Automaten, formale Sprachen und Berechenbarkeit II SoSe 2004 Prof. W

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 Präsentation transkript:

Automaten, formale Sprachen und Berechenbarkeit II SoSe 2004 Prof. W Automaten, formale Sprachen und Berechenbarkeit II SoSe 2004 Prof. W. Brauer Teil 2: Geschichte Vor allem Literaturhinweise - auf Originalarbeiten (oder Nachdrucke) sowie Bücher, die sich (z. T.) mit Geschichte befassen. Zu Beginn einige allgemeine Überlegungen. Dann Stichworte zu mechanischen Automaten (und Uhren). Danach Bemerkungen zu Informatik und Kybernetik. Schließlich Hinweise zur Entwicklung der theoretischen Informatik.

Zur Einstimmung Geschichte sollte nicht der Heldenverehrung dienen sondern dem Verständnis von Entwicklungen; es sollte gesucht werden nach: Vorbedingungen, Voraussetzungen, Ursprüngen, Anregungen, Motivationen, Grundideen, Ansätzen, Unterstützungen, Behinderungen etc. von innovativen Ideen und Aktivitäten. Unser Interesse gilt der Informatik. Sie ist Produkt unserer abendländischen Zivilisation – und diese ist wesentlich durch die griechische Kultur bestimmt, insbesondere was wissenschaftliches Denken betrifft. Also fragen wir, ob es in der griechischen Antike Vorstellungen, Ideen gibt, die zur Informatik hinführen - und zwar andere als nur mathematische wie etwa der euklidische Algorithmus (der ja auch ohne Informatik, ohne Computer funktioniert). Ganz entscheidend für die Entwicklung der Informatik ist das Konzept des Automaten, der selbsttätig agierenden Maschine, des Roboters.

Wir suchen bei den alten Griechen im Hinblick auf die Informatik keine systematische, zusammenhängende Theorie; wir können nur Anekdotisches erwarten. Also schlagen wir bei Homer nach – er bringt ja viele Anekdoten über Helden und Götter. In Homers Ilias (750 - 650 vor Chr., ältestes erhaltenes Großepos der europäischen Literatur), im 18. Gesang, besucht die Göttin Thetis den Hephaistos, um ihn zu bitten, für Achilles eine neue Rüstung zu schmieden. Ich zitiere nur auszugsweise: Aber Hephaistos’ Palast erreichte die Herrscherin Thetis, Sternenhell, unvergänglich, in strahlender Pracht vor den Göttern, Welchen aus Erz er selbst sich gebaut, der hinkende Künstler. Ihn dort fand sie voll Schweiss um die Blasebälge beschäftigt, Eiferig: denn Dreifüsse bereitet’ er, zwanzig in allem, Rings zu stehn an der Wand der wohlgeründeten Wohnung, Goldene Räder befestigt’ er jeglichem unter dem Boden, Dass sie von selbst annahten zur Schar der unsterblichen Götter, Dann zu ihrem Gemach heimkehreten, Wunder dem Anblick. ...

Hinkte sodann aus der Tür; und Jungfraun stützten den Herrscher, Goldene, lebenden gleich, mit jugendlich reizender Bildung: Diese haben Verstand in der Brust und redende Stimme, Haben Kraft und lernten auch Kunstarbeit von den Göttern. Schräge vor ihrem Herrn hineilten sie; er, nachwankend, ... Dieses gesagt, verliess er sie dort und ging in die Esse, Wandt in das Feuer die Bälg’ und hiess sie mit Macht arbeiten. Zwanzig bliesen zugleich der Blasebälg’ in die Öfen, Allerlei Hauch aussendend des glutanfachenden Windes, Bald des Eilenden Werk zu beschleunigen, bald sich erholend, Je nachdem es Hephaistos befahl zur Vollendung der Arbeit.“ Hephaistos wird charakterisiert als (häßlicher Ingenieur) jemand, der Automaten, intelligente Roboter baut, die ihm und anderen Göttern Dienste leisten: die Dreifüße, die selbständig Getränke bringen, die goldenen Jungfrauen, die ihn unterstützen, und wohl auch die aufs Wort hörenden Blasebälge.

Inwieweit auch die nach griechischer Mythologie erste Frau, die, wie die goldenen Jungfrauen, von Hephaistos geschaffen sein soll, nämlich Pandora, als Automat angesehen werden kann (dem schließlich von Athene auch Leben eingehaucht wurde) und was für eine Bewandnis in diesem Zusammenhange Pandoras Büchse hat, könnte man noch genauer untersuchen. Statt Hinweisen auf weitere Ideen und Realisierungen von Automaten des griechischen Altertums – siehe das Buch von A. Sutter (s.u.) – nun nur noch eine anekdotische Erwähnung einer späteren, mehr kleinbürgerlichen, naiveren Vorstellung aus der Romantik: Ein Gedicht von August Kopisch (Die Kölner Heinzelmännchen). Ich zitiere nur die erste Strophe – Sie werden sich vielleicht an Ihre Kinderzeit erinnern: Wie war zu Köln es doch vordem Mit Heinzelmännchen so bequem ! Denn, war man faul, . . . man legte sich Hin auf die Bank und pflegte sich; Da kamen bei Nacht, Eh‘ man’s gedacht, Die Männlein und schwärmten Und klappten und lärmten

Und rupften Und zupften Und hüpften und trabten Und putzten und schabten Und eh‘ ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagwerk schon gemacht ! Diese Heinzelmännchen sind, meines Erachtens, nichts weiter als der verniedlichte Wunsch nach Service-Robotern. Fazit: Das Bedürfnis nach (praktischer) Informatik (und künstlicher Intelligenz) ist so alt wie unsere Zivilisation. Wie kommt man zu technischen Neuerungen? Es gibt zwei verschiedene Wege. Echte, große, nützliche Innovationen entstehen durch Kombination beider Wege – und das war (und ist) auch bei der Informatik der Fall.

Weg 1 (der konservative - gerne als der menschenfreundliche bezeichnet): Man sucht nach möglichst perfekter Simulation menschlicher Aktivitäten, um Menschen von anstrengender, gefährlicher oder gleichförmig-langweiliger Arbeit zu entlasten, d.h. in der Informatik, dass für diese Tätigkeiten Automaten (in Hart- oder Weichware) entwickelt werden. Sie kennen sicher Zuses und Turings entsprechende Motivation und Argumentation bei der Entwicklung ihrer Maschinenkonzepte sowie Bauers Ansicht, die Informatik diene der „Befreiung des Menschen von der Last eintöniger geistiger Tätigkeit“). Weg 2 (der innovative): Man entwickelt Geräte, mit denen man etwas ganz Neues erreichen kann, die neue Möglichkeiten menschlicher Aktivitäten eröffnen, insbesondere auch neue wissenschaftliche und technische Entwicklungen ermöglichen – ohne immer an Benutzerakzeptanz etc. zu denken. Die romantischen Heinzelmännchen entsprechen wohl mehr der konservativen Haltung; handwerkliche Fähigkeiten werden simuliert, komplizierter kommunikativer Kontakt zum Menschen ist nicht vorgesehen.

Bei Homer sind schon beide Wege angedeutet. Die Dreifüße sind durchaus innovativ – mit Rädern statt Füßen (denn mit 3 Füßen läuft es sich wohl schlecht) und wohl irgendwie kommandierbar; ebenso wie die aufs Wort gehorchenden Blasebälge. Die goldenen Jungfrauen sind einerseits konservative Nachbauten menschlicher Gestalt, andererseits sind sie intelligent und können mit „redender Stimme“ (d.h. in natürlicher Sprache) kommunizieren. Bei den Griechen mußten also Automaten nicht menschenähnlich sein (siehe die Dreifüße), sie konnten aber auch sehr menschenähnlich wirken und künstliche Intelligenz besitzen (die Jungfrauen). Eines war jedoch damals immer klar: Ein Automat war eine technische List, nichts Natürliches, kein Lebewesen. Leben mußte erst eine Göttin (oder ein Gott) einhauchen – und dadurch entstand etwas ganz Neues (Pandora war zwar wohl kurze Zeit nur ein Automat, aber durch Athene wurde sie Mensch).

Literatur: Alex Sutter. Göttliche Maschinen - Die Automaten für Lebendiges bei Descartes, Leibniz, La Mettrie und Kant. Athenäum, Frankfurt/M. 1988 Peter Dietz. Menschengleiche Maschinen - Wahn und Wirklichkeit der künstlichen Intelligenz. Bühler & Heckel, Berlin 2003 Pamela McCorduck. Machines Who Think - A Personal Inquiry into the History and Prospects of Artificial Intelligence W. H. Freeman & Co., San Francisco, 1979 Karl Steinbuch. Automat und Mensch - Kybernetische Tatsachen und Hypothesen. Springer-Verlag, Berlin, 3. Auflage, 1965 Norbert Wiener. Cybernetics - or control and communication in the animal and the machine. The M.I.T. Press and John Wiley & Sons, New York, London, second edition, 1961. John von Neumann. The Computer and the Brain. Yale University Press, New Haven, 1958

Entwicklung der Informatik Den eigentlichen Beginn der Informatik markieren - Turings Konzept der universellen Rechenmaschine, - Zuses Konstruktion der Z1, - Aikens Vorschlag für den Bau der Harvard Mark I (alles etwa 1936 – und alle keine Elektrotechniker). Von hier aus gehen dann sowohl die Entwicklungen der Technik als auch die der Theorie schnell weiter. Zunächst ein paar Bemerkungen zur Entwicklung der Berechen- und Entscheidbarkeitstheorie, danach Bemerkungen zu den Anfängen der Theorie formaler Sprachen sowie der Automatentheorie.

Bereits 1951 als Bericht bei Rand Corp. erschienen!

Warren McCulloch, Walter Pitts: A logical calculus of the ideas immanent in nervous activity. Bulletin of Mathematical Biophysics 5, 115 – 133. 1943 John von Neumann: The General and Logical Theory of Automata A "slightly edited version of one that was read at the Hixon Symposium on September 20, 1948 in Pasadena, California". Published in 1951 in "Cerebral Mechanisms in Behavior", edited by L.A. Jeffress. Sehr allgemeine Theorie - geht bis zu Ideen zur „Selbstreproduktion“ von Automaten. Ausarbeitung dieser Gedanken in Edward F. Moore: Machine Models for Self-Reproduction. Proc. Symp. Appl. Math. XIV, A.M.S. 1962, pp. 17 - 33

Völlig unabhängig von den anderen Arbeiten, nur ausgehend von: N. Chomky: „Three Models for the Description of Language“, IRE Trans. On Inform. Theory IT-2, 113 - 124 Nur Arbeiten von Mandelbrot, Schützenberger und Shannon zur Codierungstheorie werden zitiert: Noam Chomsky, George A. Miller: Finite State Languages, Information and Control 1, 91 - 112 (1958) Als Anhang zur russischen Übersetzung der „Automata Studies“ (s.o.) von 1956 erschien (neben einer Übersetzung der Arbeit von McCulloch und Pitts): I.T. Medvedev: On a Class of Events Representable in a Finite Automaton. 1958 übersetzt von J.J. Schorr-Kon für Lincoln Lab. Rep. und später abgedruckt in E. F. Moore (ed.): Sequential Machines. Selected Papers, Addison-Wesley, 1964 Es werden 6 verschiedene Definition von akzeptierenden Automaten (ohne Ausgabe) Betrachtet und als gleichwertig nachgewiesen. Nichtdeterministische endliche Automaten wurden eingeführt in: M. O. Rabin, D. Scott: Finite Automata and Their Decision Problems. IBM Journal, April 1959, pp. 114 - 125.

Mehr Hinweise auf Geschichtliches in F.L. Bauer, G. Goos. Informatik - eine einführende Übersicht. Band 2, vierte Auflage, Springer-Verlag, 1992 L. Priese, K. Erk. Theoretische Informatik - Eine umfassende Einführung. Springer-Verlag 2000 Eine Aufsatz-Sammlung: Karel Berka, Lothar Kreiser: Logik-Texte; Kommentierte Auswahl zur Geschichte der Logik. Akademie-Verlag, Berlin 1971