Wissen und Wissen wollen als anthropologische Konstante

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Wissen und Wissen wollen als anthropologische Konstante 1 Wissen und Wissen wollen als anthropologische Konstante Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen. Aristoteles, Metaphysik Wissen ist Macht. Francis Bacon, Essays Mit dem Wissen wächst der Zweifel. Goethe, Maximen und Reflexionen Ich weiss, dass ich nichts weiss. Sokrates in seiner Verteidigungsrede

Wissen in vorindustrieller Zeit 2 Wissen in vorindustrieller Zeit Wissen und der Zugang zu Wissen stehen dem Menschen im Gegensatz zur heutigen Zeit nicht beliebig zur Verfügung. Einbindung des Wissens in restriktive Machtverhältnisse: Kopplung an die Verfügungsgewalt über die wenigen vorhandenen Medien. Technische Verbreitungsmöglichkeiten und alphabetische Basiskompetenzen fehlen weitgehend. »Medium« als ein Vermittlungsmodus, das von den dafür autorisierten klerikalen Hütern des Wissens monopolistisch geschützt, gepflegt und tradiert wird. Aufgabe von Wissen: den Menschen Botschaften einer nicht verfügbaren, religiös-metaphysischen Welt nahezubringen.

Merkmale der Industriegesellschaft 3 Merkmale der Industriegesellschaft Die sozialen Strukturverhältnisse werden durch die Bedingungen der grossindustriellen, grossbetrieblichen Produktionsweise bedingt. Räumliche Trennung von Arbeit, Wohnort und Familie Soziale Arbeitsteilung (Berufsgliederung) und technische Arbeitsteilung Kapitalakkumulation zum Zweck der Reproduktion und Ausweitung Anwendung wissenschaftlicher und ökonomisch-rationaler Methoden Konzentration von Arbeitskraft in urbanen Zentren

„Informationsgesellschaft“ 4 „Informationsgesellschaft“ Information wird zum organisierenden Prinzip von Arbeit und Produktion Eine Gesellschafts- und Wirtschaftsform, in der Erzeugung, Speicherung, Verarbeitung, Vermittlung, Verbreitung und Nutzung von Informationen und Wissen in Informationsform, einschliesslich immer grösserer technischer Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation eine zunehmend dominante Rolle spielen.

Merkmale der Informationsgesellschaft 5 Merkmale der Informationsgesellschaft Die technikbasierte Produktion, Speicherung, Vervielfältigung und Verteilung von »Information«, die allgemein als zentraler Rohstoff der Informationsgesellschaft aufgefasst wird. Die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts einsetzende mikroelektronische Revolution, die gekennzeichnet ist durch die kontinuierliche Miniaturisierung und Massenproduktion von Computerbauteilen zu immer geringeren Kosten für den Einsatz in immer leistungsfähigeren Geräten. Die mit dieser mikroelektronischen Revolution zusammenhängende Digitalisierung und zunehmende Konvergenz von Medienformaten. Die Entstehung von weltumspannenden, auf der Technologie des Internet basierenden Kommunikationsnetzwerken.

„Wissensgesellschaft“ 6 „Wissensgesellschaft“ In empirischer Hinsicht liegt eine Wissensgesellschaft dann vor, wenn alle Funktionsbereiche einer Gesellschaft von vorhandenem Wissen abhängig und auf die kontinuierliche Produktion von neuem Wissen angewiesen sind. Die Generierung und Aneignung von Wissen wird so als normatives Element aufgefasst und daraus folgend als ein „kategorischer Imperativ“ dieser Entwicklungsform begriffen. Wissen ist in steigendem Masse nicht nur konstitutives Merkmal für die moderne Ökonomie und deren Produktionsprozesse und –beziehungen, sondern wird insgesamt zum Organisationsprinzip und zur Problemquelle der modernen Gesellschaft.

7 Produkte des Wissens In der Wissensgesellschaft steht das in Waren und Dienstleistungen eingebaute und hochspezialisierte Wissen – die „Expertise“ im Zentrum der Wertschöpfung. Mehrwert liegt in der eingebauten Intelligenz und in der eingebauten Expertise. Entscheidend ist nicht mehr die die Umformung von Material und die Verwendung von Rohstoffen, sondern die Umwandlung von Symbolen und Wissenselementen zu neuen Wissensprodukten. Buch als Paradebeispiel für ein Wissensprodukt, denn der Wert besteht nicht hauptsächlich aus dem Papier oder dem Herstellungsprozess, sondern im eingebauten Wissen.

„Wissensarbeiter“ und „Symbolanalytiker“ 8 „Wissensarbeiter“ und „Symbolanalytiker“ Wissensarbeit lässt sich nur unzureichend quantitativ erfassen, denn Indikatoren zur Messung der Produktivität sind nur begrenzt tauglich. Wesentliche Aufgabenstellung des Wissensarbeiters: „Was ist eigentlich meine Aufgabe?“ “We have to know what we want to know before we can start looking for it.“ (Boulding) Symbolanalytische Tätigkeiten: Lösung und Vermittlung von identifizierten Problemkomplexen durch Manipulation von Symbolen. Bei diesen Tätigkeiten wird komplexe Wirklichkeit auf abstrakte Bilder reduziert, die in experimenteller Vorgehensweise bearbeitet, in Netzwerken an andere Symbol-Analytiker zur Weiterbearbeitung übergeben und als Wissensprodukte schliesslich zur Lösung der vorgefundenen Probleme eingesetzt werden.

Potenzialität des Wissens 9 Potenzialität des Wissens Wissen zur Realitätsveränderung: Wissen als Symbolsystem zur Strukturierung von Realität und als Fähigkeit zum sozialen Handeln und damit als die Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen. »Wissen erfüllt nur dort eine aktive Funktion im gesellschaftlichen Handlungsablauf, wo Handeln nicht nach im Wesentlichen stereotypisierten und oft unreflektierten Mustern abläuft oder ansonsten weitgehend reguliert ist, sondern wo es, aus welchen Gründen auch immer, einen Entscheidungsspielraum oder –notwendigkeiten gibt.« (Stehr) »Wissen entsteht erst, wenn die medial nahegebrachte Information in sprachliches, organisatorisches, entwerfendes Handeln „übersetzt“ wird.« (Fassler)

Potenzialität des Wissens 10 Potenzialität des Wissens Ergebnisse der Wissensproduktion können zwar transferiert und verkauft werden, das einmal erarbeitete - symbolanalytische - Erfahrungswissen bleibt aber als untrennbares kognitives Eigentum an den Urheber gekoppelt. Durch die Notwendigkeit, Wissen immer wieder neu zu reproduzieren, erwerben die Akteure neue kognitive Fähigkeiten und können bestehende vertiefen. Insgesamt wird die Verbesserung der Effizienz des Umgangs mit Wissen, auch durch die Möglichkeit, kritisch mit Wissensangeboten umzugehen und neue Handlungsmöglichkeiten zu realisieren.

Theoretiker der Informations-/Wissensgesellschaft 11 Theoretiker der Informations-/Wissensgesellschaft Peter Drucker Daniel Bell Manuel Castells

12 Peter Drucker Die grösste politische Aufgabe in der Wissensgesellschaft ist es, Kopfarbeit produktiv zu machen, während die Aufgabe der industriellen Ära darin bestand, manuelle Arbeit produktiv zu machen („Wissen auf Wissen selbst anwenden“) Durch Wissensarbiet verändert sich die Grundlage von Arbeit. Sie basiert nicht mehr auf langjähriger Erfahrung, sondern auf systematisch erworbenen Kenntnissen und der Anpassungsfähigkeit, sich immer wieder auf neue Aufgaben und Techniken umstellen zu können. Kreative Organisation: andere Stukturen und Prinzipien werden erforderlich als die der hierarchischen Bürokratie, auf der die traditionelle, auf Effizienz ausgerichtete Verwaltungsorgansiation gründet.

13 Peter Drucker Ohne die Integrationsleistung der Organisation bleibt das Spezialwissen des Einzelnen steril, er braucht die Organisation Ohne den Wissensarbeiter ist die Organisation nicht in der Lage, ihre Funktion zu erfüllen. Der Wissensarbeiter sieht sich selbst als geistig Schaffenden und versteht sich als Nachfolger traditioneller Intelligenzberufe. Tatsächlich ist er aber der Nachfahre des Facharbeiters und gehört einer Organisation an. Konflikt und Widerspruch zwischen Selbstsicht und gesellschaftlicher Realität des Wissensarbeiters. Burn Out Syndrom: "Krankheit des Mönchs, dem, in seiner Lebensmitte angekommen, bewusst wird, dass er weder Abt noch Heiliger wird.“ (Max Weber) Nur diejenigen, die höchste Positionen erreichen, scheinen davon verschont zu werden.

14 Daniel Bell Zentrale Stellung des kodifizierten Wissens, denn durch Kodifizierung wird Wissen übertragbar Technologischer Wandel wird nicht mehr sich selbst überlassen, sondern zunehmend geplant und kontrolliert Übergang von der industriellen zur postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft als »axiales Prinzip« (also das zentrale Prinzip, um das sich eine Gesellschaft dreht) des Wirtschaftswachstums durch dasjenige des Wissens Wissen als »Quelle von Innovationen und Ausgangspunkt der gesellschaftlich-politischen Programmatik«. Daraus Folgerung, dass die Wissenschafts- und Bildungspolitik zum zentralen politischen Problem und Fortschrittsprogramm einer wissensbasierten Gesellschaft wird.

15 Manuel Castells Zentrale Funktionen und Prozesse des gesellschaftlichen Lebens werden zunehmend in Netzwerken organisiert Interaktion zwischen Individuum und Netz als wesentliche gesellschaftliche Problematik der Informations-gesellschaft (Partikularität und Fragmentarisierung) „Performanzprinzip“ des Informalismus: Wertschöpfung basiert nicht mehr auf Wirtschaftswachstum, sondern auf der Steigerung des Komplexitätsniveaus in der Informations-verarbeitung Informationstechnologien sind nicht einfach Werkzeuge, die benutzt werden sondern Prozesse, die es zu entwickeln und umzusetzen gilt Netzwerkunternehmen als organisatorisches Paradigma des Informationalismus

16 Krise des Wissens?

„Verdopplung des Weltwissens“ 17 „Verdopplung des Weltwissens“ In den Siebzigern aufgestellte Messungen zur Entwicklungsgeschwindigkeit des menschlichen Wissens Menge aller Erfindungen zu Christi Geburt = Ausgangslage Verdopplung des vorhandenen Wissens bis ca. 1500 Weitere Verdopplung bis 1750 Ab 1970 Verdopplung des Weltwissens bei nur noch 6 Jahren „Halbwertszeit“ des Wissens: Aus der Kerntechnologie entnommene Metapher für enorme „Zuwachsraten“ und „explosionsartige“ Vermehrung des Wissens.

Informationsflut 1 Tag im Jahr 1995: 7000 Artikel 18 Informationsflut 1 Tag im Jahr 1995: 7000 Artikel 300 Millionen Zeitschriften 250 000 Bücher 640 Millionen Radio- und Fernsehgeräte

Informationsmenge pro Tag 19 Informationsmenge pro Tag Doppelt soviel Informationen werden aufgenommen, wie ein durchschnittliches Gehirn in dieser Zeitspanne verarbeiten kann. Täglich soviel Zeitungsmaterial, dass 22 Stunden darin gelesen werden könnte. Fernsehkanäle bringen in 24 Stunden mindestens 120 Stunden Fernsehen. Täglich je nach Beruf bis zu 30'000 Worte an Gedrucktem, aus dem Radio und aus dem Fernsehen auf.

20 Wissen als Ware Wissen als handelsfähige Ware („NASDAQ als ein alles überragender Masstab für die Qualität von Wissen?“) Gegensatz zwischen Wissensproduktion und Wissensmanagement: Mit Wissen wird zunehmend umgegangen, die mühsame Erarbeitung und Produktion erscheint weniger attraktiv. Wissen als Teil der Tauschvorgänge innerhalb der Dienstleistungsgesellschaft. „Wissensarbeiter“ als Anbieter, Verkäufer, Manager, Ausstatter. Verwertungsdruck auf wissenschaftliche Institutionen (Wissenstransfer): Wissen soll wie ein Rohling in die weiterverarbeitende und wirtschaftende Hand der Wirtschaft gegeben werden.

21 Lebenslanges Lernen Nur ein begrenzter Teil des notwendigen Wissens kann an der Schule erworben werden Es ist nicht absehbar, was in Zukunft benötigt wird Veränderung als wesentliches Charakteristikum des Wissens: Was heute gelernt wird, kann morgen schon überholt sein. Notwendigkeit der ständigen Fortbildung: Die Schule wird in das Leben integriert. Lernen wird dabei sowohl zunehmend individualisiert, als auch durch Vernetzung und Computerisierung räumlich-zeitlich flexibilisiert.

22 Schlussgedanken

Wissensverarbeitung im Zentrum des Lebens 23 Wissensverarbeitung im Zentrum des Lebens Nach Tausenden von Jahren evolutionärer Entwicklung sind wir heute an einem Punkt angelangt, an dem die tägliche und kontinuierliche Selektion und Verarbeitung von nicht mehr ohne weiteres überschaubaren Mengen an Informationen und die darauf basierende Konstruktion von Realität und Wissen zur zentralsten Tätigkeit in unserem Leben geworden ist.

Die Wissenskluft-Hypothese 24 Die Wissenskluft-Hypothese "Wenn der Informationsfluss von den Massenmedien in ein Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem sozioökonomischen Status und/oder höherer formaler Bildung zu einer rascheren Aneignung dieser Informationen als die status- und bildungsniedrigeren Segmente, so daß die Wissenskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt.„ (Tichenor/Donohue/Olien 1970)

Information, Medien und Macht 25 Information, Medien und Macht Die informationsverarbeitenden Mediensysteme sind in die gesellschaftlichen Strukturen der Speicherung, selektiven Verteilung und sozial differenzierten Nutzung eingebettet. Im Zugang zu Medien und zu dem in ihnen enthaltenen Wissen manifestieren sich immer gesellschaftliche Verhältnisse. Informationen sind Machtspeicher, da der Erwerb, die Nutzung und die Verbreitung an Verfügungsrechte und –möglichkeiten gebunden ist.

Über- und Unterinformiertheit 26 Über- und Unterinformiertheit Die grosse Tragödie unserer Gesellschaft ist, dass wir quantitativ über- und qualitativ unterinformiert sind. Wir wissen bedeutend mehr als unsere Vorfahren, doch wir wissen es bedeutend weniger gut. Wir müssen besser informiert werden im wahrsten Sinne des Wortes: auf bessere Weise, nicht durch mehr Information. Zu oft geht das Spektakuläre dem Wesentlichen vor, das Wichtige wird von Unfällen und Verbrechen überlagert, das Bedeutsame vom Sensationellen verdrängt. Überbordende Quantität und unzureichende Qualität bewirken eine ernsthafte Desinformation die viele Leute daran hindert, klarzusehen und Zusammenhänge richtig zu erkennen" P. Lévy, Informationschef Europarat

Disproportionalität des Wissens 27 Disproportionalität des Wissens „Disproportionalität in der Entwicklung menschlicher Fähigkeiten“ (Mannheim): Kritisches Ungleichgewicht zwischen technischem Fortschritt und naturwissenschaftlichem Wissen auf der einen Seite und der sozialen Evolution und der Einsicht in das Wirken der gesellschäftlichen Kräfte (Bsp. der Bomberpilot, der sich die neuesten Ergebnisse technischen Erfindergeistes aneignet um uralte, primitiv-destruktive Impulse zu befriedigen.) 1. Weltkrieg = Krieg der Chemiker (Gas) 2. Weltkrieg = Krieg der Physiker (Atombombe) 3. Weltkrieg = Krieg der Mathematiker (Information) (S. Sing, "The Code Book", 1999).

Dialektik der Aufklärung (Frankfurter Schule) 28 Dialektik der Aufklärung (Frankfurter Schule) Widerspruch zwischen theoretisch vorhandenem Wissen und der Irrationalität gesellschaftlicher Zustände Antihumane Tendenzen der instrumentellen Vernunft Zerstörung des Menschseins durch die Übertragung technischer Gesetzmässigkeiten auf das Denken und die Lebenswelt des Menschen Unter dem Aspekt der formalisierten Vernunft wird in der Industriegesellschaft eine Tätigkeit nur dann als vernünftig und sinnvoll erachtet, wenn sie einem Zweck in der industriellen Lebenswelt dient, zum Beispiel der Gesundheit oder der Entspannung, die den Organismus für die Produktion vorbereitet und regeneriert.

29 Fragen, Thesen „Nicht alles Rechnen hinter dem Komma macht Sinn, nicht alles, was man messen kann, weil es unsere Konstruktionen erweitert oder unsere Instrumente zu registrieren vermögen, ist sinnvolles Wissen, bringt uns in unserem Streben nach Einsicht und (relevantem) Wissen wirklich weiter.“ (J. Mittelstrass)

30 Fragen, Thesen Wissen ist bis zu einem gewissen Grad ein Gemeingut und nicht an Wachstumsgrenzen gebunden: Idealerweise können theoretisch alle von den Möglichkeiten des Wissenserwerbs profitieren und neue Handlungsspielräume hinzugewinnen, die gleichgewichtige Verteilung des Gewinns ist aber keineswegs garantiert. Ereignisse werden zunehmend „gemacht“, während sie vorher einfach „stattfanden“.

31 Fragen, Thesen These: Nur lebenslanges Lernen, permanente Weiterbildung und fachliches Training bewahren dauerhaft vor sozialem Abstieg, bzw. ermöglicht soziale Aufstiegschancen. Kritik: Die Individualisierung von strukturellen Problemen der Arbeitswelt ermöglicht es, diese mit Lerndefiziten oder –widerständen des Einzelnen zu begründen und somit das Individuum selbst unter Zugzwang zu stellen. Indem die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft und das Recht auf Lebenschancen zur Sache des Einzelnen erklärt werden, entlastet sich die Politik selbst davor, tragfähige Lösungen für die Probleme zu entwerfen und legitimiert dadurch soziale Ungleichheit.