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Veröffentlicht von:Hertha Kirchner Geändert vor über 6 Jahren
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Fachtagung Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR) – 20
Berolina Klinik GmbH & Co. KG Bültestraße Löhne Kai Lorenz Chefarzt Verhaltensmedizinische Orthopädie Facharzt für Orthopädie Sozialmedizin, Chirotherapie Physikalische Therapie, Sportmedizin, Qualitätsmanagement Psychotherapie 1
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Gliederung Sozialmedizinisches Fallbeispiel Zusammenarbeit mit der psychosomatischen Abteilung, insbesondere sozialmedizinische Auswirkungen Plausibilitätsprüfung bei orthopädischen Erkrankungen
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Fallbeispiel (7/2016) Weiblich, ledig, in einer Partnerschaft, 41 Jahre, keine Kinder. Letzte berufliche Tätigkeit: Seit 2007 Angestellte im öffentlichen Dienst als Volljuristin Arbeitgeber: Öffentlich-rechtlicher Wasserverband Arbeitsunfähigkeit bestehe seit dem 01/2016 wegen Wirbelsäulen- beschwerden.
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Einweisungsdiagnosen:
1. NPP HWS C6/C7 mit Myelon-Kompression 2. Irritation des Myelons C5-C7 3. Unkarthrose HWK5/6 links mit Verschmälerung des Neuroforamens 4. Linkskonvexe Skoliose, COBB-Winkel ca. 15° Bisherige Therapien: Physikalische Therapie, Trigger- / Stoßwellentherapie
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G110 – Anlage zum Antrag auf Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation, von der Rehabilitandin selbst ausgefüllt: Skoliose, Spinalkanalstenose bzw. Bandscheibenvorfall etc. Welche gesundheitlichen Probleme stehen bei Ihnen derzeit im Vordergrund? Instabile dekompensierte Skoliose, Schmerzen, Übelkeit
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Simbo (ausgefüllt 02/2016) Krankgeschrieben: ja, mehr als 6 Monate Wie stark in der Arbeit beeinträchtigt?: 10 (völlige Beeinträchtigung) Wie stellen Sie sich Ihre berufliche Zukunft vor?: „Ich weiß es noch nicht“ Simbo-Punkte: 64
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G115 – Selbsteinschätzungsbogen
Welche Wünsche und Erwartungen haben Sie an eine Rehabilitation? „Dass sich Ärzte und Therapeuten Zeit nehmen, die nötig ist, zuhören, Beschwerden behandeln, nicht Diagnosen, wenn möglich ursächlich, nicht nur Symptome (Schmerz) mit Medikamenten behandeln.“ Schmerzen und Kopfgelenksblockaden seit 2011, noch mehr Schmerzen und weitere zusätzliche Blockaden BWS seit Herbst 2014
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Zitate aus einem 5-seitigen Widerspruchsschreiben der Patientin vom
2016 an die Krankenkasse: „Dass ich erst nach der ärztlichen Behandlung im Februar / März 2015 arbeitsunfähig geworden bin und seitdem von Neurologen zum Neurochirurg, Uniklinik, von dort aus weiter zur nächsten Klinik und wieder weitergeschickt werde und ich niemanden finde, der sich jetzt, wo ich nicht mehr unter starken Schmerzen, sondern unter anderen Beschwerden leide, kein Arzt zuständig fühlt.“
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Zitate aus einem 5-seitigen Widerspruchsschreiben der Patientin vom
2016 an die Krankenkasse: „Nachdem ich im Dezember 2015 und im Januar/Februar 2016 die Einschätzung 2 verschiedener, auf Skoliose spezialisierte Orthopäden eingeholt habe, gehen auch deren Einschätzung so weit auseinander, …“ „Ich habe mich daher um eine Reha in B. bemüht, damit man sich dort die Zeit nimmt, die nötig ist…“
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Zitate aus einem 5-seitigen Widerspruchsschreiben der Patientin vom
2016 an die Krankenkasse: „Die mangels Anhörung allein auf der Ihnen zu diesem Zeitpunkt nach Aktenlage vorliegenden Informationen beruhende Einschätzung des MDK, dass eine Leistung zur medizinischen Reha meine Situation (gefährdete bzw. geminderte Erwerbsfähigkeit?) verbessern könnte und deshalb der richtige Schritt sei, m. E. einer Überprüfung nicht standhalten dürfte und auch die Informationen und Befunde, über die ich im Januar und nunmehr verfüge, diese Einschätzung nicht trägt…“
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Vorbefunde: Kernspintomographie der HWS vom 01/2016: Im Vergleich zur Voruntersuchung am 02/2015 allenfalls diskrete Zunahme des Bandscheibenprolaps HWK5/6 und unveränderter Band- scheibenprolaps HWK6/7, beide führen zu einer leichten Myelon- Kompression, ohne zervikale Myelopathie. Bei HWK5/6 zusätzlich leichte Unkarthrose links mit geringer Verschmälerung des Neuroforamens, jedoch ohne relevante Stenose. Im Vergleich zur Voruntersuchung bessere Haltung der HWS, Rückbildung der vormals stärkeren Kyphose.
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Weiterer Vorbefund: MRT LWS / BWS vom 01/2015: Klinische Angaben: Unklares Wirbelsäulensyndrom mit Parästhesien sowohl der oberen Extremität als auch des linken Beines unklarer Genese. Zur Abklärung und DD. Beurteilung: MR-tomographisch minimal degenerativ veränderte knöcherne Strukturen sowie einzelner Bandscheiben im mittleren BWS-Drittel, jedoch kein NPP. Kein Tumor. Keine Filiae.
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Gegenüber der Patientin genannte Diagnosen / Symptome, Beschwerde-
einschätzungen, entnommen aus einem zusammenfassenden Schreiben der Patientin: 1. Physiotherapeut: Extrem verspannter und extrem blockierter Nacken 2. Physiotherapeut: Steilstellung HWS, evtl. CMD, Schlüsselbeinstellung schief, Muskulatur Rückenstrecker rechtsseitig verspannt, alles dicht Orthopäde mit Zusatzqualifikation Chirotherapie und Osteopathie: Ursache der starken Schmerzen sei ein Triggerband Empfohlene Therapie: Faszientherapie (Igelleistung ca. 5 Behandlungen – Kosten rd. 500 Euro)
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Gegenüber der Patientin genannte Diagnosen / Symptome, Beschwerde-
einschätzungen, entnommen aus einem zusammenfassenden Schreiben der Patientin: Nach der 3. Behandlung weitere Veränderungen. Kaum noch Schmerzen, auch etwas verbesserte Beweglichkeit in der HWS, aber Druckgefühl im Brustbereich, was sich etwa so anfühlt als ob etwas quer die Speiseröhre runtergeht, nur dass es nicht die Speiseröhre ist, immer noch da, aber schwankend… Dem Arzt sei dies bei der 4., letzten Behandlung mitgeteilt. Er vermutete als Ursache evtl. einen Tumor an der Speiseröhre. Taubheitsgefühl evtl. durch Borreliose, ob ich einmal von einer Zecke gebissen worden sei.
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Gegenüber der Patientin genannte Diagnosen / Symptome, Beschwerde-
einschätzungen, entnommen aus einem zusammenfassenden Schreiben der Patientin: Klinik, Abt. Wirbelsäulen- und Skoliose-Chirurgie: Diagnosen: Chronische Haltungsinsuffizienz mit einem lumbalen Dekonditionierungs- syndrom bei schwerer somatoformer Schmerzverarbeitungsstörung resp. starke Beeinträchtigung der Lebensqualität Linkskonvexe Lumbalskoliose von 13°nach Cobb ohne Hinweise auf Segmentations- oder Formationsstörung Zervikaler Bandscheibenvorfall C5/C6, C6/C7 ohne zervikale Myelopathie
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Therapieempfehlung: Die Patientin wünscht Aufnahme in die Rehabilitationseinrichtung, zum Erlernen der Schroth-Übungen. Aus meiner Sicht kann das nur ein erster Versuch sein, um der Patientin mittelfristig zu helfen. Ich halte es für notwendig, dass sie zusätzlich eine multimodale Schmerztherapie und eine psychotherapeutische / psychologische Behandlung ab sofort erhält. Aus meiner Sicht ist es notwendig, interdisziplinär bei der Patientin vorzugehen, da aufgrund des langen Leidensweges von über 5 Jahren eine ziemlich verzweifelte Situation eingetreten ist…
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Rehabilitation: Entlassungsform: vorzeitig auf ärztliche Veranlassung Besonderheiten des Reha-Verlaufs: „Aufgrund des derzeitigen gesundheitlichen Zustands der Patientin ist die ausschließliche Schroth-Therapie für die Patientin im Moment nicht geeignet. Sie konnte während der durchgeführten Übungseinheiten die geforderten Korrekturen nicht ansatzweise umsetzen, die Patientin ist für das bei uns umgesetzte Konzept der Therapie nach K. Schroth aktuell nicht rehafähig. Aus diesem Grunde entließen wir die Patientin vorfristig mit ärztlicher Veranlassung.“
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Gespräch mit Stationsarzt und Chefarzt (1 Tag nach
Aufnahme) – Gesprächsdauer 60 Minuten: Fragestellung: Therapiebündnis zwischen Patientin und VMO-Abteilung der Berolina Klinik herstellbar? … Im Jahr 2015 fand intensive Therapie statt, u. a. 24x Krankengymnastik nach Schroth, 24x Krankengymnastik bei cranimanibulärer Dysfunktion, zusätzlich über 3 Monate 2x wöchentlich privat finanzierte Therapien. Alle diese Therapien blieben ohne Effekt. Die Patientin gibt an, im Alltag sehr eingeschränkt zu sein. Das Einkaufen wird seit 1,5 Jahren von der Mutter und dem Freund durchgeführt.
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Gespräch mit Stationsarzt und Chefarzt (1 Tag nach
Aufnahme) – Gesprächsdauer 60 Minuten: Sie sei lediglich in der Lage, ein Essen in die Mikrowelle zu stellen. Wäsche oder Haare waschen gelinge nur an manchen Tagen. 2x bis 3x monatlich verlasse sie das Haus. Die maximale Gehstrecke wird mit 250 bis 300 Meter angegeben. Sitzen sei für max. 5 Minuten am Stück möglich, Stehen für ca. 30 Minuten. Die Patientin berichtet in dem Gespräch über die anstehende Aussteuerung.
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Arbeitsplatzbeschreibung:
Bei mir hat sich im Zeitraum 2011 bis 2015 eine Skoliose entwickelt, die seit März 2015 nicht mehr in einem skoliotischem Gleichgewicht ist, sondern statisch und muskulär dekompensiert ist, das heißt, mein Körper verdreht sich, wenn ich entspannt stehe und sitze, um die eigene Achse (sagital). Dadurch bedingt leide ich unter häufiger Übelkeit / Brechreiz. Ich kann daher nicht mehr ein KFZ führen.
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Physiotherapeutischer Einzelbericht:
HWS-Links/Rechts-Rotation: ° Flex-/Extension HWS: ° … Insgesamt kann ich die Problematik aus orthopädischer Sicht nicht einordnen…
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Einzel-Ernährungsberatung:
Die Patientin schilderte sehr ausführlich ihre Problematik bezüglich des Essens. Sie sei immer dünn bzw. an der Grenze zum Untergewicht gewesen, könne jedoch essen was und wie viel sie wolle, es führe nicht zu einer Gewichtszunahme. Im Zuge einer Ausbildung zum Fitnesstrainer habe sie sich auch mit Lebensmittelzusammensetzung bzw. Verdauung beschäftigen müssen und da sei ihr aufgefallen, dass sie eigentlich keinen normalen Stuhlgang, sondern tendenziell eher Durchfall habe. Untersuchungen auf Zöliakie bzw. Laktoseintoleranz ergaben keinen Befund, jedoch reagiere sie auf Sorbit, dass sie seitdem so gut es geht meidet.
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Einzel-Ernährungsberatung:
Da sie neben Durchfall auch unter Übelkeit und Schwellungen im Mund- und Rachenbereich leide, vermute sie weitere Unverträglichkeiten. Während einer vierwöchigen Auslassdiät sei es ihr körperlich besser gegangen und sie habe leicht zunehmen können, obwohl diese Diät subjektiv nicht hoch kalorisch gewesen sei. Sie reagiere auf hohe Histaminmengen und meide auch diese im Essen. Ein Arzt habe ihr empfohlen, Hühnerei und Milchprodukte wegzulassen, da sie möglicherweise auch darauf reagieren könne. Dies habe sie jedoch nicht ausprobiert, da sie sich dadurch zu sehr eingeschränkt fühle.
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Psychologischer Abschlussbericht (3 verhaltenstherapeutische
Einzelgespräche): Dabei wirkte sie hoch angespannt. Während der Gespräche wechselte sie häufiger zwischen Stehen, Sitzen und Knien und war darüber hinaus oft damit beschäftigt, einzelne Körperteile (meist Kehlkopf und Nacken sowie Magenregion und mittlerer Rücken) zu „kneten“, um diese zu lockern. Ihr Ziel sei es nun, ihr eigenes Bindegewebe von Kopf bis Fuß „umzubauen“ und zu stabilisieren.
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Psychologischer Abschlussbericht (3 verhaltenstherapeutische
Einzelgespräche): Als Auslöser für ihre körperlichen Beschwerden sieht die Patientin eine Überlastung beim Fitnesstraining Zu dieser Zeit habe es auch angefangen, in ihrer Beziehung zu kriseln, die sie 20 Jahre mit ihrer Jugendliebe geführt habe kam es zur Trennung vom langjährigen Partner und damit auch zum Verlust eines Großteils ihres Freundeskreises habe die Patientin eine 3-monatige Affäre geführt, die sie als emotional missbräuchlich erlebte („Er machte mir beleidigende Komplimente“). Dies habe teilweise Erinnerungen an ihr schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater aufgewühlt, derzeit habe sie keinen Kontakt zu ihrem Vater.
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Psychologischer Abschlussbericht (3 verhaltenstherapeutische
Einzelgespräche): Auch die Beziehung zur Mutter sei schwierig. Sie erlebe diese oft als kalt, („Sie hat Gefühle wie ein Eisklotz“). Ende 2014 habe sie sich verliebt und ihre derzeitige Partnerschaft begonnen. Allerdings sei sie nun in Alltags- funktionen mehr eingeschränkt als zuvor (nicht mehr arbeitsfähig; nur Taxifahrten, wenn sie das Haus überhaupt verlasse; Einkaufen und Haushaltsführung hochproblematisch). Die Krankheit stehe seitdem im Vordergrund. Sie verbringe viel Zeit mit Arztbesuchen und belese sich über ihre Krankheitsbilder.
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Psychologischer Abschlussbericht (3 verhaltenstherapeutische
Einzelgespräche): Bei der Alltagsbewältigung seien ihr Partner und ihre Mutter sehr unterstützend. Die Partnerschaft sei aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen seit der Anfangsphase platonisch. Emotional sei sie frustriert, teils hoffnungslos („Ich werde ein Pflegefall“) und wütend („Ich werde nicht gehört“). Internes – nicht zur Übernahme: Die Patientin wurde gebeten, einen Biografiefragebogen mit auf ihr Zimmer zu nehmen und auszufüllen; dies wolle sie aber nicht. „Sie hätte bereits genügend akute Probleme, mit denen sie sich gerade auseinandersetze“
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Aktennotiz des Stationsarztes bezüglich des Abschlussgespräches:
Das Abschlussgespräch hier gestaltete sich heute sehr merkwürdig. Die Patientin lehnt es primär ab, sich körperlich untersuchen zu lassen. Nur nach nachhaltiger Aufforderung war es dann möglich, die Schultergelenks- beweglichkeit links und rechts zu überprüfen… Die Patientin absolviert das ganze Abschlussgespräch im Stehen, übte dabei ihre sich selbst angeeigneten entlastenden Behandlungen, Fingergriff im Hals- und LWS-Bereich durch. Zwischenzeitlich auch subjektiv aufgekommene angegebene Übelkeit.
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Aktennotiz des Stationsarztes bezüglich des Abschlussgespräches:
Ausgeprägte Ambivalenz bezüglich der von uns angedachten Empfehlung zur ambulanten Psychotherapie. Von der Patientin wurden vor Reha-Ende Kopien der Einzelberichte der Physiotherapeuten und Psychologen erwünscht.
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Psychosomatisches Konsil:
… Zum Gespräch erschien eine leicht skeptisch wirkende, untergewichtig erscheinende Patientin, die zunächst eine kniende Position einnahm und während des Gespräches einige Male diese zwischen Knien und Stehen veränderte. Von der Patientin war zu erfahren, dass sie sich in der Klinik sehr wohl gefühlt habe, die teilweise eng aufeinander folgenden Therapien jedoch sehr stressig erlebt habe. Eine wesentliche Besserung ihrer Beschwerden habe sie jedoch nicht feststellen können.
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Psychosomatisches Konsil:
Durch Verschieben der Wirbel im BWS-Bereich komme es zu Übelkeit und Brechreiz, der Körper verdrehe sich, wenn sie entspannt stehe. Zuhause gehe „nichts“ mehr. Nach dem Haare waschen brauche sie beispielsweise Zeit zum Regenerieren und selbst Zähne putzen stelle schon eine große Belastung dar. Diagnose: Somatisierungsstörung (F45.0)
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Psychosomatisches Konsil:
Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung: Entlassung aus psychosomatischer Sicht weiterhin arbeitsunfähig bei unzureichender psycho-physischer Stabilität. In der Gesamtschau der Beeinträchtigungen, die nur in Teilen objektivierbar erscheinen, kann kein positives Leistungsbild erstellt werden. Die Patientin ist in ihren Alltags- aktivitäten in hohem Maße glaubhaft eingeschränkt. Da momentan wenig Einsicht in eine psychische Mitgenese der Erkrankung vorliegt, ist auch nicht davon auszugehen, dass sich das Krankheitsbild binnen eines Zeitraumes von 6 Monaten gravierend verbessern wird. Zusammen- fassend besteht sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden. Eine Nachbegutachtung erscheint in frühestens 12 Monaten sinnvoll.
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Psychosomatisches Konsil:
Anmerkung / Weitere Empfehlungen: Die Patientin demonstrierte als Ursache ihre multiplen körperlichen Beschwerden, ein komplexes, teilweise irritierend und bizarr anmutendes Erklärungsmodell. Eine Offenheit gegenüber einer psychischen (Mit-) Beteiligung zeigte sich leider nicht. Auch konnte keine Einsicht in die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Einzelbegleitung erreicht werden, mit deren Hilfe eine vorsichtige Annäherung an den sicherlich nicht unerheblichen intrapsychischen Konflikt gelingen könnte. Die Patientin plante die Anbindung an eine Gruppentherapie, wie sie beispielsweise in der Psychosomatik als intensivierte Reha-Nachsorge angeboten wird.
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Entlassungsbericht Berolina Klinik:
Somatisierungsstörung (F45.0) BWS-Syndrom bei u. a. links konvexer Skoliose Th7-Th13, Mehrsegmentalspondylarthrose mit leichter Funktionseinschränkung (M51.1) Pseudoradikuläres HWS-Syndrom bei u. a. Bandscheibenprolaps C5/6, C6/7 mit leichter Funktionseinschränkung (M47.82) Omalgie beidseits mit leichter Funktionseinschränkung (M25.51)
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Entlassungsbericht Berolina Klinik:
Sozialmedizinische Epikrise: Qualitative/quantitative Beurteilung bezogen auf die letzte berufliche Tätigkeit: Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig bei persistierenden Beschwerden/ Symptomen. Für die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit besteht Leistungsfähigkeit für unter 3 Stunden (siehe psychosomatisches Konsil).
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Entlassungsbericht Berolina Klinik:
Sozialmedizinische Epikrise: Qualitative/quantitative Beurteilung für den allgemeinen Arbeitsmarkt: Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden. In der Gesamtschau ist davon auszugehen, dass eine Leistungsfähigkeit innerhalb einer 6-Monats-Frist nicht erreicht wird (siehe psychosomatisches Konsil). Eine Nachbegutachtung erscheint frühestens nach 12 Monaten sinnvoll.
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Kategorisierung dieses Fallbeispiels in Anlehnung an EX-PLORE
Exploration von Problemlagen in der orthopädischen Rehabilitation vorgelegt durch B. Schwarz 4/2014 SIMBO-Punktzahl 64 PHQ-Wert liegt nicht vor
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Aufgrund der vorliegenden psychologischen Testdiagnostik, insbesondere
IRES, ergebe sich bei dieser Patientin allerdings lediglich ein Wert von 4 und wäre somit eindeutig unter dem Cut-off-Wert von 6 (6-9 yellow-flag, 9-12 red flag)
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Bei Einführung einer Zuweisung gemäß den Empfehlungen aus dem
EXPLORE-Projekt wäre diese Patientin in den MBOR-Bereich zugewiesen worden. Bei dieser Patientin wurde allerdings abschließend aus psychosomatischer Sicht eine die Leistungsfähigkeit wesentlich beeinflussende psychosomatische Diagnose gestellt (unter 3 Stunden allgemeiner Arbeitsmarkt). Grundsätzlich ist ein Screening mittels z. B. Simbo und PHQ sinnvoll, allerdings kann man nicht immer von einer zielführenden Ausfüllqualität der Screenings ausgehen.
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Zusammenarbeit mit der psychosomatischen Abteilung
29 Ärzte und 19 Psychotherapeuten FA f. Psychiatrie, FA f. psychosomatische Medizin und Psychotherapie, FA f. Neurologie, FA f. Orthopädie, FA f. Frauenheilkunde und Geburtshilfe, FA f. Allgemeinmedizin, FA f. Physikalische und Rehabilitative Medizin Großer Profit durch gegenseitige Konsiliartätigkeit (wichtig für die sozialmedizinische Beurteilung) Indikationswechsel sind problemlos möglich bei im Vordergrund stehender F-Diagnose 43
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Nutzbare therapeutische Angebote der psychosomatischen Abteilung:
Kopfschmerzprogramm (Verhaltenstherapeutisch orientierte psychologische Gruppe, 3 ärztliche Vorträge, Bio-Feedback) Mobbing-Gruppe Burnout-Gruppe MBOR-Angebot - Work-Balance-Gruppe (ggf. Angst- und Depressions-Gruppe) 44
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Zusammenarbeit mit der psychosomatischen Abteilung Indikationswechsel
(aus der Verhaltensmedizinischen Orthopädie in die Psychosomatik) ,4% ,6% ,1% ,2% ,5% 45
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Psychosomatik – Konsilaufträge
Hauptgrund: Sozialmedizinische Beurteilung Weitere Gründe: Psychopharmaka-Medikation Unterstützung der Psychotherapeuten bei der Diagnosestellung Anschlusstherapien? 46
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Zusammenarbeit mit der psychosomatischen Abteilung
Konsiliardienst (ausgewertet wurden die letzten 100 von 1004 Pat. durchgeführten psychosomatischen Konsile im Jahr 2016) = knapp 10% Beurteilung letzte Tätigkeit Beurteilung allgemeiner Arbeitsmarkt Anzahl < 3 Stunden < 3 Stunden < 3 Stunden 3 bis 6 Stunden 3 bis 6 Stunden 3 bis 6 Stunden 27 47
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Zusammenarbeit mit der psychosomatischen Abteilung
Konsiliardienst (ausgewertet wurden die letzten 100 von 1004 Pat. durchgeführten psychosomatischen Konsile im Jahr 2016) = knapp 10% Beurteilung letzte Tätigkeit Beurteilung allgemeiner Arbeitsmarkt Anzahl < 3 Stunden > 6 Stunden 3 bis 6 Stunden > 6 Stunden > 6 Stunden aber Gefährdung der Erwerbsfähigkeit 56 > 6 Stunden > 6 Stunden LTA 48
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Orthopädische Plausibilitätsprüfung
Beobachtung des Rehabilitanden in verschiedenen Settings (Stationsarzt, Oberarzt, Chefarzt, Einzel-/Gruppen- Bewegungstherapeut, Einzel-Physiotherapeut, ggf. Ergotherapeut und Psychologen) Abgleich der Eindrücke / Schmerzangabe / Bewegungsbefunde im Team Standardisierte Untersuchung z. B. mittels FBA / Ott / Schober / Laségue / Langsitz zu verschiedenen Zeitpunkten durch oben genannte Berufsgruppen 49
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Orthopädische Plausibilitätsprüfung
Schulungen (Oberärzte, Stationsärzte aber auch Physiotherapeuten) für immer gleiche Dokumentation Bei Anamneseerhebung werden standardisiert die VAS-Werte bestimmt. Abhängigkeiten (z. B. Lageposition) werden erfragt. Effekte von Medikamenten werden erfragt, prozentuale Besserung von … / durch… 50
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(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) Druckempfindlichkeit Scheinmanöver Ablenkung Neuroanatomie Überreaktion 51
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(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) 1. Druckempfindlichkeit (nicht nachvollziehbar) Tief: Tiefe Schmerzempfindlichkeit über die üblichen muskuloskeletalen Grenzen hinaus (Ausbreitung Occiput bis Os coccygis) Oberflächlich: Schmerzempfindlichkeit der Haut im lumbalen Bereich auf leichten Druck / leichtes Kneifen 52
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(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) 2. Scheinmanöver Stauchung (sanft; Patient stehend): Sanfter Druck auf Schädelkalotte, Schmerzauslösung lumbal → positiv Rumpfdrehung (en bloc): Gleichzeitig passive Rotation Schultergürtel/Stamm/Beckenbereich en bloc (Arme/Hände am Beckenrand fixiert) Schmerzauslösung lumbal → positiv 53
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(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) 3. Ablenkung (nicht kohärente Untersuchungsbefunde bei der passiven Untersuchung im Status und unter Ablenkung); typisches Beispiel: Lasègue im Sitzen/Liegen: klassische Lasègueprüfung vs. Langsitz; Differenz < 20°normal, Differenz > 40°positiv 54
55
(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) 4. Neuroanatomie Schwäche: Muskelschwäche über Myotomgrenzen hinaus und / oder wechselnde Befunde Sensorische Defizite auf leichte Berührung über Dermatomgrenzen hinaus 55
56
(aus PhysMed - * Waddell at al. 1980)
Waddell-Zeichen (aus PhysMed - * Waddell at al. 1980) 5. Überreaktion (während Anamnese oder Untersuchung): Vorsichtiges Verhalten (Steifigkeit, rigide, unterbrochene Bewegungsabläufe) Verspannte Haltung (unphysiologische Gewichtsverteilung) Grimassieren, übertriebenes Seufzen, Atemverhalten 56
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