Erziehungswissenschaft – feministisch quer gelesen Prof. Dr. Susanne Maurer.

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 Präsentation transkript:

Erziehungswissenschaft – feministisch quer gelesen Prof. Dr. Susanne Maurer

Übersicht Um was geht es in der Erziehungswissenschaft? Geschlechterverhältnisse und Pädagogik Feministische Interventionen “Frauen- und Geschlechterforschung”, “Gender Studies” oder feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft?

“Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste, und unerlässliche Bedingung … außer der Freiheit – Mannigfaltigkeit der Situationen” (siehe Wilhelm von Humboldt, um 1800)

Übersicht Um was geht es in der Erziehungswissenschaft? Geschlechterverhältnisse und Pädagogik Feministische Interventionen “Frauen- und Geschlechterforschung”, “Gender Studies” oder feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft?

Erziehung und Bildung Wo(he)raus und wo(rauf)hin wird er- zogen? Gesellschaftsbezug: “Bürger_in im Staat”? Frage nach Freiheit und Handlungsfähigkeit des Subjekts “Erziehung zur Mündigkeit”? Dialektik von Freiheit und Zwang Frage nach dem Menschen und der Macht

Prozesse und Praktiken Sozialisation, Selbst-Bildung, Lernprozesse … Voraussetzungen und Kontexte:  Menschen-Bilder (→ Historische Anthropologie, Philosophie, Psychologie, Neurowissenschaften …)  Gesellschaftliche Rahmungen (→ Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, Ökonomie …)

Spannungsverhältnisse Pädagogik als “Zucht”, als Zurichtung, als Disziplinierung und Ermöglichung Frage nach Funktion(en), Legitimation(en) und Wirkungsweisen pädagogischer Praktiken (z.B. “im Dienste des Humankapitals”) Pädagogik als soziale Situation, Interaktion, mit prinzipiell “offenem Ausgang” … (→ Dynamik, Eigen-Sinn) Kontexte, Vor- und Nach-Geschichten...

Übersicht Um was geht es in der Erziehungswissenschaft? Geschlechterverhältnisse und Pädagogik Feministische Interventionen “Frauen- und Geschlechterforschung”, “Gender Studies” oder feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft?

Unterscheidungen: Ebene der Erkenntnis und Reflexion (“Können Frauen denken?”) Ebene des pädagogischen Handelns und seiner Begründung (“Erziehung zur Weiblichkeit”) Ebene der Ausbildung zum pädagogischen Beruf (“Organisierte Mütterlichkeit”)

Zu fragen wäre z.B.: - Für wen war (und ist) Bildung gedacht und zugänglich? - Wer soll(te) wie erzogen werden, und woraufhin? - Wie sehen die Begründungen für Gleichheit oder Ungleichheit im Bildungsgeschehen aus, welche Interessen sind dabei im Spiel? - Welche Gegen-Stimmen zu ausschließenden Praktiken lassen sich finden? - Wie können diejenigen, die nicht gleichermaßen gebildet werden soll(t)en, ihre Ansprüche auf gleichberechtigten Zugang geltend machen?

Kontext-Dimensionen: - Spezifische gesellschaftlich-historische Situationen - Spezifische Dominanzverhältnisse - Vorstellbares (“gesellschaftlicher Vorrat an Bedeutungen”) - Zeitgenössische Strömungen (z.B. Soziale Bewegungen), die auf Umstrittenes verweisen und Veränderung anstreben - Konkrete Versuche mit veränderter Praxis

Übersicht Um was geht es in der Erziehungswissenschaft? Geschlechterverhältnisse und Pädagogik Feministische Interventionen “Frauen- und Geschlechterforschung”, “Gender Studies” oder feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft?

Zum Beispiel: Mathilde Vaerting:  Macht als relationales Geschehen und Praxis der Unterscheidung, “Geschlecht” als Effekt im Kontext gesellschaftlicher Arbeitsteilung Elisabeth Blochmann:  Vorführung frauenmißachtenden Denkens (nicht nur!) in der Geschichte der Pädagogik  Kritik “zwischen den Zeilen”

Barbara Rendtorff:  Kritische Analyse der herkömmlichen Bestimmungen von Erziehung und Bildung in feministischer Perspektive:  Oder: Wie in einer spezifischen Hierarchisierung von Begriffen und Konzepten Geschlechterhierarchien wiederkehren...

“Bildung ist Anti-These zum Erziehungsprozess, ist schon vollzogene Emanzipation, ist entbundene Selbsttätigkeit...” (siehe Hans-Joachim Heydorn, 1970)

Vor-Geschichten: Querelles des Femmes (“Ob die Weiber Menschen sind”) Pädagogische Theorien und Frauen- Bewegungen “Stimmen von Frauen” in der Literatur Vereinzelte Thematisierungen von Geschlechterverhältnissen in kritischer Absicht Beiträge von Studentinnen und Hochschullehrerinnen vor dem Hintergrund der Neuen Frauenbewegung

Frühe Versuche, noch eher autodidaktisch: Seminare, Examensarbeiten, experimentelle und traditionelle Forschung Titel von Diplomarbeiten:  “Über die Befreiung der Hände, der Füße und der Köpfe”  “Trauer muss Aspasia tragen”  “Das Banner der Frauen ist allumfassend...”

Übersicht Um was geht es in der Erziehungswissenschaft? Geschlechterverhältnisse und Pädagogik Feministische Interventionen “Frauen- und Geschlechterforschung”, “Gender Studies” oder feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft?

Themengebiete Forschung und Analysen im Hinblick auf  Institutionelle und lebensweltliche ReProduktion von Geschlechterhierarchien (unter Vorzeichen der Zweigeschlechtlichkeit)  Wie werden Jungen und Mädchen zu Jungen und Mädchen (gemacht) – auch von “der” Pädagogik?  Wie können begrenzte und begrenzende Geschlechterbilder geöffnet und überwunden werden?

Themengebiete Forschung und Analysen im Hinblick auf  Praktiken des “doing and undoing gender” in verschiedenen pädagogischen Kontexten (z.B. Im Leben einer Schulklasse)  Fragen von Geschlechterungleichkeit und Geschlechterdemokratie  Geschlechter-Bias im Kontext pädagogischer Theoriebildung und empirischer Forschung

Innerhalb der “Disziplin”: Von der “AG Frauenforschung” über die “Kommission Frauenforschung” zur “Sektion Frauen- und Geschlechterforschung”:  Streit um Namen, Streit um Positionen  Kompromissbildungen...  Ein Name als Gedächtnisort?  Heutige “Zustände”

Spezifische Problematik: Erziehungswissenschaft ist auf (pädagogisches) Handeln bezogen und verwiesen Theorie-Praxis-Verhältnisse (siehe auch theoretische Dekonstruktion - empirische Rekonstruktion) Normativität und Ethik in der alltägllichen, meist institutionell vermittelten Praxis Wie handeln, um Handlungsfähigkeit zu befördern?

ReProduktion und Reifizierung Im Hinblick auf Geschlechterverhältnisse:  Bezug auf “real existierende” Jungen und Mädchen, Männer und Frauen (“statistisches Geschlecht”)  Sog der Homogenisierung von Geschlechtsgruppen im Alltag pädagogischer Praxis, “durchkreuzt” von Zuschreibungen entlang noch anderer Differenzlinien  Offene Fragen im Hinblick auf “dekonstruktive Praxis” (Schule im Nachteil gegenüber “offener Arbeit”?)

Meine Perspektive: Feministisch inspirierte Erziehungswissenschaft:  Was ermöglich(t)en feministische Denk- Bewegungen? (Würdigung und Grenzbestimmung)  Wie könn(t)en die Erfahrungen mit Versuchen einer “anderen” (feministischen) Praxis aufgegriffen werden?  Inwiefern verweisen (auch “innerfeministische”) Konflikte und Kontroversen auf wichtige Fragen?

(Erkenntnis-)Politisches Interesse und Anliegen: Feministische Forschung als “relativierende Forschung”:  So, wie es ist, muss es nicht sein.  So, wie es ist, muss es nicht bleiben! Möglichkeiten der Kritik ausloten und immer wieder neu ausrichten.  (Selbst-)Kritische Historiographie  Radikale Reflexivität  Praktiken der Grenzbearbeitung

“Mache dir auch Zerstreuung, (...) geh an Orte, wo neue Gegenstände, Worte und Menschen dich berühren, dir Blut, Leben, Nerven und Gedanken auffrischen. Wir Frauen haben dies doppelt nötig." (Rahel Varnhagen, 1819)