Vilém Flussers Bilder- und Medienverständnis REP Einführung in das Magisterstudium der Kommunikationswissenschaft Michael Gams, 2007/08 Vilém Flusser Flussers Medienbegriff Bilder: Die kodifizierte Welt und die Krise der Linearität Die Gesten des Fotografierens und des Filmens Resümee RÖLLER, Nils / WAGNERMAIER, Silvia (2003). Absolute Vilém Flusser. Freiburg: orange-press. Überblick Literatur
Vilém Flusser 1920 In Prag geboren, jüdische Familie, Philosophiestudium, Flucht vor Nazis nach London 1940 Emigration nach Brasilien, setzt Philosophiestudium fort 1960 Lehrstuhl in Sao Paolo, Kolumne für Zeitung 1970er Flusser kehrt nach Europa zurück 1973/74 Beginn Autobiographie, MoMa Kongress zur Zukunft des Fernehens: „Audiovisuelle Kommunikation“ Essays zu menschlichen Gesten Ab 1980 Leben zwischen Provence und London 1991 Vilém Flusser stirbt bei einem Autounfall Wichtige Essays: „Für eine Philosophie der Fotografie“ & „Die Schrift - hat Schreiben Zukunft?“ Publikationssprachen: Portugiesisch, Deutsch, Englisch, Französisch, außerdem Korrespondenzen auf Tschechisch und Italienisch.
Flussers Medienbegriff „Medien sind Strukturen (materielle oder nicht, technische oder nicht), in denen Codes funktionieren.“ Diskursive Medien Dialogische Medien Kodifizierte Botschaften werden vom Sendergedächtnis zum Empfängergedächtnis übertragen (Plakate, Kinos) pyramidale, baumartige, theatralische und amphitheatralische Medien Kodifizierte Botschaften werden zwischen verschiedenen Gedächtnissen ausgetauscht (Börsen, Dorfplatz) Kreise (geschlossene Systeme) und Netze (offene Systeme)
Bilder Die kodifizierte Welt Früher: Die sprichwörtlich „graue“ Vorkriegszeit Heute: Rote Ampeln und bunte Kleidung gehören zum Alltag Farbe als Aspekt der kodifizierten Welt, von der wir programmiert werden. Vor-moderne Bilder Nach-moderne Bilder Produkte des Handwerks (gotische Kirchenfenster, Renaissancegemälde etc.) beschreiben zum Beispiel Jagdszenen, später linear durch Zeichen vereinfacht dargestellt Schrift Produkte der Technik (ein Fernsehprogramm, die Oberfläche einer Suppenkonserve etc.) Techno- Bildern der neuen Generation, die von der alten Elite lange ignoriert wurden. Daraus folgt eine Krise der Linearität und der Niedergang des Alphabets.
Bilder Die Krise der Linearität Westliches Denken: Linearität des alphanumerischen Denkens Konnotativ (Bilder): unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten Denotativ (Schrift): eindeutig verschlüsselt Fotografie: einerseits prozessuell, heraklitisch (linear) und andererseits kalkulatorisch, demokritisch (non-linear) Computer: Synthetisches Bild ist eine Kalkulation, Programmierer sind Bildermacher Immer wichtiger: Körnige Bilder anstatt gedruckter Texte Die Welt: Ein Haufen von Teilchen und weniger ein Fluss von Ereignissen Krise der Linearität: Chance, dieselbe mittels der neu gewonnenen Einbildungskraft zu überwinden
Gesten Fotografieren und Filmen Man darf die Geste nicht so betrachten, als würde man sie selbst fotografieren oder filmen, sondern so, als ob man ihr zum ersten Mal begegnen würde Beispiel: Ein Pfeife rauchender Mann wird von einem anderen Mann mit einem Apparat fotografiert. Je nach Betrachtungsweise könnte der Mann auf dem Stuhl oder der Mann mit dem Fotoapparat für uns den Mittelpunkt des Geschehens darstellen. Fotograf/Kameramann: Situation des methodischen Zweifels = philosophische Geste. Objektivität ist hier genauso wenig möglich wie in der Wissenschaft. Drei Aspekte: Die Suche nach einem Standort Die Manipulation der Situation Die kritische Distanz
Resümee Kommunikationswissenschaft als Relais zwischen Kunst und Technik „Will man den Apparaten auf die Schliche kommen, muss man versuchen, ihre sture Absurdität gegen sich selbst auszuspielen...“ Flussers Bild- und Medienverständnis: Geprägt von der Fotografie und den Techno-Bildern, die auf die Krise des linearen Denkens folgen Bezeichnend: Flussers eigenes nomadisches Leben und sein Kommentar zum Nomadismus der Neuzeit Vilém Flusser im TV-Interview: http://www.youtube.com/watch?v=mRjiODdrJIM