Erste Erfahrungen mit dem Betreuungsunterhalt

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Was ist die Reihenfolge der Monate?
Advertisements

Aufnahmeverfahren für die weiterführenden Schulen
Die Ausbildung in Psychologischer Psychotherapie Tipps, Anregungen, eigene Erfahrungen Referentin: Dipl.Psych. Anja Breining Psychologische Psychotherapeutin.
Arbeitslosengeld 2 für Alleinerziehende
Univ.-Prof. Dr. Armbrüster
Das neue Namensrecht und seine Auswirkungen auf das Burgerrecht ab dem
News Aktuelles aus Politik, Wirtschaft und Recht02/2010 © Verlag Fuchs AG Konkubinat 1.Frau Hofstetter und ihr Lebenspartner kannten sich 12 Jahre lang.
Institut für Politikstudien I N T E R F A C E Ergebnisse der Selbstevaluation und der ökonomischen Evaluation 2008 Präsentation anlässlich der 2. Netzwerktagung.
Warum haben Kinder Rechte?
Regenbogenfamilien Rechtliche Aspekte
Fachbereich Architektur Bauingenieurwesen Geomatik Prof.Dr. Martina Klärle | Vorstellung Solardachkataster Frankfurt am Main | Datum | Seite.
Titel, Thesen, Testamente
Pflegekindschaft.
Traurige Gesichter an Weihnachten?
Nach der zugrunde liegenden Bund-Länder-Vereinbarung können aus diesem Sonderver- mögen nur Investitionsvorhaben gefördert werden. Der Investitionsbegriff.
Unternehmensteuerreform 2008 Steuerberatungsgesellschaft Schongau GmbH Referentin: Johanna Lodes Steuerberater.
Zeugnisverweigerungsrecht Minderjähriger
Unterhalt in der Patchwork-Familie
Steuern Die Besteuerung von Kapitalleistungen: Charakteristisch und einheitlich ist, dass derartige Kapitalien getrennt vom übrigen Einkommen und mit.
Materiell-rechtlich betrachtet
Übertritt 6. Kl. - Oberstufe
Erbrecht Theorie und Beispiele.
Ressourcenbedarf in der Jugendförderung Jugendamt Neukölln Jugendhilfeausschuss am
Subjektivit ä ts- und Intersubjektivit ä tsforschung zu den chinesischen Faust- Ü bersetzern Referentin: Sun Yu Doktorvater: Prof. Dr. WEI Yuqing (Fudan)
Workshops Buch Seite 58.  Beschreibung: Schauplatz ist ein Doppelhaus: In der eine Hälfte lebt eine alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter, in der.
Das persönliche Budget ASG Treffen vom Vortrag Irene Goldschmidt Lebenshilfe Delmenhorst und Landkreis Oldenburg e.V.
Erfa 80. Erfa-Kreis-Sitzung Stuttgart Stuttgart Auftragsdatenverarbeitung Möglichkeiten und Grenzen.
Prof. Dr. iur. Johannes Münder em. Universitätsprofessor TU Berlin Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht Subsidiarität – Relikt aus der Vergangenheit.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. Armut bei Alleinerziehenden: Ursachen und politische Antworten 15. Juni 2016 Stuttgart „arm,
Betreuungsangebote für Kinder 2010/2011 Umsetzung des Kinderbildungsgesetzes in Düsseldorf – das dritte Jahr.
1 © Copyright Allianz Private Krankenversicherungs-AG / D-MM-MV Elternunterhalt: „Kinder haften für ihre Eltern“. Der Staat geht nur in Vorleistung – und.
Indexierte Entwicklung der eingetragenen Firmen
Weiterbildungstage des SAV Neuere Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung Dr. Harry Nötzli, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht WWNW Rechtsanwälte.
gegen Armut und soziale Ausgrenzung
Informationen zum Arbeitslosengeld II
Generalversammlung VAGS News vom Kantonale Sozialdienst
Gütergemeinschaft (vgl. ZGB 221 ff.): Situation während der Ehe
Arbeitsmarktinstrumentenreform
Solidarisch und gerecht
Jugendhilfeausschuss Neue Neusser Beitragstabelle:
Bgm. Dr. Josef Guggenberger
Quo vadis, Elementarpädagogik?
DIE KUNST DER ERZIEHUNG
Plattformregulierung: Stand und Entwicklungsperspektiven
DIE FAMILIE.
Mission Inklusion: Ein Fokus des VBE NRW
7. Tag der freien Berufsbetreuer
Schema Unterhaltsvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II
Generationenperspektive
Physisches Existenzminimum
Andrea Gros Ellen Engel
Unser Umgang miteinander … wie Beziehungen gelingen können…
Teamarbeit – Präsentation
Informationsabend „Weiterführende Schulen“ am 26. Oktober 2017
Konzept Erinnerungskontakte – Herkunft um jeden Preis?
Begleiteter Besuchstreff 2018 Begleitete Besuchstage
Unterhaltsvereinbarung
Kindschaftsrecht Unterhaltsvorschussgesetz UVG
Der Finanzausgleich 1998 (gemäß Finanzausgleichsgesetz 1997)
Prof. Dr. Günter Gerhardinger Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien Übersicht über die Lehrveranstaltung Grundlegende Bestimmungsfaktoren der Praxis.
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)
Herzlich Willkommen.
Einheit 12: Der Folgenbeseitigungsanspruch
INSOLVENZERKLÄRUNG / PRIVATKONKURS
Kreisvorsitzendenkonferenz der FU am in Fulda
Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Thomas Geiser
Begleiteter Umgang im Wandel Begleiteter Umgang aus der Sicht der Familiengerichte: Die Absicht des Gesetzgebers und aktuelle Fallkonstellationen Prof.
Herzlich willkommen in der
Berlin Gernot Kiefer, GKV-Spitzenverband
Auszug aus dem Leistungskonzept
 Präsentation transkript:

Erste Erfahrungen mit dem Betreuungsunterhalt Prof. Dr. Stephan Hartmann, Oberrichter

Erste Erfahrungen mit dem Betreuungsunterhalt Übersicht Methode der Unterhaltsbemessung Konkurrenzfragen Koordination mit (nach)ehelichem Unterhalt Dauer der persönlichen Betreuung Prozessuales

Übersicht (1/3) Betreuungsunterhalt als neues Element des Kindesunterhalts neben Natural- (Pflege und Erziehung) und Barunterhalt «Der Unterhaltsbeitrag dient auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte» (Art. 285 Abs. 2 ZGB)

Übersicht (2/3) Vorrang des Kindesunterhalts gegenüber anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten (Art. 276a ZGB) Kein Eingriff ins Existenzminimum der unterhaltspflichtigen Partei

Übersicht (3/3) Bisher verschiedene kantonale Entscheide, aber keine bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt Empfehlungen für die Bemessung von Unterhaltsbeiträgen für Kinder der Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz des Obergerichts vom 1. Mai 2017 (XKS.2017.2)

Methode der Unterhaltsbemessung - allgemein (1/3) Botschaft: Lebenshaltungskostenansatz «empfehlenswert» Betreuungsunterhalt bemisst sich nach diesem Ansatz nach den «Lebenshaltungskosten der betreuenden Person, soweit diese aufgrund der Betreuung nicht selber dafür aufkommen kann» (Botschaft S. 554)

Methode der Unterhaltsbemessung -allgemein (2/3) Bisherige kantonale Rechtsprechung (Auswahl) Lebenshaltungskostenansatz: Entscheide des Obergerichts AG; Entscheid des Obergerichts BE vom 10. Mai 2017 (ZK 17 13); Entscheid des Obergerichts ZH vom 1. März 2017 (LE160066, in: ZR 2017 S. 89 f.)

Methode der Unterhaltsbemessung - allgemein (3/3) Betreuungsquotenmethode konkrete Berechnung: Entscheid des Kantonsgerichts ZG vom 3. Februar 2017 (EV 2016 120); Entscheid des Appellationsgerichts BS vom 13. April 2017 (ZB.2016.44, in: BJM 2017 S. 196 ff.); Entscheid des Kantonsgerichts LU vom 27. März 2017 (3B 16 57/3U 16 107, in: FamPra 2017 S. 877 ff.) pauschalisierte Betrachtungsweise: Entscheide des Kantonsgerichts SG vom 15. Mai 2017 (FO.2016.5) und vom 24. Mai 2017 (FO.2015.18/2)

Methode der Unterhaltsbemessung –Obergericht Aargau (1/4) Voraussetzungen des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt Ein Elternteil betreut das Kind vollumfänglich oder zumindest teilweise selbst Die betreuende Person kann ihre Lebenshaltungskosten nicht selbst decken das Manko hängt mit der Kinderbetreuung zusammen

Methode der Unterhaltsbemessung –Obergericht Aargau (2/4) Lebenshaltungskosten Betreibungsrechtliches Existenzminimum als Ausgangspunkt Massgebend ist das Existenzminimum des betreuenden Elternteils allein Insbesondere Abzug Wohnkostenanteil des Kindes

Methode der Unterhaltsbemessung – Obergericht Aargau (3/4) Erweiterung der Lebenshaltungskosten bei ausreichenden Mitteln Berücksichtigung von Steuern Wird ein Elternteil durch Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit übermässig belastet, kann es sich rechtfertigen, ihm zum Ausgleich höhere Lebenshaltungskosten zuzugestehen Keine Erweiterung um Bedarf für Altersvorsorge

Methode der Unterhaltsbemessung –Obergericht Aargau (4/4) Die einzelnen Schritte bei der Festsetzung des Kindesunterhalts Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Eltern Bestimmung des Grundbedarfs (Barbedarf und allfälliger Geldbedarf zur Gewährleistung der persönlichen Betreuung) der Kinder Verteilung der verfügbaren Mittel zwischen dem leistungspflichtigen Elternteil und den Kindern

Konkurrenzfragen (1/3) Kinder aus der gleichen Beziehung Betreuungsunterhalt ist gleichmässig auf die Kinder aufzuteilen

Konkurrenzfragen (2/3) Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen des unterhaltspflichtigen Elternteils Gleichbehandlung aller unterhaltsberechtigten Kinder eines Elternteils Bei der Festsetzung von Kinderunterhaltsbei-trägen ist daher auch der Bar- und Betreuungs-bedarf von Kindern aus einer anderen Beziehung zu berücksichtigen

Konkurrenzfragen (3/3) Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen des betreuenden Elternteils Geldbedarf zur Gewährleistung der persönlichen Betreuung ist gleichmässig unter die Kinder aufzuteilen Im konkreten Fall hatte der Vater des Kindes A. daher lediglich die Hälfte des Existenzminimums der Mutter zu bezahlen; die andere Hälfte hat sie beim Vater des Kindes B. einzufordern

Koordination mit (nach)ehelichem Unterhalt Zuerst ist der Kindesunterhalt festzusetzen, erst danach der (nach)eheliche Unterhalt Bedarf der Kinder im Rahmen des vorrangigen Kindesunterhalts berücksichtigt Erweitertes Existenzminimum des betreuenden Elternteils über Betreuungsunterhalt gedeckt Bei zweistufiger Methode daher hälftige Auftei-lung des nach Festsetzung des Kindesunterhalts verbleibenden Überschusses auf die Ehegatten

Dauer der persönlichen Betreuung Keine Abweichung von der "10/16"-Regel nach oben in Bezug auf den Betreuungsunterhalt Minderjähriger Ob die Altersgrenze herabzusetzen ist, konnte bisher offen gelassen werden

Prozessuales Betreuungsunterhalt als Teil des Kindesunterhalts Geltung der (strengen) Untersuchungs- und der Offizialmaxime