). Bitte um einen Mantel (VII). Auf Kaiser Friedrich I. bezogen: a) Ablehnung der Bitte, ein Kaiserepos zu verfassen (Lied IV); b) Lobhymnus auf den Kaiser und seine Herrschaft unter Gerechtigkeit und Friede (IX: Salve mundi domine, Cesar noster, ave!). Sog. Vagantenbeichte X: Estuans intrinsecus ira vehementi ..). Spiel mit dem Wortlaut der Bibel und der Liturgie, klass. Autoren. Ganz bezogen auf die Bildungswelt der Litterati.

Der Archipoeta und die lateinische „Vagantendichtung“ (LexMA) Internationale Geltung des Lateinischen als Sprache der Verständigung, der Wissenschaft und der Literatur im europäischen Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Lateinische Literatur: europaweit entstanden, international, überall verstanden. Eigenständige Fortführung der antiken Traditionen und innovative Neugestaltung in Themen, Formen, Gattungen. „Vagantendichtung“ des 11.-13. Jhs.: weitgehend anonym. Vielfach zum gesungenen Vortrag bestimmt. Themen: a) Moralische und gesellschaftskritische Tendenzen, oft satirisch, einschl. Kirchenkritik; b) Liebeslieder; c) Trink- und Spielerlieder. Bedeutendste Sammlung: die ‚Carmina Burana‘ (‚Lieder aus Benediktbeuern‘), Handschrift um 1230. Der Archipoeta hier CB 191 und 220/220a. – Sonst vielfach kleinere Sammlungen und Streuüberlieferung.

Archipoeta: Überlieferung / Texte Bei den meisten Lieder nur geringe Breite der Rezeption. Überlieferung: eine autornahe Handschrift, 2. H. 12. Jh., die fast alle Gedichte des A. enthält: Göttingen, UB, Cod. philol. 170. Einzelne Text auch mehrfach überliefert; Ausnahme: die sog. Vagantenbeichte (Estuans intrinsecus) in über 30 Hss. Textausgaben: Langosch (reclam; schlechte Übersetzung, neue Ausg. in Vorbereitung); ‚Vagantenbeichte‘ auch in: Carmina Burana, hg. von G. Bernt (reclam); oder hg. von B. K. Vollmann (Klassiker Verlag, m. gutem Kommentar).

Die sog. Vagantenbeichte des Archipoeta (= Carmen Buranum 191, andere Hss. mit ausführlicheren Fassungen, bis zu 25 Strophen ) Anrede an Reinald von Dassel 6,1: Presul discretissime … Darlegung des eigenen (unsteten) Lebenswandels: Leben ohne Halt (2,2f.; 3); in schlechter Gesellschaft (3,4); stets im Dienst der Venus und den Mädchen zugetan (4); mehr am Vergnügen als am Seelheil interessiert (5); ich vermag nichts gegen meine haltlose Natur (6-7: res est arduissima vincere naturam); sterben will ich im Wirtshaus, beim Wein (12ff.: Meum est propositum in taberna mori; Beginn eines auch separat überlieferten Trinklieds); es gibt Dichter, die die Öffentlichkeit scheuen und im Verborgenen doch nichts Großes zustande bringen. Ich aber brauche die Zerstreuung, Lust, den Wein, die leichten Mädchen (13ff.).

Ungemein glatte Verstechnik, elegante Stilistik, reich an erkennbaren Anspielungen auf die römischen Klassiker und die Bibel. Zahlreiche biblische Anspielungen z.B.: - 1,4: Blatt im Wind (Hiob 13,25) - 2,2 auf einen Felsen bauen (Mt 7,24) - 5,1f. der breite Weg (der zur Hölle führt, im Gegensatz zum schmalen, der zum Himmel führt, nach Mt 7,13).

Geistliche Höfe und ihre Literaturförderung (2) Der Passauer Bischofshof Wolfgers von Erla

Wolfger von Erla, Bischof von Passau um 1140 – 23. Jan. 1218 Wolfger von Erla: Aus kleinadligem Geschlecht; erst nach Tod der Ehefrau in die geistliche Laufbahn gewechselt. 1184 Propst von Zell am See und Domherr in Passau. 1191-1204 Bischof von Passau; überragende Persönlichkeit in der Landespolitik und in der Verbindung des Reichs zur päpstlichen Kurie. Aufgaben: Geistlicher Oberhirte und Landesfürst. 1195 an der Konfliktlösung im Zusammenhang der Geiselnahme von Richard Löwenherz beteiligt. – Ab 1198 Reichslegat in Italien. 1204-1218 Patriarch von Aquileia.

Wolfgers von Passau Kulturförderung Über Wolfgers kulturelle Interessen ist, abgesehen von denen im Zusammenhang seines geistlichen Amtes, wenig bekannt. Das Zeugnis der fragmentarisch erhaltenen Reiserechungen des Bischof aus den Jahren 1203 und 1204. Hier ist auch ein Waltherus cantor de Vogelweide erwähnt. In mehreren Urkunden taucht auch der Ministeriale und Minnesänger Albrecht von Johannsdorf am Hofe Wolfgers auf.

Albrecht von Johannsdorf und der Passauer Bischofshof Der Minnesänger: 13 Lieder, mehrfach mit Kreuzzugsthematik (Texte: Des Minnesangs Frühling; Lyrik des frühen und hohen Mittelalters, hg. von I. Kasten. – Lit.: VL; Killy, Literaturlexikon). Teilweise in der Tradition des Donauländ. Minnesangs; Aber auch mehrfach Einflüsse aus Frankreich: u.a. Kontrafakturen roman. Lieder (z.B. MF 87,5); Motive u.a. Liebeswerben ohne Lohn. Ein „Albrecht“ v. Jahensdorf ist in insges. 18 Urkunden (1138-1246) belegt, offenbar mehreren Generationen angehörig). In drei Urkunden Wolfgers von Passau von 1201-1204 erwähnt. „Bedeutende Position innerhalb der Ministerialität der Passauer Kirche“ (zit. Meves, Regesten S. 112).

Walther von der Vogelweide und Bischof Wolfger von Passau Reiserechnungen Bischof Wolfgers aus den Jahren 1203/04, heute im Museo archeologico Nazionale in Cividale, nur noch fragmentarisch überliefert in einer Konzeptfassung und einer leicht abweichenden Reinschrift. Bezeugt werden Ausgaben u.a. für Musikanten, Tänzerinnen, Spaßmacher (ioculatores), für Artisten und Schauspieler (histriones, mimi); auch pro clerico vago (für einen herumziehenden Kleriker/ Dichter??). Ansonsten: Ausgaben zum Unterhalt der Pferde; Personal; Ausstattung; Verpflegung; für Botendienste und sonstige Dienstleistungen. Auch Kerzenspenden für Kirchen, an denen der Bischof vorbeikam, für Werke der Barmherzigkeit (Almosen für Blinde, Lahme etc.). Hier ist zum 12. Nov. 1203, zum Tage nach dem Martinsfest, auch erwähnt: ein Waltherus cantor de Vogelweide mit einem großzügigen Geldgeschenk (5 solidi longi) für einen Pelzmantel (pro pellicio).

Reiserechnung Bischof Wolfgers (Reinschrift): Reise von Wien nach Passau 12. Nov. 1203

Sequenti die apud Zei[zemurum] walthero cantori de vogelweide pro pellicio .v. solidos longos

Wolfger von Passau und das ‚Nibelungenlied‘ Das ‚Nibelungenlied‘ (um 1180/1200) und die ‚Nibelungen-Klage‘ enthalten mehrere Hinweise auf Passau, u.a. den historischen Passauer Bischof Pilgrim (im NL der Oheim der Kriemhilt). Es deutet vieles darauf hin, dass Passauer Kleriker an den Fassungen des ‚Nibelungenlieds‘ und der ‚Klage‘, wie es uns heute vorliegt, gearbeitet haben. Bumke: „Passauer Nibelungenwerkstatt“. Von der Forschung einhellig akzeptiert. Dabei ist die Rolle Wolfgers nicht näher bestimmbar: Anreger? Gönner?

Wolfger als Patriarch von Aquileia (1204-1218) Thomasin von Zerklaere (1.H. 13. Jh.), aus dem Stadtadel von Cividale, Kleriker am Hof des Patriarchen. Verfasser einer Ritterlehre in deutschen Versen: ‚Der wälsche Gast‘ (1215/16). Hier v. 11091-11200 massiver Tadel an Walther von der Vogelweide wegen seiner papst- und kirchenkritischen Sangsprüche aus dem Jahr 1213. Situation: der Papst hatte in Europa zu einer Abgabe zur Finanzierung eines Kreuzzugs aufgerufen (päpstliche Bulle ‚Quia maior‘ von 1212). Walther: „das dient nur dazu, die Papstkirche zu mästen.“ Tadelnde Reaktion des Thomasin: Walther ein guoter kneht, aber hier bedient er sich einer bösartigen Polemik.

Walthers von der Vogelweide Papstkritik: Der Stockspruch L 34,4 Ahî, wie kristenlîche nû der babest lachet, swanne er sînen Walhen seit: ‚ich hân‘z alsô gemachet.‘ Daz er dâ seit, daz solt er niemer hân gedâht, er gihet: „ich hân zwêne Allamân under eine krône brâht, daz sî das rîche sulen stoeren und wasten. ie dar under vüllen wir die kasten. Ich hân si an mînen stoc gement [‚getrieben‘, wie Vieh] ir guot ist allez mîn. Ir tiutschez silber vert in minen welschen schrîn. Ir pfaffen, ezzent hiuner und trinkent wîn, und lant die tiutschen leien magern unde vasten.‘

Walthers Stockspruch L 34,14 Sagt an, her stoc, hât iuch der bâbest hergesendet, daz ir in rîchet und uns Tiutschen ermet unde pfendet? Swenne im diu volle mâze kumt ze Laterân sô tuot er einen argen list, als er ê hât getân. Er seit uns danne, wie daz rîche stê verwarren, unz in erfüllent aber alle pfarren. Ich waene, des silbers wenic kumet ze helfe in gotes lant, grôzen hort zerteilet selten pfaffen hant. Her Stoc, ir sît ûf schaden hergesendet, daz ir ûz tiutschen liuten suochet toerinne unde narren. (L 34,14)

Thomasin Replik im ‚Wälschen Gast‘ [der Papst habe angeordnet (in der Bulle ‚Quia maior‘)] …daz man einen stoc setzen solde in die kirchen, swer danne wolde helfen zer vart [= Kreuzzug],daz erz dar leit. […] Dô riet uns unser toerscher muot, daz erz taete durch gewin.. Nû wie hât sich der guote kneht an im gehandelt âne reht, der dâ sprach durch sînen hôhen muot, der bâbest wolde mit tiutschem guot vüllen sîn welchischez schrîn.[v. 11171ff; 11191ff.]

Über die Wirkung von Walthers Sprüchen: Wan er hât tûsent man betoeret, daz sî habent überhoeret gotes und des bâbstes gebot … Dû [Anrede an Walther] muost sîn vil grôze schame hân. … Zwâr ist mir leit umbe in,[= Walther] er hât erzeiget zuht unde sin an maniger sîner rede guot … Wan swaz er sprichet, des nimt man war. Dâ von sol er sich hüeten gar, daz man niht spreche daz er ist worden tobende zuo der vrist. (v. 11223ff.).

Wolfger von Erla, Bischof von Passau: Literatur Wolfger von Erla. Bischof von Passau (1191-1204) und Patriarch von Aquileia (1204-1218), hg. von E. Boshof/F.P. Knapp, Heidelberg 1994; U. Meves, Das literarische Mäzenatentum Wolfgers und die Passauer Hofgesellschaft um 1200, in: ebd., S. 215-247 hervorragender Beitrag mit neuem Material; F.P. Knapp, Der Hof des Kirchenfürsten Wolfger von Erla und die Literatur um 1200, in: ebd., S. 345-364. H. Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide, Wien 1970 U. Meves, Regesten dt. Minnesänger, Berlin/New York 2005. J. Bumke, Die vier Fassungen der ‚Nibelungenklage‘, Berlin 1996 (zur „Passauer Nibelungen-Werkstatt“ S. 590-594). D. Buschinger, Wolfger von Erla und der Nibelungendichter, in: Der achthundertjährige Pelzrock, hg. v. H. Birkhan, Wien 2005, S. 103-114 (weitgehend haltlose Spekulationen).

Geistliche Höfe und ihre Literaturförderung (3) Engelbert von Berg, Erzbischof von Köln

Engelbert von Berg, Erzbischof von Köln um 1185 – 7. Nov. 1225 Aus dem mächtigen Geschlecht der Grafen von Berg, verwandt mit EB Bruno von Köln. Als nachgeborener Sohn früh für die geistliche Laufbahn bestimmt; Domschule zu Köln. 1199 Dompropst in Köln. 1206 gebannt und abgesetzt. Mehrfacher Wechsel der polit.Partei. 1217 zum Erzbischof von Köln geweiht. Machtvoller und geschickter Territorialpolitiker. 7. Nov. 1225 beim Versuch der Gefangennahme nahe Gevelsberg ermordet; Schilderung der Ermordung in der für die Heiligsprechung bestimmten Vita (1226/27), verf. von Caesarius von Heisterbach (s. VL, LexMA).

Walthers von der Vogelweide Sangsprüche auf Engelbert (L 85,1/85,9) Preisstrophe auf Engelbert, zum öffentlichen Vortrag bestimmt. Strophenform/Ton: sog. „gespaltene Weise“: Stollen I – Abgesang – Stollen II. Inhaltlicher Aufbau als Klimax. Im Hinblick auf die politische Bedeutung im Reich: dem rîche wol gedienet; werdekeit; der fürsten meister (als Vertreter des Kaiser und damit oberster Repräsentant des Reichs); getriuwer küniges pflegaere; kaisers êren trôst. Als geistlicher Oberhirte von Köln: Kämmerer der hl. drei König sowie der hl. Ursula und ihrer 11.000 Jungfrauen, die am Rheinufer bei Köln im 3. Jh. von den Hunnen den Märtyrertod erlitten haben sollen.

Walthers Totenklage auf Engelbert Totenklage auf Engelbert, nach der gleichen Melodie zu singen wie die Preisstrophe. Swes leben ich lobe: Bezug auf die Preisstrophe. Größe der Untat zeigt die Wehklage über die Verruchtheit des Mörders. Formal angelegt als Klimax der Strafen: Strang aus Eichenzweigen; verbrennen; Glieder ausreissen (Strafe für Verräter); schinden; rädern; lebend von der Hölle verschlungen werden. 1260 im Kölner Domchor Bau einer Engelbertus-Kapelle; Gebeine heute in einem barocken Schrein.

Walthers Beziehung zum Bischofshof Engelberts Ohne klare Indizien. Beide Strophen sind auf den öffentlichen Vortrag ausgerichtet, am ehesten in der Umgebung / bei Anhängern Engelberts. Mögliche Bekanntschaft Walthers als fahrender Sänger mit „publizistischer“ Breitenwirkung mit dem Erzbischof auf einem der Hoftage des Reichs, auf dem Engelbert zugegen war. Fürstenpreis war in der Sangspruchdichtung fahrender Sänger ein beliebtes Mittel, Unterhalt /Unterstützung durch einen adligen Gönner zu bekommen. Walther hatte in dieser Zeit aber schon ein festes Lehen nahe Würzburg (s. L 28,31) Die Totenklage nimmt in Singweise und im Text Bezug auf den Lobspruch. Offenbar zeitlich nicht weit voneinander entfernt.

Geistliche Höfe und die Förderung der Literatur: Zusammenfassung Geistliche Zentren sind Mittelpunkte der mittelalterlichen Kultur im umfassenden Sinne. Die meisten Hinterlassenschaften des Mittelalters verdanken sich geistlichen Institutionen. Die Kulturförderung der geistlichen Höfe liegt vorrangig in der Bautätigkeit sowie in der Förderung von Kunst im sakralen Bereich (Ausstattung der Kirchen, Wandmalerei, liturgische Handschriften von großer Kostbarkeit, sakrale Geräte, Reliquiare etc.). Literaturförderung ist eher nachrangig, sie erstreckt sich a) auf lateinische Literatur (Archipoeta, lat. Fassungen z.B. des ‚Herzog Ernst‘, des ‚Gregorius‘ etc.), b) selten auf deutschsprachige Literatur.