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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

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Präsentation zum Thema: "Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit"—  Präsentation transkript:

1 Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit
1. Amt und Gemeinde, Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Amt und Gemeinde > Das Titelbild (rechte Bildhälfte): der traditionelle Gottesdienst, der vor allem als Messopfer gefeiert wurde: Der Priester wiederholt in der Feier der Eucharistie das Opfer, das Christus stellvertretend für die Menschen Gott gebracht hat, um die Menschen mit Gott zu versöhnen. Das Messopfer, das der Priester Gott darbringt, steigert das Gnadenkapital, das die Kirche den Gläubigen zukommen läßt. linke Hälfte: der lutherische Gemeinde zentrierte Gottesdienst, der als Verkündigung der göttlichen Verheißung in Wort und Sakrament gefeiert wird: denen, die glauben, wird das ewige Leben verheißen. im Detail > Die traditionelle Form christlichen Lebens Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

2 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
Gregormesse Papst Gregor kniet auf der Stufe vor dem Altar. Während dem Hochgebet (Zentrum der Eucharistiefeier) erscheint ihm Christus als Schmerzensmann (der leidende Christus mit den Wundmalen), der mit der rechten Hand auf die Seitenwunde weist. Auf der Mensa (Altartisch) eine flaches, ausgezogenes Retabel (Altarbild) mit einer niedrigen Predella (zwischen Tisch und Retable), ein Lesepult mit aufgeschlagenem Messbuch, ein Leuchter mit brennender Kerze und der auf dem Korporale (ein weißes, mehrfach gefaltetes Tuch, auf das Kelch und Hostienschale abgestellt werden) stehende Kelch. Hinter dem Papst stehen zwei Kardinäle, welche die Tiara und den Kreuzstab halten. In der Seitenwand die Arma Christi (Leidenswerkzeuge der Passion Christi). KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

3 lutherischer Gottesdienst
1. Amt und Gemeinde, lutherischer Gottesdienst Antemensale (Verkleidung der Vorderseite des Altars, auch Frontale genannt) der Kirche von Torslunde (1561), heute: Nationalmuseum, Kopenhagen. - Predigt (vornehmster Inhalt: theologia crucis, Verweis auf die am Kreuz geschehene Erlösung) - Abendmahl unter beiderlei Gestalt (Brot und Wein, im Gegensatz zur römischen Praxis), - Taufe (Kindertaufe, im Ggs. zu den Täufern) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

4 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
Übersicht Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment Die calvinistische Basiskirche Der Hausvater und die christliche Familie Die Kritik der Reformatoren hat eine revolutionäre Veränderung nicht nur in der Frömmigkeitspraxis, sondern auch in der Kirchenstruktur gebracht. Die protestantische Kirche, die aus der Kritik allmählich erwachsen ist, besteht aus ganz unterschiedlichen Organisationsformen, von denen ich die drei wichtigsten in dieser Sitzung behandeln werde. Transformationsprozess der lutherischen Ekklesiologie vom allgemeinen Priestertum aller Getauften zur konsitorialen Obrigkeitskirche > Begriff: Ekklesiologie das Genfer Modell der reformierten Kirche der Nährboden lutherischer Frömmigkeit: der christliche Hausvater Ekklesiologie die Lehre von der Kirche griech.: εκκλησία, lat.: ecclesia; kath.: sakramentale, durch Bischöfe repräsentierte Organisation mit dem Primat des römischen Bischofs; luth.: durch Predigtamt konstituierte Gemeinschaft; reformiert: presbyterial-synodal organisierte Basiskirche; täuferisch: Gemeinschaft der Glaubenden KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

5 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
1.1 Luthers Adelsschrift drei große Reformschriften des Jahres 1520: An den christlichen Adel (Titelblatt eines frühen Druckes) De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium (Über die Babylonische Gefangenschaft der Kirche. Ein Vorspiel – mehr ist nicht erschienen) – Babylon Metapher für ma. römische Kirche // Apokalyse: Römisches Reich, // Hip-Hop Kultur: kapitalistisches System De libertate christiana / Von der Freiheit eines Christenmenschen > Titel der Adelsschrift = Programm: An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung christlicher Stand, bisher geistlicher Stand / Laien, wobei der geistliche Stand mit einer Reihe von Privilegien verbunden war rechts: > Portrait von Lucas Cranach, 1520 Mit diesem Bildnis beginnt die lange Reihe von Lutherbildnissen Lucas Cranachs. Sie haben bis heute unsere Vorstellung vom Menschen Martin Luther geprägt. Wohl in Abstimmung mit dem Sächsischen Hof entstanden, wo man man Image-Pflege betreiben wollte. darunter in Humanistenmanier ein lat. Sinnspruch: > übersetzt: … Während das erste Bild in sehr kleiner Auflage gedruckt wurde, entstand im gleichen Jahr eine zweite, gemilderte Fassung: >Augustinermönch als Halbfigur gleich einem Heiligen mit leicht erhobenen Augen vor einer Nische; Demutsgeste: die Linke beteuernd auf die Brust gelegt; die Rechte (nur halb sichtbar) hält die Bibel. Standardbild, weite Verbreitung, insbesondere als Illustration in reformatorischen Schriften. Portrait von Lucas Cranach d.Ä., 1520 Die unvergänglichen Abbilder seines Geistes bringt Luther selbst hervor, seine sterblichen Züge jedoch das Wachs des Lucas KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

6 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
1.2 Begriffsklärungen Stand rechtlich und sozial abgeschlossene gesellschaftl. Schicht Qualifizierung durch Geburt, Beruf oder Bildung; kirchlicherseits meist Zweiteilung: Kleriker / Laien; im Früh- u. HochMA Differenzierung in Adel, Freie und Unfreie; im SpätMA: Adel/Bürger/Bauern; verfassungsrechtlich: Adel/Prälaten/Städte (Bürger) Kleriker Person geistlichen Standes Aufnahme in den Stand des Klerikers erfolgte früher durch die Tonsur ; mit dem Klerikerstand waren Privilegien verbunden: p.canonici (bes. Rechtschutz), fori (weltl. Gericht), immunitatis (Abgaben); Pflichten u.a.: Zölibat für Priester u. Mönch seit Lateran II, 1139 Weihesakrament Einsetzung zum Bischof, Priester oder Diakon durch Handauflegung und Weihegebet wird die Gabe des Heiligen Geistes auf den Anwärter übertragen; beim Bischof wird das Haupt mit Chrisam (Salböl) gesalbt; beim Priester: Gehorsamsversprechen und Gelöbnis der Ehelosigkeit; seit Vaticanum II als Diakone auch viri probati zugelassen > Der Zelebrant der Messe, in der ein Bischof geweiht wird, ist meist der Metropolit (Erzbischof) der Kirchenprovinz (Bistümer, die einem Erzbistum zugeordnet sind). Der Zelebrant der Messe bei Priester- oder Diakonsweihen ist der Bischof Chrisam kommt von griech. Chrisma = Salböl (Olivenöl dem Balsam beigemischt ist), vgl. christos = der Gesalbte viri probati sind verheiratete Männer, die zum Diakonsamt zugelassen werden KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

7 1.3 allgemeines Priestertum – Luther: Adelsschrift
1. Amt und Gemeinde, 1.3 allgemeines Priestertum – Luther: Adelsschrift alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes und ist unter ihnen kein Unterschied außer allein des Amts halber. ... Das alles macht, dass wir eine Taufe, ein Evangelium und Glauben haben und auf gleiche Weise Christen sind; denn die Taufe, Evangelium und Glauben, die machen allein geistlich und Christenvolk. ... Demnach werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweihet. (vgl. 1. Petr.2; Offenb. 5,10) ... Denn wo nicht eine höhere Weihe in uns wäre, als der Papst oder Bischof gibt, so würde durch des Papstes und Bischofs Weihen nimmermehr ein Priester gemacht ... Dan alle Christen sein warhafftig geystlichs stands, unnd ist unter yhn kein unterscheyd, denn des ampts halben allein, ... das macht allis, das wir eine tauff, ein Evangelium, eynen glauben haben, unnd sein gleyche Christen, den die tauff, Evangelium und glauben, die machen allein geistlich und Christen volck. ... Dem nach szo werden wir allesampt durch die tauff zu priestern geweyhet, ... dan wo nit ein hoher weyen in uns were, den der Bapst odder Bischoff gibt, szo wurd nymmer mehr durch Babsts vnnd Bischoff weyhen ein priester gemacht … Urquelle für die lutherische Ekklesiologie ist die Adelsschrift, die erste der drei großen Reformschriften. Die einschlägige Passage lautet: … zunächst im originalen Frühneuhochdeutsch. Dem Zitat voran geht folgende Passage: Man hats erfunden, dass Papst, Bischöfe, Priester und Klostervolk der geistliche Stand genannt wird, Fürsten, Herrn, Handwerks- und Ackersleute der weltliche Stand. Das ist eine sehr feine Erdichtung und Trug. Doch soll niemand deswegen schüchtern werden, und das aus dem Grund: Zitat in modernem Deutsch lautet die Passage: … ein Stück Prosem. in der Vorlesung: kein Zitat ohne Stellenangabe > > WA (Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation. Von des christlichen Standes Besserung, 1520, WA 6, 407) WA = Weimarer Gesamtausgabe der Werke Martin Luthers, Weimar 1883 ff KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

8 1.4 die Vollmacht der Gemeinde , 1523
1. Amt und Gemeinde, 1.4 die Vollmacht der Gemeinde , 1523 Sonst wo nicht solch nott [an Verkündigung des Evangeliums] da ist und fur handen sind, die recht und gnad haben zu leren, soll keyn Bischoff yemand eynsetzen on der gemeyn wal, will und beruffen, sondern soll den erwelten und beruffen von der gemeyne bestettigen; thut ers nicht, das der selb [der Pfarrer] dennoch bestettiget sey durch den gemeyne beruffen. Denn es hat widder Titus noch Timothes noch Paulus yhe eynen priester eyngesetzt on der gemeyne erwelen und beruffen [Titus 1,7; 1.Tim 3,2]. Aus der Idee des allgemeinen Priestertums ergibt sich von selbst die Autonomie der Gemeinde in der Beurteilung der rechten Lehre und der Qualifikation des Predigers. Explizit wird dieser Gedanke 3 Jahre später entwickelt. Der Titel dieser Schrift enthält bereits das Programm: …. Die alleinige neue Legitimationsquelle: „Grund und Ursach aus der Schrift“ unserem Zitat voraus geht die Diskussion über eine Notsituation, in der kein bestallter Prediger da ist; dann hat jeder Christenmensch das Recht und die Pflicht, priesterlichen Dienst an seinem Nächsten zu tun. Wenn kein Notfall gegeben ist, soll man in folgender Weise verfahren: Zitat die Gewährleute Luther sind die sog. Pastoralbriefe, die frühesten Zeugen für das Bischofamt im NT und in der alten Kirche Martin Luther, Daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusaetzen. Grund und Ursach aus der Schrift. 1523, WA 11, 414 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

9 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
1.5 der große Bauernkrieg 1525 Der große Bauernkrieg, eine christliche Sozialrevolte im südlichen Schwarzwald begonnen, verbreitete er sich über große Teile Süd- und Mitteldeutschlands; ideelle Grundlage: «Die zwölf Artikel»; blutige Niederlagen in Weinsberg und Mühlhausen; markiert einen Wendepunkt in der lutherischen Reformationsgeschichte STW: Bauernkrieg 1) auf der Grundlage von über 300 Beschwerden, die dem Schwäbischen Bund (ein kaiserlich-städtisches Schutzbündnis) von Anführern der revoltierenden Bauern überreicht worden ist, verfassten der Memmiger Prediger Christoph Schappler und der Kürschnergeselle Sebastian Lotzer „Zwölf Artikel“. Sie machten die Hlg. Schrift zur Legitimationsgrundlage ihrer Forderungen nach billiger, also gerechter Behandlung und zogen dabei über 60 Bibelstellen heran. Innerhalb weniger Wochen gab es rund 25 Nachdrucke der 12 Artikel. Sie kann deswegen als die bekannteste Programmschrift des Bauernkriegs gelten. Luther wurde um ein Gutachten angegangen und hat 1525 zwei Schriften in dieser Sache verfasst: > 1) Ermanunge zum fride auff die zwelff artikel der Bawrschafft ynn Schwaben (ein Plädoyer für eine strikte Trennung von weltlich und geistlich: keine sozialen Forderungen aus der Bibel ableiten!). - Während Luther in dieser Schrift die sozialen Forderungen der Bauern noch für angemessen hält, ist die zweite Schrift ein Aufruf zur brutalen Unterdrückung der revolutionären Bewegung: > 2) Wider die sturmenden Bawren Auch wider die reuberischen vnd mördisschen rotten der andern Bawren Wohl Augenzeuge von exzesshaften Ausschreitungen hat Luther alle Selbstbeherrschung verloren: Zitat Ähnlich wie die späte Schrift gegen die Juden gehört diese Schrift zu den schwarzen Flecken im Leben des Reformators. Luther sah sich nun einer doppelten Kritik ausgesetzt: 1) durch seine Parole von der Freiheit eines Christenmenschen zum Aufruhr beigetragen zu haben; 2) mit dem Aufruf zur brutalen Unterdrückung den evangelischen Geist verraten zu haben > die Pfingstpredigt vom 4. Juni 1525 versucht das harte fürstliche Vorgehen gegen die Aufruhr sowie seinen harten Aufruf zu verteidigen. Der Sendbrief basiert auf dieser Predigt. Luthers Gegenschriften: 1) Ermanunge zum fride auff die zwelff artikel der Bawrschafft ynn Schwaben 2) Wider die sturmenden Bawren Auch wider die reuberischen vnd mördisschen rotten der andern Bawren Die Grundtlichen vnd rechten haupt Artikel aller Baurschafft vnd Hyndersessen der Geistlichen vn weltlichen oberkayten, von welchen sy sich beschwert vermainen¹ „Solch wunderliche Zeiten sind jetzt, dass ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen leichter verdienen kann als andere mit Beten ... Drum, liebe Herren, ... steche, würge hier, wer da kann, bleibst Du drüber tot, wohl Dir, seligeren Tod kannst Du nimmermehr überkommen.“ KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

10 1.6 der Beginn eines neuen Kirchenwesens
1. Amt und Gemeinde, 1.6 der Beginn eines neuen Kirchenwesens Melan – chthon Schwarz – erdt melanos – chthon μέλανος - χδών die Idee einer dezentralen Selbstregulierung auf Gemeindeebene war mit dem Bauernkrieg vorbei; wer dennoch an ihr festhielt, wurde als Schwärmer oder Spiritualist marginalisiert und verfolgt. Altgläubige und reformatorisch gesonnene Fürsten hatten Seite an Seite den Bauernaufstand niedergeschlagen. Durch den Reichstagsabschied von 1526 in Speyer wurde die Religion zur Gewissenssache der Obrigkeit erhoben. Dadurch abgesichert wurde in Kursachsen 1528 eine Kirchenvisitation organisiert, in der eine paritätisch mit Juristen und Theologen besetzte Kommissionen das Kirchenwesen kontrollierten. Die Schrift, deren Titelbild hier abgebildet ist, geht auf Melanchthon zurück, der viel eher bereit war, an obrigkeitliche Ordnungsvorgaben zu appellieren als Luther. Sie enthält Anweisungen für die Vorgehensweise der Visitationskommissionen. Luther hat das Vorwort beigesteuert. Titelbild erläutern: oben: Trinität mit Engeln Mitte: Paulus / Moses unten: Lutherrose M L/ Geburt Jesu / erhöhte Schlage in der Wüste (Typologie bezogen auf das Kreuz in der Lutherrose) > Portrait Melanchthons Motto: Die Züge Melanchthons, wie er lebt, konnte Dürer malen / den Geist konnte selbst die geschickte Hand nicht erfassen. > von Dürer, 1526 zum Namen: Sein Onkel, der Humanist Johannes Reuchlin, schenkte seinem 12jährigen Neffen eine griechische Grammatik, in deren Widmung er den Humanistennamen für Philipp kreierte. Dürer: Philipp Melanchthon, 1626 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

11 1.7 sächsische Visitation, 1528
1. Amt und Gemeinde, 1.7 sächsische Visitation, 1528 [wenn eine Vakanz in einer Pfarre eintritt] und andere an yhre stat durch yhre lehenherrn genomen würden, ... sollen zuvor, ehr sie mit den Pfarren belehnt odder zu Prediger auffgenomen werden, dem Superattendenten fürgestellet werden. Der soll verhören und examiniren, wie sie ynn yhrer lere und leben geschickt, ob das volck mit yhnen genugsam versehen sey, Auff das durch Gottes hülffe mit vleis verhütet werde, das kein ungelerter odder ungeschickter zu verfürung des armen volcks auffgenomen werde. Aus der Visitationsanweisung Melanchthons nun ein Zitat: Zitat Folgerungen aus dem Zitat: 1) das allgemeine Priestertum, das die autonome und theologisch kompetente Gemeinde konstituiert, ist zum "armen Volk" geschrumpft 2) der Superintendent ersetzt den Bischof 3) das Patronatsrecht, ein Überbleibsel aus dem frühmittelalterlichen Eigenkirchenwesen, die Kirche ist Eigentum des Grundherrn, der Geistliche von ihm eingesetzt, wird nicht angetastet. Mit der Obrigkeit will man es auf keinem Fall verderben. Philipp Melanchthon, Unterricht der Visitatoren, [1528], WA 26, 235 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

12 1.8 der Landesherr als Bischof
1. Amt und Gemeinde, 1.8 der Landesherr als Bischof der Fürst: praecipuum membrum ecclesiae, das vornehmste Glied der Kirche das allgemeine Priestertum aller Getauften, das Luther in der Adelsschrift entwickelt hatte, ist gleichwohl nicht ganz vergessen. Es kommt nun der Obrigkeit zu gute, die nicht mehr als Laie aus den kirchlichen Angelegenheiten ausgeschlossen werden kann. Im Gegenteil, ihr fällt als dem vornehmsten Glied die Pflicht zu, auch für den geistlichen Bereich Sorge zu tragen. >Wie Maria als Schutzmantelmadonna, so nimmt er, der Fürst, die Theologen in seine Obhut. >die Juristen finden eine Legitimationsformel: praecipuum membrum Anfang des 17.Jahrhunderts entwickelte das evangelische Kirchenrecht den Begriff des „Notbischofs“, eine Auffassung, wonach seit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) in den protestantischen Territorien die katholische bischöfliche Jurisdiktionsgewalt treuhänderisch auf die evangelischen Landesherren übergegangen sei. Johann Friedrich, „der Großmütige“, Kurfürst von Sachsen seit 1532 von links nach rechts: Luther, Magister Georg Spalatin, Kf. Johann Friedrich, Kanzler Dr. Gregor Brück, Philipp Melanchthon Lukas Cranach d.Ä., 1532/39, Altar-fragment (?), Museum of Art, Toledo/Ohio KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

13 1.9 das landesherrliche Kirchenregiment
1. Amt und Gemeinde, 1.9 das landesherrliche Kirchenregiment Welcher Regent ... nun auch öffentliche, allgemeine Reichs- und Friedensschlüsse für sich hat, daß er Episcopus in externis sei und daß er auch die anderen jura Episcopalia, welche die Bischöfe sonst allein für sich oder durch ihre Officiales verrichtet, durch gewisse dazu bestellte ... Personen, die man Consistoriales oder Superintendentes (das ist eben so viel als Episcopi) nennt, zu führen habe, der wird ja daraus ... erkennen, daß es nicht zu verantworten sei, wenn er .. damit .. unordentlich umgeht der Landesherr aus der Sicht eines lutherischen Juristen, Staatsmannes und Gelehrten des 17. Jh. : Zitat Veit Ludwig von Seckendoff, luth. Staatsmann u. Historiker in der 2. Hälfte des 17. Jh., ; Kanzler des Hzg. Ernst d. Frommen v. Sachsen-Gotha. Die Schrift «Christenstaat» (1685) ist eine Apologie des christlichen Staatswesens: die bischöfliche Fürsorgepflicht ist auf die Obrigkeit übergegangen, die er mittels Superintendenten wahrnimmt. Nach dem Westfälischen Frieden von Münster/Osnabrück 1648 gehen die Juristen noch einen Schritt weiter: dem Territorialprinzip entsprechend ist das Bischofsamt Teil der territorialen Souveränität desFürsten: Fürst Souverän => auch über Kirche, also auch Bischof, weisungsbefugt gegenüber den Superintendenten, also Summus espiscopus => Summepiskopat) KTGQ 4/1, 42 Veit Ludwig von Seckendorff, Christenstaat (1685) KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

14 1.10 Glossar zum landesherrlichen Kirchenregiment
1. Amt und Gemeinde, 1.10 Glossar zum landesherrlichen Kirchenregiment Summus episcopus Bischofsamt einer weltlichen Obrigkeit in der Reformation nach Wegfall der bisherigen bischöflichen Jurisdiktion ausgebildet; bei Melanchthon als membrum praecipuum bezeichnet, dann als Notbischof, schließlich, seit dem Westfälischen Frieden als summus episcopus Konsistorium (lutherisch) oberste Verwaltungsbehörde der Landes- bzw. Provinzialkirche übte im Namen des Landesherrn dessen kirchl. Regierungsrechte aus (Summepiskopat); Leitung: kollegiales Gremium aus Juristen und Theologen; nach 1918 in Landeskirchenamt umbenannt; im 19. Jh. wurde diese Kirchenstruktur um synodale Elemente erweitert Ius circa sacra Recht über kirchliche Angelegenheiten zu entscheiden im Gegensatz zum ius in sacra als reine innerkirchliche Angelegenheit die juristische Kompetenz, in allen äußerlichen Fragen des kirchlichen Lebens zu entscheiden (Kult, Ordnung, Organisation etc.), wobei die Differenzierung problematisch bleibt abschließend nochmals die wichtigsten Begriffe: KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

15 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
Übersicht Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment die calvinistische Basiskirche der Hausvater und die christliche Familie Eine völlig andere Kirchenstruktur hat Calvin in Genf durchgesetzt. Die neue Kirche in Genf wurde nicht – wie bei den lutherisch gesinnten Fürsten in Deutschland – mit Hilfe des Landesherrn durchgesetzt, sondern gegen ihn. Der Einführung der Reformation durch Farel und Calvin geht die Vertreibung des Stadtherrn, des Bischofs von Genf voraus, der sich nach Annecy zurückzog. Calvins Kirchenstruktur ist an den Ämtern des Urchristentums orientiert, dessen Spuren sich in den Pastoralbriefen des NT und bei den Kirchenvätern finden. Allerdings erfahren sie bei Calvin eine eigentümliche Neufassung. Was in der lutherischen Kirche im Bauernkrieg zu Bruch gegangen ist, ist im Calvinismus erhalten geblieben: die Gemeinde, repräsentiert in den Ältesten oder Presbytern, als Trägerin der Kirche. In diese Basiskirche konnte die Obrigkeit integriert werden (wie in Genf), sie konnte sich aber auch gegen eine ihr feindlich gesinnte Obrigkeit behaupten (wie in Frankreich und anfangs in den Niederlanden). KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

16 2.1 die Calvinistische Basiskirche – der Reformator Johannes Calvin
1. Amt und Gemeinde, 2.1 die Calvinistische Basiskirche – der Reformator Johannes Calvin ... wie David von den Schafhürden weg zur höchsten Stelle im Reich erhoben worden ist, so hat Gott mich aus meinen dunklen und geringen Verhältnissen emporgezogen und mich des ehrenvollen Amtes gewürdigt, ein Verkünder und Diener seines Evangeliums zu sein. ... Und während ich nur im Sinne hatte, irgendwo unbekannt in Muße zu leben, führte mich Gott auf allerlei Umwegen ... bis er mich, ganz entgegen meiner natürlichen Veranlagung, schließlich ans helle Licht zog. Jean Calvin, Psalmenkommentar. Vorrede (1557) , - Schwarz ff Jean Calvin ( ) Reformator Genfs und Westeuropas ; Studium der klass. Lit. und Recht in Paris, Orléans; nach Bruch mit Tradition Aufenthalt in Basel, Genf, Straßburg, Genf (seit 1540); prägt die «reformierte Theologie» und Kirche (ämterorientierte Laienkirche mit strenger Kirchenzucht) Titelseite der "Institutio religionis Christianae" (Unterricht in der christlichen Religion), dem Hauptwerk Calvins, mit einem Altersbildnis des Reformators, hier ein Nachdruck der letzten Aufl. von 1559, gedruckt bei Johann le Preux, Genf 1592. Bei Calvin war die Lehre (Dogmatik und Katechismus) und die Kirchenordnung nicht das Ergebnis seines Wirkens, sondern ging seinem Wirken voraus. > ein kurzer Blick auf seine Biographie > ein Blick auf die Selbstlegitimation seines Wirkens des alten Calvins Calvin nimmt also prophetischen Status für sich in Anspruch KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

17 2.2 die Calvinistische Basiskirche – die Stadt Genf
1. Amt und Gemeinde, 2.2 die Calvinistische Basiskirche – die Stadt Genf Bevor wir uns ein Bild vom Calvinistischen Kirchenmodell mit Hilfe von Quellenauszügen machen, ein kurzer Blick auf die Wirkungsstätte Calvins: Genf, Holzschnitt aus Sebastian Münster "Cosmographia", 1550, Bibliothèque publique et universitaire, Genève > hier eine Kurzportrait der Stadt in STW Genf Wirkungsstätte Calvins ehemals Bischofsstadt, unter dem Schutz von Bern Vertreibung des Bischofs und Öffnung zur Reformation; 1540 Calvin geht endgültig in die Stadt; 1553 erste protestantische Ketzerverbrennung (Michel Servet); 1559 Gründung einer Akademie (Théodore Bèze); von dort Ausstrahlung des Calvinismus auf Westeuropa; heute: Sitz des ökumen. Rates der Kirchen KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

18 2.3 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenordnung
1. Amt und Gemeinde, 2.3 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenordnung Erstlich gibt es vier Klassen und Arten von Aufträgen, die unser Herr für die Leitung seiner Kirche gestiftet hat, nämlich die Pastoren, dann die Doktoren, hierauf die Ältesten, viertens die Diakonen ... Der Auftrag der Pastoren ... ist, das Wort Gottes zur Lehre, zur Ermahnung, zur Zurechtweisung und zum Tadel öffentlich und den einzelnen zu verkündigen, die Sakramente zu verwalten und zusammen mit den Ältesten (und Ratsbeauftragten) die brüderliche Zurechtweisung durchzuführen Die Rückkehr nach Genf 1541 – Calvin war wegen seiner strengen Kirchenzucht einige Jahre zuvor aus Genf ausgewiesen worden – machte er von der Annahme seiner Kirchenordnung und seines Katechismus abhängig. Hier ein Auszug aus seiner Kirchenordnung, den ordonnaces ecclésiastiques, in der seine 4-Ämterlehre definiert wird: Jean Calvin, Ordonnaces ecclésiastiques, 1541, 2.Aufl , I.2.4 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

19 2.4 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenzucht
1. Amt und Gemeinde, 2.4 die Calvinistische Basiskirche – die Genfer Kirchenzucht Ihre [der Ältesten] Aufgabe ist, über den Lebenswandel jedes einzelnen zu wachen und die in Liebe zu ermahnen, die sie straucheln und ein ungeordnetes Leben führen sehen... Entsprechend der Lage der hiesigen Kirche soll man dafür zwei aus dem Kleinen, vier aus dem Mittleren und sechs aus dem Großen Rat wählen, Leute von gutem und ehrbarem Lebenswandel, ... Und bei ihrer Wahl wird man darauf achten müssen, daß jedes Stadtviertel berücksichtigt wird, damit sie überall ihre Augen haben können ... l‘avancement du Royaume de Dieu, der Fortschritt der Königsherrschaft Gottes Das Rückgrat der reformierten Basiskirche bildet das stark verankerte Laienelement. Die Ältesten sind Laien. Zitat Auch in dem entscheidenden Gremium, dem Consistoire, in dem Pastore und Älteste zur Leitung der Kirche zusammentreten, besitzen die Laien die Mehrheit. Strenge Kirchenzucht ist auch ein Element, das den Calvinismus vom Luthertum unterscheidet; im Luthertum ist die rechte Lehre das entscheidende Moment; erst im Pietismus wird die Heiligung, die ständige Verbesserung des Lebenswandels, als zentrales Moment herausgestellt > Ziel der Kirchenzucht ist das avancement du Royaume de Dieu, der Fortschritt der Königsherrschaft Gottes bereits auf Erden Jean Calvin, Ordonnances ecclésiastiques, 1541, ²1561, I.48.49 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

20 2.5 die Calvinistische Basiskirche – die Prüfung der Pastoren
1. Amt und Gemeinde, 2.5 die Calvinistische Basiskirche – die Prüfung der Pastoren Die Prüfung [des Pastors] besteht aus zwei Teilen. Der erste betrifft die Lehre, nämlich ob der zu Berufende eine gute und heilige Kenntnis der Schrift hat, und ferner, ob er geschickt und fähig ist, sie dem Volk zu seiner Erbauung zu übermitteln ... Der zweite Teil der Prüfung betrifft seinen Lebenswandel. Es ist festzustellen, ob er ein gutes Benehmen besitzt und sich immer untadelig geführt hat. Die Art des Vorgehens ist von Paulus ausgezeichnet geschildert worden [1.Tim 3,1ff]. Die Kirchenzucht erstreckt sich auch auf die Einstellungsbedingungen für Geistliche: Zitat Für eine Untersuchung der moralischen Qualifikation des Kandidaten für das Predigtamt kann Calvin sich auf die Pastoralbriefe berufen. In 1. Timotheus 3 heißt es: 1 Das ist gewißlich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt begehrt, der begehrt eine hohe Aufgabe. 2 Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, maßvoll, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, 3 kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, 4 einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und gehorsame Kinder hat in aller Ehrbarkeit. 5 Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen? 6 Er soll kein Neugetaufter sein, damit er sich nicht aufblase und dem Urteil des Teufels verfalle. 7 Er muß aber auch einen guten Ruf haben bei denen, die draußen sind, damit er nicht geschmäht werde und sich nicht fange in der Schlinge des Teufels. Jean Calvin, Ordonnances ecclésiastiques, 1541, ²1561; I.6.9 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

21 2.6 die reformierte Basiskirche – die Emder Synode
1. Amt und Gemeinde, 2.6 die reformierte Basiskirche – die Emder Synode Nulla Ecclesia in alias, nullus Minister in Ministros, Senior in Seniores, Diaconus in Diaconos primatum seu dominationem obtinebit, sed potius omni suspicione sibi cavebit. / Keine Kirche soll über andere Kirchen, kein Diener des Wortes über andere Diener des Wortes, Ältester über Älteste, Diakon über Diakone einen Primat oder Weisungsbefugnis erhalten, ja soll sich selbst vor jedem Verdacht [irgendeiner Vorrangstellung] hüten. Das Basiskirchenstruktur war die Voraussetzung für die Ausbreitung des calvinistischen Kirchenwesens auch dort, wo die Obrigkeit nicht für die Reformation gewonnen werden konnte (Frankreich, spanische Niederlande). Die niederländische Flüchtlingskirche am Niederrhein und in Nordwestdeutschland betont die Unabhängigkeit der einzelnen Gemeinde. Zitat ecclesiae Belgicae=niederländische Gemeinden; Einzelgemeinde=ecclesia, Gesamtheit subsidiärer Verband; konsequente Negierung der Hierarchie; Organisation calvinistische Kirchen am Niederrhein, 1568 auf dem Weseler Konvent vorbereitet Eine solche Kirchenstruktur nennt man auch kongregationalistisch, im Gegensatz zur episkopalen Kirchenhierarchie Acta Synodi ecclesiarum Belgicarum habitae Embdae (1571) , art. 1 - BSKORK, 279 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

22 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
2.7 Die Duisburger Generalsynode von 1610 – die „Kirche unter dem Kreuz“ tritt ans Licht Titelblatt des Duisburger Protokollbuchs Mit dem Einzug von Brandenburg-Preußen an den Niederrhein war eine neue Situation eingetreten. Die reformierte Kirche am Niederrhein konnte sich nun eine feste Kirchenstruktur leisten. Die reformierte Besonderheit ist nun aber, dass die Kirche sich nicht über das Amt, sondern über die Gemeinde und ihre Repräsentanten, die in Synoden zusammenkommen, strukturiert. Die verfassungsgebende Versammlung für die reformierten am Niederrhein war die Duisburger Generalsynode von 1610. Das Protokollbuch ist im Duisburger Stadtarchiv erhalten. Eine Faksimile – Ausgabe mit Umschrift liegt im Netz Umschrift: SIG[illum] SYNODI GENERALIS IUL[iaci] CLIV[iae] MONT[is] MARCH[iae] innen: PETRA CHRISTUS KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

23 2.8 die nieder-rheinischen Herzogtümer
1. Amt und Gemeinde, 2.8 die nieder-rheinischen Herzogtümer Jülich Kleve Berg im 16. Jahrhundert ab 1610: Hier ein Blick auf die politische Situation, die die neue kirchliche Entwicklung möglich gemacht hat. 16. Jh. 1610 Kleve Mark Brandenburg-Preußen Jülich Berg Pfalz-Zweibrücken KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

24 2.9 die Synodalstruktur der protestantischen Kirche am Niederrhein
1. Amt und Gemeinde, 2.9 die Synodalstruktur der protestantischen Kirche am Niederrhein Vom sechsten: [9.] Ferners halten die anwesende Brüder dafür, daß zu Vortpflanzung und Erbauung der Kirchen sehr dienlich, daß die bis anhero unter dem Creuz geubte Zusammenkunften der Kirchendiener und Eltisten auf folgende Weise soll continuirt werden: [species Conventuum] 1) Irstlich daß eine jede Gemeine ihr Presbyterium oder Consistorium habe und underhalte; oder wo eine Gemeinde allein zu schwach oder zu gering darzu were, sich zwo, drei oder mehr zusamentuen und unter ihnen ein gemeines Consistorium anstellen. -Zum anderen daß alle Kirchen in gewisse Classes geteilt und in jede Class gewisse Kirchen gezogen werden, die ihre Classicos Conventus haben und zu bestimbten Zeiten besuchen sollen. - Zum dritten daß die Classes den Provincialibus Synodis zu gebuerlichen Zeiten beiwohnen, und zum vierten die Provinciales die Generales Synodos auch besuchen sollen. In Artikel 6 wird die synodale Struktur für die Kirche am Niederrhein festgeschrieben. Zitat Im 19. Jh. sind es dann auch die Rheinlande und Westfalen, von denen die Neuordnung der großen Preußischen Landeskirche ausging; dies wiederum war die Basis dafür, das der Wegfall des landesherrlichen Kirchenregimentes nach dem 1. WK ohne größere Strukturkrise von den evangelischen Kirchen in Deutschland verkraftet werden konnte. KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

25 2.9a reformierte Kirchenstruktur
Generalsynode Provinzialsynode Classis, Kreissynode Kirchengemeinde, Prebyterium KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

26 2.10 die reformierte Basiskirche - Glossar
1. Amt und Gemeinde, 2.10 die reformierte Basiskirche - Glossar Synode übergemeindliche Kirchenversammlung von der reformierten Basiskirche, ohne landesherrlichen Schutz, entwickelte Organisationsform, in der Geistliche (minister verbi) und Laien (Presbyter) gleichberechtigt sind; Synodenhierarchie: Gemeinde < Kreissynode (Classis) < Provinzialsynode < General- oder Nationalsynode Presbyterium Rat der Ältesten, Leitungsgremium der Gemeinde aus Laien zusammengesetzt; bilden mit den Geistlichen zusammen das Consistoire (Konsistorium, reformiert), dessen Hauptaufgabe die Kirchenzucht ist; entsendet Vertreter in die nächst höhere Synode (Classis) Kirche unter dem Kreuz Selbstbezeichnung niederländischen Flüchtlingsgemeinden der Niederrhein war ein wichtiger Zufluchtsort vor der spanischen Verfolgung der Protestanten in den Niederlanden; trotz der relativ milden herzoglichen Regierung waren sie wegen der chaotischen Zustände immer wieder Verfolgungen ausgesetzt KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

27 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
Übersicht Vom allgemeinen Priestertum zum landesherrlichen Kirchenregiment die calvinistische Basiskirche der Hausvater und die christliche Familie der Nährboden lutherischer Frömmigkeit war der christliche Hausvater, sozusagen das praecipuum membrum der kleinsten sozialen Einheit der damaligen Gesellschaft: der Handwerksbetrieb, das Kleinunternehmer, der Bauernhof; das Elementarbuch für die Sozialisation und moralischer Wegweiser war der kleine Katechismus. Aber auch die anderen Konfessionen haben es sich nicht nehmen lassen, für die Indoktrinierung der heranwachenden Kinder in ihrem Sinne zu sorgen. So entsteht der Heidelberger Katechismus für die reformierten Gemeinden und der Catechismus Romanus für die römisch-katholische Kirche KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

28 3.1 der Hausvater als Zentrum der christlichen Sozialisation
1. Amt und Gemeinde, 3.1 der Hausvater als Zentrum der christlichen Sozialisation Martin Luther, Enchiridion. Der kleine Katechismus fur die gemeine Pfarrherr und Prediger (1529) DAS ERSTE HAUPTSTÜCK: Die zehn Gebote, wie sie ein Hausvater den Seinen einfältig vorhalten soll Das erste Gebot Ich bin der Herr, dein Gott ... DAS ZWEITE HAUPTSTÜCK: Der christliche Glaube, wie ihn ein Hausvater den Seinen aufs einfältigste vorhalten soll. Der erste Artikel Von der Schöpfung Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde. Was ist das? Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat ... Enchiridion (griech.) Handbuch, Leitfaden Wie ein Hausvater …Zitat Für die Knaben der besseren Familien, die die Lateinschule besuchen, gibt es die parallele lateinische Version. Hier tritt der Lehrer an die Stelle des Hausvaters: Parvus catechismus pro pueris in schola. Quo pacto paedagogi suos pueros decem praecepta (bzw. symbolum apostolicum, orationem Dominicam, sacramentum baptismi, sacramentum altaris) simplicissime docere debeant Parvus catechismus pro pueris in schola. Quo pacto paedagogi suos pueros decem praecepta (bzw. symbolum apostolicum, orationem Dominicam, sacramentum baptismi, sacramentum altaris) simplicissime docere debeant KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

29 3.2 Der Kleine Katechismus Martin Luthers, 1529
1. Amt und Gemeinde, 3.2 Der Kleine Katechismus Martin Luthers, 1529 Das Erste Hauptstück Die Zehn Gebote Das Zweite Hauptstück Der Glaube (das apostolische Glaubensbekenntnis) Das Dritte Hauptstück Das Vater Unser (die 7 Bitten mit Anrede und Beschluss) Das Vierte Hauptstück Das Sakrament der heiligen Taufe (4 Abschnitte: Was ist die Taufe? Was gibt oder nützt die Taufe? Wie kann Wasser solch große Dinge tun? Was bedeutet denn solch Wassertaufen?) Das Fünfte Hauptstück Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl Anhang Mustergebete, Haustafel (standesspezifische Ermahnungen auf der Basis von Bibelpassagen) Hier ein Überblick über den Inhalt des luth. Kat. > … später hinzugefügt: Traubüchlein und Taufbüchlein, eine Art Miniatur-Agenda mit Einleitung KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

30 3.3 Das Morgengebet des Kleines Katechismus, 1529
1. Amt und Gemeinde, 3.3 Das Morgengebet des Kleines Katechismus, 1529 Wie ein Hausvater sein Gesinde soll lehren, morgens und abends sich segenen¹. Des walt Gott Vater, Sohn, heiliger Geist, Amen. Darauf knieend² oder stehend den Glauben (das apostolische Glaubensbekenntnis) und das Vaterunser; willst Du, so magst Du dies Gebetlin dazu sprechen: Ich danke Dir, mein himmlischer Vater, durch Jesum Christ, Deinen lieben Sohn, daß Du mich diese Nacht fur allem Schaden und Fahr behut hast, und bitte Dich, Du wollest mich diesen Tag auch behuten fur Sunden und allem Ubel, daß Dir alle mein Tun und Leben gefalle; denn ich befehle mich, mein Leib und Seele und alles in Deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der bose Feind keine Macht an mir finde, Amen. Und alsdenn mit Freuden an Dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen, als die zehn Gepot³ oder was Dein Andacht gibt. Hier ein Beispiel aus dem Anhang mit den Muster-Gebeten für den Hausvater sich mit dem Kreuzzeichen zu segnen so im Original für kniend die Liedvertonung des Dekalogs KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

31 3.4 der Heidelberger Katechismus, 1563
1. Amt und Gemeinde, 3.4 der Heidelberger Katechismus, 1563 Catechismus in unserer Christlichen Religion heißt ein kurzer und einfältiger¹ mündlicher Bericht² von dem fürnehmsten³ Stücken der christlichen Lehre, darinnen von den Jugendlichen und Einfältigen wiederum gefordert und gehört wird, was sie gelernt haben. Denn es haben alle Gottseligen von Anbeginn der christlichen Kirchen sich beflissen, ihre Kinder daheim, in Schulen und Kirchen in der Furcht des Herrn zu unterweisen ... Der Katechismus Luthers ist nicht der einzige, wohl aber der am weitesten verbreitetste. In der reformierten Kirchen in Deutschland hat sich der Heidelberger Katechismus durchgesetzt 1) einfach gehalten 2) der Begriff Katechismus ist abgeleitet von griechisch kata = "herab, entgegen" und echein = "schallen, tönen„ 3) wichtigsten > bibliographischer Nachweis: 4) ()=Erscheinungsjahr kann durch Titelblatt bzw. Rückseite des Titelblattes nicht erhoben werden, sondern muss anderwärtig erschlossen werden Die Indoktrinierung ist bei diesem Katechismus, der in Frage – Antwort – Form aufgebaut ist, viel stärker ausgeprägt. Inspiriert vom systematischen Aufbau der Institutio religionis Christianae, Calvins großer Dogmatik, lauten die drei Teile des in Frage- und Antwortform abgefassten Katechismus: > … Die Einleitung enthält einen detaillierten Plan für den Pfarrer, wie der Katechismus, übers Jahr verteilt, zu lernen ist. 1. Teil: Von des Menschen Elend 2. Teil: Von des Menschen Erlösung (enthält ausführliche Analyse des Glaubensbekenntnisses und Erläuterung von Taufe und Abendmahl) 3. Teil: Von der Dankbarkeit (Erklärung der 10 Gebote und Vaterunser) modernisierter Text aus der Einleitung zum Katechismus in der Kirchenordnung der Kurpfalz, mit der 1563 dort die reformierte Konfession vom Kurfürsten eingeführt wurde; zitiert nach: Bekenntnisschriften und Kirchenordnungen der nach Gottes Wort reformierten Kirche, hg. v. Wilhelm Niesel, 2. Aufl., Zollikon-Zürich (1938)4, S. 148 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

32 3.5 der Catechismus Romanus, 1566
1. Amt und Gemeinde, 3.5 der Catechismus Romanus, 1566 erster offizieller katholische Katechismus, 1566 setzt die Beschlüsse des Trienter Konzils lehrmäßig um; Vorläufer: Katechismus des Petrus Canisius SJ, 1555; Adressat: nicht Kinder, sondern Pfarrer als Leitfaden für Predigt und Unterricht; in humanistischer Manier in Frage- und Antwortform verfasst; neben der Professio fidei Tridentina,1564 prägt der CR maßgeblich den neuzeitlichen Katholizismus bis zum zweiten Vatikanischen Konzil ( ) Katechismen hat es in der Reformationszeit zu Hauf gegeben, auch in der altgläubigen Kirche. Fast alle aber standen in Verdacht, häretisches Gedankengut zu transportieren. Nach Abschluß des Konzils von Trient setzte man den vielen Einzelinitiativen für eine Reform der Kirche einen einzig gültigen Katechismus: den CR entgegen … > … Nach dem 2. Vat. Kon. entsprach dieser CR nicht mehr dem religiösen Empfinden der Zeit. Nach mehreren Anläufen war es schließlich so weit: > … heute, nach mehreren Vorläufern, ersetzt durch: Katechismus der katholischen Kirche, 1993 lat.: Catechismus catholicae ecclesiae, 1991 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

33 3.6 das freie exercitium privatum¹ des Hausvaters, 1648
1. Amt und Gemeinde, 3.6 das freie exercitium privatum¹ des Hausvaters, 1648 Ferner ist beschlossen worden, dass jene ..., welche nach Verkündigung des Friedens inkünftig eine andere Religion bekennen und annehmen werden als ihr Landesherr, nachsichtig geduldet und nicht gehindert werden sollen, sich mit freiem Gewissen zu Hause ihrer Andacht privat zu widmen, in der Nachbarschaft aber, wo und sooft sie es wollen, am öffentlichen Gottesdienst teilzunehmen oder ihre Kinder auswärtigen Schulen ihrer Religion oder zu Hause Privatlehrern zur Erziehung anzuvertrauen Die Bedeutung des Hausvaters für die christliche Sozialisation geht auch daraus hervor, das es der Hausvater war, dem zum ersten Mal – zuvor war nur dem Adel dieses Privileg vergönnt – so etwas wie Religionsfreiheit zugestanden worden war. Zitat Während für das exercitium publicum, der öffentlichen Religionsausübung, insbesondere des öffentlichen Gottesdienstes in einem öffentlich zugänglichen Gebäude, feste Reglements getroffen wurden, wurde dem Hausvater freie Religionsausübung in seinen 4 Wänden gestattet. Der Westfälische Friede 1648, Art. V, § 34 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde

34 KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde
3.7 Glossar - Katechismus Katechismus kurze Unterweisung des christlichen Glaubens seit dem 16. Jh. oft in Frage- und Antwortform aufgebauter Leitfaden des christlichen Glaubens zur Unterweisung in Kirche, Schule und Familie. Bsp. Großer und Kleiner Katechismus Martin Luthers, 1529, Der Heidelberger Katechismus, 1563 (reformiert), der Catechismus Romanus, 1566 (römisch-katholisch) Abschließend nochmals eine Zusammenfassung des Begriffs: Katechismus Der Kleine Katechismus von Martin Luther in modernisiertem Deutsch Der Große Katechismus von Martin Luther nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches (Dresden 1580) Der Heidelberger Katechismus (reformiert) in modernisiertem Deutsch KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Amt und Gemeinde


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