Wozu Theorien der politischen Ökonomie?

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Wozu Theorien der politischen Ökonomie? „[D]ie Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen [sind], sowohl wenn sie im Recht, als wenn sie im Unrecht sind, einflußreicher, als gemeinhin angenommen wird. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes beherrscht. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen. Wahnsinnige in hoher Stellung, die Stimmen in der Luft hören, zapfen ihren wilden Irrsinn aus dem, was irgendein akademischer Schreiber ein paar Jahre vorher verfaßte.“ (John Maynard Keynes (1936): Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes)

Übersicht Theorieansätze Vor Kapita- lismus Vorklassik Antike/Mittelalter: Antike Philosophie (Aristoteles), Scholastik (Aquin) Frühkapitalismus: Merkantilismus (Steuart, Colbert) vs. Physiokraten (Quesnay) 18./19. Jhdt. Klassik (Smith, Say, Malthus, Ricardo, Mill) Deutsche historische Schule (List, Schmoller, Sombart) Marxismus/Sozialismus (Saint-Simon, Fournier, Marx/Engels) Max Weber Anfang 20. Jhdt. Neoklassik (Jevons, Walras, Menger) Neoliberalismus *Chicago Schule: Friedman/“Monetarismus“, Becker/“Rational Choice“ *Österr. Schule: Hayek, Schumpeter Keynesianismus (Keynes, Robinson, Tobin, Hicks) Div. Heterodoxe Ansätze: * Institutionalismus * Ökologische Ökonomie * Regulationstheorie * Feministische Ökonomie Mitte/ 2. Hälfte 20. Jhdt.

Definition „Politische Ökonomie“ im Bedeutungswandel Etymologisch: „Ökonomie“ leitet sich vom altgriechischen „oikonomia“ ab, einem aus den Begriffen „oikos“ (Haus) und „nomos“ (Gesetz) zusammengesetzten Wort. Ursprüngliche Bedeutung: „Ökonomie“ bezieht sich von der Antike bis zum Mittelalter auf die Verwaltung von Haushalt und Hof vor allem im traditionellen Agrarsektor; konkret auf die Führung der Hausgemeinschaft (Familie und Sklaven bzw. Gesinde) durch den Hausherrn. Bedeutungswandel ab dem 17. Jhdt.: Ökonomie als „politische Ökonomie“ verweist auf die Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten durch den Staat; ab Ende des 18. Jhdts. in erster Linie auf die Produktion und Verteilung des Wohlstands im Kontext der Verwaltung nationaler Ressourcen.

Vorklassik (Antike, Mittelalter) „Ökonomie (moralische und politische), dieses Wort kommt von oikos (Haus) und nomos (Gesetz) und bedeutete ursprünglich nur die weise und rechtmäßige Führung des Hauses zum Wohl der ganzen Familie. Der Sinn dieses Begriffs ist später ausgedehnt worden auf die Führung der großen Familie, die der Staat darstellt.“ (Jean-Jacques Rousseau (1755): Abhandlung über die politische Ökonomie) „What economy is in a family, political economy is in a state.“ (James Steuart (1767): Inquiry into the Principles of Political Economy)

Klassik „Die Politische Ökonomie verfolgt als Zweig der Wissenschaft, die eine Lehre für den Staatsmann und Gesetzgeber entwickeln will, zwei unterschiedliche Ziele: Einmal untersucht sie, wie ein reichliches Einkommen zu erzielen oder der Lebensunterhalt für die Bevölkerung zu verbessern ist, zutreffender, wodurch der einzelne in die Lage versetzt werden kann, beides für sich selbst zu beschaffen, und ferner erklärt sie, wie der Staat oder das Gemeinwesen Einnahmen erhalten können, mit deren Hilfe sie öffentliche Aufgaben durchführen. Die politische Ökonomie beschäftigt sich also mit der Frage, wie man Wohlstand und Reichtum des Volkes und des Staates erhöhen kann.“ (Adam Smith (1776): Der Wohlstand der Nationen) Vertreter Sozialgeschichtlicher Hintergrund Leitfrage Konzeption des Verhältnis von Politik und Ökonomie Adam Smith David Ricardo John Stuart Mill 18. Jhdt.: Durchsetzung von Industrialisierung und Kapitalismus; Bürgerliche Autonomiebestre-bungen gegenüber Monarchie Wie entsteht Wohlstand und wie wird er zwischen den Klassen verteilt? Freiheit für private kommerzielle Interessen als Voraussetzung für das Gemeinwohl, dessen Realisierung lediglich ordnungspolitisch flankiert werden muss

Marxismus „Die politische Ökonomie, im weitesten Sinne, ist die Wissenschaft von den Gesetzen, welche die Produktion und den Austausch des materiellen Lebensunterhalts in der menschlichen Gesellschaft beherrschen. Die Bedingungen, unter denen die Menschen produzieren und austauschen, wechseln von Land zu Land, und in jedem Lande wieder von Generation zu Generation. Die politische Ökonomie kann also nicht dieselbe sein für alle Länder und für alle geschichtlichen Epochen. Die politische Ökonomie ist somit wesentlich eine historische Wissenschaft.“ (Friedrich Engels(1878): Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschaft) Theorie Sozialgeschichtlicher Hintergrund Leitfrage Konzeption des Verhältnis von Politik und Ökonomie Karl Marx, Friedrich Engels 19. Jhdt.: Soziale Verwerfungen der kapitalistischen Entwicklung und zyklisch wiederkehrende Krisen Wie kann eine Kritik der politischen Ökonomie in sozialrevolutio-närer Absicht entwickelt werden? Kapitalismus als umfassendes gesellschaftliches (Klassen-) Verhältnis, das neben ökonomischen auch politische und ideologische Beziehungen umfasst

Neoklassik „Ökonomie ist die Wissenschaft, die menschliches Verhalten als Verhältnis zwischen gegebenen Zielen und knappen Mitteln mit verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten untersucht.“ (Lionel Robbins (1932): An Essay on the Nature and Significance of Economic Science) Theorie Sozialgeschichtlicher Hintergrund Leitfrage Konzeption des Verhältnis von Politik und Ökonomie Leon Walras, William Jevons, Carl Menger Ende 19. Jhdt.: Konsolidierung des Kapitalismus, Autonomisierung der Volkswirtschaftslehre Wie holen Individuen für sich das Beste am Markt heraus? (Ziel-Mittel-Optimierung) Markt als autonomes System, frei von Staat, sorgt für Gleichgewicht

Keynesianismus „Der herausragende Missstand der Wirtschaftsgesellschaft, in der wir leben, ist ihr Versagen bei der Bereitstellung von Vollbeschäftigung und ihre willkürliche und ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen.“ (J.M. Keynes (1935): The General Theory of Employment Interest and Money) Theorie Sozialgeschicht-licher Hintergrund Leitfrage Konzeption des Verhältnis von Politik und Ökonomie J.M. Keynes, Joan Robinson, Nicholas Kaldor Weltwirtschafts-krise 1929f. Wie kann die instabile Marktwirtschaft stabilisiert und Arbeitslosigkeit bekämpft werden? Markt braucht Staat für Stabilisierung