Schule, Lehrbücher, Lehrende im NS

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Schule, Lehrbücher, Lehrende im NS © Apl. Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer Goethe-Universität FFM

Lehrpläne – Schule als Institution I Lehrstoff: Große Teile konnten bleiben, die ersten Jahre auch noch keine neuen Lehrpläne. In drei schulischen Bereichen wurde der Einfluss besonders sichtbar: 1. Immer deutlicher trugen zentralstaatliche Anweisungen in die Schulen, was im ganzen Land an Bedeutung gewann: die allgemeine Atmosphäre im Land, die Stimmung bei den Aufmärschen, die Begeisterung für HJ und BDM, der Einfluss von Presse und Rundfunk. Die Schule wurde zur Stätte der massiven Indoktrination der Kinder genutzt.

Lehrpläne – Schule als Institution II 2. Die Schule als öffentliche Institution reagierte ihrerseits auf die Veränderungen mit Nazi-Feiern, der Einführung des Hitlergrußes, Beteiligung der HJ am Schulalltag und einer Fülle von Maßnahmen vom sogenannten „Pflichtfilm“ bis hin zu unentwegten Sammlungen für diese und jene nazistische Unterorganisation. Auch eine bestimmte Terminologie, die Begriffe wie „unser Führer“ oder „unsere Volksgemeinschaft“ enthielt, wurde systematisch eingeführt und diente ebenso wie die genannten Rituale und Symbole zur „emotionalen Formierung“ von Schüler- und Lehrerschaft, wie Wolfgang Keim treffend analysierte. (vgl. Keim 1995: S. 88)

„Rassenkunde“ I 3. Von Anfang an wurde unabhängig von den Lehrplänen massiv „Rassenkunde“ vor allem in Deutsch, Geschichte und Biologie betrieben. Dies geschah in Preußen mit dem Erlass „Vererbungslehre und Rassenkunde in den Schulen“ vom 13. September 1933 und wurde nach der Schaffung eines zentralstaatlichen Erziehungsministeriums im Erlass vom 15. Januar 1935 „Vererbungslehre und Rassenkunde im Unterricht“ für ganz Deutschland angeordnet.

„Rassenkunde“ II Paul Brohmer forderte bezeichnenderweise für den Biologieunterricht: „Immer wieder muß im Unterricht betont werden, daß die biologischen Gesetze, die man an Tieren und Pflanzen ermittelt hat, auch für den Menschen gelten, daß man also die Erkenntnisse, die man z.B. über die Vererbungserscheinungen bei diesen Lebewesen erarbeitet hat, in allgemeiner Weise auf den Mensch übertragen kann.“ (Paul Brohmer: Biologieunterricht und völkische Erziehung. Frankfurt 1933, S. 68-72. Zitiert nach George L. Mosse, Der nationalsozialistische Alltag. Frankfurt/Main 1993, S. 123.)

Richtlinien – Was „undeutsch“ ist „abschneiden“ „Allgemeine Richtlinien“ waren zudem neben Hitlers Buch „Mein Kampf“ und den darin enthaltenen Ausführungen über Erziehung auch die Reden anderer NS-Führer. So erklärte der spätere Reichserziehungs-minister Rust am 12. Februar 1933, dass er alles, was nicht an deutsche Schulen gehöre und „undeutsch“ sei, „abschneiden“ werde, mit „aller Brutalität der Pflicht“. (zit. nach Adam 1972: S. 68f.)

Schule als Institution Im April 1937 wurden Richtlinien für die Volksschule erlassen, die im Dezember 1939 erweitert und dann verbindlich als neue Richtlinien herausgegeben wurden. Sie sollten nicht nur ein „reichseinheitliches Schulwesen“ schaffen und die Volksschulzeit von neun auf acht Jahre verkürzen, sondern intendierten vor allen Dingen Folgendes:

Von der Volksschule zur Volksgemeinschaft I „Die Volksschule hat mit den anderen Schularten und neben den Gliederungen der Partei, dem Arbeitsdienst und dem Heer die hohe Aufgabe, die deutsche Jugend zur Volksgemeinschaft und zum vollen Einsatz für Führer und Nation zu erziehen.“ (Erziehung und Unterricht in der Volksschule Halle a.d.S., Breslau o. J., S. 2.; zit. nach Flessau 1979: S. 75)

Von der Volksschule zur Volksgemeinschaft II Wie wenig den Nazis tatsächlich an einer individuellen Entwicklung der Schüler gelegen war, kommt in der folgenden Passage der „Allgemeinen Richtlinien“ von 1933 zum Ausdruck: „Die Volksschule hat nicht die Aufgabe, vielerlei Kenntnisse zum Nutzen des einzelnen zu vermitteln. Sie hat alle Kräfte der Jugend für den Dienst an Volk und Staat zu entwickeln und nutzbar zu machen.“ (Flessau 1979: S. 88)

Richtlinie Schulrat Fritz Fink (1937) “Die Judenfrage im Unterricht“ „Die Rassen- und Judenfrage ist das Kernproblem der nationalsozialistischen Weltanschauung.“ (S. 5) „Heute hört das Kind aus Zeitungen, aus Gesprächen, aus Liedern der SA und HJ immer wieder den Namen: Jude. Und immer steigt ihm Abscheu auf, wenn es den Namen hört und immer empfindet es Abneigung, wenn ihm ein Vertreter der jüdischen Rasse begegnet.“ (S. 6)

1. „Wir gehen beim Tierzüchter in die Lehre.“ (S. 42) - Vorbild Natur „Wir können beobachten, daß (…) eine Herde Wildpferde sich nie von einem Wildschwein führen läßt.“ (S. 8) „Ja so ist es in der Natur! So muß es auch unter den Menschen sein. Unser deutsches Volk aber ließ sich einmal von Fremdrassigen, von Juden führen.’“ (S. 8) „Die Kinder werden in diesen Nürnberger Gesetzen dann nichts anderes sehen, als die Rückkehr zum Natürlichen, zur gottgewollten Ordnung.“ (S. 10)

2. Die Angst vor den „Fremden“ wird geschürt „Die Fremden, die zu uns kamen und Einlass begehrten, waren die Juden. Zuerst waren es einzelne, dann immer mehr.’“ (S. 11)

3. „den Juden auf den ersten Blick herausfinden“ „Die Juden laufen anders wie wir. Sie haben Senkfüße. Ihre Körperhaltung ist eine andere wie die unsrige. Ihre Haare, ihre Augen, ihre Augenbrauen sind anders wie die unsrigen. Sie haben längere Arme wie wir. Sie reden anders wie wir.“ (S. 16) „Wir müssen dem Kinde klar machen, daß in der uns sofort als fremd auffallenden Erscheinung des Juden eine Seele ihren Sitz hat, die in allen ihren Regungen und Äußerungen von unserer Seele grundverschieden ist.“ (S.18)

4. Pogrom des Mittelalters als Vorbild „Die Stadtchroniken sind bei Behandlung der Judenfrage eine Fundgrube wertvollsten Materials. Kein Erzieher kann an ihnen vorübergehen.“ (S. 20/21) „Und das Volk stand auf gegen seine fremdrassigen Schinder und Peiniger. In Nürnberg brannten sie das Judenviertel ab, jagten sie die Juden zu den Stadttoren hinaus und erschlugen ihrer viele auf dem Judenbühel.“ (S. 20)

5. Das Neue Testament im Gegensatz zum Alten Testament In einem fünften Schritt wird das sogenannte „Alte Testament“ als Quelle angeblichen Vernichtungswillens der Juden für alle Nichtjüdischen zitiert und entstellt : „Tief brennt sich in die Seele der Kinder die Erkenntnis ein: Die Juden sind die Christusmörder.“ (S. 26)

6. Berufung auf die großen Kirchenväter „Wenn Päpste und heilige Kirchenväter solche Gesetze erließen und einen solchen Kampf gegen das Judentum führten, kann der Kampf der Nationalsozialisten gegen den Juden nicht gegen ein Gebot Gottes verstoßen. Wie kann ein solcher Kampf unchristlich sein, wenn ihn die Kirche selbst Jahrhunderte lang gekämpft hat?“ (S. 28)

7. Der Antisemitismus der sogen. „großen Deutschen“ „Das sind ja unsterbliche Namen. Das sind mit die größten Geister unseres Volkes, ja der Menschheit. Was wäre die Welt, was wären wir ohne sie. Und alle diese Großen waren Todfeinde der Juden.“ (S. 40)

Langzeit-Wirkung von antisemitischen Stereotypen Abschließend heißt es dort: „Ich möchte den deutschen Erzieher kennen, der aus dieser Fülle von Material, Verbrechen und jüdischen Namen nicht eine Anklage gegen Alljuda erheben könnte, die unseren Buben und Mädels dann noch in den Ohren rauscht, wenn sie längst grau geworden sind.“ (S. 32) (Fritz Fink 1937: “Die Judenfrage im Unterricht“)

Schulbuchanalyse Zusätzlich zu den regulären Schulbüchern aus der Weimarer Republik wurden an den Schulen kleine Ergänzungsheftchen angeschafft, die eine nazistische Ausrichtung des Unterrichtsstoffes ermöglichten. Schritt für Schritt wurden dann die alten Lehrbücher durch neue Lehrbücher ersetzt. Es reicht daher nicht aus, wie Erika Mann schon 1938 betonte, die offiziellen Schulbücher der NS-Zeit insbesondere zwischen 1933 und 1937 als Material für eine Analyse zu benutzen. (vgl. Erika Mann: School for Barbarians. Education under the Nazis, New York 1938)

Zentrales Lesebuch Von 1935 bis 1939 erschien durchgängig für alle Volksschulklassen das Lesebuch „Ewiges Volk“. Andere Lesebücher wurden verboten (Vgl. Eilers 1963: S. 29) Im Lesebuch wird von Paul de Lagarde berichtet, der die Juden mit Ungeziefer verglich und schrieb, dass es nötig sei, „...dies wuchernde Ungeziefer zu zertreten. Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt. Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.“ (Sablotny / Schmudde (Hrsg.): Ewiges Volk 8, S. 259. Zitiert nach Flessau 1979: Schule der Diktatur, S. 180.)

Musikunterricht Auch im Musikunterricht wurde massiv indoktriniert: Nazistische Lieder wurden in den genau definierten und kontrollierten Fundus des „Kernliedgutes“ aufgenommen. Dazu gehörte etwa das Lied „Siehst du im Osten das Morgenrot“ im Liederbuch „Uns geht die Sonne nicht unter“ mit der Zeile „Deutschland erwache, Juda den Tod“. Dieses Liederbuch erreichte 1940 eine Auflage von 2,5 Millionen. (Platner 1983: S. 297)

Euthanasie und Mathematik Zwei Beispiele aus dem Bereich der Mathematikbücher Im 1936 erschienenen Rechenbuch von Bewersdorff-Sturhann heißt es auf Seite 76: „Der Bau einer Irrenanstalt kostet etwa 6 Mill. RM. Wieviel Familien könnten dafür eine Wohnung erhalten?“ (Zit. nach Flessau 1979: S. 200) Eingehend auf die Kosten für Taube, Blinde, körperlich und geistig Behinderte wird die Zahl von 167.000 geistig Behinderten, 8.300 Tauben und Blinden sowie 20.600 körperlich Behinderten genannt. Die daran anschließende Frage lautet: „Wieviel erbgesunde Familien könnten bei RM 60 durchschnittlicher Monatsmiete für diese Summe untergebracht werden....?“ (Ebd.: S. 201)

Die Lehrerschaft und der NSLB 1 In der „Neuen Erziehung“, der Zeitschrift der „Reichsvereinigung deutscher sozialdemokratischer Lehrer in der CSR“ im Mai 1933 : „An der Verseuchung der Jugend mit nationalsozialistischem Gewaltgeiste tragen die Hauptschuld die von der deutschen Republik bezahlten Lehrer. Die Geschichte wird ein hartes Urteil über sie fällen.“ (L. van Dick 1990: S. 13)

Die Lehrerschaft und der NSLB 2 Vor dem 30. Januar 1933 waren 13.000 Erzieherinnen und Erzieher Mitglied der NSDAP; im Laufe dieses Jahres traten ihr weitere 71.000 bei. (Broszat 1969: Der Staat Hitlers, S. 254, zit. nach Feiten 1981: Der Nationalsozialistische Lehrerbund, S. 38.) Im März 1933, also vor dem Beginn des eigentlichen Eingliederungsverfahrens der übrigen Lehrerverbände hatte der NSLB 12.000 Mitglieder. (Erger 1980: S. 223) 1935 waren mehr als 3.000 frühere Lehrer Ortsgruppenleiter der NSDAP. Fast 160.000 politische Funktionäre, Führer und Unterführer kommen aus der Lehrerschaft; meist sind es Volksschullehrer. Das waren über 32 Prozent aller politischen NS-Führer. (Gerth 1940: 525)

Die Lehrerschaft und der NSLB 3 Der NSLB selbst gibt nach einer Erhebung vom 1. Mai 1936 an, dass 97 Prozent der gesamten deutschen Erzieher Mitglied im NSLB sind. (Vgl. auch Eilers 1963: S. 128, der davon spricht dass der NSLB 320.000 Mitglieder hatte, die 97 Prozent der Lehrerschaft umfassten.) 32 Prozent davon sind auch in der NSDAP organisiert. 62 Prozent dieser Parteimitglieder stellen insgesamt sieben Gauleiter und stellvertretende Gauleiter, 78 Kreisleiter und 2.668 Ortsgruppen- und Stützpunktleiter. Über 18.000 NSLB-Mitglieder sind in der außerschulischen NS-Erziehung in HJ, BDM und Jungvolk tätig. (Neue Erziehung, 7. Jg. 1937, Nr. 7, S. 86; vgl. Schnorbach 1983: S. 133f.)

Die Lehrerschaft und der NSLB 4 Im Hinblick auf die sogenannten Gleichschaltungsmaßnahmen stellt Eilers fest, dass „gerade in der Lehrerschaft von Anfang an eine große Bereitschaft zur freiwilligen Mitgliedschaft bestand.“ So waren 1936 z.B. 32,2 Prozent der Volksschullehrer Mitglied in der NSDAP (zum Vergleich: übrige Beamtenschaft 17 Prozent). Eilers fasst zusammen: „Auch eine vorsichtige Analyse wird eine weitgehende Nähe der Lehrerschaft zum Nationalsozialismus und eine erfolgreiche Gleichschaltung aus den Zahlen ablesen können, zumal die Beamtenschaft sich in bezug auf die berufliche Situation nicht von der Lehrerschaft unterscheidet und ein spezieller Druck auf diese Gruppe nicht nachweisbar ist.“ (Eilers 1963: S. 74)

Die Lehrerschaft und der NSLB 5 Die Organisationsleitung der NSDAP schrieb 1935 „...daß die Parteieintritte seitens der Beamten nach der Machtübernahme das Vierfache von dem betragen, wie es vor der Machtübernahme der Fall war. Bei den Lehrern ist die Anzahl der Parteieintritte nach der Machtübernahme sogar sechsmal so groß als vor der Machtübernahme. Hier handelt es sich zweifellos bei einem größeren Teil der Beamten und Lehrer um Konjunkturritter.“ (Vgl. Partei-Statistik (Stand 1. Januar 1935 ohne Saargebiet), hrsg. vom Reichsorganisationsleiter der NSDAP, o.O., o.J. (1934), Bd. I, S. 75, zit. nach Breyvogel 1977: S. 335)

Schulalltag und HJ Neben der Schule kommt in der NS-Erziehung der Hitlerjugend die größte Bedeutung zu. Die HJ organisierte Märsche und Schulungen und mischte sich in den Schulalltag ein - oft in einem Ausmaß, dass es in verschiedenen Fällen sogar zu oberflächlichen Autoritätskonflikten zwischen der HJ-Führung und den Schulleitern kam. - Nazi-Schulfeiern (anfangs ca. 20 im Jahr) - Sammlungen - Pflichtfilme - Luftschutzübungen - Schulinspektionen

Konflikt Lehrerschaft - HJ Prof. Dr. Wolfgang Abendroth widerlegt die Behauptung, dass gewisse Schulleiter oder sogar ganze Kollegien schon deswegen Gegner des Nazi-Regimes gewesen seien, nur weil sie sich gegen die anmaßenden Forderungen der HJ zur Wehr setzten: „Auf längere Frist mußte die politisch beiden übergeordnete Gewalt für den relativ breiten Freiraum der Schule gegenüber der ‘inkompetenteren’ HJ entscheiden, weil hier das staatliche Interesse an nationalsozialistischer Erziehung der jungen Generation im Vordergrund stand.“ (Abendroth 1983: S. 5)

Kompromisse Baldur von Schirachs Vereinbarung: Anlass war die Einführung des „Staatsjugendtages“. Es heißt dort, dass „...für die Erziehung der Schuljugend im nationalsozialistischen Staat ... Schule, Reichsjugendführung (HJ-Bewegung) und Elternhaus nebeneinander berufen“ sind. (Zit. nach Nyssen 1979: S. 35)

HJ War der Beitritt zur HJ und seinen Untergliederungen zunächst freiwillig, so wurde es ab 1936 per Gesetz obligatorisch, dass die als „arisch“ und gesund eingestufte Schuljugend Mitglied in HJ und BDM werden musste. Es handelt sich um das Gesetz über die Hitler-Jugend vom 1. Dezember 1936. Ende 1935 waren bereits 3,5 Millionen, also über 50 Prozent der Jugendlichen, in der HJ organisiert. (Boberach 1982: S. 26)

Der Reiz der HJ Wahrheit und Legenden Das „Lagerfeuer“ und die „Romantik“ Das „paramilitärische“ Befehl und Gehorsam Indoktrination durch geplante Sozialisation

Literatur Abendroth, Wolfgang: Vorwort. In: Matthias Andrich / Guido Martin (Hrsg.): Schule im 3. Reich. Die Musterschule. Ein Frankfurter Gymnasium 1933-39. Frankfurt am Main 1983. Adam, U.: Judenpolitik im Dritten Reich. Düsseldorf 1972. Boberach, Heinz : Jugend unter Hitler. Droste, Düsseldorf 1982. Breyvogel, Wilfried: Volksschullehrer und Faschismus. Skizze zu einer sozialgeschichtlichen Erforschung ihrer sozialen Lage. In: Manfred Heinemann (Hrsg.): Der Lehrer und seine Organisation. Stuttgart 1977, S. 317-343. Dick, Lutz van (Hrsg.): Lehreropposition im NS-Staat. Biographische Berichte über den „aufrechten Gang“. Überarb. Neuausg. Frankfurt am Main 1990. Eilers, Rolf: Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung im totalitären Staat. Dissertation. Köln, Opladen 1963. Erger, Johannes: Lehrer und Nationalsozialismus. Von den traditionellen Lehrerverbänden zum Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB). In: Manfred Heinemann (Hrsg.): Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil 2: Hochschule, Erwachsenenbildung. Stuttgart 1980, S. 206–231.

Literatur Fink, Fritz : Die Judenfrage im Unterricht. Nürnberg 1937. Flessau, Kurt-Ingo: Schule der Diktatur. Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1979. Keim, Wolfgang: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Band I: Antidemokratische Potentiale, Machtantritt und Machtdurchsetzung. Darmstadt 1995. Gerth Hans: The Nazi Party. Its Leadership and Composition, in: The American Journal of Sociology XLV (1940) 4, S. 517-141. Mann, Erika : School for Barbarians. Education under the Nazis, New York 1938. (Auf Deutsch erschienen als knapp 200 Seiten starke, ungekürzte Taschenbuchausgabe unter dem Titel „Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich“ München 1989.) Nyssen, Elke: Schule im Nationalsozialismus. Heidelberg 1979 Platner, Geert/Schüler der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kassel (Hrsg.): Schule im Dritten Reich. Erziehung zum Tod. Eine Dokumentation. München 1983. Schnorbach, Hermann (Hrsg.): Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz. Dokumente des Widerstands von 1930 bis 1945. Königstein/Ts. 1983.