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Vorlesung: Affektive Störungen

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Präsentation zum Thema: "Vorlesung: Affektive Störungen"—  Präsentation transkript:

1 Vorlesung: Affektive Störungen
Dr. Jürgen Wolf

2 „Der Schmerz der Seele ist schlimmer als der Schmerz des Körpers.”
Affektive Störungen „Der Schmerz der Seele ist schlimmer als der Schmerz des Körpers.” Publius Syrius, 42 n. Chr.

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4 Gliederung Affektive Störungen – Unipolare Störungen Depression / (Manie) Affektive Störungen – Bipolare Störungen

5 Definition: Affektive Störungen
Erkrankungen mit Veränderungen von Stimmung (Affektivität) ,Aktivitätsniveau (Antrieb), Kognition u.a. Affektive Störungen zeigen als psychopathologisches Kernmuster das depressive und manische Syndrom Krankhafte Veränderungen Erniedrigtes psychosoziales Funktionsniveau

6 Bipolare Störungen 30 % Unipolare Depression Rein Manisch 65 % 5 %
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Häufigkeits- und Geschlechtsverteilung affektiver Psychosen Bipolare Störungen 30 % Frauen:Männer = 1:1 Unipolare Frauen:Männer = 2:1 Depression Rein Manisch 65 % 5 % Möller HJ et al.; Thieme-Verlag, Stuttgart 2001

7 Depression von lat. „deprimere” = herunterdrücken
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Historisches zur Depression Depression von lat. „deprimere” = herunterdrücken 5. Jhr. v. Chr.: Erste Ansätze der Beschreibung von Hippokrates: „Melancholie” als Ausdruck eines Überschusses von schwarzer Galle gegenüber den drei anderen Körpersäften 1913: Gliederung von Emil Kraepelin 1916: Gliederung „Depressive Trias” von Eugen Bleuler 1987 und 1991: Einführung der operationalisierten Diagnose- und Klassifikationssysteme DSM-III-R und ICD-10

8 Klassifikation und Pathophysiologie Depression Epidemiologie I
Rund 4 Millionen Deutsche leiden an depressiven Störungen1 Punktprävalenz „Major Depression“ in Deutschland: ca %2 Lebenszeitprävalenz „Major Depression”: ca. 16,4 %2 Knapp 5 % der über 70-Jährigen weisen „Major Depression” auf 3 1 Kompetenznetz Depression, 2001 2 Statistisches Bundesamt Robert Koch-Institut, Gesundheitsbericht für Deutschland 1998, Kapitel 5.15 Depressionen 3 Linden M et al.; Nervenarzt 1998; 69: 27-37

9 Klassifikation und Pathophysiologie Depression Epidemiologie II
Situation in Deutschland Behandlungs- bedürftige Depressionen Gesamtzahl ca. 4 Mio. In hausärztlicher Behandlung 2,4-2,8 Mio. Als Depression diagnostiziert 1,2-1,4 Mio. Suffizient behandelt Tausend Nach 3 Mo. Behandlung compliant Tausend 60-70 % % % ,5-4 % Kompetenznetz Depression, 2001; aus: Laux G (Hrsg.); Springer-Verlag 2002

10 Klassifikation und Pathophysiologie Depression Epidemiologie III
Weltweite Belastung durch verschiedene Erkrankungen in entwickelten Ländern 12.000 10.000 8.000 Mit Beeinträchtigung gelebte Jahre 6.000 4.000 2.000 Autounfälle Major Depression, unipolar Osteoarthritis Schizophrenie Demenz u. a. degener. Erkrankungen Zerebrovaskuläre Erkrankung Zwangsstörungen Diabetes mellitus Alkoholmissbrauch Bipolar affektive Störung Murray CJ und Lopez AD; Lancet 1997, 349:

11 Disability Adjusted Life Years: Rangfolge der 15 wichtigsten Ursachen weltweit Murray& Lopez, Lancet 1997 May 17;349(9063): Lancet 1997 May 24;349(9064): 1990 2020 Infektionen der tieferen Atemwege Durchfallerkrankungen Perinatale Faktoren Unipolare Depression Koronare Herzerkrankung Zerebrovaskulär Tuberkulose Masern Verkehrsunfälle Angeborene Mißbildungen Malaria COPD Epilepsien Eisenmangelanämie Anämie Koronare Herzerkrankung Unipolare Depression Verkehrsunfälle Zerebrovaskulär COPD Infektionen der tieferen Atemwege Tuberkulose Kriege Durchfallerkrankungen HIV Perinatale Faktoren Gewalttaten Angeborene Mißbildungen Selbstverletzungen Bronchialcarcinome

12 Bluthoch-druck Diabetes Herzinfarkt Arthritis Lunge keine
Beeinträchtigung durch Depression im Vergleich zu chronischen somatischen Erkrankungen (Wells, JAMA, 1989) aktuelle Gesundheit körperlich sozial beruflich „bed days“ Bluthoch-druck Diabetes Herzinfarkt Arthritis Lunge keine Depression beeinträchtigt mehr Depression beeinträchtigt weniger Kein Unterschied

13 Diabetes mellitus Morbus Parkinson Schlaganfall Myokardinfarkt Dialyse
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Häufigkeit von Depressionen bei Organerkrankungen 30-50 % 25-40 % 25-35 % 10-20 % 20 % 10 % Diabetes mellitus Morbus Parkinson Schlaganfall Myokardinfarkt Dialyse Karzinom Robertson M und Katona CL (Hrsgs.); Wiley-Verlag, Chichester 1997

14 Multifaktorielle Äthiopathogenese
Psychosoziale Belastung Genetische Prädisposition Persönlichkeits-faktoren Neurobiologische Veränderungen Monoamine, Second Messanger, Neuroendokrinologie, Neurotrophine Somatische Faktoren Affektives Syndrom emotional/ kognitiv/ somatisch

15 Antidepressivum Serotonin Noradrenalin AC cAMP PKA CREB BDNF

16 Das HPA - System

17 CA3 Hippocampus normal Stress Glucocorticoide BDNF Antidepressiva
normales Wachstum und Überleben Stress Glucocorticoide BDNF Atrophie Antidepressiva Glucocorticoide BDNF Serotonin Noradrenalin vermehrtes Wachstum und Überleben Duman et al., 1997; Jacobs et al., 2000

18 Somatogen Psychogen Somatogene Depressionen Endogene Depressionen
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Frühere nosologische Zuordnung Organisch Somatogene Depressionen Symptomatisch Schizoaffektiv Bipolar Somatogen Endogene Depressionen Unipolar Spätdepressionen Neurotisch Psychogene Depressionen Erschöpfungsdepressionen Reaktiv Psychogen

19 Störungen der Affektivität Störungen des Antriebs
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Frühere Einteilung der Symptome Störungen der Affektivität Störungen des Antriebs Körperliche Störungen Denkstörungen

20 Ängstliche Getriebenheit Gehemmte Depression Psychomotorik 
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Frühere Einteilung von Subtypen nach Symptomatologie Agitierte Depression Ängstliche Getriebenheit Gehemmte Depression Psychomotorik  „Larvierte”, somatisierte Depression Im Vordergrund stehen Vegetative Störungen Funktionelle Organbeschwerden Wahnhafte Depression Depressiver Wahn vorhanden

21 Klassifikation: DSM-IV (1994)
- Deskriptiv-phänomenologisch - Weitgehend atheoretisch - Operationale Definition statt Krankheitslehre - Kein expliziter Hinweis auf Ätiologie, Pathogenese, Therapie - Erklärtes Ziel: Erhöhung der Reliabilität - Training und klinische Ausbildung sind unverzichtbar - Standardisierte Versionen verfügbar (SKID)

22 Müdigkeit, Energieverlust Gedanken an den Tod
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Diagnostische Kriterien nach DSM-IV (Auswahl) Hemmung/Unruhe Müdigkeit, Energieverlust Gedanken an den Tod Denkhemmung, Konzentration  Schuldgefühle Depressive Verstimmung Interessensverlust Gewichtsveränderung Schlafstörungen Schweregrade Leicht Mittel Schwer ohne psychotische Merkmale mit psychotischen Merkmalen

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24 Zusatzsymptome (Auswahl)
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Diagnostische Kriterien der depressiven Episode nach ICD-10 Hauptsymptome Gedrückte Stimmung Freudlosigkeit Interessenlosigkeit Antriebsstörung Zusatzsymptome (Auswahl) Konzentration  Selbstwertgefühl  Alltagsaktivitäten  Schuldgefühle Hemmung/Unruhe Schlafstörungen Appetitverlust Gedanken an den Tod Schweregrade Leicht Mittel Schwer ohne psychotische Symptome mit psychotischen Symptomen

25 ICD-10 (International Classification of Diseases)
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Klassifikation affektiver Störungen ICD-10 (International Classification of Diseases) Manische Episode (F30) Bipolare affektive Störung (F31) Depressive Episode (F32) Rez. depressive Störungen (F33) Anhaltende affektive Störungen (F34) Andere affektive Störungen (F38) DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) Bipolare Störungen Depressive Störungen – Major Depression – Dysthyme Störung Andere affektive Störungen

26 + ++ - -- + ++ - -- unipolare depressive Episode Dysthymie + ++ - -- + ++ - -- chronifizierte depressive Episode rezidivierende depressive Episode

27 Kopfschmerzen, Schwindel Rückenschmerzen
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Körperliche Symptome bei depressiven Störungen Kopfschmerzen, Schwindel Rückenschmerzen v. a. bei Frauen Atembeschwerden u. a. Engegefühl Herzbeschwerden u. a. Herzrasen Unterleibsbeschwerden u. a. Zyklusstörungen, Schmerzen Magen-Darm- Beschwerden u. a. Übelkeit, Völlegefühl, Schmerzen Möller HJ et al.; Thieme-Verlag, Stuttgart 2001

28 zunehmender Schweregrad der Erkrankung
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Verlaufsparameter bei unipolarer Depression Remission Rückfall Wiedererkrankung Euthymie × zunehmender Schweregrad der Erkrankung Rückfall Symptom Response × Progression in die Erkrankung Syndrom Akut (6–12 Wochen) Erhaltung (4–9 Monate) Prophylaxe ( 1 Jahr) Behandlungsphasen Zeit Kupfer DJ; J Clin Psychiatry 1991; 52 Suppl 5: 28

29 Therapie depressiver Störungen Depression: Chronische Erkrankung
100 90 % 90 80 % 80 70 60 Wahrscheinlichkeit rezidivierender Episoden (%) 50 % 50 40 30 20 10 nach 1 Episode nach 2 Episoden nach 3 Episoden Kupfer DJ; J Clin Psychiatry 1991; 52 Suppl 5: 28-34

30 Number of previous depressive episodes
Je mehr depressive Episoden, desto geringer die Bedeutung von “stressful life events” 10 8 6 4 2 Risiko (%) einer neuen depressiven Episode (pro Monat) Mit zunehmender Episodenanzahl: steigt das Risiko weiterer Episoden nimmt die Assoziation des Episodenbeginns mit belastenden Ereignissen ab OBJECTIVE: Although previous evidence has suggested that the etiologic role of stressful life events in major depression is reduced in recurrent versus first-onset cases, this question deserves reexamination because of potential methodological limitations of the previous studies METHOD: Members of female-female twin pairs from a population-based registry (N=2,395), who were interviewed four times over a period of 9 years, formed a study group that contained 97,515 person-months and 1,380 onsets of major depression. Discrete-time survival, proportional hazards model, and piece-wise regression analyses were used to examine the interaction between life event exposure and number of previous depressive episodes in the prediction of episodes of major depression RESULTS: For those with zero to nine previous depressive episodes, the depressogenic effect of stressful life events declined substantially with increasing episode number. However, the association between stressful life events and major depression was not substantially influenced by additional episodes. This pattern of results was robust to the addition of indices of event severity, measures of genetic risk, and restriction to independent stressful life events. The same pattern was also seen upon examining within-person changes in number of episodes CONCLUSIONS: The association between previous number of depressive episodes and the pathogenic impact of stressful life events on major depression is likely causal and biphasic. Through approximately nine episodes, the association between stressful life event exposure and risk of major depression progressively declines but is largely unchanged with further episodes. These results are consistent with the kindling hypothesis but suggest a threshold at which the mind/brain is no longer additionally sensitized to the depressive state Odds ratio für mind 1 belastendes Lebensereignis im Monat des Episodenbeginns Number of previous depressive episodes Kendler KS, et al. Am J Psychiatry. 2001;157:

31 Klassifikation und Pathophysiologie Depression Suizid in Deutschland
Alle 4 Minuten gibt es einen Suizidversuch Alle 45 Minuten nimmt sich ein Mensch das Leben Im Jahr 1999 starben Menschen durch Suizid und damit mehr als durch Verkehrsunfälle (7.749) Hohe Dunkelziffer, besonders bei älteren Patienten Statistisches Bundesamt, IDEA-Spektrum 2001; 28: 17

32 Jeder 7. Patient mit „Major Depression“ begeht Suizid1
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Suizid bei Depression II Jeder 7. Patient mit „Major Depression“ begeht Suizid1 40 bis 60 % aller Suizidenten waren zum Zeitpunkt des Suizids depressiv2 Bei „Major Depression“ ein 21fach erhöhtes Suizidrisiko3 1 Miles C; J Nerv Ment Dis 1977; 164: 2 Wolfersdorf M und Mäulen W; Roderer-Verlag, Regensburg 1992 3 Harris C und Barraclough B; Brit J Psychiatry 1997; 170:

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34 Internistische Untersuchung Neurologische Untersuchung Routinelabor
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Diagnostisches Basisprogramm Internistische Untersuchung Neurologische Untersuchung Routinelabor EKG Gegebenenfalls bildgebende Verfahren und EEG

35 Hamilton-Depression-Rating-Skala (HAMD)
Klassifikation und Pathophysiologie Depression Psychiatrische Skalen für Schweregrad und Verlauf (Auswahl) Hamilton-Depression-Rating-Skala (HAMD) Montgomery und Asberg-Depression-Rating-Skala (MADRS) Clinical-Global-Impression-Skala (CGI-I; klinischer Gesamteindruck) Beck-Depression-Inventory (BDI)

36 Therapie depressiver Störungen Therapieziele
Ansprechen Remission  50 % Reduktion vom Ausgangswert der HAM-D- oder MADRS-Scores HAM-D17-Score  7, MADRS21 ≤ 10 Minimale Symptomatik oder symptomfrei Psychosoziale und berufliche Funktion wieder hergestellt Frank E et al.; Arch Gen Psychiatry 1991; 48: Rush AJ et al.; Psychiatric Ann 1995; 25: Thase ME et al.; J Clin Psychiatry 1997; 58: Cunningham LA; Ann Clin Psychiatry 1997; 9:

37 Therapie depressiver Störungen Therapiemaßnahmen
Psychotherapie Psychopharmakatherapie Biologische Verfahren Schlafentzug Elektrokrampftherapie (EKT) Lichttherapie Begleitende Maßnahmen Bewegungstherapie Sporttherapie Physiotherapie

38 Patienten informieren
Therapie depressiver Störungen Allgemeines Vorgehen zur Sicherung der Compliance Patienten informieren Patienten motivieren Krankheitsbild Therapeutische Möglichkeiten Therapiedauer Mögliche Nebenwirkungen Häufiger Kontakt Persönliche Gespräche Kontrolle Suizidalität ansprechen

39 Tolerability (Verträglichkeit)
Therapie depressiver Störungen Auswahlkriterien Antidepressiva nach STEPS-Modell Safety (Sicherheit) Interaktionspotenzial Tolerability (Verträglichkeit) Akut- und Langzeitverträglichkeit Efficacy (Wirksamkeit) Wirkeintritt Behandlung und Prophylaxe Wirksamkeit bei Subpopulationen Payment (Kosten) Simplicity (Einfachheit) Dosierungsschema Notwendigkeit besonderer Untersuchungen Preskorn SH; Selection of an antidepressant. J Clin Psychiatry 1997; 58 Suppl. 6: 3-8

40 Gliederung Affektive Störungen – Unipolare Störungen Depression / (Manie) Affektive Störungen – Bipolare Störungen

41 Epidemiologie der bipolaren Störungen
Bipolare Störungen betreffen Schätzungen zufolge weltweit etwa 1% der Menschen. Krankheitsbeginn ist zumeist zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr, die Zeitspanne bis zur korrekten Diagnose beträgt 5 bis 10 Jahre. Die Inzidenz ist bei Frauen und Männern gleich. 1/3 der Erkrankten unternimmt einen Suizidversuch, 10% bis 15% mit Erfolg. Die Rezidivrate beträgt 90%. Die ökonomische Belastung ist hoch. Die bipolare Störung ist eine häufige psychiatrische Erkrankung. Die geschätzte Lebenszeitprävalenz beträgt den Zahlen von 1990 zufolge etwa 1%. Die Krankheit beginnt gewöhnlich in der späten Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenleben. Unglücklicherweise dauert es oft 5 bis 10 Jahre, bis die korrekte Diagnose gestellt wird. In der Inzidenz der Bipolar-I-Störung gibt es keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Die bipolare Störung geht mit einer hohen Suizidrate einher. Ungefähr ein Drittel der bipolar erkrankten Menschen unternimmt einen Suizidversuch, 10% bis 15% sterben von eigener Hand. Aufgrund der hohen Rezidivraten ist die bipolare Störung darüber hinaus mit einer beträchtlichen Morbidität behaftet. Morbidität und Mortalität bei bipolarer Erkrankung führen zu einer starken ökonomischen Belastung. Goodwin FK, Jamison KR. Manic-Depressive Illness. New York: Oxford University Press; 1990. Woods. The economic burden of bipolar disease. J Clin Psychiatry. 2000;61(suppl 13):38-41. Goodwin und Jamison. Manic-Depressive Illness 1990 Woods. J Clin Psychiatry 2000;61(suppl 13):38-41

42 Bipolare Störung: Unerkannt und zu selten diagnostiziert
Screening in den USA mittels “Mood Disorders Questionnaire” (MDQ) Prävalenz der Bipolar-I- und Bipolar-II-Störung 3,4%* / 3,7%† Nach Forschungskriterien korrekt als bipolar erkrankt diagnostiziert 20% Als unipolar depressiv fehldiagnostiziert 31% Weder als bipolar noch als unipolar depressiv diagnostiziert 49% Eine kürzlich von Hirschfeld und Kollegen durchgeführte Studie zeigt, dass die Prävalenz der bipolaren Störung höher sein könnte als bislang angenommen. In dieser Studie wurde das “Mood Disorder Questionnaire” (MDQ), ein validiertes Instrument zum Screening auf Bipolar-I- und -II-Störungen, mehr als erwachsenen US-Bürgern zugeschickt und von 66,8% der Adressaten ausgefüllt zurückgesendet. Die Untersuchung ergab einen Prozentsatz an positiven Screeningresultaten zur Bipolar-I- und Bipolar-II-Störung von 3,4%, bezogen auf die die US-amerikanischen Zensusdaten des Jahres Adjustiert auf eine systematische statistische Verzerrung (Bias), die durch unterschiedliche MDQ-Rücksendungswahrscheinlichkeiten bei Erkrankten und Nicht-Erkrankten zustande kommt, lag die Erkrankungsrate sogar bei 3,7%. Lediglich etwa ein Fünftel der Befragten mit positivem MDQ-Screeningresultat berichtete, zuvor die Diagnose einer Bipolar-Störung erhalten zu haben; 31% der Personen waren hingegen fälschlich als unipolar depressiv erkrankt diagnostiziert worden. Fast 50% der Antwortenden mit positivem Screeningresultat gaben also an, weder die Diagnose einer unipolaren Depression noch die einer bipolaren Störung erhalten zu haben und erwiesen sich damit als nicht oder falsch diagnostiziert. Hirschfeld RM, Calabrese JR, Weissman MM, et al. Screening for bipolar disorder in the community. J Clin Psychiatry. 2003;64:53-59. * Adjustiert auf die US-Bevölkerungsdaten des Jahres † Adjustiert auf geschätzten Bias durch MDQ-Beanwortungsunterschiede Bipolar Spectrum Disorders, Prevalence and Impact Project, 2001 Hirschfeld et al. J Clin Psychiatry 2003;64:53-59

43 Diagnostische Schwierigkeiten bei bipolarer Störung
Symptomüberschneidungen mit anderen Erkrankungen führen zur Fehldiagnose Speziell die Abgrenzung zu rezidivierender Depression und zur schizoaffektiven Störung ist problematisch Überbewertung der momentanen Symptomatik bei zu engem Zeitfenster der Patientenbeobachtung. Entscheidend für die Diagnose ist der Verlauf im Längsschnitt Fehlende Krankheitseinsicht beim Patienten Es liegen häufig komorbide Erkrankungen wie z. B. Angsterkrankungen, Essstörungen und Substanzmissbrauch vor Kinder / Jugendliche (Fehldiagnosen, Stigmatisierung) Nachdem sich die Symptome der bipolaren Störung mit denen anderer Erkrankungen wie der Major Depression, der Schizophrenie oder einer sekundären Manie bei anderer Grunderkrankung bzw. als Folge therapeutischer Maßnahmen überschneiden können, kommt es in nicht wenigen Fällen zur Fehldiagnose. Vor allem die Abgrenzung zu einer rezidivierenden Depression bzw. einer schizoaffektiven Störung ist häufig schwierig. Wichtig für eine korrekte Diagnosestellung ist aber vor allem die Betrachtung des Verlaufs der Erkrankung – die alleinige Diagnosestellung aufgrund einer akuten Symptomatik birgt die Gefahr von Fehldiagnosen. Erst das typische Verlaufsmuster über einen längeren Zeitraum sichert die Diagnose “bipolare Erkrankung”. Hinzu kommt, dass viele Betroffene wichtige Informationen zu ihrer Erkrankung entweder wissentlich verschweigen oder sie aufgrund eines unzureichenden Verständnisses ihrer Symptomatik nicht mitteilen. Damit erschweren auch die Patienten selbst die korrekte Diagnose ihrer bipolaren Störung. Eine zusätzliche Erkrankung wie eine Essstörung, ein Substanzmissbrauch oder eine Angsterkrankung kann die bipolare Störung maskieren. Umgekehrt kann ein Patient, dessen Symptome auf einer medizinischen Erkrankung wie einer Schilddrüsenfunktionsstörung oder neurologischen Krankheit beruhen, auch fälschlich die Diagnose einer affektiven Störung erhalten. Eine bipolare Störung ist bei Kindern und Jugendlichen besonders schwierig zu erkennen. Dies beruht u.a. darauf, dass die Störung verschiedene Symptome aufweist, die denen anderer, mit diesen Altersstufen assoziierten Erkrankungen wie Schizophrenie oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung stark ähneln. Ein anderes Problem, das in dieser Patientengruppe zur Fehl- bzw. Unterdiagnostizierung der bipolaren Störung beiträgt, ist die mit der Diagnosestellung einher gehende Stigmatisierung. Sie hält wohl viele Ärzte davon ab, eine schwere psychiatrische Störung bei jüngeren Patienten zu diagnostizieren, insbesondere wenn, wie es bei der bipolaren Störung der Fall ist, zu erwarten ist, dass es sich um eine lebenslang andauernde Erkrankung handelt. Evans DL. Bipolar disorder: diagnostic challenges and treatment considerations. J Clin Psychiatry. 2000;61(suppl 13):26-31. Evans. J Clin Psychiatry 2000;61(suppl 13):26-31

44 Bipolare Störungen – ein Überblick
Die bipolaren Störungen umfassen unterschiedliche Krankheitsepisoden, die als manisch, hypomanisch, depressiv, gemischt oder euthym beschrieben werden Die Symptome sind Überzeichnungen normaler Stimmungszustände wie z. B. Traurigkeit, Freude, Reizbarkeit, Wut und Kreativität Depressive Zustände sind mit Abstand am häufigsten Trotz nachgewiesen wirksamer Therapiemöglichkeiten sind nur 30% der Erkrankten in Behandlung Einer von vier bis fünf unbehandelten Patienten stirbt durch Suizid Die bipolare Störung ist gekennzeichnet durch dramatische Stimmungsumschwünge - von überschäumender Euphorie (Manie) zu extremer Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit (Depression) - mit symptomfreien Phasen (Euthymie) zwischen diesen Episoden. Bei einigen Patienten kommt es zu weniger schwer ausgeprägten Manien (Hypomanien), bei anderen sind während einer akuten Krankheitsphase sowohl Zeichen der Manie als auch der Depression vorhanden (gemischte Episoden). In den Krankheitsphasen können auch psychotische Symptome wie z.B. Halluzinationen und Wahnbildung auftreten. Eine kürzlich durchgeführte Studie (Judd et al, 2002) ergab, dass Patienten mit bipolarer Störung in der Summe längere Zeit in der Depression verbringen als in allen anderen Phasen. Trotz der Existenz wirksamer Behandlungsmethoden erhält mit etwa 30% nicht einmal ein Drittel der bipolar erkrankten Patienten eine adäquate Therapie. Bei diesem Prozentsatz handelt es sich um die niedrigste Behandlungsrate unter allen großen psychiatrischen Erkrankungen. Menschen mit bipolarer Störung können deren Symptome als so lebensbeeinträchtigend empfinden, dass einer von vier bis fünf unbehandelten Patienten in einem Suizid die einzige Möglichkeit sieht, seiner Situation zu entfliehen. Judd LL, Akiskal HS, Schettler PJ, et al. The long-term natural history of the weekly symptomatic status of bipolar I disorder. Arch Gen Psychiatry. 2002;59: Judd et al. Arch Gen Psychiatry 2002;59:

45 Bipolare Patienten leiden fast die Hälfte ihrer Lebenszeit an den Symptomen der Erkrankung
Judd und Kollegen untersuchten prospektiv den natürlichen Langzeitverlauf der Bipolar-I-Störung bei 146 Patienten. Sie fanden heraus, dass die Patienten während fast der Hälfte der im Durchschnitt 12,8 Jahre betragenden Follow-up-Dauer unter Symptomen litten. Dabei war eine Depression die häufigste Sympotmatik, mit großem Abstand gefolgt von manischen/hypomanischen Episoden, Rapid cycling oder gemischten Episoden. Judd LL, Akiskal HS, Schettler PJ, et al. The long-term natural history of the weekly symptomatic status of bipolar I disorder. Arch Gen Psychiatry. 2002;59: n = 146 Follow-up: 12,8 Jahre Judd et al. Arch Gen Psychiatry 2002;59:

46 Die bipolare Störung ist vielgestaltig
Subsyndromale Manie (Hypomanie) Manie Depression Euthymie Subsyndromale Depression Wie bereits erwähnt, sind dramatische Stimmungsumschwünge für die bipolare Störung kennzeichnend. Die Graphik illustriert das vielfältige Erscheinungsbild der Erkrankung. Zwischen voll ausgebildeten manischen und depressiven Episoden können Patienten auch subsyndromale depressive oder subsyndromale manische Zustände durchleben. Mit dem Ende einer akuten Episode, spontan oder durch eine Therapie herbeigeführt, entwickelt der Patient eine normale Affektlage, die bis zum Beginn der nächsten Krankheitsepisode andauert. Typisch ist der plötzliche Wechsel des Patienten von der Manie in die Depression oder umgekehrt. Durch medikamentöse Therapien wird versucht, diesen “Switch” zu vermeiden. Einige Patienten erfüllen in einer einzelnen akuten Phase sowohl die Kriterien einer manischen als auch die einer depressiven Episode. Dieses Zustandsbild wird als gemischte Episode bezeichnet.

47 + ++ - -- + ++ - -- Hypomanie Bipolare Störung I + ++ - -- + ++ - -- Zyklothymie Bipolare Störung II

48 Diagnose-Übersicht (DSM-IV-Text Revision)
Bipolar I MDE Manische Episode Gemischte Episode Bipolar II Patient ist hypomanisch oder depressiv Eine manische oder gemischte Episode ist niemals aufgetreten Zyklothymia Wechselnde Stimmungszustände, die die Kriterien für eine depressive, manische oder gemischte Episode nicht vollständig erfüllen Bipolar NOS (NOS = anderweitig nicht spezfiziert) Die Kriterien für einen spezifischen Subtyp der bipolaren Störung werden nicht erfüllt Für die Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen wurden mehrere Klassifikationssysteme entwickelt. Zur Charakterisierung von Patientenpopulationen in klinischen Studien und im klinischen Alltag werden am häufigsten die diagnostischen Kriterien des DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und der ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems World Health Organization, Geneva, 1992) verwendet. Anhand dieser Folie wird die diagnostische Klassifizierung bipolarer Störungen nach DSM-IV-TR (DSM Fourth Edition, Text Revision) erläutert. Eine Bipolar-I-Störung wird bei Personen diagnostiziert, bei denen mindestens eine manische oder gemischte Episode aufgetreten ist. Diese Patienten können zusätzlich auch unter einer oder mehreren Episoden einer Major Depression gelitten haben. Eine Bipolar-II-Störung wird bei Personen diagnostiziert, die eine oder mehrere Major-Depression-Episoden und zusätzlich mindestens eine hypomanische Episode, niemals aber eine rein manische oder eine gemischte Episode durchlitten haben. Die zyklothyme Störung nach DSM-IV-TR ist eine chronische, mit Fluktuationen der Stimmung einhergehende affektive Störung. Betroffene Menschen erleben zahlreiche Episoden mit hypomanischen und depressiven Symptomen, welche auch die Kriterien einer hypomanischen Episode erfüllen können. Diese Krankheitsphasen sind aber weder von ihrer Anzahl noch von Schwere, Dauer oder Pervasivität her geeignet, als manische oder Major-Depression-Episoden klassifiziert zu werden, wie es für die Diagnose einer Bipolar-I- bzw. -II-Störung definitionsgemäß notwendig ist. Die für die Diagnose einer zyklothymen Störung nach DSM-IV erforderliche Dauer dieses Stimmungsschwankungsmusters beträgt zwei Jahre, bei Kindern und Jugendlichen ein Jahr. Die “nicht anderweitig spezifizierte” bipolare Störung (“not otherwise specified” = NOS) ist eine diagnostische Kategorie, der Patienten zugeordnet werden, die zwar deutliche bipolare Merkmale aufweisen, welche aber die Kriterien einer der genannten spezifischen Bipolar-Störungen nicht erfüllen. Beispiele hierfür sind: Rezidivierende hypomanische Episoden ohne interponierte depressive Episoden Eine manische oder gemischte Episode, die im Rahmen einer Schizophrenie, einer wahnhaften Störung oder einer nicht anderweitig spezifizierten (NOS) psychotischen Störung auftritt Ein klinisch begründeter Verdacht auf bipolare Störung, deren Ursprung - primär oder Folge einer medizinischen Erkrankung/eines Substanzmissbrauchs - nicht bestimmt werden kann.

49 Diagnose-Übersicht (ICD-10)
Bipolare affektive Störung F Manische Episode, Depressive Episode oder Gemischte Episode Sonstige bipolare affektive Störungen F31.8 Patient ist hypomanisch oder depressiv Rapid Cycler Eine manische oder gemischte Episode ist niemals aufgetreten Zyklothymia F34.0 Wechselnde Stimmungszustände, die die Kriterien für eine depressive, manische oder gemischte Episode nicht vollständig erfüllen Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung F31.9 Die Kriterien für einen spezifischen Subtyp der bipolaren Störung werden nicht erfüllt Die ICD-10 (ICD, 10. Revision) charakterisiert die “bipolare affektive Störung” (F31) als Erkrankung mit wiederholten, mindestens zweimal aufgetretenen Episoden mit deutlichen Störungen der Affektlage des Patienten und seines Aktivitätsniveaus: Entweder mit gehobener Stimmung und Zuwachs an Energie und Aktivität (Manie oder Hypomanie) oder mit gedrückter Stimmung und reduzierter Energie und Aktivität (Depression).  In der ICD-10 besteht eine separate Klassifizierung in “manische Episode” (F30) und “bipolare affektive Störung” (F31). Es wird empfohlen, die “manische Episode” zu diagnostizieren, wenn lediglich eine einzige manische Episode aufgetreten ist. Kam es bei dem Patienten zuvor oder im Anschluss an die Index-Episode zu weiteren Krankheitsphasen mit Veränderung des Affekts (Depression, Manie, Hypomanie), geben die Kriterien vor, dass die Erkrankung als “bipolare affektive Störung” kodiert werden soll. Eine “Manie ohne psychotische Symptome” (F30.1) und eine “Manie mit psychotischen Symptomen” (F30.2) sind weitere Unterteilungen der manischen Episode. Die “bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode” (F31.6) wird definiert durch mindestens eine manische, hypomanische oder gemischte Episode in der Vergangenheit und eine gegenwärtig vorliegende schnelle Abfolge manischer, hypomanischer oder depressiver Symptome. Diese Defintion schließt eine einzige aufgetretene gemischte Episode aus. Nach ICD-10 wird eine “depressive Episode” (F32) - unterteilt in eine leichte (F32.1), mittelschwere (F32.2) und schwere (F32.3) depressive Episode - getrennt von der bipolaren Störung klassifiziert. Sie beeinhaltet ganz ähnliche Merkmale wie die “depressive Episode” nach DSM-IV-Einteilung. Die Zyklothymia (F34.0) wird charakterisiert als eine anhaltende Affektinstabilität, die zahlreiche Phasen einer leichten Depression und einer leichten Stimmungsanhebung einschließt. Die Diagnose “Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung” (F31.9) wird auf Patienten angewendet, die Krankheitsmerkmale aufweisen, die einer bipolaren Störung zugeordnet werden, aber keiner der zuvor spezifizierten Kriterien entsprechen.

50 Symptome der Manie/Hypomanie
Gehobene Stimmung/Reizbarkeit/Aggressivität Überhöhtes Selbstwertgefühl/Grandiosität Verringerter Schlafbedarf Rededrang Gedankenrasen gesteigerte Ablenkbarkeit Überaktivität/Agitiertheit Bevorzugung angenehmer Aktivitäten 3 Symptome,  1 Wo = “Bipolar-I-Störung, manische Episode” nach DSM-IV Diese Folie zeigt im Detail, welche spezifischen Kriterien für die DSM-IV-Diagnose einer manischen/hypomanischen Episode erfüllt sein müssen. In einer “manischen Episode” besteht eine anhaltende gehobene oder gereizte, teils agressive Stimmung für mindestens eine Woche; die Symptomatik kann eine stationäre Behandlung erforderlich machen. Weitere spezifische Kennzeichen bestehen in einem überhöhten Selbstwertgefühl oder Grandiosität, einem verringerten Bedürfnis, zu schlafen, Gedankenrasen, einem beschleunigten Redefluss, Überaktivität/Agitiertheit und einem bevorzugten Engagement in angenehme, genussvolle Aktivitäten. Drei oder mehr dieser Kriterien müssen erfüllt sein, um nach DSM-IV eine “Bipolar-I-Störung, manische Episode” zu diagnostizieren.

51 Unterschiede zwischen Hypomanie und Manie
Leicht ausgeprägte Symptome Geringfügige bis leichte Beeinträchtigungen Geringfügig bis leicht beeinträchtigte Urteilsfähigkeit Spricht gewöhnlich auf die ambulante Behandlung an Schlafregulierung und/oder Benzodiazepine können die Episode manchmal beenden Manie Schwer ausgeprägte Symptome Schwere Beeinträchtigungen Schwer beeinträchtigte Urteilsfähigkeit Psychotische Symptome Erfordert häufig eine stationäre Behandlung Erfordert eine Akuttherapie mit Stimmungsstabilisierer und/oder Antipsychotikum Die Hypomanie ist eine leichtere Form der Manie, die sich in einigen Merkmalen von der ausgeprägten Manie unterscheidet. Auch die allgemeine Beeinträchtigung der Betroffenen ist weniger schwer. Hypomane Patienten leiden seltener bzw. unter leichteren Formen einer Beeinträchtigung ihrer Urteilsfähigkeit. Patienten mit Hypomanie sprechen häufig auf eine ambulante Behandlung an, während Patienten mit einer voll ausgebildeten Manie in den ersten Tagen der akuten Episode häufig einer stationären Behandlung bedürfen. Die Manie kann verbunden sein mit dem Auftreten psychotischer Symptome. Regulierung des Schlafverhaltens oder der Einsatz von Benzodiazepinen können die hypomane Episode manchmal beenden. Dem hingegen ist bei manischen Episoden eine stimmungsstabilisierende Medikation einschließlich der Gabe von Antipsychotika erforderlich.

52 Ziele des “Disease Management”
Senkung von Morbidität und Mortalität Kontinuierlich wirksame Therapie (akut und rezidivprophylaktisch) Verbesserung der Compliance Frühe Erkennung beginnender Episoden Minimierung funktioneller Beeinträchtigungen Förderung geregelter Alltagsaktivitäten und Regelmäßigkeit des Schlafverhaltens Aufmerksamkeit gegenüber Stressoren Psychoedukation des Patienten und seiner Familie In der Behandlung bipolar erkrankter Menschen sind medizinische Experten, die Familie und der Patient selbst bestrebt, verschiedene Behandlungsziele zu erreichen. Das übergeordnete Therapieziel bei bipolarer Störung besteht in der Senkung der Morbidität und Mortalität der Erkrankung. Wurde eine akute Episode einmal erfolgreich behandelt, kommt es darauf an, die effiziente Therapie fortzuführen. Ob in der Akutbehandlung oder der Rezidivprophylaxe, die Behandlung muss darauf abzielen, die Compliance des Patienten zu erhöhen. Weitere Faktoren sind die frühe Erkennung neuer Episoden, die Minimierung funktioneller Beeinträchtigungen sowie die Ermutigung des Patienten, sich geregelten Alltagsaktivitäten zuzuwenden und ein regelmäßiges Schlafverhalten zu entwickeln. Patienten, Betreuungspersonen und alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen müssen ihre Aufmerksamkeit gegenüber individuellen Stressoren schärfen. Sie müssen über die bipolare Störung und den Umgang mit der Erkrankung umfassend informiert bzw. geschult werden. American Psychiatric Association. Practice guideline for the treatment of patients with bipolar disorder (revision). Am J Psychiatry. 2002;159(4 suppl):1-50. APA Practice Guidelines, 2002

53 Funktionelle und syndromale Behinderung im Rahmen bipolarer Störungen
6 Monate 2 Jahre Zeit nach der ersten Hospitalisierung Tohen M. et al.; Am J Psychiatry 2000; 157(2):

54 Behandlungsziele Akute Phase Remission der Symptome Rezidivprophylaxe
Weitestgehende Symptomreduktion Anhebung des Funktionsniveaus des Patienten Minimierung medikamentöser Nebenwirkungen/ Compiance Unterstützung des Patienten und seiner Familie/ Psychoedukation/ Frühsymptome Die spezifischen Behandlungsziele bei bipolarer Störung können wechseln. Sie sollten der gegenwärtigen Symptomatik angepasst sein. In der akuten Phase besteht das Therapieziel in der Remission der Symptome. In der rezidivprophlaktischen Behandlung sollte die Therapie darauf ausgerichtet sein, das Funktionsniveau des Patienten zu verbessern, jegliche Nebenwirkungen der Behandlung auf ein Minimum zu reduzieren und den Patienten und seine Betreuer zu unterstützen. American Psychiatric Association. Practice guideline for the treatment of patients with bipolar disorder (revision). Am J Psychiatry. 2002;159(4 suppl):1-50. APA Practice Guidelines, 2002

55 Therapeutische Herausforderungen
Bipolare Störungen sind nicht heilbar Non-Compliance ist sehr häufig Es bestehen Symptomüberschneidungen mit anderen Krankheitsbildern Wirksamkeit (akut und unter Langzeitbedingungen) auf alle Symptombereiche auf alle Phasen der Erkrankung (Stimmungsstabilisierung) auf die Suizidalität Sicherheit und Verträglichkeit Komorbidität Wie für viele andere neuropsychiatrische Erkrankungen gibt es auch für die bipolare Störung keine echte Heilung. Um eine erfolgreiche Behandlung durchzuführen, sind spezifische Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Eine Non-Compliance liegt vor, wenn der Patient die medikamentöse Behandlung ablehnt oder seine Medikamente bei mangelnder Krankheitseinsicht eigenmächtig absetzt. Viele Patienten finden den Umgang mit den medikamentösen Nebenwirkungen problematisch oder haben Schwierigkeiten mit behandlungsbegleitenden Untersuchungen wie z.B. Blutabnahmen. Andere Patienten leiden unter der Abwesenheit der spezifischen Stimmungszustände, die mit einer Manie oder einer Hypomanie verbunden sind. Überschneidungen mit Symptomen anderer diagnostischer Kategorien erschweren die Therapieentscheidung. Wie zuvor erwähnt, können Patienten aufgrund einer Fehldiagnostizierung eine falsche Behandlung erhalten, die zu einer erheblichen Belastung des Betroffenen führt, möglicherweise Symptome verstärkt oder erst herbeiführt und unnötigerweise Nebenwirkungen auslöst. Wirksamkeit der Medikation über das gesamte Symptomspektrum bei Akutbehandlung und Langzeittherapie ist eine besonders wichtige Forderung an die Therapie. Suizidtendenzen sind stets ein ernstes Problem, bei behandelten Patienten ebenso wie bei Erkrankten, die keine adäquate Therapie erhalten. Sicherheit und Verträglichkeit der medikamentösen Behandlung sind überaus wichtige Faktoren der Non-Compliance. Ihre Berücksichtigung ist mit dem erfolgreichen Langzeitmanagement der bipolaren Störung eng und untrennbar verknüpft. Komorbide Erkrankungen wie Essstörungen, andere affektive Erkrankungen und Substanzmissbrauch bzw. -abhängigkeit erschweren nicht nur Diagnose und Therapie, sie treiben auch die Behandlungskosten in die Höhe. Brady KT. Difficulties in diagnosis and management of bipolar disorder: three case presentations. J Clin Psychiatry. 2000;61(suppl 13):32-37. Brady. J Clin Psychiatry 2000;61[suppl 13]:32-37

56 Danke für Ihre Aufmerksamkeit

57 Datenlage zur Psychotherapie bei der Bipolaren Störung
8 kontrollierte Studien zu Psychoedukation und kognitiver VT zeigen eine gute Wirksamkeit Gruppentherapien Psychoedukation scheint eher gegen den Rückfall in die Manie zu schützen (Cave: verschiedene Komponenten) Kognitive VT scheint eher gegen den Rückfall in die Depression zu schützen Gonzales-Pinto, Rew. 2003

58 Psychoedukation in der Prophylaxe der Bipolaren Störung
BP I + BP II, n=120, 6Mo in Remission, randomisiert, kontrolliert, einfach blind Intervention: 21 Sitzungen, 1/Wo Psychoedukation: Krankheitseinsicht, Früherkennung, Compliance, Lebensstil/ struktur Kontrolle: stützende Gespräche Follow-Up: 2 Jahre, kontrolliert betr. Begleitmedikation (Colom et al. 2004)

59 Depressive Phase p< 0.001
Affektive Phase p< 0.003 Depressive Phase p< 0.001 Manie p< 0,006 Gemischte Phase p< 0.05 Manie

60 Gedächtnis Affektregulation Sexualität Hippocampus
Subcorticale Struktur des limbischen Systems (Temporallappen) Wichtig für Gedächtnis Affektregulation Sexualität

61 Erscheinungsformen der Depression
MDE, rez. Depressive Störung Post-partum depression Prämenstruelles dysphorisches Syndrom Altersdepression (Involutionsdepression) Saisonale Depression „Double Depression“ „Minor Depression“ Atypische Depression Rezidivierende kurze depressive Störung

62 Triadisches System der psychiatrischen Klassifikation (Jaspers, Schneider, Huber) nach Möller, 2001
Schichtregel Primär umweltbedingt Primär substratbedingt Abnorme Erlebnisreaktionen Abnorme Verstandesanlagen I Abnorme Variationen seelischen Wesens Somatische Variationen Abnorme Entwicklungen Abnorme Persönlichkeiten Affektive Psychosen II Endogene Psychosen Schizophrenien Krankheitsfolgen Primäre Hirnerkrankungen Körperlich begründbare Psychosen III Hirnbeteiligende Körperkrankheiten

63 Allgemeines Modell psychischer Störungen
Körperliche Faktoren (angeboren oder erworben) Psychosoziale Faktoren (Erziehung, Traumata etc.) Disposition Vulnerabilität Protektive Faktoren (social support, Coping-Ressourcen) Uncharakteristische Krankheitszeichen Aktuelle Belastung (life events) Manifeste Erkrankung Therapie, Bewältigung Rückfallrisiko Gesundung (nach Möller, 2001) Chronifizierung

64 Veränderungen im HPA-System
Hypercortisolismus vergrößerte Nebennierenrinde Non-Suppression im DST verminderte ACTH Freisetzung nach CRH-Stimulation verstärkte Cortisolfreisetzung nach ACTH-Stimulation Überschießende Antwort im kombinierten Dex/ CRH-Test Holsboer 1999


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