Wissenschaftlich begründete Argumentationen

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Wissenschaftlich begründete Argumentationen Prof. Dr. Mihri Özdoğan Seminar: Einführung in die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens Modul 1.5

Vom Stammtischargument zum analytischen Duktus Stammtisch-Duktus „Weil sich Alleinerziehende nicht richtig um ihre Kinder kümmern können, bekommen sie psychische Störungen“. Subjektivistischer Duktus „Frauen, die arbeiten, können sich nicht genügend um ihre Kinder kümmern, deshalb finde ich Ganztagsschulen schlecht“. Prof. Dr. Mihri Özdoğan

Vom Stammtischargument zum analytischen Duktus Unbelegte Behauptungen „Durch die Emanzipation arbeiten immer mehr Frauen und deshalb werden immer weniger Kinder geboren“. Wissenschaftlich-analytischer Duktus „Bereits N. (1992) stellte einen Zusammenhang zwischen Emanzipationsprozessen und der Erwerbsquote von Frauen fest. Darüber hinaus weisen empirische Untersuchungen (vgl. N.N. u.a. 2008) auf einen doppelten Lebensentwurf von jungen Frauen hin. Das wiederum führt zu verstärkten politischen Forderungen nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Prof. Dr. Mihri Özdoğan 3 3

Vom Stammtischargument zum analytischen Duktus „Muslimische Frauen tragen aus vielschichtigen Gründen ein Kopftuch, ebenso viele entscheiden sich aber auch gegen ein Kopftuch. Für den Großteil muslimischer Frauen stellt das Kopftuch einen selbstverständlichen Teil des Alltags dar (…). Ein weiteres Motiv für das Tragen des Kopftuchs ist, es als Ausdruck des freien Willens zu sehen, den Geboten des Islam zu folgen.“ Hier handelt es sich um die Aneinanderreihung von Behauptungen bzw. Thesen des Autors. Woher weiß er das alles? Solche Thesen müssen belegt werden: durch Berufung auf Fachliteratur, die diese Behauptungen untermauern durch empirische Belege aus Untersuchungen durch eigene empirische Erfahrungen durch Berufung auf Meinungen, die in den Medien vertreten werden, sofern diese sachlich begründet sind. Diese Thesen sind als geäußerte Behauptungen durch den Verfasser strittig – sie fordern zur Kritik heraus. In der vorliegenden Form ist der Autor dieser Kritik ungeschützt ausgesetzt. Prof. Dr. Mihri Özdoğan 4 4

Vom Stammtischargument zum analy. Duktus Alternative: „Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Muslimische Frauen aus vielschichtigen Gründen ein Kopftuch tragen, (ebenso) viele entscheiden sich aber auch gegen ein Kopftuch. Die Frage der Verteilung ist hier schwierig zu beantworten, da es meist qualitative Erhebungen sind, die sich mit den Motiven des Kopftuchtragens auseinandersetzen. N.N (2007) zeigt, dass für den Großteil muslimischer Frauen das Kopftuch einen selbstverständlichen Teil des Alltags darstellt. Andere Untersuchungen (vgl. N.N. 2005) weisen auf ein weiteres Motiv für das Tragen des Kopftuchs. Im Gegensatz dazu, was feministische Autorinnen (vgl. hierzu N.N. 2005) häufig vertreten und entgegen den Vorstellungen, die sich hierzulande unterstützt durch zahlreiche Medien (vgl. etwa N.N. 3/2006), weitgehend durchgesetzt haben, ist das Kopftuch sogar auch als Ausdruck des freien Willens zu sehen, den Geboten des Islam zu folgen. Die empirisch festzustellende Vielfalt der Motivlagen für das Tragen eines Kopftuchs spiegelt sich also nicht in Positionen, die das Kopftuch primär als patriarchales Unterdrückungsinstrument oder Zeichen fundamentalistischer Gewaltbereitschaft interpretieren.“ Hier spricht der Autor von einer anderen Position aus: Er belegt seine Thesen Er setzt sich mit den Thesen auseinander, setzt sie miteinander in Beziehung und zieht eigene Schlussfolgerungen Die Quellen sind Bezugnahmen, die eine eigene Argumentationslinie unterstützen Die Quellen sind Mittel zu Zweck der Plausibilisierung des eigenen Textes, sie werden nicht nur wiedergegeben Prof. Dr. Mihri Özdoğan 5 5

Vom Stammtischargument zum analy. Duktus Außerdem wird es als Möglichkeit gesehen, die Verbundenheit zum Elternhaus und damit zum Islam zu demonstrieren (…) (vgl. Boos-Nünning 2007). Im Gegensatz dazu gibt es aber auch muslimische Frauen, die trotz religiösem Hintergrund das Tragen eines Kopftuches ablehnen, da sie es nicht als religiöse Pflicht empfinden (vgl. Boos-Nünning 2007).“ Hierbei handelt es sich um indirekte Zitate. Diese werden aber als Tatsachenbehauptungen bzw. Tatsachenbeschreibungen (Deskriptionen) wiedergegeben. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei den Aussagen von Boos-Nünning ebenfalls um Thesen. Der Autor identifiziert sich bruchlos mit den Thesen von Boos-Nünning Die Thesen werden unkommentiert wiedergegeben, so entstehen Aneinanderreihungen von indirekten Zitaten Der vorherrschende Duktus ist der der bloßen Zusammenfassung von Texten ohne Eigenanteil Prof. Dr. Mihri Özdoğan 6 6

Vom Stammtischargument zum analy. Duktus Alternative: „Boos-Nünning entdeckt in ihren Untersuchungen auch die Möglichkeit, im Tragen eines Kopftuchs die Verbundenheit zum Elternhaus und damit zum Islam zu demonstrieren (…) (vgl. ebd. 2007). Hingegen stellt Boos-Nünning fest, dass muslimische Frauen, die sich selbst als religiös bezeichnen, trotz dieses religiösem Hintergrunds das Tragen eines Kopftuches ablehnen, da sie es nicht als religiöse Pflicht empfinden (vgl. ebd. 2007).Damit wird deutlich, dass nicht nur das Tragen eines Kopftuchs unterschiedlich motiviert sein kann – auch der Verzicht auf ein Kopftuch ist keineswegs gleichzusetzen mit einer Distanzierung von muslimischer Identität oder religiösem Bekenntnis. Die Annahme von der symbolischen Eindeutigkeit des Kopftuchs kann demnach als wissenschaftlich widerlegt gelten.“ Wieder spricht der Autor nunmehr aus einer anderen Position: Er macht transparent, dass es sich bei den indirekten Zitaten nicht um Tatsachen, sondern um Thesen handelt Er lässt deutlich werden, wodurch diese Thesen bei Boos-Nünning belegt werden Er interpretiert diese Thesen und setzt sich kritisch mit ihnen auseinander Er baut diese indirekten Zitate in seine eigene Argumentation ein Prof. Dr. Mihri Özdoğan 7 7