Sozialpsychologie A Vorlesung (2) Wintersemester 2012/13.

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 Präsentation transkript:

Sozialpsychologie A Vorlesung (2) Wintersemester 2012/13.

Unsere evolutionär nächsten Verwandten… Joel Olicker & Chris Schmidt, Evolution – die Geschichte des Lebens (USA 2001, dt. 2007): Enormer Unterschied im Umgang mit Konflikten und bei Gruppenstruk- turen zwischen Schimpansen und Bonobos Primatenforscher Richard Wrangham (Harvard University): Patriarchali- sche (gemeine) Schimpansen mit sehr hohem Gewaltniveau –vgl. aber Joachim Bauer, Schmerzgrenze. Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt (2011): Kritik an Wranghams Darstellung Amy Parish (University of Southern California): Bonobos mit ausgiebiger sexueller Aktivität, weiblicher Solidarität und größerer Friedensfähigkeit Richard Wrangham: Spekulativer Erklärungsversuch der enormen Ver- haltensunterschiede (Notwendigkeiten der Nahrungssuche) – auch in Anwendung auf uns 3. Schimpansen, als sich unsere Vorfahren von den Bäumen in die offene Savanne vorwagten…

… Jared Diamond, The Third Chimpanzee: The Evolution and Future of the Human Animal (1993): Besonderes Interesse am Vergleich zwischen den drei Schimpansen: Die nahe Verwandtschaft zeigt auch noch innerhalb einer großen gene- tischen Nähe eine sehr weite Bandbreite an möglichen Entwicklungen und Verhaltensweisen Sogar noch zwischen 1. und 2. Schimpansen (Bonobos) – die gene- tisch noch viel näher liegen, da sich ihre Evolution erst vor ca. 1-2 Millionen Jahren trennte – haben sich so auffällige Unterschiede in sozialen Verhaltensweisen ergeben

… Ian Parker, Swingers (in The New Yorker) (2007) Antwort von Frans de Waal, Bonobos, Left & Right (2007, beide im Moodle): Besonders anschauliches Beispiel für die ideologische Rigidität (bzw. Besessenheit) biologisch-deterministischer Sichtweisen – und ihren dominanten gesellschaftlichen Einfluss zu Lasten sozialisationstheoretischer Ansätze: Die lange Geschichte des Nicht-einmal-Ignorierens der uns nächst-verwandten Spezies der Bonobos Massives Ärgernis für die traditionellen Vorurteile des biologischen Determinismus aus mehreren Perspektiven…

… Radikale Infragestellung (als ideologische Konstrukte)… … der Vorstellungen von zwangsläufigen Verhaltens-Programmierungen durch unsere Gene – und der angeblichen Naturnotwendigkeit vieler (in Wirklichkeit) sozialisationsbedingter Verhaltensweisen … von Bevorzugungen anderer Individuen aufgrund größerer geneti- scher Ähnlichkeit (vs. Richard Dawkins egoistisches Gen) … einer Natürlichkeit patriarchalischer Machtstrukturen … einer Unnatürlichkeit von sexuellen Praktiken, die nicht der Fort- pflanzung dienen … von einer Natürlichkeit triebhafter Gewalt – und damit auch eines gewalttätigen Austragens von Konflikten

… … von einer sehr beschränkten Offenheit von Verhaltensalternativen (wegen einer Zwangsläufigkeit unserer genetischen Programme), d.h. für kulturelle – durch Sozialisation ermöglichte – Innovationen

Gene und Lebensschicksale… Joachim Bauer, Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren (2007) – vgl. auch J. Berghold, Die Ideologie des Wettbewerbs als zentrale Barriere gegen mitfühlende Beziehungen (2011, im Moodle, S. 3-4): Epigenetik: Gene werden von umgebender biochemischer Struktur (Genschalter) – deren Beschaffenheit auch stark von individuellen Lebensschicksalen abhängt – aktiviert, abgeschaltet, zusammengeführt, in ihren Wirkungen beeinflusst… stehen damit auch in permanenter Wechselwirkung mit der Umwelt… Beispiel: Michael Meaney u.a. (1997): Forschung zur (Panik dämpfen- den) Wirkung eines Genschalters… Tierversuche: Lebenslange Aktivierbarkeit eines Anti-Stress-Gens (Glucocorticoid-Rezeptor-Gen) – gegen ein in bedrohlichen Situationen aktiviertes Stress-Gen (CRH) – wird durch mütterliche Zuwendung in der unmittelbaren Phase nach der Geburt entscheidend vorbestimmt

… Gene und Umwelt, Beziehungserfahrungen und körperliche Biologie bilden eine Einheit, sind Teil eines kooperativen Projekts… Neuere Hirnforschung: Grundorientierung des Zentralnervensystems auf gelingende Beziehungen mit anderen – mit besonders eindrucksvollen Bestätigungen für unsere existenzielle Verwurzelung im sozialen Miteinander Erforschung eines hochvernetzten Kerns des Motivationssystems im Mittelhirn und der es in Gang setzenden Botenstoffe für Zielstrebigkeit und Lebenswillen Joachim Bauer: Das natürliche Ziel der Motivationssysteme sind soziale Gemeinschaft und gelingende Beziehungen mit anderen Individuen – wobei dies nicht nur persönliche Beziehungen betrifft, Zärtlichkeit und Liebe eingeschlossen, sondern alle Formen sozialen Zusammenwirkens…

… … Kern aller Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wert- schätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben. Alle Ziele, die wir im Rahmen unseres normalen Alltags verfolgen, die Ausbildung oder den Beruf betreffend, finanzielle Ziele, Anschaffungen etc., haben aus der Sicht unseres Gehirns ihren tiefen, uns meist unbe- wussten Sinn dadurch, dass wir damit letztlich auf zwischenmenschliche Beziehungen zielen, d.h. diese erwerben oder erhalten wollen. Die Motivationssysteme schalten ab, wenn keine Chance auf soziale Zuwendung besteht, und sie springen an, wenn das Gegenteil der Fall ist, wenn also Anerkennung oder Liebe im Spiel ist… Soziale Isolation oder Ausgrenzung, wenn sie über lange Zeit anhält, führt zu Apathie und zum Zusammenbruch jeglicher Motivation… Über längere Zeit vorenthaltener sozialer Kontakt hat den biologischen Kollaps der Motivationssysteme des Gehirns zur Folge…

… Zentrale Achse des Motivationssystems im Mittelhirn: hintere Basis- komponente (im Ventralen Tegmentalen Areal) und vorderer Kopf- teil (Nucleus accumbens im Ventralen Striatum) Antrieb zu Konzentration, Handlungsbereitschaft und Bewegungsfähig- keit durch Abgabe des (Doping-) Botenstoffs Dopamin von der Basis- komponente an den Kopfteil (erzeugt Wohlbefinden) Kopfteil der Dopamin-Achse löst Freisetzung von endogenen Opio- iden aus (Endorphine, Enkephaline, Dynorphine), die auf die Emotions- zentren des Gehirns wirken Folgen: Positives Ich-Gefühl, gute Gestimmtheit, Lebensfreude, geringe- re Schmerzempfindlichkeit, Stärkung des Immunsystems Damit eng vernetzt: Mobilisierung des Botenstoffs Oxytozin, der für soziales Gedächtnis (positive Beziehungserfahrungen, Bindungen, Ver- trauen) entscheidend ist

… Oxytozin-Bildung durch alle Formen freundlicher Interaktion und zwi- schenmenschlicher Resonanz, besonders Zärtlichkeit, u.a. Musikgenuss, gemeinsames Singen, Lachen… mit höchster Freisetzung beim sexuellen Höhepunkt und Geburtsvorgang Psychosomatische Wirkungen von Oxytozin: Entspannung, Blutdruck- senkung, Dämpfung der Angstzentren, Beruhigung der biologischen Stresssysteme Menschen, mit denen wir gute Erfahrungen machen konnten, wirken… auf uns wie ein Stimulans… Die stärkste und beste Droge für den Men- schen ist der andere Mensch. Stoffgebundene Süchte quasi als ersatzbefriedigende Korruption des Motivationssystems des Gehirns: Nikotin, Alkohol, Kokain mit Sofort- wirkung auf Dopamin-Achse… Heroin, Opium auf endogenes Opioid- System… Einengung der Motivation auf Stoff…

Evolution durch die (verbale) Sprache… John Rubin & John Bredar, Homo sapiens. Der Wettlauf der Menschwerdung [Orig. 2004] (National Geographic TV): Genetische Mutationen: Veränderte Beweglichkeit von Mund und Zunge, als Ansatz zur Entwicklung der (verbalen) Sprache – als wichtigstes Instrument der Entwicklung von Intelligenz, Kommunikation und Zusammenarbeit Richard Wrangham (& Dale Peterson), Bruder Affe. Menschenaffen und die Ursprünge menschlicher Gewalt (1996, dt. 2001): Gewalt verringernde Potenziale der Sprache (zumindest innerhalb von Gemeinschaften…)

… Weniger Bedrohung (innerhalb der Art) – weniger Stress – neurochemische Erleichterungen… Dadurch: Mehr Innovationen, Ideen, Werkzeuge Spekulation: Sprache ermöglicht Verständigung und Koordi- nation unter den Schwächeren (oder auch Faireren) gegen die Tyrannen oder bullies…