Einheit 11 Handel 2: Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke

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Einheit 11 Handel 2: Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke Vorlesung Entwicklungsökonomie Wintersemester 2007/2008 Cornelia Staritz cornelia.staritz@wu-wien.ac.at

Überblick Veränderungen in der globalen Ökonomie Probleme traditioneller Handelstheorien Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke Unterschiedliche Ansätze: CC, GCC, GVC und GPN Produktionsnetzwerke und Entwicklung

Veränderungen in der globalen Ökonomie Die Weltwirtschaft und besonders die Organisation von globaler Produktion und weltweitem Handel hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark verändert Ökonomische Globalisierung besteht aus zwei zentralen Komponenten: Globalisierung der Finanzflüsse Globalisierung der Produktion: Internationaler Handel und Ausländische Direktinvestitionen (ADI)

Veränderungen in der globalen Ökonomie Quantität von Handel heute ähnlich wie in vergangenen Phasen hoher Integration aber Qualität anders  „from shallow to deep integration“ Früher Handel zwischen unabhängigen Firmen und mit fertigen Produkten (oder Rohstoffen) Heute Handel und Produktion von Gütern organisiert in globalen Produktions- und Handelsnetzwerken Dicken: „(…) the global economy is a highly complex, kaleidoscopic structure involving the fragmentation of many production processes, and the geographical reallocation on a global scale in ways which slice through national boundaries“

Veränderungen in der globalen Ökonomie Anteil von Zwischenprodukten (intermediate goods) im internationalen Handel gestiegen – intra-Firmen Handel (ADI) und Handel zwischen „unabhängigen“ Firmen „trade in intermediate goods is the manifestation of globalized production“ „outsourcing“, „international disintegration of production“, „fragmentation“, „global production sharing“, etc.

Veränderungen in der globalen Ökonomie Besondere Rolle von Transnationalen Unternehmen (TNU): „ability to break up the production process into different parts and locate them in different countries“ Natur von TNUs hat sich verändert  von großen vertikal integrierten TNUs in 1960/70ern zu netzwerk-artigen Formen in den 1980ern  „from internalization (FDI) to externalization“ Reorientierung zu organisatorischen und geographischen „Outsourcing“ der Produktion um Kosten zu reduzieren, Flexibilität und Konkurrenz unter den Zulieferern zu erhöhen und Kontroll- und Anreizstrukturen zu verbessern Konzentration auf Kern-Kompetenzen (R&D, Marketing, Branding, etc.) mit hoher Wertschöpfung

Probleme traditioneller Handelstheorien Staatszentriert: Staaten sind wichtig aber ist Staat einzige und wichtigste Einheit um Entwicklung zu analysieren?, Vernachlässigung von anderen Akteuren, v.a. Firmen Unterschiedliche Formen der Koordination: nicht nur Markt-Beziehungen, „variety of organizational forms that link lead and supply firms“ Machtbeziehungen kommen großteils nicht vor Ricardos Komparative Kostenvorteile basieren auf unrealistischen Annahmen, drei wesentliche: keine internationale Mobilität von Kapital und Input-Produktion, Anpassung der Preise/Wechselkurse um Handelungleichgewichte auszugleichen, Verteilung von Wissen und Technologie

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke Organisationale und netzwerk-zentrierte Ansätze Analyse von Beziehungen zwischen Akteuren, die an produktiver Aktivität beteiligt sind, auf unterschiedlichen Ebenen und deren Machtstrukturen Vorteile: „Encompasses all levels and grasps the spatiality of global production“ Unterschiedliche Akteure, besonders Firmen Unterschiedliche Koordinationsmechanismen: Markt-basierte, Netzwerk- und intra-Firmen Beziehungen Machtbeziehungen werden explizit analysiert, „shed light on position of firms, sectors and countries“, Rolle von „lead firms“

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke

Globale Güterketten und Produktionsnetzwerke Beschränkungen: nicht nur inter-Firmen Beziehungen und TNUs als Schlüsselakteur, weitere Akteure und Institutionen wesentlich: Staaten, Gewerkschaften, NGOs, ArbeiterInnen, regionale und internationale Institutionen und Regulierungen, etc. globale Industrien sind eingebettet in Strukturen, Institutionen and Regionen  strukturelle, institutionelle und historische Einbettung Unterschiedliche Ansätze

Unterschiedliche Ansätze: CC, GCC, GVC und GPN Entwicklung von unterschiedlichen Ansätzen, die Ketten- und Netzwerk-Konzept verwenden  Verwirrung in der Terminologie Mehrere Stränge mit unterschiedlichen zentralen Fragestellungen, Methoden und theoretischen Zugängen Vier wesentliche Stränge: Commodity Chain (CC): Weltsystemtheorie (WST), Wallerstein/Hopkins, 1970/80er Global Commodity Chain (GCC): WST/Economic Sociology, Gereffi, 1990er Global Value Chain (GVC): GCC/ Entwicklungsökonomie/Internationale Management Literatur, Humphrey/Schmitz, IDS/Sussex, ab 2000 Global Production Network (GPN): GCC/Economic Geography, Dicken/Henderson, Manchester, ab 2000

CC Begriff „Güterkette“ (CC) erstmals verwendet in WST von Hopkins und Wallerstein Eine CC ist ein „network of labour and production processes whose end result is a finished commodity“ Güterketten sind typischerweise in Form eines transnationalen Netzwerks organisiert Breiter Ansatz um kapitalistische Prozesse, Macht, unfaire Beziehungen and Transfers, ungleiche Entwicklung und Zentrum und Peripherie-Beziehungen zu analysieren Historische und holistische/Makro-Perspektive Zentrale Frage: „How do CC structure and reporduce a hierarchical world system?“

GCC GCC interessiert an Organisation von globalen Industrien Analyse von inter-Firmen Netzwerken, die Produzenten, Zulieferer, Subcontractor und lead Firmen verbinden Besonders interessiert an Rolle von lead Firmen und wie diese die Ketten/Netzwerke steuern Zentrale Frage: „How are global industries organized and governed and how does this affect development and upgrading opportunities for firms and regions?“ Kohärenter Ansatz aber engere Perspektive als WST Vier Dimensionen von GCC: Input-Output Struktur, räumliche Dimension, Governance Dimension (Macht- und Herrschaftsbeziehungen), institutionelles Gefüge Producer-driven (Automobil, Elektronik) und buyer-driven (Konsumgüter, Bekleidung)

GVC GVC auch interessiert an Organisation und Steuerung von globalen Industrien, spezieller Fokus auf Wertschöpfung und Werterhaltung in der Kette Einfluss von Internationaler Management Literatur Interessiert an Koordinationsmechanismen zwischen Firmen (market, modular, relational, captive, hierarchy) und „upgrading“ Mögichkeiten in bestimmten Sektoren Meso-level Sektoranalysen und micro-level Firmenanalysen anwendungsorientiert und problemlösungs-fokusiert, großes Interesse an Politikempfehlungen Popularität als ein „umbrella term“

GPN Verbindet Ergebnisse von GCC/GVC Ansatz mit strukturelleren Ansätzen wie „Varieties of Capitalism“ Wichtige Rolle von Firmen und inter-Firmen Netzwerken aber auch andere Akteure und Institutionen wichtig, besonders Staaten aber auch internationale Organisationen, NGOs, Gewerkschaften, etc. Betont Multi-Akteurs und Multi-Ebenen Charakteristik von transnationaler Produktion Betont Komplexität und Nicht-Linearität der Beziehungen in GPN  Netzwerk statt Kette Production statt Commodity Transnational versus global?

GPN

GPN

Produktionsnetzwerke und Entwicklung Entwicklungs-Fragen bestimmen von Beginn an Forschung In der WST wird im CC-Ansatz ein Mittel gesehen ungleiche Entwicklung konzeptionell zu fassen, v.a. auch die „räumlich ungleiche Verteilung von Konkurrenz und der daraus folgend ungleichen Verteilung der Möglichkeit, jenen Wert anzueignen, der entlang der Produktionskette geschaffen wird“ Andere Ansätze erarbeiten politiknahe Strategien für private und öffentliche Akteure (UN, ILO, CEPAL, etc): Fragen nach Zugang zu, der Position und den Aufstiegschancen in Produktionsnetzwerken (upgrading) Machbarkeitsstudien zulasten von Analysen der Machstrukturen

Produktionsnetzwerke und Entwicklung „Global production sharing“ führte in EL zu Anstieg von Produktionskapazitäten und Industriegüter-Exporten aber Wertschöpfung (WS) hat sich oft nicht erhöht Transformation der Produktion hat flexible, informelle und unsichere Arbeitplätze in vielen Bereichen erhöht Lead Firmen verlagern Aktivitäten mit niedriger WS und behalten Kontrolle über Bereiche mit hoher WS und hohen Gewinnen Asymetrische Marktstrukturen: oligopolistische Strukturen bei den lead Firmen und hoher Wettbewerb bei den Zulieferern (niedrige Eintrittsbarrieren, freie Kapazitäten, Kapitalmobilität, Sonderwirtschaftszonen, fallende ToT)  schwierig Profite und Löhne zu erhöhen „Lead firms entscheiden mit wem sie kooperieren und wie, was, wann, in welcher Qualität und in welchem Umfang die Zulieferer für sie zu produzieren haben.“

Produktionsnetzwerke und Entwicklung Auch wenn „upgrading“ erreicht wird führt das nicht automatisch zu einer höheren WS da z.B. durch hohe Konkurrenz und zusätzliche Anbieter Preise fallen Selbst wenn WS und Profite steigen, heißt das noch nicht, dass Profite für produktive Investitionen eingesetzt oder durch höhere Löhne weitergegeben werden Integration in GCC/GPN führt auch zu „downgrading“ Beispiel: „Maquildaoras“ in Mexiko „Upgrading“ ist ein enges Konzept basierend auf Wettbewerbsfähigkeit von Firmen in bestimmten Sektoren  „it sheds a very partial light on the critical question of winners and losers in today´s global economy“ (Bair)

Produktionsnetzwerke und Entwicklung Wenn Einbindung von EL in GCC/GPN wenig vorteilhaft zwei Fragen/Strategien: Wie ist es möglich etablierte globale Güterketten zu verkürzen und eigene Produktionsnetzwerke zu schaffen, die weniger global und stärker national integriert sind? (zentrale Frage in Dependenztheorie) Wie können lokale Unternehmen ihre Position in globalen Güterketten verbessern (upgrading)? (zentrale Frage in aktuellen entwicklungspolitischen Debatten) Jedoch „upgrading“ enge Perspektive und akzeptiert ungleichen Machstrukturen