Der KMU-Sektor in der Ukraine: Überblick und aktuelle Lage Dr. Ricardo Giucci, Dr. Alexander Knuth Deutsche Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung KMU-Finanzierungstag 2011 Kiew, 24. Februar 2011
Überblick des KMU-Sektors Aktuelle Lage des KMU-Sektors Gliederung Überblick des KMU-Sektors Aktuelle Lage des KMU-Sektors Zusammenfassung Anhang
1. Überblick des KMU-Sektors
Definition KMU Unternehmensklasse Anzahl Mitarbeiter Verknüp- fung Umsatz, jährlich Mio. UAH, (Mio. EUR) Kleinunternehmen (KU) ≤ 50 UND ≤ 70 (≤ 6,5) Großunternehmen (GU) > 250 > 100 (> 9,3) Quelle: Economic Code of Ukraine on January 16, 2003, Art. 63 Definition Klein- und Großunternehmen ähnlich wie EU (gleiche Zahl Mitarbeiter, Umsatzgrenze niedriger) Aber: Keine (offizielle) Definition von MU Allerdings: Definitorische Lücke zwischen KU und GU Folge: Verschiedene inoffizielle Definitionen von MU innerhalb der definitorischen Lücke zwischen KU und GU
KMU-Statistiken: Quellen und Probleme Statistische Quellen Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine (SSCU/Derzhkomstat) Statistische Abteilungen in den Regionen der Ukraine Staatliches Komitee der Ukraine für Regulierungspolitik und Unternehmertum Studien (NGOs, Entwicklungspartner) Probleme (ausgewählte) Keine bzw. sehr unsystematischen statistischen Daten zu mittleren Unternehmen (entsprechend der fehlenden bzw. unklaren Definition) Systematische Statistik nur zu juristischen Personen; Daten zu Einzel-unternehmern werden nicht periodisch, sondern nur gelegentlich erhoben Abweichung der statistischen Klassifizierung von der legalen KU-Definition Registrierte, aber nicht operativ tätige Unternehmen („Karteileichen“) werden nicht herausgefiltert KMU-Statistik muss verbessert werden, um spezifische wirtschafts-politische Maßnahmen konzipieren und evaluieren zu können
KMU: Wovon reden wir? Aufgrund der Probleme bzgl. Definition und der statistischen Erfassung von MU → Fokus allein auf KU, nicht auf KMU KU: bis 50 Mitarbeiter (wie D/EU) Aber: Relativ hohe Umsatzgrenze angesichts des niedrigen ukrainischen Einkommensniveaus Statistisch nur nach Anzahl der Mitarbeiter erfasst (also praktisch ohne Umsatzgrenze) → KU in UKR (ökonomisch betrachtet) breiter definiert und erfasst als in D/EU Deshalb: Direkte Vergleiche nicht unproblematisch Hinweis: Bedeutung von MU in D bzw. EU Ca. 1-2% aller Unternehmen Ca. 20% der Wertschöpfung Begründung für Behauptung „breite“ Definition von KU UKR Umsatzgrenze UKR 6,5 Mio. EUR, EU 10 Mio. EUR Also Umsatzgrenze UKR 35% niedriger als EU Aber: Wirtschaftsleistung UKR wesentlich niedriger als in EU Bsp BIP/Kopf: UKR über 90% niedriger als EU BIP/Kopf, 2009: UKR: 2.569 USD EU: 33.052 USD D: 40.832 USD
Ökonomische Relevanz der KU im Vergleich Anteil der KU an Ukraine Deutschland EU 27 Unternehmen 93,7% 97,2% 98,7% Beschäftigung 25,3% 41,1% 50,4% Wertschöpfung k.A. 33,5% 39,9% Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, Europäische Kommission, Daten für 2009 Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer Interpretation: Trotz breiterer Definition: Deutliche geringere ökonomische Bedeutung von KU in UKR als in D/EU Allerdings: Sonderfaktoren (hohe Zahl von Einzelunternehmen, Schwarzarbeit, etc.) könnten einen Teil der Differenz erklären
KU: Anzahl (rel. zur Bevölkerung) und durchschnittliche Beschäftigung Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, eigene Berechnungen Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer
KU: Sektorale Struktur Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, eigene Berechnungen, Daten für 2009 Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer
KU: Regionale Verteilung Schlussfolgerung Keine erhebliche regionale Unterschiede bzgl. der Bedeutung von KU Süden relativ stark Westen gar nicht so stark wie oft behauptet (vgl. Verschwörungstheorie zur Abschaffung der steuerlichen Privilegien für Einzelunternehmen) Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, eigene Berechnungen, Daten für 2009 Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer
2. Aktuelle Lage des KMU-Sektors
Makroökonomische Lage 2009: Starke Krise (BIP um ca. 15% geschrumpft) Damit: KU-Sektor stark getroffen Allerdings: Weniger stark als viele GU Grund: Exportorientierte GU am stärksten getroffen 2010: Leichte Erholung, BIP um 4,2% gestiegen 2011: Wachstum von 4,5% prognostiziert Schlussfolgerung: Langsame Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen, gut für KU
KU im Krisenjahr 2009: Umsatz Umsatzerlöse: Veränderungen 2009 im Vergleich zu 2008 Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, eigene Berechnungen Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer
KU im Krisenjahr 2009: Beschäftigung Beschäftigung: Veränderungen 2009 im Vergleich zu 2008 Quelle: Staatliches Statistisches Komitee der Ukraine, eigene Berechnungen Anmerkung: Zahlen inklusive Einzelunternehmer
KU-Finanzierung: Kreditklemme Nominal: Kreditwachstum praktisch bei Null Real: Rückgang der Kredite Bewertung: Kreditklemme in UKR vorhanden KU-Sektor: Kreditklemme wahrscheinlich stärker als bei größeren Unternehmen Folge: Zugang zu Krediten als zentrales Problem des KU-Sektors
KU-Finanzierung: Dollarisierung Vor der Krise: Feste Bindung UAH an USD Systematische Unterschätzung des Wechselkursrisikos Ausgeprägte Kreditaufnahme in USD, auch KU-Sektor Durch die Krise: Starke Abwertung der UAH Erhebliche Probleme bei Rück-zahlung der Kredite (Sicht von Banken: NPL) Reaktion Politik: Kredite in Fremdwährung praktisch verboten Allerdings: Richtige Reaktion? Richtiger Zeitpunkt? Beitrag zur Verschärfung der Kreditklemme?
KU-Besteuerung: Status quo Wichtiger Bestandteil des KU-Sektors: Einzelunternehmer Ca. 1,7 Mio. Einzelunternehmer + ca. 2 Mio. Beschäftigte Vereinfachte Besteuerung: Pauschale Steuerzahlung von 200 UAH/Monat, falls Jahresumsatz bis zu 500.000 UAH Keine Pflicht zur Buchführung (nur Angaben zum Umsatz) Für KU: Kaum administrative Kosten und sehr geringe Besteuerung → Positive Rahmenbedingungen Aber: Zahlreiche und erhebliche Probleme Schwache Einnahmequelle des Staates: <1% der Einnahmen Massiver Mißbrauch aufgrund der pauschalen, nicht gewinnabhängigen Besteuerung Kein Anreiz für Firmenwachstum Schwerer Zugang zu Finanzierung, da keine Buchführung
KU-Besteuerung: Ausblick 2010: Reform KU-Besteuerung am öffentlichen Widerstand gescheitert Unsere Sicht: System muss reformiert werden Aber: Einzelunternehmer bräuchten dann Unterstützung („Umgründung“) → Neue Instrumente der KU-Förderung Frage: Wie politisch Reform durchsetzen? Populäres Argument: „Oligarchen zahlen keine Steuern, warum müssen wir Steuern zahlen?“ Hintergrund: Doppelbesteuerungsabkommens mit Zypern Bewertung: Berechtigtes Argument Deshalb: Gleichzeitige Reform von pauschaler Besteuerung und des DBA mit Zypern Dazu: Neue Instrumente der KU-Förderung
KU-Förderung: Neue Instrumente Bisher: KU-Förderung allein über Steuergeschenke Erforderlich: Neue Instrumente, vor allem im Falle einer Reform der vereinfachten Besteuerung Allgemein: Verbesserung des Geschäftsklimas und Reduktion von „red tape“ Gezielte Instrumente für KU: Vereinfachte Buchführung für KU (inkl. Umgründer) Beratungsdienste für Existenzgründer (inkl. Umgründer): Business Plan, etc. Coaching von KU Hier: Deutsche Erfahrung für UKR interessant
3. Zusammenfassung
Erhebliche statistische Probleme bzgl. KMU-Sektor: Keine offizielle Definition und systematische Erfassung MU Keine systematische Erfassung von Einzelunternehmen Wichtig: Verbesserung, da ansonsten schwer die Wirkung von (zukünftiger) KU-Politik zu messen Beschränkte ökonomische Bedeutung von KU (basierend auf offiziellen Statistiken) Schwerpunkt: Dienstleistungssektor Herausforderungen für Politik: KU-Finanzierung KU-Besteuerung KU-Förderung
Anhang
Eckdaten Deutsche Beratergruppe Anfang Projekt: November 1994 Finanzierung: Bundesministerium der Wirtschaft TRANSFORM-Programms (inklusive Nachfolgeprogramm) Durchführende Institutionen 1994-1999: DB Research 2000-2005: DIW Berlin Seit 2006: Berlin Economics
Deutsche Beratergruppe c/o BE Berlin Economics GmbH Kontakt Dr. Ricardo Giucci, Leiter Beratergruppe giucci@berlin-economics.com Deutsche Beratergruppe c/o BE Berlin Economics GmbH Schillerstr. 59, D-10627 Berlin Tel: +49 30 / 20 61 34 64 0 Fax: +49 30 / 20 61 34 64 9 E-mail: info@beratergruppe-ukraine.de www.beratergruppe-ukraine.de