Regionale und nationale Entwicklungsmodelle in Lateinamerika und ihre Beziehung zur Weltwirtschaft Johannes Jäger.

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Regionale und nationale Entwicklungsmodelle in Lateinamerika und ihre Beziehung zur Weltwirtschaft Johannes Jäger

Entwicklungsmodelle in Lateinamerika und die Weltwirtschaft Lateinamerika wieder Hoffnungsträger? Theoretische Perspektiven auf Entwicklungsmodelle Neoklassische / liberale Theorie Keynesianische Theorie Politökonomische Theorie Entwicklungsmodelle und internationale Einbindung Historische Entwicklungsmodelle Aktuelle Strategien und Entwicklungen: ausgewählte Beispiele (ALCA, NAFTA, MERCOSUR, ALBA) Schlussfolgerungen

1. Hoffnungsträger Lateinamerika? Wachstumsrate 2011: ca. +4% real BIP Außerordentlich hohes Wachstum ab 2003-2008 keine tiefe Krise Zentrale Fragen: Wie hängt das mit nationalen/regionalen Entwicklungsmodellen zusammen? Wie „nachhaltig“ sind die aktuellen Entwicklungen?

2. Theoretische Perspektiven auf Entwicklungsmodelle (I) Neoklassische/liberale Perspektive Skepsis gegenüber Staatseingriffen Pareto Prinzip Traditionelle Außenhandelstheorie: Neuere Außenhandelstheorie  Freihandel als Entwicklungsmotor

Theoretische Perspektiven auf Entwicklungsmodelle (II) Keynesianische Perspektive / Strukturalismus Stabilisierungsfunktion des Staates wichtig Nachfragestabilisierung / Umverteilung Stabilisierung des Finanzsektors Verschlechterung der Austauschbeziehungen (terms of trade) für Rohstoffexporteure Nuevo Cepalismo  Stabilisierung und aktive Intervention (Industriepolitik) sowie selektive Handelspolitik zentral

Theoretische Perspektiven auf Entwicklungsmodelle (III) Politökonomische Perspektive / Dependenztheorie / Regulationstheorie Verbindung von Politik und Ökonomie Strukturelle Analyse und Akteursanalyse (Interessen) Nationale und Internationale Dimension (Abhängigkeit) Fokus auf Institutionen, aber nicht auf normative Aussagen, sondern Instrument zur Analyse

Theoretische Perspektiven auf Entwicklungsmodelle (IV) Regulationstheorie Wachstumsmodelle und ihre Verbindung zur Weltwirtschaft extensiv-intensiv außenorientiert – binnenorientiert produktiv orientiert – finanzialisiert Institutionen zur Stabilisierung von spezifischen Wachstumsmodellen: Lohnverhältnis, Geldverhältnis, Konkurrenzverhältnis, Naturverhältnis Ermöglich systematische Analyse von nationalen Modellen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen

4. Entwicklungsmodelle und internationale Einbettung (I) Historische Entwicklungsmodelle (drei unterschiedliche Ländertypen) Erste Phase der Weltmarktorientierung (1870-1930) Extensiv, außenorientiert Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre Importsubstituierende Industrialisierung (ISI) (1930-1980) Intensiv, binnenorientiert BIP +5,5%, Exporte +4% Krise 1970er/1980er Jahre Außenorientiert, finanzialisiert 1980er BIP +1,3%, Exporte +6% Etablierung weltmarktorientierter Entwicklungsmodelle 1990er: BIP +2,4%, Exporte +7,5%

Entwicklungsmodelle und internationale Einbettung (II) Aktuelle Strategien und Entwicklungen Hintergrund: Rohstoffboom, partielle Rückgewinnung von wirtschaftspolitischer Souveränität, Linksregierung Quelle: IMF (2011): World Economic Outlook. April

Freihandel: Chile und bilaterale Freihandelsverträge Frühe liberale außenwirtschaftliche Einbettung (extensiv, außenorientiert) Modifiziertes Geldverhältnis (gegen Finanzialisierung) Extrem liberales Naturverhältnis und Konkurrenzverhältnis Diversifizierung der Exportmärkte, aber Fokus auf Kupfer (ca. 85% der Exporte) Liberales Geldverhältnis durch TLC mit USA und EU festgeschrieben Höhere Instabilität (Finanzialisierungsgefahr) Nettokapitalabflüsse (5-10% des BIP) Extreme soziale Ungleichheit, kaum Verbesserungen

Asymmetrische Freihandelszone: Mexiko und NAFTA liberale außenwirtschaftliche Einbettung (extensiv, außenorientiert, teilweise finanzialisiert) Zerstörung von ISI Strukturen durch NAFTA, Strategie der verlängerten Werkbank kaum erfolgreich Enge Anbindung an USA Kaum wirtschaftspolitischer Spielraum durch NAFTA (ab 1994) Extrem niedriges Wachstum Problematische soziale Effekte Hohe Abhängigkeit von den USA (Krisenbetroffenheit)

Südamerikanische Integration: Brasilien und MERCOSUR liberale außenwirtschaftliche Einbettung (extensiv, außenorientiert, teilweise finanzialisiert, … aber zunehmende Binnenorientierung) Teilweise progressive Veränderung des Geldverhältnisses (Entwicklungsbanken) Schaffung produktiver Strukturen durch MERCOSUR, aber Finanzkrisen in der Vergangenheit Hohes Wachstum Verringerung sozialer Ungleichheit Regionale Macht

Alternative Integration: Venezuela und ALBA (als Gegensatz zu ALCA) liberale außenwirtschaftliche Einbettung (extensiv, außenorientiert, teilweise finanzialisiert, … ebenso deutlich zunehmende Binnenorientierung) Starke Modifikation des Geldverhältnisses (Kapitalverkehrskontrollen, Entwicklungsbanken) Staatliche Umverteilung der Erdölrente Schaffung reziproker Handelsbeziehungen und alternativer Entwicklungsräume (Kooperativen) durch ALBA (wesentlich basierend auf Erdöl) Relativ hohes Wachstum, aber starke Erdölabhängigkeit Sehr deutliche Verringerung sozialer Ungleichheit (Gini: 0,49 auf 0,39 in 10 Jahren)

Schlussfolgerungen Theoretischer Ebene Empirischer Ebene: Neoklassische Theoretische Annahme (unregulierter Freihandel zur Entwicklungsförderung) wird in Lateinamerika klar widerlegt, binnenorientierte Modelle auch heute krisenfester Keynesianische Theorie gibt wichtige Hinweise, erklärt aber nicht die Entstehung und Veränderung von Entwicklungsmodellen / Institutionen Umfassende Erklärung durch politökonomische Theorie Empirischer Ebene: Wesentliche historische Unterschiede von Entwicklungsmodellen im Zeitablauf Aber auch heute unterschiedliche nationale Entwicklungen und weltwirtschaftliche Einbettungen wesentlichen Unterschied (von ALCA bis ALBA) Erstarken progressiver Regierungen in Lateinamerika: geänderte weltwirtschaftliche Integrationsstrategien Problem der Rohstoffabhängigkeit (trotz Versuche der Diversifizierung und der Ansätze für Binnenorientierung)