Mobbingsituationen erkennen, verstehen und vorbeugen

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 Präsentation transkript:

Mobbingsituationen erkennen, verstehen und vorbeugen Diskussionsanstoß für das AUGE BetriebsrätInnen-Treffen (Luis Stabauer) Konfliktsituationen am Arbeitsplatz erfolgreich bewältigen

Mobbing „Mob“ (engl. Pöbel, Bande, Sippschaft) anglosächs. „Bullying“ (tyrannisieren, einschüchtern) Definition: Mobbing beschreibt eine Konflikteskalation am Arbeitsplatz, bei der das Kräfteverhältnis zu Ungunsten einer Partei verschoben ist. Die Konfliktpartei ist systematisch feindseligen Angriffen ausgesetzt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, häufig auftreten und zu maßgeblichen individuellen und betrieblichen Schädigungen führen. (Kolodej, 1999) Eine oder mehrere Handlungen über mind. ½ Jahr, mind. 1 mal pro Woche.

Verbreitung von Mobbing 1-16,9% Ergebnis aller Studien in Österreich, Deutschland, Skandinavien (Niedl, 1995) Größte Studie Schweden 1991 3507 befragte Berufstätige ergab 3,5% Mobbingbetroffene. Übertragen auf Gesamtbevölkerung. Hochgerechnet auf die Dauer eines Erwerbslebens läuft jede vierte Person Gefahr, zumind. einmal während ihres Berufslebens ein halbes Jahr lang Mobbingopfer zu sein.“ Etwa 20% der Selbstmorde pro Jahr in Deutschland gehen auf das Konto von Mobbingaktivitäten.

Mobbinghandlungen Die Äußerungsmöglichkeiten des Gemobbten werden eingeschränkt. Man lässt sich von dem Betroffenen nicht mehr ansprechen. Der/die Gemobbte wird „persona non grata“ und nicht mehr zu Sitzungen, Arbeitsessen, Mittagessen, Geburtstagsfesten, oder gemeinsamen Treffen eingeladen. Gemobbte werden in ein einsames Büro abgeschoben und isoliert. Es werden wichtige zur Aufgabenerledigung erforderliche Informationen vorenthalten. Das Mobbing-Opfer wird ständig unterbrochen. Es wird unvermittelt angeschrien oder angepöbelt. Ständig wird über Lebensauffassungen gewitzelt, Ansichten und Überzeugungen werden öffentlich verhöhnt. Vor allem politische und religiöse Einstellungen werden angegriffen. Die Person wird zur Zielscheibe von ständigen Spötteleien.

Ziel der Mobbinghandlungen Unterminierung des Selbstwertgefühls (Spöttelein, Verhöhnung, öffentliche Abmahnungen etc.) Zerstörung des sozialen Ansehens (bei anderen lächerlich machen, Gerüchte, politische Einstellung) Zerstörung der Kommunikationsmöglichkeiten des Gemobbten (z.B. anschreien, unterbrechen, abwertende Gesten) Vernichtung der sozialen Beziehungen – Isolierung des Mobbing-Opfers Angriff auf die Qualität der Berufs-, Lebenssituation (sinnlose, unangenehme, keine Aufgaben) Angriff auf die Gesundheit (sexuelle und körperl. Übergriffe)

Mobbingphasen Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Ein Konflikt wird nicht konstruktiv gelöst Es wird systematisch Psychoterror ausgeübt Die Personal-leitung schaltet sich ein Ausschluss aus der betrieblichen Gemeinschaft Jedem Mobbingprozess geht ein Konflikt voraus, der nicht ausgetragen wurde. Dieser Konflikt schwelt unter der Oberfläche weiter und kann zum Auslöser von Mobbingaktivitäten werden. Feindbilder werden aufgebaut und unter dem Deckmantel der Sachauseinandersetzung werden die Aggressionen abgeführt.

Position und Anzahl der Mobbingbeteiligten Am häufigsten zwischen hierarchisch gleichgestellten 44% Am zweithäufigsten von Vorgesetzten zu Untergebenen („Bossing“) 37% Am dritthäufigsten von Untergebenen zu Vorgesetzten („Staffing“) 10% 2/3 Gruppenphänomene

Wie entledigt sich eine Gruppe ihrer negativen Anteile? Projektion Idealisierung Gruppen bieten dem Individuum die Möglichkeiten, eigene Anteile auf unterschiedliche Mitglieder zu projizieren Projektion der Feindseligkeit Parallelität von Arbeitsebene und Phantasieebene bzw. wechselseitige Bedingung Projektion der Verfolgung und der Angst

Soziale Systeme bieten durch ihre unterschiedlichen Rollen Container an, die die projizierten Anteile der Gruppe per Rollendefinition absorbieren müssen Die Arbeitsgruppe in einer Institution Idealisierung Rollen in Sozialen Systeme fungieren in Gruppen-phantasien als Container und absorbieren die projezierten Impulse. Auf der Arbeitsebene wird auf diese Weise eine ambivalenzfreie Zusammenarbeit gewährleistet Projektion der Feindseligkeit auf das aufgrund seiner Rolle schwächste Mitglied eines Arbeitsteams Projektion der Verfolgung und der Angst auf den Stellvertreter

Mobbingfolgen für Betroffenen Nach Tagen: Symptome des Unwohlseins Nach ½-1 Jahr: Posttraumatische Störung - Belastung des familiären Umfeldes - Suizidgefahr Nach 1-2 Jahren: generalisierte Angststörung, Sucht, Persönlichkeitsveränderung i.S. von schweren depressiven, paranoiden, querulatorischen Syndromen

Was kann der/die Betriebsrätin gegen Mobbing tun? Beobachtung des Gruppenklimas, um frühzeitig Mobbingaktivitäten zu erkennen und ihnen entgegenzutreten Die Arbeitsqualität sinkt und das Arbeitsvolumen vermindert sich Häufiges krankheitsbedingtes Fehlen Wichtige Informationen werden von den Betriebsangehörigen an den Gemobbten nicht weitergeleitet Ein bislang harmonisches Team zerfällt Sachliche und zielgerichtete Diskussionen werden durch nerven- und zeitraubende open-end-Debatten ersetzt Mitarbeiter beginnen sich gegenseitig zu kontrollieren Kritik wird destruktiv geübt Ernstnehmen der Mitarbeiterbeschwerden Thematisierung des Mobbingprozesses Erkennen und Mitwirkung an der Lösung des dahinter liegenden Konfliktes Erkennen von richtigen, unterstützenden Maßnahmen (früher Zeitpunkt: Beratung, Coaching; ab traumatischen Erscheinungen: Psychotherapie)

Was kann der Betrieb gegen Mobbing tun? Firmengrundsätze stellen die Weichen für ein kooperatives Miteinander Der im Unternehmen praktizierte Führungsstil muss Mobbing verhindern (autoritär versus koopeartiv) Innerbetriebliche Anlaufstellen/Beratungsstellen Konfliktkultur entwickeln (erkennen, analysieren, transformieren) Betriebsvereinbarung (Geltungsbereich, Mobbing-Definition, Verbot von Mobbinghandlungen, Verfahrensablauf für Beschwerdemöglichkeiten, Aufzählung arbeitsrechtlicher Schritte, Geltungsdauer etc.) Arbeitsrechtliche Schritte

Was kann der/die Gemobbte gegen Mobbing tun? Verständnis der Mobbing-Dynamik und der eigenen Funktion Mobbing Tagebuch: Auflistung der Vorkommnisse Mobber auf sein/ihr Tun ansprechen: mit der eigenen Aggression konfrontieren Aktivierung des eigenen sozialen Netzwerks, um der Isolierung gegenzusteuern Auseinandersetzung mit der eigenen Verletzbarkeit, dem persönlichen Entgegenkommen, um die Angriffsflächen zu reduzieren Selbstbewusstes Auftreten: verbal, körpersprachlich und Verhalten Beachtung der Gruppennormen (oder deklarierte Unterschiede) Bewusste Abwehr persönlicher Angriffe, Untergriffe und Beleidigungen Beratungswege nutzen: vom BR über AK, ÖGB bis öffentl. Stellen Beschreitung des Rechtswegs

Schlussfolgerungen zur Dynamik des Mobbing Die Ursache des Mobbings liegt in den allermeisten Fällen in einem Konflikt, der nicht gelöst wurde und der unter der Oberfläche weiterschwelt Der/die Mobbingbetroffene ist in der Regel Symptomträger einer kranken Organisation Der Mobbingprozess hat stabilisierende Funktion für Gruppe und Organisation. Soziale Systeme bieten durch ihre unterschiedlichen Rollen Container an, die die projizierten Anteile der Gruppe per Rollendefinition absorbieren müssen

Maßnahmen Mobbing Coaching - Psychotherapie Mobbing offen legen Firmenkultur/Normen Mobbing Beratung Betriebsvereinbarung Konfliktmanagement Kooperativer Führungsstil

Psychodynamik des Mobbingopfers Angriffe auf den Selbstwert Paranoide Schleife (Haider) Depressive Schleife (Rückzug) Objekt Selbst Objekt

Dynamik der inneren Kräfte einer Gruppe Rangdynamik: Dynamik der inneren Kräfte einer Gruppe Alpha Position: Wer sie einnimmt, repräsentiert die Gruppe in ihrer Dynamik nach außen, er ist der „Führer“ der Gruppe. Der Alpha hat volle Unabhängigkeit und verhält sich sich völlig aus sich und zu sich, denn seine Ziele sind ja die Ziele der Gruppe. Er hat nur eine wirkliche Verpflichtung: er muss schicksalanteilig mit der Gruppe verbunden sein, er muss „einer von uns“ sein. Beta Position: Wer sie einnehmen will, muss Sachkenntnis haben im bereich der Interessen der Gruppe. Er muss die Gruppe beraten und sachlich anleiten, seine ansichten mit überzeugenden Argumenten oder Erfolgen vertreten. Er ist der Spezialist der Fachmann. Er legitimiert sich nicht durch sich, sondern durch sein Werk. Er muss vom Alpha anerkannt sein. Gamma Position: Sie ermöglicht anonyme Mitgliedschaft, das Eintauchen in die das Persönliche verdeckende Kollektivität. Man ist in ihr ohne eigene Verantwortung, man lebt in der Affektivität des alpha, ja man nimmt den Ort ein, des Unbewusste des Alpha verlangt. Als Gamma erlebt man aus der Identifikation mit dem Alpha. Omega Position: Sie erfüllt eine für die Gruppendynamik wesentliche Aufgabe, eine Art Repräsentation des Feindes in der Gruppe. Sie wirkt fremd- und randzugehörig, der Gruppenneue wie auch der Unterbegabte oder Ängstlich-Unsichere ist für sie disponiert. Der Omega identifiziert sich mit dem, der sich der Gruppe zu widersetzen vermöchte und ihr standhalten könnte, und das ist natürlich der Gegner. Aufgrund seiner isoierten Stellung muss Omega notwendig in der Auseinadersetzung versagen, worin ja offenbar auch seine gruppendynamische Funktion liegt.

Hackordnung Vor etwa hundert Jahren beobachtete der norwegische Zoologe Thorleif Schjelderup-Ebbe, das es bei den vielen kleinen Zänkereien, die sich tagsüber auf dem Hühnerhof abspielten, keineswegs chaotisch zugeht, indem sich alle Hühner gegenseitig hacken, sondern dass hier eine Gesetzmäßigkeit vorliegt. Er hatte alle Hühner individuell unterscheiden gelernt und notierte ihre Auseinandersetzungen auf „Hacklisten“. Zu seiner Verblüffung stellte er fest, das bei 1900 Hackbeobachtungen in einer Hühnerschar eine ganz strenge Staffelung eingehalten wird. Ein Huhn ist dabei allen anderen Hühnern überlegen (=Alpha-Huhn), das alle übrigen Hühner ungestraft hacken darf und von keinem anderen Huhn gehackt wird. Das Huhn mit dem nächst höheren Rang (=Beta-Huhn), wird nur von Alpha-Huhn gehackt, darf aber – abgesehen vom Alpha-Huhn – alle nachrangigen Artgenossen hacken. So geht die Reihenfolge weiter bis zum Omega-Huhn, das von allen Hühnern gehackt werden darf, selbst aber sich in keinem Fall zur Wehr setzen darf. Aus Hans-Jürgen Kratz, Mobbing, 2003

Rangdynamik: Dynamik der inneren Kräfte einer Gruppe Gamma Omega Beta Alpha Gegner Raoul Schindler: Grundprinzipien der Psychodynamik in der Gruppe, 1956