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 Präsentation transkript:

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Die Finanzkrise und die Wirtschaftswissenschaft Zwischen Ignoranz und Reflexion Helge Peukert@uni-siegen.de

Inhalt 1. Was wird gelehrt 2. Das bunte Feld der Ökonomie 3. Fragwürdige (Nicht)Inhalte 4. Pluralismus ante portas 5. Auswirkungen der Finanzkrise auf die Lehrbücher und die Reformagenda

1. Was wird gelehrt Die Lehrbuchlandschaft ist hochkonzentriert auf wenige Titel und Autoren (80%): G. Mankiw (Grundzüge der VWL, Makroökonomik) O. Blanchard und G. Illing (Makroökonomie) H. Varian (Grundzüge der Mikroökonomik) R.S. Pindyck und L. Rubinfeld (Mikroökonomie)

Neoklassik Eine Analyseform, die sich auf das Optimierungsverhalten von völlig rationalen und gut informierten Personen in einem statischen Kontext und auf aus Optimierungen resultierende Gleichgewichte konzentriert

Standardökonomie in Einführungslehrbüchern Knappheit, Präferenzen, Nutzenfunktionen, Grenznut-zen, Indifferenzkurven, Marktnachfragekurve, keine sozialen Präferenzen, linear-homogene Produktions-funktionen, Substituierbarkeit der Produktionsfakto-ren, Gleichgewicht, rationaler Homo Oeconomicus, Wettbewerb: Selbststeuerung, Markträumung, cet. par., Isoliermethode, Opportunitätskosten, marginale Rate der Substitution, Einkommens- und Substituti-onseffekte, MK = Preis, monopolistischer Wettbe-werb, Oligopol, Monopol, Verteilung erfolgt nach marginaler Produktivität, Pareto-Effizienz

Neoklassische Mikroökonomie

Manfred gärtner Gärtner 2001

Umweltökonomische Aspekte

Neoklassische Ökonomie (D. Colander) 1. Ressourcenallokation: Zeitpunkt 2. Utilitarismus 3. Marginale Trade-offs 4. Vorausschauende Rationalität 5. Methodologischer Individualismus 6. Gleichgewicht (Statik) Vorherrschend in Lehrbüchern, Physik als Vorbild: „Wissenschaftlichkeit“ JHEcThought 2000

Verdeckte Ideologie „Ein Großteil der Lehrbuch-Ökonomie neigt dazu, den Status Quo zu rechtfertigen, indem sie z.B. aussagt, dass Märkte in der Regel optimale Ergebnisse pro-duzieren, Unternehmen wenig Macht haben, die Kon-sumenten souverän sind, Arbeitnehmer gemäß ihrem Grenzprodukt bezahlt werden, Menschen natürlicher-weise wettbewerbsorientiert und selbstinteressiert sind und Gleichhheits/Effizienz-Zielkonflikte ernst-hafte Einkommensumverteilung stark begrenzen“ (Cohn, S. Reintroducing macroeconomics, 2007)

Jenseits der Lehrbücher: Post-Neoklassische Konstellation 1. Allokation über Zeit (Wachstum) 2. Normen, soziale Beziehungen 3. Computersimulationen, Experimente 4. Bounded rationality bis Irrationalität 5. Komplexitätstheorien 6. AGT Adé, multiple Gleichgewichte Spieltheorie, experimentelle Ökonomie, Verhaltensökonomie, NPÖ …

Superparadigma: Der modeling approach Solow: „The study of the economy and economic policies through empirically testable models“, loose fitting positivism Formal-mathematische ad hoc-Modelle + ökonometrisches data mining Nicht-formal: „unwissenschaftlich“ Stochastisches Risiko (≠ Unsicherheit) Teilt sich in reine Theorie- und angewandte Policy models

Interne Zweifel Paul Romer: The trouble with macroecono-mics, Mimeo, September 2016 Chang, A./Li, P. (2015). Is Economics Re-search Replicable? Sixty Published Papers from Thirteen Journals Say ”Usually Not” Finance and Economics Discussion Series 2015-083. Washington: Board of Governors of the Federal Reserve System

VWL auf dem Holzweg (F. Machovec: Perfect competition and the transformation of economics, 1995) Cournot, Walras, Edgeworth: Seit 1920 Logisches (Gleichungs)System, kalku-lier-, berechen- und vorhersehbar Wettbewerb (Smith, Marx, Mill): freier Markt-zutritt, aktive Rivalität, Price maker u.a., Un-sicherheit, Interpretation der Situation, un-vollkommenes Wissen, Tausch zu Ungleich-gewichtspreisen, Anpassungsverzögerungen, Kirzner + Schumpeter: Nichtmodellierbarkeit

The other canon (Erik Reinert) Der Standardkanon Der andere Kanon Gleichgewicht, volle Infos und Voraussicht Hohes Abstraktionsniveau Kein geistreicher Esprit Nichts endogen Neues Physik-Metaphern Mechanistisches Erklären (Komparative) Statik Märkte: Preissetzung Lernen unter Unsicherheit (Schumpeter, Keynes) Problemabhängig Geist/Imagination (Unt.) Neuigkeit/Veränderung Biologie-Metapher Qualitatives Verstehen Fokus auf Wandel Rivalitäts-Arenen

2. Das bunte Feld der Ökonomie Es gibt viele ökonomische Denkschulen! Heise, Arne: “The Future of Economics in a Lakatos–Bourdieu Framework.” International Journal of Political Economy 43 (2015), S. 70–93

Berufungen heterodoxer Ökonomen 1950-2013 in DL 1950-1959: 1 1960-1969: 6 (aus 80) 1970-1979: 22 (aus 250) 1980-1989: 3 1990-1999: 10 2000-2009: 8 (3 Apl., aus 650) 2010-2013: 1 (FH-Umwandlung) (Heise, A. et al. Das Ende der Heterodoxie? 2017)

Wissenschaft: ein Vergemeinschaf-tungsprozess (John Harvey) 1. Tiefenstruktur i. Weltsicht: ideologische und philosophische Linsen, durch die die Welt gesehen werden ii. Axiome: nichthinterfragte/hinterfragbare Annahmen (rationale Akteure, Klassenkampf) iii. Methoden: wie die Ökonomie untersucht werden soll (Ökonometrie, Interviews) iv: Vorläufige Erklärungen: Theorien und Modelle (VK, Angebot/Nachfrage, Sraffa)

Wissenschaft: ein Vergemein- schaftungsprozess 2. Empfohlene Anwendungen der Untersuchungen und Politikvorschläge 3. Zeremonielle Verhaltensstandards, die von Mitgliedern erwartet werden, um ein gutes Ansehen zu haben Harvey, J. Contending perspectives in econo-mics, EE, 2015

Unterschiedliche Schwerpunkte der Denkschulen Neoklassische Schule: Suboptimalität Österreichische Schule: Staatsinterventionen Ökologische Schule: Entropie Virginia Schule: Rent-seeking Humanisten: Selbst-Erfüllung Feministen: Gender-Fragen Keynesianerinnen: Marktversagen Marxistinnen: (Kapitalistische) Ausbeutung

Pluralität ist unser Schicksal Überkomplexität der Wirtschaft Kein einheitliches, plural-heterodoxes „Superparadigma“, keine General Theo-ry in Sicht, die die Erkenntnisse der bis-herigen Ansätze und Denkschulen ent-hält und sie transzendiert (Garnett, R. „Paradigms and pluralism in heterodox economics“, in: RPE, 18 (2006), 521-546 Weder Popper, noch Kuhn, eher Lakatos

Plurale Sichtweisen, begrenzter Konstruktivismus

Pragmatisch-diskursives Wissenschaftsverständnis “If ideas, theories, systems are instrumental to an active reorganization of the given environment, to a removal of some specific trouble and perplexity, then the test of their validity and value lies in accomplishing this work” (John Dewey 1920) “vorsichtiges Abwägen von mehr oder weniger guten Gründen, weil jede vernünftige Person davon überzeugt werden können sollte, zu berechtigten Überzeugungen zu gelangen und diese durch gegen-seitigen Dialog zu verbessern” (Deidre McCLoskey) VWL-Sozialwissenschaft Nicht 100% radikaler Pragmatismus, aber Ansciht die zu wenig vertreten Wissenschaft sollte Gesellschaft dienen Bewährung von Theorien in der Praxis

3. Fragwürdige (Nicht)Inhalte

A/NF: Startpunkt, aber auch komplexe Realität beachten Nichtfunktional-externe Nutzeneffekte, Bandwagon-Effekt (Kanderer ↑ NF ↑): Komplementaritätskonsum (Leibenstein, QJE, 1950, 183-207), Aggregierbarkeit? Snob-Effekt (Kanderer ↑ NF ↓), Substitutions-konsum Veblen-Effekt (P ↑ NF ↑), conspicuous con-sumption NF-Kurve: positive, negative oder abwech-selnde Steigung, jede beliebige Form

Das Spinnwebtheorem (wie Preisänderungen, wenn doch alle Preis-Nehmer sind?)

Das Spinnwebtheorem

Das Spinnwebtheorem

Empirische Evidenzen gegen neoklasssische Nutzentheorie Ultimatumspiel: mehr/besser/weniger? Prisoner´s dilemma: backward induction Value ambiguity Prospect theory … M. Karacuka/A. Zaman, IJPEE, 2012

Empirie und Logik in den Lehrbüchern? R. Hill und T. Myatt: The economics anti-textbook – a critical guide to microeconomics, Zed Books, 2010 S. Keen: Debunking economics, Zed Books, 2011

Ein Beispiel

Gesetz des abnehmenden Grenzertrags Marshalls Dilemma (Partialanalyse) Sraffa 1926: steigende Kosten unver-einbar mit PGA und VK, da auch ∆ Prei-se der Substitute die NF beeinflussen Unabhängigkeit nur bei konstanten GK Konstante GK: Elegante Selbstdetermi-nierung des Marktes weg

Probleme bei nicht abneh-menden Grenzerträgen Fallende GK: Monopolisierung Realistische Begrenzung durch NF (mo-nopolistische Konkurrenz) + capabilities Blinder et al. Asking about prices, 1998: meist konstante/fallende Grenzkosten

Kostenverläufe

Weitere verschwiegene Schwachstellen SMD: Stabilität keine generische Eigenschaft von Märkten Kapitalkontroverse (Reswitiching) Nichtaddierbarkeit der Nachfragekurven

4. Pluralismus ante portas Vor allem seit der Finanzkrise 2008 regt sich Unmut Netzwerk Plurale Ökonomik e.V.

Pluralismus in der AEA (Allied Social Science Association) 2012 Göttingen, 2014 Hamburg, 2015 Münster AS for Social Economics AS for Evolutionary Economics AS of Christian Economists AS for Peace and Security History of Economics Society Intern. AS for Feminist Economics Union for Radical Political Economists

Podiumsdiskussion "Wie plural sollte die Jahrestagung deutschsprachiger ÖkonomInnen künftig sein?" (v.l.n.r. Frank Beckenbach, Rüdiger Bachmann, Carl Christian von Weizsäcker, Helge Peukert, Gustav Horn, Ralf Ptak)

Action in Siegen Masterprogramm Plurale Ökonomik seit WS 16 Graduiertenkolleg Plurale Ökonomik Institut für Plurale Ökonomik (IPÖ) Eine kritische Analyse der an deutschen Hochschulen verwendeten Einführungs-lehrbücher in die Volkswirtschaftslehre

Einführung in die plurale Ökonomik Historische Schule Sozioökonomie (Post)Keynesianismus Österreichische Schule Marxismus Ordoliberalismus Grundlagen des kritischen Institutionalismus Vergleich alte und neue Institutionenökonomie Feminismus

Heterodox-plurale Wahlverwandschaften Methodologie ist wichtig Handlungen sind nicht nur primär rational, auch Routinen, Kultur, Tradition spielen eine große Rolle Ökonomische Systeme: komplex, evolutionär und unvorherseh-bar, Gleichgewicht? Aggregiert-kollektive Ebene relevant Wirtschaftsgeschichte + historische Zeit einzubeziehen Dogmengeschichte Fakten und Werte nicht trennbar Macht ist ein wesentlicher Faktor Andere Ansätze neben Modellen/Ökonometrie

Methoden-Pluralismus Qualitative Erhebungen (Fallstudien, In-terviews) Statistik (≠überraffinierte Ökonometrie) Normative Ansätze (Wirtschaftsethik) Historische Methoden (z.B. Archivarbeit) Ideengeschichtliche Studien

GNH statt BIP

Plurale Theoriebausteine Märkte: keine prinzipielle Überlegenheit „Märkte“: Institutionelle, juridisch ein-gebettete, je spezifische Artefakte Gewinner/Verlierer? Interessenausgleich Vitalpolitik: Jenseits von A/N

Gegen Überschätzung formal-modelltheoretischer Ansätze „… dass sich nach 50 Jahren des Experi-mentierens und mit immer raffinierteren Techniken bisher nicht die Hypothese bestätigte, dass komplexere Analysein-strumente ein besseres Verständnis der Reichhaltigkeit und Komplexität der Welt erschlossen … komplexe Systeme sind im allgemeinen hochgradig abhän-gig von den Ausgangsbedingungen …

Gegen Überschätzung formal-modelltheoretischer Ansätze Kleine Messfehler oder das Weglassen selbst geringfügiger Variablen können einen enormen Unterschied ausmachen. Daher ist besondere Vorsicht und Be-scheidenheit hinsichtlich der Implikatio-nen von Modellierungen für die Wirt-schaftspolitik erforderlich“ (Thornton, T. From economics to political economy, 2017, S. 27-28)

Gibt es überhaupt plurale alternative Lehrbücher? Goodwin, N. et al. Microeconomics in context, 3. Aufl., Sharpe, 2014 Goodwin, N. et al. Macroeconomics in context, 2. Aufl., Sharpe, 2014 Dorman, P. Microeconomics, Springer, 2014 Dorman, P. Macroeconomics, Springer, 2014

Plurale, alternative Lehrbücher Rochon, L.-P./Rossi, S. (Hg.). An introduction to macroeconomics, EE, 2016 Sherman, H./Meerpol, M. Princpiples of macroeconomics, Routledge, 2013 Cohn, S. Reintroducing macroeconomics, Sharpe, 2007 Wolff, R./Resnick, S. Contending economic theories, MIT, 2012

Plurale, alternative Lehrbücher Sherman, H. et al. Economics, 7.Aufl., Sharpe, 2008 Himmelweit, S, et al. Microeconomics, Cenage, 2011 Stretton, H. Economics, Pluto, 1999 Earl, P./Wakeley, T. Business economics, McGraw-Hill, 2005 Berg, H.v.d. International economics, 2. Aufl., Sharpe, 2012

Deutsche alternative Lehrbücher Adam, H. Bausteine der Wirtschaft. 16. Aufl. Springer, 2015 Biesecker, A./Kesting, S. Mikroökonomik. De Gruyter, 2003 Elsner, W. et al. The microeconomics of complex economies, Elsevier, 2015 Heine, M./Herr, H. Volkswirtschaftslehre. Oldenbourg, 2013 Jäger, J./Springler, E. Ökonomie der internationalen Entwicklung, Mandelbaum, 20153

Am Beispiel Goodwin et al. Microeconomics in context Weniger Kurvenverschieben und Rechnen auf insgesamt 385 Seiten 2Geschichte, Institutionen, Gender, Ethik, Ökologie, Ungleichheit, menschliches Wohl-befinden, Core sphere, realistische Marktdy-namiken (Kaffee-Bsp.), Markup-Pricing, Frei-handelsvor- und -nachteile, Konsumbeein-flussung … Ausgangspunkt: Neoklassik

5. Auswirkungen der Finanzkrise auf die Lehrbücher und die Reformagenda Persona non grata, Boxen-Stopp, additiv, rein deskriptiv, Kapitelein-hegung, keine konzeptionellen Änderungen Gärtner, M. et al. „Teaching macroeconomics after the crisis“, und Madsen, P. „The financial crisis and principles of economics textbooks, JEE (2013) und IJPEE (2012)

Finanzkrise: Folge der Lehrbuchweisheiten? Glaube an effiziente Märkte (EMH): Keine europäische Bankenkontrolle EZB ohne Rettungsanker Geringes Eigenkapital + Derivate ok Unkontrollierte Privatverschuldung Reduzierter Staat (Ratings usw.) Keine EU-Fiskalpolitik

Blinde Reformflecken des Mainstream Too-big-to-fail: Entflechtung? Vollgeldreform? Kapitalverkehrskontrollen? Finanztransaktionssteuer? Schrumpfung des Finanzsektors? Internationale Vermögens/Erbschafts-besteuerung? (Verteilung zweitrangig)

Plurale Perspektiven

Mankiw Kapitel 22: Grenzbereiche Mikroökonomie S. 575: Ersterwähnung der Finanzkrise Asymmetr. Infos, Principal-Agent, Moral Hazard, Bonuszahlungen, Zitronen-markt 6 S. Verhaltensökonomie: Anker usw. Aber überhaupt keine Folgerungen z.B. hinsichtlich EMH

Kap. 26: Sparen und Investieren 27: Grundlagen der Finanzierung S + I: Finanzsystem ist Intermediär Loanable-Funds: wie auf allen Märkten Aktienkurse geben gut Unternehmens-wert wieder + geschickte Geldanlage CDS, CDO ok, St-Defizite: crowding out Kap. 27: G max., Risiko-Rendite: linear EMH: 50% über- und 50% untertreiben

Aktuell und politiknah? Shiller, Thaler, Minsky, Fisher, Herden-verhalten, Massenpsychologie Nur Aneinanderreihung, Infozeitverzö-gerung und Info-Falschverstehen „Die (Nicht-)Auswirkung der Finanzkrise auf ein Lehr-buch der Volkswirtschaftslehre“. Zur Berechtigung einer pluralen Ökonomik, hg. M. Allespach und B. Sahin. Frankfurt, 2016. S. 73-110

Mirakulixnix (S. 725) „… verstehen wir die Komplexität der Märkte vielleicht besser. Niemals wird man damit allerdings an eine Art naturwissenschaftliches Verständnis herankommen“ Erklärung Subprimekrise: „dass sich auf den Finanzmärkten spezielle Kräfte entfalten, die zu bestimmten Zei-ten zu Vermögenspreisinflation und Kredit-expansion führen“

Kapitel 29: Das monetäre System ZB: besitzt die Macht, die vorhandene Geldmenge zu erhöhen oder zu senken Geldschöpfungsmultiplikator Kreditvergabe setzt Einlagen voraus Kap. 30: Mindestreserve = Eigenkapital

Das neue Kapitel 37: Die Finanzkrise 25 Seiten ab Seite 1000 Keine Neubewertung, Arbeitsbuch: FTS Kein Kapitel/Stichwort „Finanzkrise“ in 2015 mathematische Zauberei, von Abläufen wenig Verstehende, unstillbarer Durst nach Krediten, Verbriefungen, Boni: kein Narrativ, Potpuri

Die Finanzkrise Ratingagenturen: Interessenkonflikte? Sie verstehen es jedoch, höchst kom-plexe Infos zu verarbeiten CDS: gesunde Geschäftsprinzipien Moralinkritik bei Haftung Völlige Ausklammerung der (kritischen) Fachliteratur

Ein ganz kleines Finale ´sehr vorsichtig sein … nicht positive Motivationen zerstören … genügen bisherige Regeln nicht schon?´ Dauernde Änderungen, keine sicheren Empfehlungen möglich Gelassen bleiben, alles halb so schlimm, nicht allzu viel erwarten und fordern

Banken-Kreditgeldschöpfung: Erkannte Krisenursache Claudio Borio (BIZ): The financial cycle and macroeconomics … Brunnermeier/Schnabel: Bubbles and central banks, Mimeo, 2015 Cleaning or leaning? Tabu: Vollgeld

Superblase statt Reinigungskrise

Reformagenda 1. Regelbasierte/demokratische EZB 2. Schuldentilgungskonferenz 3. Vollgeldreform 5. Banken-Zerschlagung (100 Mrd. €) 6. 30% hartes Kerneigenkapital 7. Gegen-Steuern: Vermögensabgabe, EU: Mindeststeuersätze, GKKB, keine Steueroasen (LuxLeaks)

Reformagenda 8. Echtes Trennbankensystem 9. Verbote: Leerverkäufe, CDS 10. FTS, Haltedauer, Kommission 11. Verbraucherschutz: Kein Zertifikate- verkauf, Provisionsverbote 12. Insolvenzen und Parallelwährungen 13. Kerngeschäfte: Fonds, Versicherungen 14. OTCs ≠ einklagbar, höhere Margins

Botschaften Einseitige Standardlehre in LB und generell modelling approach Fragwürdige (Nicht)Inhalte + Holzwege Es gibt viele wichtige Denkschulen, die aber marginalisiert werden Wissenschaft als Dialog Finanzkrise in LB (Mankiw) Reformagenda ohne Scheuklappen Alternative LB, Pluralismus ante portas

Die Zivilgesellschaft in Aktion

Ohne Worte

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Begriffserklärungen I Gross substitution axiom: NFX ↑ → PX ↑ → NFY ↑ (da Y relativ günstiger) Jedes Gut ist prinzipiell substituierbar mit allen anderen Gütern, Finanzassets und Geld

Begriffserklärungen II Ergodizität (Samuelson, Lucas): Mathe/ Statistik – gleiches durchschnittliches System-verhalten, stochastischer Prozess, nicht von Ausgansbedingungen abhängig, risk Nicht-Ergodizität: History matters, Pfadab-hängigkeit, keine Effizienzmarkthypothese, keine Quants, uncertainty http://www.paecon.net/PAEReview/issue59/Davidson59.pdf (Paul Davidson)

Begriffserklärungen III DSGE: Dynamic Stochastic General Equilibrium New Neoclassical Synthesis (Consen-sus), sehr verbreitet, auch EZB Neukeynesianismus/Real Business Cycle Nutzenmax. repräsentativer Agent (RA) + verzögerte Preise/Friktionen auf Gü-ter- und Arbeitsmärkten und monopoli-stischer Wettbewerb (MW) [Finanzkrise?]

Begriffserklärungen IV Nominallöhne + Mengen verändern sich sofort, Nominalpreise mit Verzögerung MW, Gmax, mark up, nicht immer Preis-anpassung (price stickiness) Ohne Finanzintermediäre, keine Bubbles Welche Politik minimiert Verluste Schock – Reaktion – Gleichgewicht Alle Märkte immer im Gleichgewicht

Begriffserklärungen V Tiefe Parameter: Zeitpräferenz, Arbeits-angebotselastizität, Maximum Likelihood Identifikationsproblem! Zentralbank: Taylor-Regel (Output/Inflation) Da 0-Zins-Linie: moderate Inflationsrate Start: RA Arbeitsangebot (Arbeitsleid) versus Konsumgüter: Ausbalancierung

Begriffserklärungen VI Keine Keynesianische unfreiwillige Ar-beitslosigkeit; immer Reaktion der HH auf veränderte Arbeitsmarktbedingun-gen, z.B. Reallohn ↑ → Arbeitsangebot ↑; i ↓ → C ↑ → Reallohn ↑ (NF auf Gü-ter- und Arbeitsmärkten ↑) Appeal: Y = C0 + cY + I(i) + G, kein real balance effect, MW usw.

Begriffserklärungen VII Geldangebot: Nicht Schulden/Kredite - zinsabhängige Nutzen der Geldhaltung Staatsausgaben: Einkommen sinkt, Ar-beitsangebot steigt, wird absorbiert durch Staatsaufträge, Arbeits- und Gü-termärkte steigend (Clearing); Verschul-dung: Ricardianische Äquivalenz http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_wp_12_2009.pdf (S. Dullien), siehe auch P. Romer (Moodle)