Präsentation herunterladen
Die Präsentation wird geladen. Bitte warten
1
Strafrechtsgeschichte
Prof. Dr. Peter Oestmann Strafrechtsgeschichte Wintersemester 2017/18
2
Regelungsprobleme und Lösungsmöglichkeiten
1. Folgt die Strafe zwingend auf eine bestimmte Handlung? 2. Wird die Sanktion durch den Staat, durch Privatleute oder gesellschaftliche Institutionen verhängt? 3. Worin besteht die Sanktion, in einem Opfer an die Allgemeinheit oder an den Geschädigten? 4. Warum erfolgt die Sanktion, was soll sie bewirken? 5. Welche Grundlage gibt es für eine Sanktion, erfolgt sie durch Gesetz? 6. Trifft die Sanktion jeden Täter gleich, oder gibt es Ungleichbehandlung?
3
Literatur - Wilhelm Eduard Wilda, Das Strafrecht der Germanen (= ders., Geschichte des deutschen Strafrechts, Erster (und einziger) Band), Halle 1842 - Rudolf His, Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 2 Bände, Weimar 1920/1935 - Eberhard Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. Göttingen 1965, inzwischen Klassiker, in wichtigen Einzelfragen aber überholt - Hinrich Rüping/Günter Jerouschek: Grundriss der Strafrechtsgeschichte (knapp, aber auf aktuellem Stand), 6. Aufl. 2011 - Sellert/Rüping, Studien- und Quellenbuch, hilfreiche, detaillierte Quellensammlung, 2 Bände Aalen 1989/1994. - Thomas Vormbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, Berlin/Heidelberg 2009 (Beginn um 1800) - Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff (Hrsg.), Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000 - Gerd Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, Frankfurt, New York 2011 - Peter Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren, Köln, Weimar, Wien 2015
4
Die Lösung im geltenden Recht
1. Strafe als gesetzliche Strafe. 2. Strafe als Freiheits- oder Geldopfer 3. Strafe ist Schuldausgleich 4. Strafe ist gleiche Strafe 5. Strafe bezweckt auch Abschreckung
5
Codex Hammurabi, ca. 1750 v. Chr.
Gesetzt, ein Mann hat das Auge eines Freigeborenen zerstört, so wird man sein Auge zerstören. Gesetzt, ein Mann hat einem anderen ihm gleichgestellten Mann einen Zahn ausgeschlagen, so wird man ihm einen Zahn ausschlagen.
6
Ältestes Strafrecht Nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn (Talion) Sondern: Gewalt und Konsens/Versöhnung
7
Fehde Fehde: Feindschaft, die durch Missetaten entsteht, führt oft zu Rachehandlungen Rache: einzelne Gewalthandlungen Blutrache
8
Versöhnug Sühne Bußzahlung „Abkauf des Racherechts“
Wergeld: Buße für die Tötung eines Menschen Kompositionensystem in Quellen der fränkischen Zeit Urfehde
9
Komposition in Form von Vierzahlungen
Faidus: Fehdegeld Fredus: Friedensgeld (an König oder Vermittler)
10
Erscheinungsform des frühmittelalterlichen Rechts
Zahlreiche Stammesrechte (sog. Volksrechte, leges barbarorum) Lateinische Sprache (aber: Malbergische Glosse) Keine Gesetze, keine Tatbestandsmerkmale Keine Subsumtion Möglicherweise verschriftlichte Rechtsgewohnheiten Prozessuales Denken Rechtsfindung im Einzelfall
11
Gerichtsbarkeit im frühen Mittelalter?
Dinggenossenschaft Kein Rechtszwang Möglicherweise Unterscheidung privater und allgemeiner Angelegenheiten
12
Strafrecht als … Sakralstrafrecht? (Karl von Amira) … Erfolgsstrafrecht? … typisierte Versuchsdelikte
13
Strafrecht der Isländersagas
Sagazeit: 930 (Gründung des Althing) – 1030 (skandinavische Beherrschung) Aufzeichnung im 13. Jahrhundert Erzählungen methodisches Problem
14
Entstehung des öffentlichen Strafrechts
Zeit der Gottes- und Landfrieden Beschränkung der Fehde bis hin zum Ewigen Landfrieden 1495
15
Veränderungen im Kompositionensystem
Friedensgeld nimmt an Bedeutung zu, wird zu einer Art Geldstrafe Sühneleistungen werden festgelegt, z. B. Sühnesteine, Kapellenbau, Pilgerfahrt
16
Gottesfrieden und Landfrieden
Frankreich 10. Jahrhundert Viktor Achter: Geburt der Strafe pax: Schutz von Personen und Orten Treuga: Friede an bestimmten Tagen Kirchenbußen weltliche Strafen
17
Gottes- und Landfrieden
Gesetze oder Verträge? Landfriedensbruch als älteste Straftat?
18
Regelungen in den Gottes- und Landfrieden
- Pax - Treuga - peinliche Strafen - Geldbußen - Strafen an Haut und Haar - Spielregeln für die Fehde: Ansage - prozessual: Reinigungseide
19
Strafrecht im Sachsenspiegel
- Rechtsbuch - entstanden zwischen 1215 und 1235 - Autor: Eike von Repgow - lateinische und deutsche Fassung - Reimvorrede - Bilderhandschriften - gesetzesgleiche Geltung - Ausstrahlung nach Osteuropa bis in die Ukraine
20
Mittelalterliches Strafrecht
- keine Tatbestandsmerkmale, sondern Schlagwörter - Ehr- und Rechtlosigkeit - qualifizierte Todesstrafen - Zusammenstellung nach gleichen Rechtsfolgen
21
Strafpraxis im Mittelalter
- häufig Verbannung und Landesverweisung - Problem: Landschädliche Leute
22
Rezeption des römischen und kanonischen Rechts
23
Justinian (525-565) Glaubenseinheit Reichseinheit Rechtseinheit
Corpus Iuris Civilis Institutionen (533) Digesten/Pandekten (533) Codex (529) Novellen (seit 534)
24
Wiederentdeckung der Digesten in Italien
Codex Florentinus angeblich von Amalfi nach Pisa entführt Bearbeitung in Bologna Irnerius Rechtsschule Gratian: Concordia Discordantium Canonum, ca („Decretum Gratiani“)
25
Glossatoren Postglossatoren/Kommentatoren Bartolus de Sassoferrato, 1313/14 – 1357 Baldus de Ubaldis, 1319/
26
Albertus Gandinus, Tractatus de maleficiis, 1298
erste Monographie zum Strafrecht 1. Verfahrensarten (z. B. accusatio, inquisitio) 2. Gemeinsame Probleme für alle Verfahrensarten (z. B. Ladung, Stellvertretung, Bann) 3. Materielles Strafrecht
27
Constitutio Criminalis Carolina
Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 Constitutio Criminalis Bambergensis 1507 als „mater Carolinae“ Johann Freiherr von Schwarzenberg
28
Rat der Rechtsverständigen in der Carolina
Aktenversendung - an Oberhöfe - an Obrigkeiten - im Inquisitionsprozess an Universitäten - kein Instanzenzug (u. a. § 95 RA 1530) - Frankreich: Parlamente
29
Ansätze eines Allgemeinen Teils in der Carolina
abstrakte Vorschrift über den Versuch Notwehr (bei Angriffen auf den Körper, Flucht vorrangig) Jugendliche Überlegungen zur Strafhöhe subsidiäre Geltung des römischen Rechts aber: keine Kodifikation (unbenannte Fälle)
30
Inquisitionsprozess Innozenz III. (1198-1216)
Infamationsverfahren gegen Kleriker dann Ausweitung Wahrheitserforschung von Amts wegen Confessio est regina probationum Folter form- und gestaltloser Inquisitionsprozess (Eb. Schmidt) ? verrechtlichter Inquisitionsprozess der Carolina ?
31
Sachtypen der Strafrechtsgeschichte
Strafrecht ohne Staat Strafrecht mit Staat keine Trennung Privatrecht./.Strafrecht private Selbsthilfe in der ältesten Zeit private Klage seit ordentlichem Gerichtsverfahren seit 15. Jh. hoheitlich Anklage in Strafverfahren Fehde (Rache) oder Buße zunächst peinliche Strafen in in Frühzeit ablösbar, dann um 1500 besonders brutal, seit ca Zunahme von Zuchthäusern, Freiheitsstrafe setzt sich durch
32
Zeittypen der Strafrechtsgeschichte
ohne Staat, bis 11. Jh.: german.-fränk. Kompositionensystem, in Nordeuropa bis 13. Jh. unsichere Mischung im MA: seit Gottes- und Landfriedensbewegung. peinl. Strafen deuten auf hoheitliche Strafrechtspflege hin. Aber vielfach noch Bußablösung oder Richten nach Gnade eher hoheitliches Strafrecht mit Staat: Rezeption des röm.-kanon. Strafrechts seit Anfang 16. Jh., vor allem Carolina Zunehmend genauere Deliktsbeschreibungen, Verbot der Fehde 1495, Strafvollstreckung öffentlich und im öffentlichen Interesse: öffentliche Hinrichtungen, Zuchthäuser werden öffentlich betrieben (aber im späten 17. und 18. Jh. teilweise wieder privatisiert). Amtsankläger. Strafrechtsreformen seit Aufklärungszeit: peinliche Strafen (außer Todesstrafen) werden seltener, werden aber erst im 19. Jh. verboten. Strafgewalt des Staates wird theoretisch begründet. Entweder aus Gesellschaftsvertrag (Naturrecht) oder aus Vergeltung (absoluter Strafzweck). Nulla poena sine lege entsteht als Prinzip. In Italien (Toskana) erstmals Abschaffung der Todesstrafe. 19. Jh.: Kodifikationsbewegung: Bundesstaatliche Strafgesetzbücher. Französische Unterscheidung von Verbrechen, Vergehen, Übertretungen. Zunächst Vergeltungstheorie herrschend (Kant, Hegel), dann Generalprävention (Feuerbach, psychologischer Zwang), schließlich moderne Schule (Liszt, Spezialprävention). Liberaler Zug des Strafrechts: Begrenzung der Staatsgewalt. 20. Jh.: allg. Milderung der Strafen, Einführung der Maßregeln der Besserung und Sicherung. Zweispurigkeit des Strafrechts repressiv und präventiv. Konsequente Handhabung des nulla poena-Grundsatzes bereitet Schwierigkeiten bei der strafrechtlichen Aufarbeitung von Diktaturen: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In jüngster Zeit Diskussion um Täter-Opfer-Ausgleich. Deal im Strafverfahren.
Ähnliche Präsentationen
© 2025 SlidePlayer.org Inc.
All rights reserved.