Verlust + Verlust = Gewinn

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 Präsentation transkript:

Verlust + Verlust = Gewinn Parrondos Paradoxon Josef Züger und Marc Sigron 11. September 2013

Aufbau Wie bin ich auf das Paradoxon gestossen? Grundfragestellung Vorstellen der Spiele Berechnung der erwarteten Gewinne (oder Gewinnwahrscheinlichkeiten) Berechnungen in der Originalfassung Verallgemeinerungen, welche im Rahmen einer Maturaarbeit entstanden sind (Marc Sigron) Letzte Lücke im Beweis schliessen Varianten und Anwendungen

Wie bin ich auf des Paradoxon gestossen? Erhard Behrends

Grundfragestellung Maschine nach Richard Feynman

Grundfragestellung Ein mikroskopisch kleines Teilchen führt eine thermische Zufallsbewegung aus, wobei einmal ein Kraftfeld K und ein anderes Mal ein Kraftfeld K‘ angelegt ist; kann es dann sein, dass das Teilchen weder bei angelegtem Kraftfeld K noch bei K‘ im Mittel vorankommt, wohl aber, wenn man zwischen beiden Feldern hin- und herschaltet? Juan Parrondo Richard Feynman

Flashing ratchet (pulsierende Ratsche) – Brownian motor Zum gegenwärtigen starken Interesse an Ratschen trägt erheblich deren mögliche Bedeutung für das Verständnis molekularer Motoren in lebenden Zellen bei. Diese sind komplexe Proteinmoleküle, die über eine Nichtgleichgewichtsreaktion chemische Energie in mechanische Arbeit umwandeln, zum Beispiel beim Materialtransport innerhalb der Zelle, bei der Zellteilung oder beim Zusammenziehen von Muskeln. Juan Parrondo Simulation auf der Homepage der Uni Basel

Die Spiele „Ausgangspunkt sind zwei Glücksspiele gegen die Spielbank, bei denen der Spieler im Mittel einen leichten Verlust machen wird. Beim ersten zahlt man eine Spielgebühr und gewinnt oder verliert dann mit Wahrscheinlichkeit 0.5 einen Euro. Beim zweiten hängen die Chancen vom bisherigen Spielverlauf ab, es gibt für den Spieler günstige und weniger günstige Spielrunden, die Chancen gleichen sich im Mittel aber aus. Und nun die Überraschung: Wenn man vor jeder Spielrunde eine Münze wirft, um zu entscheiden, ob die nächste Spielrunde mit dem einen oder anderen Spiel gespielt werden soll, so ergibt sich für den Spieler ein Gewinnspiel.“ Erhard Behrends: Fünf Minuten Mathematik (2006), vieweg

Spiel A 1/2 1/2 -1 +1 Erwartungswert für den Gewinn: E(A) = 0

„Die genauen Spielregeln für Spiel 2 Die Spielregeln für das erste Parrondospiel sind schon beschrieben worden, für das zweite sind sie etwas komplizierter: Falls der bisher angesammelte Gewinn des Spielers durch Drei teilbar ist, sind die Chancen für ihn ungünstig: Mit Wahrscheinlichkeit 9/10 verliert er einen Euro, nur mit Wahrscheinlichkeit 1/10 ist er um einen Euro reicher. Besser sieht es aus, wenn der Gewinn nicht durch Drei teilbar ist. Dann gewinnt der Spieler mit 3/4 Wahrscheinlichkeit und verliert mit 1/4 Wahrscheinlichkeit. Damit gibt es für den Spieler ungünstige und günstige Situationen, je nachdem, wie es mit der Teilbarkeit seines gegenwärtigen Gewinns durch Drei steht. Es lässt sich zeigen, dass das perfekt ausgewogen ist. Aufgrund der Spielgebühr liegt aber, langfristig gesehen, ein Verlustspiel vor.“ Erhard Behrends: Fünf Minuten Mathematik (2006), vieweg

Spiel B Gewinn Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1

Kombiniertes Spiel (Spiel C) Münzwurf 1/2 1/2 Spiel A Spiel B Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/2 1/2 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1 +1 -1

Spiel B Gewinn 1/3 2/3 Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1 Erwartungswert für den Gewinn: E(B) = =

Spiel B Gewinn x 1-x Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1

Ú 0 (mod 3) 1/10 9/10 1/4 3/4 Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 3/4 1/4

Ú 0 (mod 3) 1/10 9/10 1/4 3/4 Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 3/4 1/4

Wahrscheinlichkeiten der Zustände

Ú 0 (mod 3) 1/10 9/10 1/4 3/4 Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 3/4 1/4

Spiel B Gewinn 5/13 8/13 Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1 Erwartungswert für den Gewinn: E(B) = =

Kombiniertes Spiel Münzwurf 1/2 1/2 Spiel A Spiel B x 1-x Ú 0 (mod 3) 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1 +1 -1

Ú 0 (mod 3) 1/4 + 1/20 1/4 + 9/20 1/4 + 1/8 1/4 + 3/8 Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 1/4 + 3/8 1/4 + 1/8

Wahrscheinlichkeiten der Zustände

Vergleich der Wahrscheinlichkeiten der Zustände Spiel B Kombiniertes Spiel

Münzwurf 1/2 1/2 Spiel A Spiel B 245/709 464/709 Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/2 1/2 1/10 9/10 3/4 1/4 +1 -1 +1 -1 +1 -1

Original nach Parrondo Spiel A 1/2-e 1/2+e -1 +1

Original nach Parrondo Spiel B Gewinn x 1-x Ú 0 (mod 3) Ú 1 , 2 (mod 3) 1/10-e 9/10+e 3/4-e 1/4+e +1 -1 +1 -1

Ú 0 (mod 3) 1/10-e 9/10+e 1/4+e 3/4-e Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 3/4-e 1/4+e

Spiel B Gewinn 5/13-440/2197 e+0(e2) 8/13+440/2197 e-0(e2) Ú 0 (mod 3) +1 -1 +1 -1 Wahrscheinlichkeit zu gewinnen: p(Gewinn) = e +0(e2)

Vergleich der drei Spiele Spiel A: p(Gewinn) = e Spiel B: p(Gewinn) = e +0(e2) Spiel C: p(Gewinn) = e +0(e2) = e +0(e2)

ABBABB

ABBABB  

ABBABB

ABBABB      

A + B + C + ABBABB Einsatz 0.02

Tritt Parrondos Paradoxon auch mit anderen Wahrscheinlichkeiten auf? B α β +1 - 1 K mod 3 = 0 K mod 3 ≠ 0   A C

Tritt Parrondos Paradoxon auch mit anderen Wahrscheinlichkeiten auf? B α β +1 - 1 K mod 3 = 0 K mod 3 ≠ 0   A C

Spiel B 1 – b 2 1   a x z y    

Spiel B      

Spiel B 1 – b 2 1   a x z y  

Spiel B    

Spiel B  

Spiel C 2 1   x z y

Spiel C        

Spiel C        

Funktioniert Parrondos Paradoxon auch mit anderen Moduln. M = 4. M = 5 Funktioniert Parrondos Paradoxon auch mit anderen Moduln? M = 4? M = 5? M = …?

Spiel B mit M=5 x 1 y 2 z 4 v 3 u a b   1 – b

pGewinn für M=5

pGewinn für M=5

Andere Moduln      

Konvergieren die Wahrscheinlichkeiten tatsächlich? Erklärung am Beispiel des Spiel B: Ú 0 (mod 3) 1/10 9/10 1/4 3/4 Ú 1 (mod 3) Ú 2 (mod 3) 3/4 1/4

Andere Darstellung mit Matrizen

Spaltenstochastische Matrix Diese Matrix hat drei reelle Eigenwerte: l1 = 1 l2 = l3 = Wählt man zu jedem Eigenwert einen Eigenvektor, so sind diese linear unabhängig und bilden eine Basis von R3. Jeder Vektor ist somit eine Linearkombination dieser drei Eigenvektoren.

In neuer Basis Und somit konvergiert jede ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsverteilung zur gleichen fixen Wahrscheinlichkeitsverteilung, nämlich zu jenem Eigenvektor zum Eigenwert 1, dessen Summe der Einträge 1 ist.

Variante des Spiels B Originalspiel ist Kapitalabhängig (capital based) Abhängig von der jüngsten Vergangenheit (history based) Je nach dem, wie viel man in den letzten zwei Spielen gewonnen hat, muss oder darf man eine andere Münze werfen. Nachbarabhängige Mehrpersonenspiele (collective games) Je nach dem, ob die Sitznachbarn beim letzten Durchgang gewonnen haben, spielt man mit einer anderen Münze.

Spiel B (history based) Jüngste Vergangenheit z w 1-w-z Zwei Gewinne Ein Gewinn, ein Verlust Zwei Verluste 7/10 3/10 1/4 3/4 9/10 1/10 +1 -1 +1 -1 +1 -1

Spiel B (history based) 7/10 + + w = 5/22 x = 3/11 y = 3/11 z = 5/22 E(Gewinn) = 0 w 3/10 1/4 + - 1/4 - + x y 3/4 3/4 9/10 - - z 1/10

Anwendungen Leider nicht an der Börse Leider nicht bei Sportwetten „Inzwischen wird das Paradoxon in der Biologie, der Chemie, den Wirtschaftswissenschaften und in anderen Disziplinen zur Erklärung von Beobachtungen verwendet. Zum Beispiel kann man so versuchen zu verstehen, wie sich Kleinstlebewesen gegen ein Kraftfeld dadurch forbewegen können, dass zwischen verschiedenen chemischen Potentialen umgeschaltet wird.“ Erhard Behrends: Frankfurter Allgemeine, 26.1.03

„Es ist durchaus nicht so, dass man nun eine Theorie für alle möglichen Fälle hätte, wo sich Verslustsituationen zu einem Gewinn kombinieren können. Es scheint aber das Schicksal mathematischer Theorien zu sein, die auch ausserhalb der Fachgrenzen bekannt werden, dass ihnen für die Interpretation der Welt weit mehr zugetraut wird, als ihre Schöpfer jemals behauptet haben.“ Erhard Behrends: Frankfurter Allgemeine, 26.1.03