Einführung in die Literaturwissenschaft

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 Präsentation transkript:

Einführung in die Literaturwissenschaft

Literarizität Was ist ›literarisch‹ an einem literarischen Text? Verfahren der Verfremdung: Man weiß nicht ›automatisch‹, was ein Text bedeuten soll, sondern wird darauf verwiesen, WIE er beschaffen ist. Sprachlichen Äußerungen sind generell bestimmte Aspekte eigen, die sich auf die Herstellung ihrer Botschaft richten. Dies ist die poetische Funktion (griech.: poiesis = das Machen, Hervorbringen). Bei literarischen Texten ist diese Funktion besonders ausgeprägt.

Sprachliche Funktionen nach Jakobson Kontext (referentielle Funktion) Mitteilung (poetische Funktion) Sender ----------------------------------------------------Empfänger (emotive Funktion) (konative Funktion) Kontakt (phatische Funktion) Kode (metasprachliche Funktion)

Daniil Charms (1905-1942): . . . An der Quaimauer unseres Flusses hatte sich eine sehr große Menschenmenge gesammelt. In den Fluß gefallen war der Regimentskommandeur Sepunov. Er verschluckte sich in einem fort, sprang bis zum Bauch aus dem Wasser, schrie und versank wieder im Wasser. Er schlug mit den Armen nach allen Seiten und schrie wieder um Hilfe. Die Menge stand am Ufer und schaute mit finsterer Miene zu. - Er geht unter, - sagte Kuzma. - Klar geht er unter, - bestätigte ein Mann mit einer Schirm- Mütze. Und tatsächlich, der Regimentskommandeur ging unter. Die Menge begann sich zu verlaufen.

Regimentskommandeur Sepunovs sprachliche Äußerung, analysiert mit Jakobson referentielle Funktion (Bezugnahme auf einen Kontext): der Fluß emotive Funktion (bringt die Haltung des Sprechers zum Gesprochenen zum Ausdruck): Sepunov verschluckt sich konative Funktion (Appell an den Empfänger): Sepunov schreit um Hilfe phatische Funktion (zielt auf die Gewährleistung des Kontakts mit dem Empfänger): Sepunov schlägt mit den Armen metasprachliche Funktion (Thematisierungen des Kodes): Kuzma erläutert: »Er geht unter«. poetische Funktion (Ausrichtung auf die Botschaft): Sepunov springt aus dem Wasser, schreit, schlägt mit den Armen...

Regimentskommandeur Sepunovs sprachliche Äußerung, analysiert mit Jakobson poetische Funktion (Ausrichtung auf die Botschaft): Sepunov springt aus dem Wasser, schreit, schlägt mit den Armen... Jakobson: »Die poetische Funktion projiziert das Prinzip der Äquivalenz von der Achse der Selektion auf die Achse der Kombination. Die Äquivalenz wird zum konstitutiven Verfahren der Sequenz erhoben.«

Regimentskommandeur Sepunovs sprachliche Äußerung, analysiert mit Jakobson poetische Funktion (Ausrichtung auf die Botschaft): Sepunov springt aus dem Wasser, schreit, schlägt mit den Armen... Es gibt ein Problem mit der Referenz! Jakobson: »Indem sie [die poetische Funktion] das Augenmerk auf die Spürbarkeit der Zeichen richtet, vertieft diese Funktion die fundamentale Dichotomie der Zeichen und Objekte.« Das Augenmerk der Menge wird auf die Mitteilung gelenkt. Man betrachtet Sepunovs Äußerung als ein Schauspiel. Wenn es vorbei ist, geht man.

Ferdinand de Saussure (1857-1913) Begründer der modernen Sprachwissenschaft zugleich Begründer des Strukturalismus ( Jakobson) Cours de linguistique générale (dt.: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft)

Ferdinand de Saussure Unterscheidung von ›langue‹ und ›parole‹: Es gibt einerseits das Sprachsystem mit seinen allgemeinen (z.B. grammatischen) Regeln und Festlegungen, und andererseits die Praxis des Sprechens, in der das Sprachsystem in konkreten sprachlichen Äußerungen umgesetzt wird. Unterscheidung von ›Synchronie‹ und ›Diachronie‹: Ein Sprachsystem läßt sich einerseits in seiner gleichzeitigen Ordnung, andererseits in seinem historischen Wandel betrachten. Bestimmung der Natur des sprachlichen Zeichens

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens »Für manche Leute ist die Sprache im Grunde eine Nomenklatur, d. h. eine Liste von Ausdrücken, die ebensovielen Sachen entsprechen.«

: Baum : Pferd usw. : usw.

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens »Für manche Leute ist die Sprache im Grunde eine Nomenklatur, d. h. eine Liste von Ausdrücken, die ebensovielen Sachen entsprechen.« Dies erinnert an Maupertuis: »Meine erste Wahrnehmung wäre z.B. diejenige, die ich heute habe, wenn ich sage: ›ich sehe einen Baum‹; danach würde ich diejenige Wahr- nehmung haben, die ich heute habe, wenn ich sage: ›ich sehe ein Pferd‹.« dazu Saussure: »Diese Ansicht gibt in vieler Beziehung Anlaß zur Kritik. Sie setzt fertige Vorstellungen voraus, die schon vor den Worten vorhanden waren«.

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens Saussure beginnt seine Erörterung der Natur des sprachlichen Zeichens mit dem Problem der Referenz. Das heißt er problematisiert die Beziehungen von ›Worten‹ und ›Dingen‹, von Zeichen und ›Objekt‹. Saussure bestreitet, daß eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Sprache von der Annahme ausgehen kann, daß es vor den Worten fertige Vorstellungen gibt, denen man einfach nur Worte zuordnen muß. Saussure weist die Annahme zurück, »daß die Verbindung, welche den Namen mit der Sache verknüpft, eine ganz einfache Operation sei, was nicht im entferntesten richtig ist.« ›Worte‹ und ›Vorstellungen‹ sind gleichzeitig gegeben, in komplizierten Operationen. Dies ist nicht nur für die Sprach-, sondern auch für die Literaturwissenschaft der wichtigste Grundsatz.

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens Saussures Ausgangsthese bezieht sich auf die Doppelseitigkeit des sprachlichen Zeichens. Diese Doppelseitigkeit besteht aber NICHT in der Gegenüber- stellung von ›Worten‹ und ›Dingen‹, ›Zeichen‹ und ›Objekten‹. »Das sprachliche Zeichen vereinigt in sich nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine Vorstellung und ein Lautbild.« die Einheit des sprachlichen Zeichens: Vorstellung Bezeichnetes signifié Signifikat Lautbild Bezeichnendes signifiant Signifikant

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens Das Signifikat, die eine Seite des Zeichens, ist keine ›wirkliche‹ Sache, sondern eine mentale Vorstellung. Diese Vorstellung ist psychisch als ein Bestandteil des Zeichens gegeben. Der Signifikant, die andere Seite des Zeichens, ist kein tatsächlicher physikalischer Laut, sondern der psychische Eindruck eines solchen Lautes. Saussure: »Der psychische Charakter unserer Lautbilder wird ganz klar, wenn wir uns selbst beobachten. Ohne die Lippen oder die Zunge zu bewegen, können wir mit uns selbst sprechen oder uns im Geist ein Gedicht vorsagen.«

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens Wenn das Zeichen sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt, die beide ›geistig‹ gegeben sind, wie kann dann noch ›Referenz‹ gedacht werden? Ausgehend von sprachlichen Äußerungen hat es Saussure immer nur mit Beziehungen zwischen Lautbildern und Vorstellungen zu tun. Über Bezüge auf außersprachliche Sachverhalte, sogenannte Referenzobjekte, läßt sich nichts sagen. Auch für Jakobson ist die ›referentielle Funktion‹ der Sprache streng genommen keine Bezugnahme auf ›Realität‹, sondern auf Kontexte, das heißt auf andere sprachliche Äußerungen.

Saussure: Die Natur des sprachlichen Zeichens Wie kommt die Einheit von Signifikat und Signifikant, von Bezeichnetem und Bezeichnendem, zustande? zwei Grundsätze: Arbitrarität des Zeichens Linearität des Zeichens

Saussure: Arbitrarität des Zeichens Die Beziehung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendem beruht auf kultureller Gewohnheit, auf Konventionen. Sie ist eine bloße Übereinkunft. Verschiedene Sprachen haben für verschiedene Vorstellungen verschiedene lautliche Ausdrücke. Deshalb kann Saussure sagen: »Das sprachliche Zeichen ist beliebig« (arbiträr). Hier stimmt Saussure mit Maupertuis überein, wenn dieser einen Baum einfach »A« nennt, ein Pferd »B« usw.

Saussure: Arbitrarität des Zeichens Das bedeutet nicht, das die Zuordnung von Bezeichnendem und Bezeichnetem in das Belieben jedes Einzelnen gestellt ist! Saussure: »Das Wort ›beliebig‹ erfordert hierbei eine Bemerkung. Es soll nicht die Vorstellung erwecken, als ob die Bezeichnung von der freien Wahl der sprechenden Person abhinge (weiter unten werden wir sehen,daß es nicht in der Macht des Individuums steht, irgend etwas an dem einmal bei einer Sprach- gemeinschaft geltenden Zeichen zu ändern); es soll besagen, daß es unmotiviert ist, d. h. beliebig im Verhältnis zum Bezeichneten, mit dem es in Wirklichkeit keinerlei natürliche Zusammen- gehörigkeit hat.«

Saussure: Arbitrarität des Zeichens Auch in dem Text von Charms gibt es eine kollektive Übereinkunft, die nicht in Frage steht: - Er geht unter, - sagte Kuzma. - Klar geht er unter, - bestätigte ein Mann mit einer Schirm- Mütze. Und tatsächlich, der Regimentskommandeur ging unter. Die Menge begann sich zu verlaufen. Gerade die Arbitrarität des Zeichens, die kollektive Übereinkunft, wird im literarischen Text zum Ansatzpunkt der Verfremdung – hier dadurch, daß die Vorstellung ›er ertrinkt, er braucht Hilfe‹ ver- schoben wird zu: ›er geht unter‹. Die Literatur spielt mit der gewohnten Vorstellung, hebt sie aber nicht gänzlich auf.

Saussure: Linearität des Zeichens Ebenso wichtig wie die Arbitrarität des Zeichens ist seine Linearität. Es ist jeweils organisiert durch eine Abfolge. Die Beziehung zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem wird nicht nur bestimmt durch die kulturelle Übereinkunft, sondern auch durch das Verhältnis des Zeichens zu den anderen Zeichen, die ihm vorausgehen oder ihm nachfolgen. Bei Charms heißt es zu Beginn: »An der Quaimauer unseres Flusses hatte sich eine sehr große Menschenmenge gesammelt.« Was bedeutet das? Neugier? Hilfsbereitschaft? ...? Am Ende heißt es: »Die Menge begann sich zu verlaufen.« Jetzt erst ist klar, daß es sich um eine Art Schaulust handelte.

Saussure: Linearität des Zeichens In der linearen Organisation der Zeichen – die Menge sammelt sich/die Menge verläuft sich – entsteht die Bedeutung, und hier entstehen auch die Möglichkeiten der Verfremdung. Charms setzt Anfang und Ende des Textes in Beziehung zueinander, indem beide auf eine Schaulust der Menge verweisen. Das meint auch Jakobsons poetische Funktion, indem diese die Ähnlichkeit oder Äquivalenz zum Konstitutionsprinzip einer Abfolge von Zeichen erhebt. Grundregel für die Lektüre literarischer Texte: Die Bestandteile eines Textes lassen sich nicht isoliert vonein- ander deuten (nach dem Muster A=Baum, B=Pferd), sondern müssen in ihren Beziehungen zueinander betrachtet werden.

Modellierungen von Referenz ›Referenz‹ ist immer nur zu denken als zeicheninterne, durch Konventionen begründete Beziehung oder als Beziehung zwischen Zeichen. ›Referenz‹ kann aber in diesem Zusammenhang je anders modelliert werden.

Charles S. Peirce: Ikon, Index, Symbol Ikon: Das ikonische Zeichen beruht auf Ähnlichkeit. Es ist nicht darauf angewiesen, das es die Sache wirklich gibt, auf die es verweist. Index: Das indexikalische Zeichen beruht auf Kontiguität (Nachbarschaft, Berührung, kausaler Zusammenhang). Es besagt, daß da wirklich etwas ist oder gewesen sein muß. Symbol: Das symbolische Zeichen funktioniert allein aufgrund der Annahme, daß man davon ausgehen kann, daß es in einer bestimmten Weise als Zeichen aufgefaßt wird.

Daniil Charms: ». . .« An der Quaimauer unseres Flusses hatte sich eine sehr große Menschenmenge gesammelt. In den Fluß gefallen war der Regimentskommandeur Sepunov. Er verschluckte sich in einem fort, sprang bis zum Bauch aus dem Wasser, schrie und versank wieder im Wasser. Er schlug mit den Armen nach allen Seiten und schrie wieder um Hilfe. Die Menge stand am Ufer und schaute mit finsterer Miene zu. - Er geht unter, - sagte Kuzma. - Klar geht er unter, - bestätigte ein Mann mit einer Schirm- Mütze. Und tatsächlich, der Regimentskommandeur ging unter. Die Menge begann sich zu verlaufen.

Daniil Charms: ». . .« Charms‘ Text läßt sich lesen als der Prozeß der Verständigung über die Natur der Zeichen, die gegeben werden. Sind es ikonische Zeichen? Dann können sie sich auf etwas rein Imaginäres beziehen. Sind es symbolische Zeichen? Dann muß der behauptete Sachverhalt keineswegs zutreffen. Oder sind es indexikalische Zeichen? Dann geschieht da wirklich etwas. »Klar geht er unter.« Also waren es indexikalische Zeichen. Mit der unverhältnismäßigen Ausrichtung auf die Beschaf- fenheit der Mitteilung ironisiert der Text die poetische Funktion, das heißt seine eigene literarische Dimension.

Texte und Folien im Netz unter: www.uni-erfurt.de/literaturwissenschaft/