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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG –

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Präsentation zum Thema: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG –"—  Präsentation transkript:

1 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG –
Eine Herausforderung für die Praxis Prof. Dr. Stephan Weth

2 A. die arbeitsrechtlichen Regelungen

3 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 1. Der Arbeitgeber darf nicht mehr Lebensläufe mit Bild anfordern? Das AGG lässt nur noch anonyme Lebensläufe zu? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

4 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 2. Beim Einstellungsgespräch muss in Zukunft Smalltalk unterbleiben? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

5 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 3. Freundliche Absagen müssen unbedingt vermieden werden? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

6 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 4. Bevorzugungen von Eltern (etwa durch Kinderzuschläge) sind durch das AGG verboten? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

7 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 5. Stellenausschreibungen müssen ganz anders sein als bisher? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

8 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 6. Die Arbeitgeber werden von AGG- Hoppern abgezockt. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

9 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 7. Verstoßen kollektivvertragliche Regelungen gegen Gleichbehandlungsgebote hat das die Unwirksamkeit der Regelung zur Folge und dass die benachteiligten Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gleichstellung mit den nicht benachteiligten Arbeitnehmern haben? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

10 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Befürchtungen 8. In Deutschland wird derzeit gedroht, geklagt und zum Anwalt marschiert, dass Juristen ihre helle Freude daran haben . (Der Spiegel) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

11 Gliederungsübersicht
A. Die arbeitsrechtlichen Regelungen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

12 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Detailgliederung Die arbeitsrechtlichen Regelungen I. Die Befürchtungen II. Regelungszweck und Regelungsinhalt des AGG III. Die Kernvorschriften des AGG IV. Der persönliche Anwendungsbereich V. Verbotsadressat VI. Der sachliche Anwendungsbereich VII. Was ist eine Benachteiligung 1. Unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

13 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Detailgliederung 2. Mittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 2 AGG 3. Benachteiligungsmerkmale VIII. Was ist Belästigung 1. Sexuelle Belästigung, § 3 Abs. 4 AGG 2. Typische Fälle sexueller Belästigung IX. Anweisung zur Benachteiligung X. Das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG 1. Rechtfertigung der Benachteiligung (allgemeine Rechtfertigungsklausel) 2. Die „besonderen“ Rechtfertigungstatbestände © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

14 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Detailgliederung 3. Rechtsfolgen der Benachteiligung 4. Geltendmachung der Benachteiligung XI. Der Abschied von „lieb gewonnenen“ Normen XII. Praxisrelevante Anwendungsfälle 1. Kündigungen 2. Stellenanzeigen 3. Einstellungen 4. Vergütung 5. Religiöse Bräuche 6. „Abzockerfälle“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

15 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Detailgliederung XIII. Handlungsempfehlungen 1. Erforderliche Maßnahmen 2. Sanktionen gegenüber Mitarbeitern 3. Maßnahmen gegenüber Dritten 4. Informationspflichten 5. Sonstiges © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

16 Regelungszweck und –inhalt
AGG soll Benachteiligungen verhindern oder beseitigen, § 1 AGG Dem Anwendungsbereich des AGG unterfallen alle Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere Vereinbarungen und Maßnahmen für die Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie für den beruflichen Aufstieg, § 2 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

17 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Die Kernvorschriften § 7 Abs. 1 AGG „Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

18 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
§ 1 AGG „Ziel dieses Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

19 1. Persönlicher Anwendungsbereich, § 6 AGG:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (einschl. leitende Angestellte) Auszubildende die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (im Sinne des § 26 BBiG, d.h. Volontäre, Praktikanten) Leiharbeitnehmer gegenüber dem Entleiher arbeitnehmerähnliche Personen Heimarbeiter Bewerber Ausgeschiedene Arbeitnehmer, soweit es sich um nachwirkende Folgen aus dem bereits beendeten Arbeitsverhältnis handelt Organmitglieder (vor allem Geschäftsführer und Vorstände), § 6 Abs. 3 AGG Selbstständige (§ 6 Abs. 3 AGG) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

20 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Verbotsadressat primär: Arbeitgeber - also jeder, der Personen beschäftigt, vgl. § 6 Abs. 2 AGG - bei Leiharbeitnehmern auch der Entleiher indirekt auch Arbeitskollegen - Gesetzesbegründung zu § 7 AGG: „Das Benachteiligungsverbot richtet sich neben dem Arbeitgeber auch gegen Arbeitskollegen und Dritte, wie z.B. Kunden des Arbeitgebers.“ - Vgl. § 12 Abs. 3 AGG: „Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

21 2. Sachlicher Anwendungsbereich
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AGG erfasst sind alle Stadien des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses, inkl. des Bewerbungsverfahrens erfasst sind sowohl individual- als auch kollektivvertragliche Vereinbarungen Problemfeld Arbeitgeberkündigung: § 2 Abs. 4 AGG versus § 2 Abs. 1 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

22 Was ist eine Benachteiligung?
Die Begriffsbestimmungen des § 3 AGG sind weitgehend wörtlich aus den Richtlinien übernommen. Das Gesetz unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

23 1. Unmittelbare Benachteiligung
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. (§ 3 Abs. 1 AGG) Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG auch im Falle einer ungünstigen Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

24 2. Mittelbare Benachteiligung
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise beachteiligen können; es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 2 AGG). © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

25 3. Benachteiligungsmerkmale
Rasse Ethnische Herkunft Geschlecht Religion Weltanschauung Behinderung Alter Sexuelle Identität © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

26 a. Benachteiligung aus Gründen der Rasse
Keine nähere Definition in der Antirassismus-Richtlinie oder im AGG Achtung: Hier ist eine Rechtfertigung nicht möglich! © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

27 b. Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft
Ethnische Herkunft ist in einem sehr weiten Sinne zu verstehen (Gesetzesmaterialien) mit dem Kriterium der ethnischen Herkunft wird an die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer durch sprachliche und/oder kulturelle Merkmale verbundenen Gemeinschaft angeknüpft, wobei die kennzeichnenden Merkmale jeweils nicht vererblich sind Abstammung, nationaler Ursprung, Volkstum, Staatsangehörigkeit © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

28 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
c. Religion Glaube an eine transzendentale übermenschliche Wirklichkeit zu Recht weist Annuß auf Folgendes hin: „Zurückhaltung ist auch gegenüber der Annahme geboten, das man „in den meisten Fällen intuitiv wisse (...), ob eine bestimmte Überzeugung und Weltsicht eine Religion ist oder nicht“ (Thüsing). Denn die eigene Intuition liegt nur dann richtig, wenn sie sich mit den Wertentscheidungen des Gesetzes deckt.“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

29 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
d. Weltanschauung elementare Überzeugungen, die für das gesamte Leben prägend sind Glauben an eine Ordnung der erlebbaren Wirklichkeit © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

30 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
e. Behinderung Legaldefinition des § 2 Abs. 1 SGB IX Ein Mensch ist behindert, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensjahr typischen Zustand abweicht und daher die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

31 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
f. Alter Alter = Lebensalter Nicht nur Schutz älterer Arbeitnehmer, sondern auch jüngere Menschen geschützt. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

32 g. Geschlecht und Sexuelle Identität
in erster Linie: Mann – Frau ebenfalls: keine Benachteiligung unter Bezugnahme auf den Ehe- und Familienstand ebenfalls: ungünstige Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschutz bzw. Mutterschaftsurlaub = Benachteiligung wegen des Geschlechts © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

33 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Was ist Belästigung ? Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Erschütterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Um von einer Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG auszugehen, ist eine einmalige Beeinträchtigung in der Würde eines oder einer Beschäftigten nicht ausreichend. Es sollen nur Belästigungen von gewisser Erheblichkeit erfasst sein. Die Belästigung ist strukturell grundverschieden von der Diskriminierung, weil das Unrecht bei ihr ohne Weiteres in der Handlung selbst liegt und deshalb ohne vergleichende Betrachtung festgestellt werden kann (z.B. Mobbing) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

34 Sexuelle Belästigung (§ 3 Abs. 4 AGG)
Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Personen verletzt wird. Insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

35 2. Typische Fälle sexueller Belästigung
unerwünschte sexuelle Handlungen Aufforderungen zu diesen sexuell bestimmte körperliche Berührungen Bemerkungen sexuellen Inhalts Unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

36 Anweisung zur Benachteiligung (§ 3 Abs. 5 AGG)
Auch die Anweisung zu einer Benachteiligung stellt eine Benachteiligung im Sinne des AGG dar. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

37 Das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG
Zentrale Vorschrift des neuen AGG Richtet sich an Arbeitgeber, Arbeitskollegen und Dritte Entscheidend ist, dass das Benachteiligungsverbot auch dann gilt, wenn die benachteiligte Person das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals annimmt. Rechtsfolge gemäß § 7 Abs. 2 AGG: Nichtigkeit der entsprechenden Klausel in Individual- und Kollektivverträgen Die Benachteiligung an sich stellt eine Pflichtverletzung dar (§ 7 Abs. 3 AGG). © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

38 Rechtfertigung der Benachteiligung (allgemeine Rechtfertigungsklausel)
In §§ 8-10 AGG werden Differenzierungsmöglichkeiten in Bezug auf die einzelnen Kriterien bestimmt Für alle genannten Gründe gilt einheitlich, dass eine Differenzierung gerechtfertigt ist, wenn das betroffene Merkmal wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt (= allgemeine Rechtfertigungsklausel des § 8 Abs. 1 AGG) d.h. das betroffene Merkmal muss unverzichtbare Voraussetzung für die betreffende Tätigkeit sein, wie es bisher § 611a Abs. 1 S. 2 BGB gefordert hat © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

39 Die „besonderen“ Rechtfertigungstatbestände
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung (§ 9 AGG) Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters (§ 10 AGG) Unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer Gründe (§ 4 AGG) Positive Maßnahmen (§ 5 AGG) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

40 Rechtsfolgen der Benachteiligung
a. Die Rechtsfolgen im Überblick Beschwerderecht (§ 13 AGG) Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG) Ersatz des Vermögensschadens bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§ 15 Abs. 1 AGG) Ersatz des Nichtvermögensschadens – Schmerzensgeld ( § 15 Abs. 2 AGG) Ersatz des Vermögensschadens bei Anwendung kollektivvertraglicher Regelungen (§ 15 Abs. 3 AGG) Kein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses (§ 15 Abs. 6 AGG) Unwirksamkeit (§ 7 Abs. 2 AGG) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

41 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
b. Grundsätzliches - verstößt der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot, muss er dem betroffenen Beschäftigten den daraus resultierenden Schaden ersetzen, § 15 Abs. 1 AGG - nur wenn ArbG die Pflichtverletzung „zu vertreten“ hat Entlastungsbeweis liegt beim ArbG Verhalten von Erfüllungsgehilfen ist dem ArbG zuzurechnen, § 278 BGB - andere Personen als der ArbG (z.B. Kollegen) sind nur ausnahmsweise schadensersatzpflichtig, § 823 Abs. 1 BGB © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

42 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
c. Welcher Schaden ist zu ersetzen? aa. materieller Schaden: Ersatz in Geld Grenzen: § 15 Abs. 6 AGG: Kein Anspruch auf Begründung von Beschäftigungs-, Berufsausbildungsverhältnis oder Beförderung (es sei denn, es besteht hierfür ein anderer Rechtsgrund) d.h. kein Kontrahierungszwang: Abschluss von Arbeitsvertrag oder Beförderung ist nicht erzwingbar bei Einstellung der Höhe nach begrenzt auf Vermögensnachteile, die bis zum Erreichen des erstmöglichen Kündigungstermins entgangen sind (anders wohl bei der Beförderung) schadensmindernd zu berücksichtigen: anderweitiger Erwerb, böswillig unterlassener anderweitiger Erwerb, zusätzliche Aufwendungen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

43 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Schadensersatz bb. immaterieller Schaden z.B. Rufschädigung hierher gehört auch eine Entschädigung für den Fall, dass zwar eine Diskriminierung vorliegt, der diskriminierte Bewerber aber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 S. 2 AGG Rechtsnatur für die Höhe der Entschädigung: Rechtsprechung des EuGH: „Entschädigung muss eine abschreckende Wirkung haben und in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

44 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Schadensersatz d. Begrenzung bei Nichteinstellung - Schadensersatz darf 3 Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Betroffene auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 S. 2 AGG - aber: der Bestqualifizierteste, der bei Nichtbenachteiligung eingestellt worden wäre, kann höheren Schadensersatz geltend machen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

45 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Schadensersatz e. Haftungsmilderung bei Kollektivvereinbarungen - wenn der ArbG lediglich Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge vollzieht, gilt milderer Haftungsmaßstab, § 15 Abs. 3 AGG - Schadensersatzpflicht des ArbG nur, wenn er das Benachteiligungsverbot vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt - soll auch gelten, wenn Tarifverträge nicht unmittelbar wirken, sondern nur kraft Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag (das ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, sondern aus der Begründung zum Regierungsentwurf: Begr, RegE, BR-Drucks, 329/06, S. 40) - Problem: Arbeitgeber muss doch Kollektivvereinbarungen befolgen! © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

46 Geltendmachung der Benachteiligung
Einheitliche Anspruchsfrist, § 15 Abs. 4 AGG Der Beschäftigte/Bewerber muss seinen Anspruch grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen. Beweislastprobleme (§ 22 AGG) § 22 AGG ist eine äußerst schwierige Norm: § 22 AGG normiert für den Fall einer Beweislastumkehr, dass der Anspruchsteller Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Die Zentralentscheidung zur Beweislast ist die Entscheidung des BAG v (8 AZR 112/03) die noch zu § 611a BGB ergangen ist, aber heute besondere Aktualität hat © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

47 Der Abschied von „lieb gewonnenen“ Normen
§ 611a BGB abgeschafft § 611b BGB abgeschafft § 612 Abs. 3 BGB abgeschafft Beschäftigtenschutzgesetz aufgehoben § 81 Abs. 2 S. 2 SGB IX neu gefasst © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

48 Praxisrelevante Anwendungsfälle
1. Kündigungen 2. Stellenanzeigen 3. Einstellungen 4. Vergütung 5. Religiöse Bräuche 6. „Abzockerfälle“ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

49 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
1. Kündigungen § 2 Abs. 4 AGG: „Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.“ Das AGG gilt generell nicht für Kündigungen für Kündigungen gelten ausschließlich die §§ 1-4 KSchG, § 9 MuSchG, § 81 SGB IX, § 102 BetrVG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

50 Es gibt zahlreiche Widersprüche / Probleme:
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG fällt auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in den Anwendungsbereich des AGG 2. § 10 Nr. 6 AGG sieht ausdrücklich Regelungen für Kündigungen vor Achtung: Gesetzesänderung 3. § 10 Nr. 7 AGG sieht eine Regelung für die Unkündbarkeit von Arbeitnehmern vor 4. Schutzlosigkeit bei Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

51 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
1. Die Auflösung des Widerspruchs zwischen § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 4 AGG Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG fällt auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in den Anwendungsbereich des AGG Kündigungen fallen aber wegen § 2 Abs. 4 AGG nicht darunter andere Beendigungsgründe werden erfasst, z. B. der Aufhebungsvertrag © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

52 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
2. Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl Das Alter ist weiterhin bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen dem Alter darf kein genereller Vorrang zukommen (§ 10 Nr. 6 AGG), sondern die Besonderheiten des Einzelfalles und die individuellen Unterschiede zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern haben zu entscheiden Das Alter gilt gleichberechtigt neben den anderen Auswahlkriterien des § 1 Abs. 3 KSchG Für die Berücksichtigung des Alters als sozialem Gesichtspunkt ist ein sachlicher Grund erforderlich, namentlich die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

53 3. Unkündbarkeitsregelung im Einzelvertrag / BV / TV, § 10 Nr. 7 AGG
Möglich nach § 10 Nr. 7 AGG Dürfen nicht zu einer „grob fehlerhaften Minderung“ der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG führen  bislang zwei Lösungsansätze im Schrifttum: (1.) Tarifvertraglich unkündbare Arbeitnehmer sollen bei betriebsbedingten Kündigungen ausnahmsweise doch in die Sozialauswahl einzubeziehen sein (2.) Es soll konkret-individuell in Bezug auf jeden Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz geprüft werden, ob im Verhältnis zu einem unkündbaren Arbeitnehmer die Sozialauswahl im Einzelfall grob fehlerhaft wäre © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

54 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
4. Schutzlosigkeit bei Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG? Greifen weder AGG noch KSchG ein, so dürfen Kündigungen doch nicht willkürlich erfolgen oder auf sachfremden Motiven beruhen. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

55 2. Stellenanzeigen - Beispiel 1
„ Wir sind eine traditionsreiche, führende mittelständische Rechtsanwaltskanzlei, die sich auf die Beratung von Unternehmen spezialisiert hat. Für unseren Bereich „Gesellschaftsrecht“ suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte, belastbare Rechtsanwaltsfachangestellte (ab 40 Jahre) Ihr Aufgabe umfasst die telefonische Betreuung unserer Mandanten (...). Mehrjährige Berufserfahrung setzen wir ebenso voraus, wie den souveränen Umgang mit dem Programmpaket MS-Office, Sprachkenntnisse in Englisch und Spanisch sowie kaufmännisches Verständnis. Sollten Sie darüber hinaus kontaktfreudig und mobil sein und über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung. Wenn Sie in unserem jungen, dynamischen Team mitmachen wollen, senden Sie uns Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen mit Foto und Lebenslauf. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

56 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Beispiel 2 Anzeige im Hamburger Abendblatt: „Für unseren Vertrieb suchen wir eine versierte Assistentin der Vertriebsleitung Wenn Sie mit den Chaoten eines vertriebsorientierten Unternehmens zurecht kommen können, diesen Kaffee kochen wollen, wenig Lob erhalten wollen und viel arbeiten können, sind Sie bei uns richtig. Bei uns muss man den Computer bedienen können und für andere mitdenken. Wenn Sie sich dieser Herausforderung wirklich stellen wollen, erwarten wir ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen. Aber sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt ..... (EuGH vom – C-180/95, BB 1997, 1481 (Draehmpaehl)) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

57 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Zum Beispiel 2 Früher: § 611a, 611b BGB Geschlechtsneutrale Formulierung, § 611b BGB „ Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz weder örtlich noch innerhalb des Betriebes nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, dass ein Fall des § 611a Abs. 1 Satz 2 vorliegt. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

58 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Jetzt § 11 AGG Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

59 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Zum Beispiel 1 „belastbar“ Dieses Auswahlkriterium könnte eine mittelbare Diskriminierung Älterer und Behinderter sein. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass auch Ältere und Behinderte belastbar sind. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

60 „Rechtsanwaltsfachangestellte“
Diese Formulierung stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar, weil nur die männliche Berufsbezeichnung gewählt worden ist. Stellenausschreibungen sind jedoch strikt neutral zu formulieren. Insofern fehlt hier der Zusatz „(m/w)“

61 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
„ab 40 Jahre“ Diese Formulierung stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar. Insofern muss auf eine Altersangabe in Stellenanzeigen verzichtet werden, wenn es keine Notwendigkeit für ein bestimmtes Alter des Stelleninhabers gibt. Ist Letzteres der Fall, empfiehlt es sich, bereits in die Stellenanzeige reinzuschreiben, warum das Alter Voraussetzung für die ausgeschriebene Stelle ist. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

62 „Berufserfahrung“ Dies könnte eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein. Hier besteht jedoch ein Rechtfertigungsgrund nach § 10 Nr. 2 AGG. Hier ist geregelt, dass eine unterschiedliche Behandlung bei dem Auswahlkriterium Berufserfahrung zulässig ist. Diese Formulierung ist daher weiterhin zulässig, es sei denn, es handelt sich um einfache Tätigkeiten, die keinerlei Berufserfahrung bedürfen.

63 „Sprachkenntnisse“ Dieses Auswahlkriterium könnte eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft sein. Der Arbeitgeber darf jedoch die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen, die nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle für die Erbringung der geforderten Arbeitsleistung wesentlich und erforderlich sind, verlangen (§ 8 AGG). Hier wird es auch darauf ankommen, für welche Stellen die Besetzung mit einem Bewerber vorgenommen wird.

64 „Mobil“ Hier könnte eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung vorliegen. Mobilität sollte nur gefordert werden, wenn der Stelleninhaber wirklich mobil sein muss (z.B. Außendienstmitarbeiter, Tätigkeit an wechselnden Orten im In- und Ausland).

65 „Deutsche Staatsangehörigkeit“
Dieses Auswahlkriterium kann eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellen. Dieser Begriff sollte daher regelmäßig nicht in einer Stellenanzeige auftauchen.

66 „Junges, dynamisches Team“
In diesem Auswahlkriterium kann eine unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligung wegen des Alters oder der Behinderung zu sehen sein. Aus diesem Grund sollte man diese Bezeichnung eher nicht verwenden.

67 „Foto und Lebenslauf“ Bei dieser Anforderung in einer Stellenanzeige ist nicht auszuschließen, dass die gängige Praxis, ein Foto und einen Lebenslauf für die Bewerbungsunterlagen zu verlangen, als Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung angesehen wird, da aus dem Lebenslauf und dem Foto unter Umständen bestimmte Rückschlüsse auf die Merkmale ethnische Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität gezogen werden können.

68 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Empfehlungen Stellenausschreibungen neutral formulieren sollten sich ausschließlich auf die Tätigkeit selbst beziehen und nur Anforderungen auflisten, die für die Tätigkeit selbst erforderlich sind Merkmale, die nicht notwenig sind, sollten in der Stellenanzeige fehlen die Position notweniger Merkmale sollte hinreichend dokumentiert werden: z.B. in interner Stellenausschreibung Absprachen mit dem Betriebsrat Eindämmung der Flut unerwünschter Bewerber durch gezielte Auswahl der Medien © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

69 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Vorsicht: Pflichtverletzungen eines Mittlers sind dem Arbeitgeber zuzurechnen Vermeiden Sie doppeldeutige Formulierungen: stattliche Statur, junge dynamische Führungskraft, Muttersprachler, akzentfreies Deutsch, alter Hase Stellenausschreibung zeitlich befristen, um verspätete Bewerbungen von vornherein aussortieren zu können Höchstalter bei Einstellung ist nur ausnahmsweise zulässig, etwa bei Piloten © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

70 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
3. Einstellungen Allgemeines - Entscheidungsspielraum des ArbG wird nur durch die in § 1 AGG genannten Benachteiligungsverbote begrenzt - andere Differenzierungsmerkmale sind zulässig: * Raucher/Nichtraucher * Zeugnisnoten * Auslandserfahrung * Sprachkenntnisse * Team- und Durchsetzungsfähigkeit © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

71 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Fragerecht - ArbG darf im Bewerbungsgespräch alle Fragen stellen, mit denen er die Eignung des Bewerbers für die Position abklären will - Problematische Fragen: * Schwangerschaft * Behinderung (Ausnahme: Fehlen ist notwendige Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit, z.B. Möbelpacker) * Religions- und Parteizugehörigkeit (Ausnahme: konfessionelle oder parteipolitische Organisationen) * Homosexualität * Nationalität/Herkunft © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

72 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Tipps: - nicht nach Diskriminierungsmerkmalen (Alter, Religion, Schwerbehinderung, Nationalität, Geschlecht...) fragen - Bewerber nicht zur Übersendung von Bewerbungsunterlagen mit Lichtbild und Altersangabe auffordern O Gefahr: Beweislastumkehr nach § 22 AGG - Beweissituation einkalkulieren: Führung von Gesprächen auf Unternehmerseite immer zu Zweit? - Personalfragebögen überarbeiten (lassen) - Situation schaffen, in denen der Bewerber von sich aus Informationen liefert, ohne danach gefragt worden zu sein. - sorgfältige Auswertung der (ohne Aufforderung) übersandten Unterlagen O so wird sich das Lebensalter oftmals aus dem Zeugnis oder dem Werdegang herleiten lassen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

73 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Bewertung von Bewerbungen: - subjektive, nicht objektivierbare Empfindungen sollten (weitgehend) außer Acht gelassen werden - messbare Kriterien: Schulnoten, Sprachkenntnisse, fachspezifische Abschlüsse - auch Softkills sind zulässig (z.B. Teamfähigkeit, Kommunikationsvermögen...) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

74 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Auswahlentscheidung - zugrunde liegende Fakten müssen für Dritte (genauer: das Arbeitsgericht) nachvollziehbar sein * ArbG ist bei Einstellungsentscheidungen nach wie vor nicht an sachliche Gründe gebunden * nach wie vor möglich:Einstellung nach persönlicher Sympathie * Gefahr: unzulässige Benachteiligung kann nicht widerlegt werden, wenn Indizien vorliegen Assessmentcenter - Vorteil: Ergebnisdokumentation zur Beweissicherung - Nachteil: Einschränkung der Personalauswahl auf den objektiv Besten? © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

75 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Empfehlungen: - zu Beweiszwecken Dokumentation der Ablehnungsgründe - Bewerbungsunterlagen nicht sofort zurücksenden, sondern zum Zwecke des Nachweises solange aufbewahren, bis Ausschlussfristen abgelaufen sind © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

76 © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes
Absagen an abgelehnte Bewerber: möglichst wenig Anhaltspunkte für Benachteiligung geben, da ansonsten Beweislastumkehr nach § 22 AGG Absageschreiben neutral und inhaltsleer formulieren Vermeidung von mündlichen Zwischenauskünften an Bewerber keine verräterischen „Notizen“ auf Bewerberunterlagen mitunter besser: Nachzüglerunterlagen nicht zur Kenntnis nehmen Zugang der Ablehnung – jedenfalls bei Risikobewerbern - dokumentieren: * Absage ggf. per Einschreiben/Rückschein versenden * dadurch nachweisbares Ingangsetzen der Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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4. Vergütung im laufenden Arbeitsverhältnis dürfen Diskriminierungsklagen selten sein, weil dadurch das Arbeitverhältnis belastet wird. kein Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, aber: - bislang: § 612 Abs. 3 BGB * für gleiche oder gleichwertige Arbeit darf nicht wegen des Geschlechts eine geringere Vergütung vereinbart werden, als für Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. * geringere Vergütung wird nicht durch etwa existierende besondere Schutzvorschriften gerechtfertigt (z.B. MuSchG, BErzGG) - jetzt § 8 Abs. 2 AGG * Ausdehnung des bislang nur für das Geschlecht geltenden Grundsatzes auf alle Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Empfehlung: - Überprüfung vor allem der Sonderzahlungen auf mögliche Benachteiligungen - z.B. stellen Familienzuschlag oder Kinderzuschlag eine mittelbare Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Lebenspartner dar? - transparente Regelungen für Gehälter, Bonuszahlungen und Beförderungen erstellen - auch Betriebsvereinbarungen überprüfen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Altersabhängiges Entgelt wohl unzulässig * Abschaffung auch im öffentlichen Dienst, vgl. TVöD * vgl. aber § 10 Nr. 2 AGG: „Festlegung von Mindestalter (...) für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile“ Vergütungssteigerung mit zunehmender Beschäftigungsdauer wohl zulässig EuGH: mit Dienstalter steigert sich die dienstliche Erfahrung, die den Arbeitnehmer grundsätzlich zu einer besseren Arbeitsleistung befähigt und dementsprechend eine höhere Vergütung rechtfertigt. (EuGH vom , DB 1991, 660) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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5. Religiöse Bräuche Beispiele - unterschiedliche Religionen, unterschiedliche Feiertage - Kopftuch - keine Arbeit von jüdischen Beschäftigten am Sabbat - Muslime: 5-mailiges Beten pro Tag Hier wohl keine Änderung: wg. Religion darf nicht benachteiligt werden. AGG fordert jedoch keine Bevorteilung wegen Religion gegenüber anderen Arbeitnehmern Bisherige Rechtsprechung: lediglich Verpflichtung des Arbeitgebers, auf religiöse Belange Rücksicht zu nehmen, soweit dem nicht betriebliche Belange entgegenstehen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Kann einer muslimischen Arbeitnehmerinnen das Tragen des Kopftuches untersagt werden? nach Inkrafttreten des AGG nur, wenn der Verzicht auf das Kopftuch eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, vgl. § 8 AGG  bei großen Kundenerwartungen (-) bereits bisher hat das BAG die Kündigung einer Verkäuferin eines Kaufhauses wg. Kopftuchtragens für unzulässig gehalten; es müssten konkrete betriebliche Störungen oder wirtschaftliche Einbußen dargelegt werden (vgl. BAG vom , NZA 2003, 483) © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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6. Die „Abzockerfälle“ Problem: Aufkommen von „Trittbrettfahrern“. Die die Instrumentarien des AGG ausnutzen, um gezielt Benachteiligungen geltend zu machen und Entschädigungsgelder einstreichen zu können © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Beispiele: Student S entdeckt in der morgendlichen Zeitung folgende Anzeige: „Unternehmen sucht engagierte Sekretärin.“ Weil er vermutet, dass diese Stelle nicht mit einem Mann besetzt wird, bewirbt er sich. Das Unternehmen sagt erwartungsgemäß ab. Nun klagt er auf Entschädigung. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Rechtsreferendar R schickt eine Kurzbewerbung ohne jegliche Bewerbungsunterlagen an eine Gemeinde, die eine Stelle als (Frauen-) Gleichstellungsbeauftragte zu besetzen hatte. Auch er klagt nach einer Absage nun auf Entschädigung wegen Diskriminierung. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Mögliche Lösung: Über die -Adresse kann jeder Arbeitgeber, jeder Rechtsanwalt und jedes Gericht anfragen, ob ein bestimmter Bewerber in der Vergangenheit bereits mit Entschädigungsklagen wegen angeblicher Diskriminierung bei Bewerbungen aufgefallen ist. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Es reicht die Mitteilung von Name, Vorname und Anschrift des Anspruchstellers. Hat dieser schon mindestens zweimal gegenüber anderen Arbeitgebern einschlägige Entschädigungsansprüche geltend gemacht, teilt das AGG-Archiv die Anschrift derjenigen Anwälte bzw. Personalleiter mit, die die früheren Fälle gemeldet hatten. Es ist dann Sache des Anfragenden, sich mit diesen Personen in Verbindung zu setzen, um gegebenenfalls nähere Auskünfte zu erhalten. Anfragen bearbeitet das Archiv unverzüglich, in der Regel noch am gleichen Werktag. Die Auskünfte sind kostenfrei. Der Betrieb des Archivs ist nach § 29 BDSG datenschutzrechtlich zulässig. Alle Anfragen und Auskünfte werden nach § 29 Abs. 2 BDSG dokumentiert. © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

87 Handlungsempfehlungen
Überblick Erforderliche Maßnahmen, v.a. Schulungen Sanktionen gegenüber Mitarbeitern Maßnahmen gegenüber Dritten Informationspflichten Sorgfältige Dokumentation Überprüfung sämtlicher personeller Kernprozesse Überprüfung sämtlicher Verträge Antidiskriminierungsvereinbarung © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

88 1. Erforderliche Maßnahmen
- der ArbG ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe zu treffen, § 12 Abs. 1 AGG Erforderlichkeit ist objektiv, nicht subjektiv zu beurteilen Gebotenheit hängt von der Größe und der Leistungsfähigkeit des Betriebs/Unternehmens ab Kleinbetriebe müssen daher weniger Maßnahmen ergreifen als große O Hinweispflicht: der ArbG soll den Arbeitnehmer in geeigneter Art und Weise auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben, § 12 Abs. 2 AGG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Schulung: Der ArbG ist verpflichtet seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung zu schulen. Ist das geschehen, so findet das Berücksichtigung im Rahmen der Angemessenheit einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG Empfehlung: regelmäßige Schulung aller Mitarbeiter, z.B. EDV-gestützter Selbsttest Einstellung wesentlicher Verhaltensregeln ins Intranet ggf. vorherige Überarbeitung der Verhaltensregeln besonders ausführliche Schulung von Beschäftigten mit Vorgesetztenfunktion, da sich der ArbG deren Verhalten zurechnen lassen muss Organisationsmaßnahmen sind i.d.R. mitbestimmungspflichtig, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

90 2. Sanktionen gegenüber Mitarbeitern
wenn Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind Sanktionen erforderlich, § 12 Abs. 3 AGG Diese Sanktionen müssen geeignet und erforderlich sein und angemessen zur Unterbindung der Benachteiligung In Betracht kommen etwa Ermahnung, Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, Kündigung, Schadensersatz © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

91 3. Maßnahmen gegenüber Dritten
§ 12 Abs. 4 AGG: Werden Beschäftigte bei der Ausführung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Dritte: Kunden, Lieferanten Konflikt: ArbG will Kunden nicht verärgern, muss aber auf der anderen Seite Mitarbeiter schützen eigene Maßnahmen: Arbeitnehmer aus der Kundenbeziehung nehmen Verpflichtung zur benachteiligungsfreien Vertragsdurchführung in AGB aufnehmen Verbreitung des Unternehmenskodex auch an Kunden © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

92 4. Informationspflichten
Im Betrieb müssen bekannt gemacht werden: § 12 Abs. 5 AGG: das AGG selbst § 61b ArbGG die zuständigen Stellen, die für die Informationen über die Behandlung von Beschwerden zuständig sind (z.B. Personalabteilung) Bekanntmachung kann erfolgen durch: Aushang, elektronisch im Intranet, Gegenbestätigung © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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5. Sonstiges sorgfältige Dokumentation wegen § 22 AGG Überprüfung sämtlicher personeller Kernprozesse Auswahlrichtlinien Beurteilungsgrundsätze Überprüfung und Überarbeitung sämtlicher individual- und kollektivrechtlicher Vereinbarungen Antidiskriminierungsvereinbarung mit dem Betriebsrat Regelung von Abläufen/Prozessen © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes

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Ass. Jur. Tina Bösen Referendarin Rima Badawi Referendarin Anke Lermen Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Prozess- und Arbeitsrecht sowie Bürgerliches Recht, Institut für Arbeits- und Sozialrecht Universität des Saarlandes Im Stadtwald 0681/ © Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes


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