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Konversatorium zum Strafrecht BT I
(Grundkurs III) – Nicht-Vermögensdelikte – Dozentin: Dr. iur. Tamina Preuß Zeit und Ort: freitags 8 Uhr c.t. bis 9:45 Uhr bzw. 10 Uhr s.t. bis 11:30 Uhr in S 101 (Paradeplatz) Kontakt:
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Hinweis zur Probeklausur
1. Probeklausur am Freitag, dem , von 8-10 Uhr in HS 216 NU (Audimax) Ausfall der Konserven am kommenden Freitag ( ) Ablauf der heutigen Stunde I. Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB II. Bearbeitung Fall 4 III. Der neue § 217 StGB – Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
Rechtsnatur: selbstständiger Tatbestand (Rspr.) bzw. unselbstständige Privilegierung zu § 212 I StGB (Lit.) Grund der Privilegierung: Unrecht (Rechtsgutsver-zicht) u. Schuld (Mitleidskonflikt, Hilfsmotivation) ge-mindert (Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schrö-der, 29. Aufl. 2014, § 216 Rn. 1) Prinzip der Unantastbarkeit fremden Lebens (Ren-gier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 6 Rn. 1) Sperrwirkung für §§ StGB (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 216 Rn. 2) I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
a. Tatobjekt: ein anderer Mensch b. Tathandlung: Töten beliebige Handlung, die den Tod herbeiführt str. Begehung durch Unterlassen in Garantenstel-lung, § 13 I StGB (vgl. weiterführend: Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 216 Rn. 10; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT I, 41. Aufl. 2017, § 2 Rn. 181) unstr. möglich, wenn ein Dritter das Opfer auf dessen Verlangen tötet u. der Garant nicht eingreift str. bei Nichthinderung des Freitods durch Garanten aufgrund ernstlicher Aufforderung des zur Selbsttötung Entschlossenen
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
Abgrenzung von strafbarer Fremdtötung u. strafloser Beihilfe zu einer Selbsttötung die Rspr. grenzt nach Kriterien der Tatherrschaft ab: straflose Beihilfe liegt vor, wenn der Todeswillige bis zuletzt die freie Entscheidung u. Kontrolle über den Geschehensablauf behält „Wechsel der Tatherrschaft“ bei Eintritt der Bewusstlosigkeit, in diesem Fall Entfallen der Strafbarkeit nur in „äußersten Grenzlagen“ (zum Ganzen BGHSt 32, 367 [„Wittig-Fall“]; a.A. wegen des Wertungswiderspruchs zur straflosen Beihilfe zum Suizid u. der Zufallsabhängigkeit der Strafbarkeit vom eingesetzten Tötungsmittel: StA München I NStZ 2001, 345; Fischer, 63. Aufl. 2016, Vor § Rn. 23 m.w.N.) c. Ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Ge-töteten
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
Verlangen = Willensäußerung mit dem Ziel, den Adressaten zur Tötung zu veranlassen; mehr als bloße Einwilligung die Initiative muss nicht zwingend vom Opfer ausgehen (Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 35. Aufl. 2017, § 216 Rn. 9) kann auf bestimmte Adressaten und/oder Tötungsmoda-litäten beschränkt werden (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 6 Rn. 6a) kann unter Bedingungen gestellt werden (vgl. BGH NJW 1987, 1092 – „Scophedal“-Fall: Bedingung des fehlgeschlagenen Suizids) auch ggü. mehreren Adressaten, solange es bei einem indi-viduell begrenzten Kreis bleibt, z.B. mehrere Familien-mitglieder (Schneider, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. 2017, § 216 Rn. 15)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
jederzeit zurücknehmbar – muss im Tatzeitpunkt bestehen (Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT I, 41. Aufl. 2017, § 2 Rn. 177) ausdrücklich = in eindeutiger, nicht misszuver-stehender Weise, auch konkludent oder in Frageform „Wer sprechen kann, soll nicht an Gesten festgehalten werden“ (Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 35. Aufl. 2017, § 216 Rn. 10) objektiv feststellbare Anhaltspunkte für das Verlangen erforderlich (Sinn, in: SK, 9. Aufl. 2017, § 216 Rn. 8) ernstlich = auf freiverantwortlichem Willensent-schluss u. fehlerfreier Willensbildung beruhend natürliche Einsichts- u. Urteilsfähigkeit erforderlich (Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 35. Aufl. 2017, § 216 Rn. 11)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
„Vernünftigkeit ist kein taugliches Kriterium“ (Schneider, in: MüKo-StGB, § 216 Rn. 20) nicht bei unreflektiertem Verlangen in depressiver Augen-blicksverstimmung (vgl. BGH NStZ 2011, 340) Motivirrtümer können die Ernstlichkeit in Frage stellen (Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 35. Aufl. 2017, § 216 Rn. 11) d. Bestimmung des Täters zur Tötung = Tatentschluss zur Tötung wird erst durch das Verlangen des Opfers geweckt ähnlich Bestimmen i.S.d. § 26 StGB (der Täter darf noch nicht „omnimodo facturus“ sein) Motivbündel: das Verlangen muss handlungsleitend sein (BGH NJW 2005, 1876 [1879] „Kannibale von Rotenburg“-Fall; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT I, 41. Aufl. 2017, § 2 Rn. 178 m.w.N.)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (dolus eventualis) fehlende Kenntnis des Tötungsverlangens => Strafbarkeit gem. §§ 212, 211 StGB irrtümliche Annahme eines wirksamen Tötungsver-langens => § 16 II StGB: die Erfüllung des objektiven Tatbestands wird fingiert (Rengier, Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 6 Rn. 10)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
II. Rechtswidrigkeit § 32 StGB kaum denkbar Einwilligungssperre des § 216 StGB gegenüber aktiver Fremdtötung, Arg.: selbst dem Verlangen des Opfers kommt lediglich strafmildernde Kraft zu rechtfertigende Einwilligung bei Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch unter strengen Voraussetzun-gen (vgl. weiterführend BGH NStZ 2011, 274; NJW 2010, 2963) Behandlungsabbruch, unabhängig davon, ob es sich um ein aktives Tun o. Unterlassen handelt
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
einem zum Tode führenden Krankheitsprozess wird sein Lauf gelassen unabhängig von Art u. Stadium der Erkrankung, § 1901a III BGB dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen ent-sprechend – unter Beachtung der Verfahrensvoraussetzungen der §§ 1901a ff. BGB (verfahrensrechtliche Absicherung für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Patien-ten), insbesondere zwingendes Zusammenwirken von Be-treuer o. Bevollmächtigtem u. Arzt, §§ 1901b I 2, 1904 IV, V BGB)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB in Grenz fällen, in denen das Weiterleben des Sterbewilligen unerträglich erscheint (im Einzelnen str. vgl. Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. 2014, § 216 Rn. 15a) III. Schuld IV. Konkurrenzen Sperrwirkung für §§ StGB, z.B. bei heim-tückischer Tötung des schlafenden Sterbewilligen zu einem zuvor nicht näher besprochenen Zeitpunkt (Idealkonkurrenz, wenn durch die Tötungshandlung weitere Personen getötet werden)
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Prüfungsschema: Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
§§ 223 ff. StGB werden verdrängt str. Verhältnis der versuchten Tötung auf Verlangen zu §§ 224, 226 StGB: nach h.M. Sperrwirkung des § 216 StGB wegen der milderen Strafandrohung, Arg.: ansonsten würde der Täter im Falle des Versuches schlechter stehen als bei der Vollendung => daher zwar Strafbarkeit nach §§ 224, 226 StGB, aber Strafrahmen von § 216 StGB Gegenansicht: Annahme eines minderschweren Falles nach § 224 I a.E. oder § 226 III StGB ausreichend
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Fall 4: Liebeskummer Die Würzburgerinnen A, B und C sind seit vielen Jahren befreundet, als eines Tages A von ihrer großen Liebe verlassen wird. Sie hält deshalb ihr Leben nicht mehr für lebenswert, was sie ihren Freundinnen erzählt und was diese auch zunächst nachvollziehen können. Die Freundinnen beschließen, auf eine letzte gemeinsame Weltreise zu gehen, und A bittet B und C, ihr zu helfen, kurz vor ihrer Rückkehr aus dem Leben zu scheiden. B, eine Ärztin, besorgt daraufhin ausreichend Schlaftabletten und gibt sie der A bereits vor Antritt der Reise mit einer genauen Beschreibung der letalen Dosis. A beschließt, die Medikamente auf dem letzten Zwischenstopp, der Blumeninsel Mainau, einzu-nehmen.
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Fall 4: Liebeskummer Tatsächlich, als die drei Freundinnen Mainau erreichen, besorgt sich A ein Glas Wasser, nimmt die Schlaftabletten und setzt sich auf eine Bank, um ihren letzten Sonnenuntergang zu beobachten. In diesem Moment reicht ihr C ein Glas Sekt, in das sie eine tödliche Dosis Gift gemischt hat, da sie ebenfalls denkt, dass dies der perfekte letzte Moment für ihre Freundin wäre. Sie sagt ihr jedoch nichts davon, weil sie dies für die humanere Methode hält, ihr zu helfen. Als A auf der Bank zusammensinkt, erkennen B und C, dass kein Mann es wert sein kann, für ihn das Leben zu beenden, und rufen den Notarzt, und schon vor dessen Eintreffen sorgt B auf Cs Aufforderung dafür, dass A ihren Magen entleert. Dadurch kann A gerettet werden, sie muss jedoch aufgrund ihrer schweren Vergiftungen drei Wochen stationär behandelt werden.
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Fall 4: Liebeskummer Im Bett neben A liegt die tödlich erkrankte D, die nicht mehr bei Bewusstsein ist und nur noch dank einer Beatmungsmaschine lebt. Als ihr Sohn X dem Arzt E eine Patientenverfügung zeigt, in der D verfügt hat, nicht künstlich am Leben erhalten zu werden, wenn keine Aussicht auf ein Wiedererwachen besteht, beschließt dieser, die Beatmungsmaschine abzuschalten. Zudem gibt er der D ein Medikament, um ihr den Sterbeprozess zu erleichtern, das jedoch die Lebensdauer der Patientin zusätzlich verkürzt. Dies nimmt er billigend in Kauf. Kurz darauf verstirbt die D, einige Stunden eher als sie nach Abschalten der Beatmungsmaschine ohnehin verstorben wäre.
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Fall 4: Liebeskummer Bearbeitervermerk:
Wie haben sich A, B, C, und E nach dem StGB strafbar gemacht? Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt.
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Fall 4 Lösung: Tatkomplex 1: Selbstmord aus Liebeskummer
A. Strafbarkeit der A I. §§ 212 I, 22, 23 I StGB Selbsttötung ist tatbestandslos, Arg.: § 212 I StGB bezieht sich seinem Sinn nach auf einen „anderen“ Menschen (zur Herleitung: Neumann, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, Vor § 211 Rn. 37 ff.) II. §§ 223 I, 224 I StGB Selbstverletzung ist tatbestandslos, Arg.: § 223 I StGB bezieht sich schon seinem Wortlaut nach nur auf „andere Personen“
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Fall 4 Lösung: III. Zwischenergebnis (-) B. Strafbarkeit der B
I. §§ 212 I, 216, 22, 23 I StGB durch Bereitstellen der Medikamente Hinweis: Da hier zwei Anknüpfungspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten in Betracht kommen – Bereitstellen der Medikamente u. Untätigbleiben – ist es zwingend notwendig getrennt mit entsprechender Obersatzbildung zu prüfen. 1. Vorprüfung a. Nichtvollendung der Tat b. Strafbarkeit des Versuchs, §§ 23 I Alt. 2, 12 II, 216 II StGB
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Fall 4 2. Tatentschluss bzgl. des Taterfolgs (+) B möchte ihrer Freundin bei der Tötung helfen bzgl. einer eigenen Tötungshandlung: P.: Abgrenzung von strafbarer Fremdtötung und strafloser Teilnahme an einer Selbsttötung: s.o. A behält nach Bs Vorstellung die Entscheidungsbefugnis, ob ihr Tod eintritt daher hier straflose Beihilfe zu einer Selbsttötung Anmerkung: Die Straflosigkeit der Beihilfe zur Selbsttötung ergibt sich daraus, dass es für eine Strafbarkeit nach §§ 212 I, 27 StGB an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat fehlt.
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Fall 4 3. Ergebnis (-) II. § 223 I StGB
Taterfolg wg. freiverantwortlicher Selbstschädigung nicht objektiv zurechenbar III. §§ 223 I, 27 StGB vorsätzliche rechtswidrige Haupttat (-) IV. 212 I, 216, 13, 22, 23 I StGB durch Untätigbleiben 1. Vorprüfung 2. Tatentschluss bzgl. des Taterfolgs (+) B möchte ihrer Freundin bei der Tötung helfen
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Fall 4 bzgl. der Garantenstellung, § 13 I StGB:
Rspr.: im Augenblick des „Tatherrschaftswechsels“ wird der vorher straflose Teilnehmer zum Garanten aus Ingerenz h.L.: keine Garantenstellung, Arg.: aus der Straflosigkeit der aktiven Teilnahme an der Selbsttötung folgt, dass der Teilnehmer am Suizid, der nichts zur Verhinderung eines solchen Suizides unternimmt, ebenfalls straflos ist; die freiverantwortliche Entscheidung des Suizidwilligen wirkt auch bei Eintritt der Bewusstlosigkeit fort (anders nur, wenn ausnahmsweise Anhaltspunkte für eine Willensänderung des Suizidenten bestehen); die Ansicht der Rspr. lässt dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht hinreichend Raum
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Fall 4 3. Ergebnis (-) C. Strafbarkeit der C
Streit kann dahinstehen, da B im Augenblick der Bewusst-losigkeit tatsächlich handelt, indem sie dafür sorgt, dass A ihren Magen entleert und anschließend den Notarzt ruft, insofern fehlt es am Tatentschluss bzgl. der Nichtvornahme der erforderlichen u. physisch-real möglichen Handlung 3. Ergebnis (-) C. Strafbarkeit der C I. §§ 212 I, 216 (25 I Alt. 2), 22, 23 I StGB 1. Vorprüfung (+) 2. Tatentschluss a. Grunddelikt, § 212 I StGB bzgl. des Taterfolgs (+)
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Fall 4 P.: bzgl. einer eigenen Tathandlung (Tatmittler als Werkzeug gegen sich selbst): Lit.: (-), Fall der mittelbaren Täterschaft nach § 25 I Alt. 2 StGB, Arg.: § 25 Abs. 1, Alt. 2 StGB ist auch in Zweipersonen-verhältnissen anwendbar Rspr. (+), keine Anwendung von § 25 I Alt. 2 StGB, Arg.: Täter hat alle Faktoren des Kausalverlaufs vorgesteuert und nutzt bewusst die Regelhaftigkeit von Handlungsabläufen aus, so dass die Mitwirkung des Opfers bloßer Kausalfaktor ist mit der Rspr. daher Tatentschluss bzgl. einer eigenen Tathandlung b. Privilegierung, § 216 StGB ausdrückliches Verlangen (+)
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Fall 4 Ernstlichkeit des Verlangens (+)
nicht jedem vielleicht unvernünftigen Entschluss fehlt es an Ernstlichkeit Bestimmung des Täters zur Tötung (+) 3. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB = wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die – nach seinem Tatplan – in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen u. zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen
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Fall 4 hier mit Überreichen des Sektglases 4. Rechtswidrigkeit
rechtfertigende Einwilligung in eine aktive Tötungs-handlung nicht möglich, da sich aus der Existenz des § 216 StGB ergibt, dass das Leben nicht disponibel ist 5. Schuld 6. Persönlicher Strafausschließungsgrund: Rücktritt, § 24 I StGB a. Kein fehlgeschlagener Versuch b. Erforderliche Rücktrittshandlung c. Freiwilligkeit
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Fall 4 7. Ergebnis (-) II. §§ 223 I, 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nr. 5 StGB
1. Tatbestand a. Grunddelikt, § 223 I StGB aa. Objektiver Tatbestand körperliche Misshandlung; Gesundheitsschädigung (+): schwere Vergiftung mit stationärer Behandlung bb. Subjektiver Tatbestand Einheitstheorie b. Qualifikation, § 224 I StGB
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Fall 4 durch Beibringung von Gift, § 224 I Nr. 1 Alt. 1 StGB
Gift = jeder organische o. anorganische Stoff, der unter be-stimmten Bedingungen durch chemische o. chemisch-physi-kalische Wirkung nach seiner Art u. der vom Täter eingesetz-ten Menge im konkreten Fall geeignet ist, ernsthafte gesund-heitliche Schäden zu verursachen (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 224 Rn. 3a) Beibringen = Einführen der Stoffe in o. Auftragen der Stoffe auf den Körper eines anderen, dass sie ihre schädigende Ei-genschaft zu entfalten in der Lage sind (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 224 Rn. 6) hier: Reichen eines Glases Sekt mit einer tödlichen Dosis Gift mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGB (+) A wäre fast gestorben
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Fall 4 b. Subjektiver Tatbestand 2. Rechtswidrigkeit
rechtfertigende Einwilligung der A: disponibles Rechtsgrund (+), aus § 228 StGB ergibt sich, dass die körperliche Unversehrtheit disponibel ist keine Sittenwidrigkeit der Tat, § 228 StGB Hinweis: Es kommt auf die Sittenwidrigkeit der Tat, trotz Einwilligung, nicht die Sittenwidrigkeit der Einwilligung, an. - sittenwidrig = gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend - normative Bewertung nach Schwere u. Umfang der Körperverletzung u. ergänzend nach dem Tatzweck (Fischer, StGB, 63. Aufl. 2016, § 228 Rn. 9a f.)
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Fall 4 3. Schuld 4. Strafzumessung
- hier (+) da zum Zwecke der Tötung vorgenommen u. von besonderer Schwere daher keine wirksame Einwilligung 3. Schuld 4. Strafzumessung P.: die Strafandrohung des § 224 StGB (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren) ist höher als die des § 216 StGB (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren): Hätte C die A sterben lassen, wäre sie nur nach § 216 StGB strafbar, da die Körperverlet-zungsdelikte hinter den Tötungsdelikten subsidiär zurücktreten. Dadurch, dass sie A rettet, „verliert“ sie den für sie günstigeren Strafrahmen des § 216 StGB:
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Fall 4 D. Ergebnis zum 1. TK keine Strafbarkeit von A und B
e.A.: Strafrahmen des § 216 StGB findet trotz Strafbarkeit aus § 224 StGB Anwendung a.A.: minderschwerer Fall des § 224 I a.E. StGB (Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren) D. Ergebnis zum 1. TK keine Strafbarkeit von A und B Strafbarkeit der C gem. § 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nr. 5 StGB Tatkomplex 2: Im Krankenhaus: Strafbarkeit des E I. §§ 212 I, 216 StGB (Abschalten des Beatmungsgeräts) 1. Tatbestand
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Fall 4 a. Objektiver Tatbestand Taterfolg (+) D ist verstorben
Tathandlung frühere Rspr.: Abgrenzung von Tun und Unterlassen: Einstellen von lebenserhaltenden Maßnahmen nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ein Unterlassen aktuelle Rspr.: alle Handlung, die mit der Beendigung der ärztlichen Behandlung zusammenhängen, werden unter dem Oberbegriff Behandlungsabbruch zusammengefasst, unab-hängig davon, ob sie durch aktives Tun oder Unterlassen erfolgen (BGH NStZ 2010, 630) Kausalität: kein Abbruch des Kausalzusammenhangs durch die lebens-verkürzende Spritze, da diese keine neue Kausalkette in Gang setzt
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Fall 4 Privilegierung des § 216 StGB (+) b. Subjektiver Tatbestand
keine Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe (D wäre einige Stunden später ohnehin gestorben) Privilegierung des § 216 StGB (+) b. Subjektiver Tatbestand 2. Rechtswidrigkeit rechtfertigende Einwilligung grds. nicht möglich, Arg.: s.o. ausnahmsweise rechtfertigende Einwilligung bei Ster-behilfe durch Behandlungsabbruch, Arg.: ansonsten wäre § 1901a BGB bei tödlichen Krankheitsverläufen quasi gegenstandslos
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Fall 4 Patientenverfügung, § 1901a BGB
(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Be- handlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. © pixelio.de
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Fall 4 Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. (2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten. (4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden. (5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.
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Fall 4 Voraussetzungen der Einwilligung in den Behandlungs-abbruch:
Hinweis: Eingewilligt wird in diesem Fall nicht in die Tötung, sondern in den Behandlungsabbruch. Voraussetzungen der Einwilligung in den Behandlungs-abbruch: lebensbedrohliche Erkrankung: hier (+) Behandlungsabbruch entspricht dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen: hier (+) D hat verfügt, dass sie nicht künstlich am Leben gehalten werden möchte daher handelte E nicht rechtswidrig 3. Ergebnis (-) II. §§ 212 I, 216 StGB (Verabreichung des Medikaments) 1. Tatbestand a. Grunddelikt, § 212 I StGB
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Fall 4 aa. Objektiver Tatbestand
Taterfolg (+) jedwede Lebensverkürzung ausreichend objektive Zurechnung bei sog. indirekter Sterbehilfe (Hilfe beim Sterben), d.h. Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten mit lebensver-kürzenden Nebenwirkungen: Mindermeinung (-), Arg.: Behandlung eines unheilbar Kranken oder Sterbenden zur Linderung von Schmerzen und zur Ver-meidung unnötiger Todesqualen unter Inkaufnahme lebens-verkürzender Nebenwirkungen sei ihrem sozialen Gesamtsinn nach aber etwas ganz anderes als eine Tötungshandlung; sie richtet sich nicht gegen das Leben, sondern ist die einzige Möglichkeit dem erlöschenden Leben noch zu dienen h.M.: (+), Arg.: faktische Rechtsgutsverletzung
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Fall 4 bb. Subjektiver Tatbestand b. Qualifikation, § 216 StGB
Privilegierung des § 216 StGB (-) das Verlangen der D ist ausschließlich auf den Behandlungsabbruch ge-richtet 2. Rechtswidrigkeit Einwilligung nur auf Behandlungsabbruch bezogen mutmaßliche Einwilligung (+/-), wohl abzulehnen, da insoweit nicht in die Patientenverfügung aufge-nommen b. Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB Notstandslage
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Fall 4 Notstandshandlung
Güter- und Interessenabwägung: Patientenwille auf Ermöglichung eines Todes in Würde u. Schmerzfreiheit gegen Leben P.: es werden Rechtsgüter desselben Rechtsgutsträgers gegen-über abgewogen; das Leben ist einer Abwägung nicht zugänglich; der Wortlaut des § 34 StGB passt nicht auf diese Situation die h.M. wendet § 34 StGB dennoch als „Behelfskonstruktion“ an (zum Ganzen: Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht BT 1, 41. Aufl. 2017, § 1 Rn. 35 ff.) subjektive Rechtfertigungselemente 3. Ergebnis (-)
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Fall 4 Gesamtergebnis keine Strafbarkeit von A, B und E
Strafbarkeit der C gem. § 224 I Nr. 1 Alt. 1, Nr. 5 StGB
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für eure Aufmerksamkeit!
Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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