Politisches System Schweiz

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Politisches System Schweiz Vorlesung am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bern Föderalismus/Gemeindeautonomie II Prof. Dr. Andreas Ladner Kompetenzzentrum für Public Management Sommersemester 2005

3. Kantone und Gemeinden Auf die Politischen Systeme, die Regierungen und Verwaltungen, die direkte Demokratie, die Parteiensysteme in den Kantonen und Gemeinden wird in den entsprechenden Kapiteln eingegangen

Politische Feingliederung Kleinstaatlichkeit! Allerdings: Neuseeland: 3.9 Mio. Norwegen: 4.5 Mio. Dänemark: 5.3 Mio. Österreich: 8.1 Mio. Schweden: 8.8. Mio. NL: 15.8 Mio. (ja im Vergleich zu GB, D, F, Spanien, I) Extreme politische Feingliederung Kleinstaatlichkeit hat Auswirkungen nach innen und im Verhältnis zu aussen!

3.1 Kantone www.badac.ch – Die Schweizer Kantone unter der Lupe (2005)

Bundesverfassung Art. 1: Schweizerische Eidgenossenschaft Das Schweizervolk und die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden und Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf und Jura bilden die Schweizerische Eidgenossenschaft Art. 3: Kantone Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind. Art. 43: Aufgaben der Kantone Die Kantone bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen. Art. 47 Eigenständigkeit der Kantone Der Bund wahrt die Eigenständigkeit der Kantone. Luzern gehörte tatsächlich im 15er Bund neben Zürich und Bern zu den Vororten.

Souveränität? Nach heutiger Auffassung sind die Kantone keine souveränen Staaten mehr, sondern Gliedstaaten mit Selbstverwaltung. Sie besitzen Staatshoheit, soweit die Bundesverfassung nichts anderes bestimmt. „Bundesrecht bricht kantonales Recht“.

Einwohnerzahlen Kantone (2000) Zentral sind die grossen Unterschiede! Die Stadt Zürich wäre der siebentgrösste Kanton! => vgl. Diskussion Reform des Ständemehrs, Stellung der Städte im Staat Quelle: www.badac.ch

Ausgaben der Kantone insgesamt (1999)

Unterschiede zwischen eidgenössischen und kantonalen Politikstrukturen Kantone haben Volkswahl der Exekutive Erweiterte und erfolgreichere direkte Demokratie Keine zweite Parlamentskammer, schwache Stellung des Parlament Weniger formalisiertes vorparlamentarisches Verfahren, geringerer Einfluss der Wirtschaftsverbände Einfachere parteipolitische Verhältnisse Vgl. dazu auch Vatter 2002: 31 ff. Vielfalt von politischen Institutionen in den Kantonen (darauf kommen wir zurück) Seit 1. Aug. 2003: Einführung der allgemeinen Volksinitiative Linder 1999: 156; Vatter 2002: 31 ff.

3.2 Gemeinden

Bei den Gemeinden handelt es sich um Körperschaften, die gebietsmässig umgrenzt, mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet und als rechtlich verselbständigte Verbände (mit Vermögensfähigkeit, eigenem Finanzhaushalt, eigenen Organen, mehr oder weniger weitreichender Organisationsgewalt) zu bezeichnen sind (Jagmetti 1972: 246 f.).

Gemeinden … sind im Rahmen von BV und Kantonsverfassungen selbständig. der äusserer Rahmen ihrer Aktivitäten und Befugnisse wird in erster Linie durch die kantonalen Gemeindegesetze festgelegt. ein Teil der Gemeindeaufgaben fällt in ihren eigenen Wirkungskreis, bei einem grossen Teil der Aufgaben handelt es sich jedoch um übertragene Aufgaben.

Weitere Merkmale der Gemeinden Kommunalisierung zwischen 14. und 19. Jahrhundert Wandel vom Bürgerprinzip zum Einwohnerprinzip verlief nicht ganz ohne fremde Hilfe (Helvetik) 1874 Aufhebung aller politischen Vorrechte auf Gemeindestufe 1998 erstmals explizite Erwähnung in Bundesverfassung: Art. 50 Gemeindepluralismus Finanz- und Steuerautonomie

Ausgaben der Gemeinden insgesamt (1999)

Anzahl Gemeinden pro Kanton 200 und mehr Gemeinden BS 3 UR 20 NE 62 LU 107 GR 208 AI 6 AR TG 80 SO 126 AG 231 OW 7 GL 29 JU 83 VS 160 FR 202 NW 11 SZ 30 BL 86 ZH 171 TI 238 ZG SH 34 SG 90 VD 382 GE 45 BE 400 Stand 2003

Gemeindegrösse (%)

Bevölkerung (%)

Gemeindegrösse im internationalen Vergleich

Aktuelle Probleme und Reformtrends

Empirische Grundlage Vier gesamtschweizerische Befragungen der Gemeindeschreiber (1988, 1994, 1998, 2005)

Leistungsgrenzen erreicht oder überschritten (CH, 1998)

Zunahme der Leistungsgrenzen (CH, 1994-1998)

Leistungsgrenzenindex, nach Gemeindegrösse (CH)

Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Kandidatinnen und Kandidaten für die Gemeindeexekutive

Grosser Bedarf an politischem Personal (ca.) 2900 Gemeinden 17‘500 Exekutivsitze + 17‘500 Legislativsitze + viele Kommissionsmitglieder = Total 150‘000 Personen

Anzahl Amtsinhaber und Anteil Amtsinhaber, nach Gemeindegrösse

Verschiedene Reformbereiche Aufgaben-teilung   Finanz- und Lastenaus-gleich     NPM IKZ, Fusionen PP- Partnership, Outsourcing

Zentrale Reformbereiche Aufgabenteilung (mit Finanzausgleich) Interkommunale Zusammenarbeit Gemeindefusionen New Public Management

Aufgabenteilung Schlüssel zu den Gemeindereformen Subsidiarität, Gemeindeautonomie Fiskalische Äquivalenz

Gemeindeautonomie Rechtlich: Handlungsspielraum im Bereich Gemeindeorganisation Wirtschaftlich: Pro Kopf-Ausgaben der Gemeinden Selbsteinschätzung Gemeindeschreiber

Giacometti (1952:19) unterteilt z.B. die Kantone in drei Gruppen grosse Autonomie: ZH, SZ, OW, NW, GL, ZG, AI, AR, GR, AG, TG mittlere Autonomie: BE, LU, UR, SO, BS, BL, SH, SG, TI, JU  wenig Autonomie: FR, VS, VD, NE, GE.

Gemeindeautonomie (gem Gemeindeautonomie (gem. Einschätzung der Gemeindeschreiber 1994, Durchschnittswerte) 1 = überhaupt keine Autonomie; 10 = sehr grosse Autonomie

Abnahme der Gemeindeautonomie gem Abnahme der Gemeindeautonomie gem. Gemeindeschreiber 1994, Anteil Gemeinden mit Abnahme

Der Kanton soll den Gemeinden in bestimmten Bereichen mehr Autonomie zugestehen Ja vs. nein, N = antwortende Gemeindeschreiber, 1998, ZH z.B. 120

In welchen Sachbereichen wünschen die Gemeinden zusätzliche Autonomie?

In welchen Sachbereichen wünschen die Gemeinden eine Entlastung durch den Kanton?

Aufgabenteilung am Beispiel des Kantons Bern: Verschiebung wichtiger Aufgaben (Fürsorge, Schule, Gesundheitswesen) zum Kanton. Verschiebung von finanziellen Ressourcen (Steuerzehntel) zum Kanton.

Zusammenarbeit

Zusammen-arbeit nach Sach-bereichen Anzahl Gemeinden: N (CH) = 2391;

Probleme der Zusammenarbeit Je nach Aufgabe und Gemeinden drängen sich unterschiedliche Rechtsformen auf. Demokratische Legitimation ist nicht immer sichergestellt. Hier besteht ein Reformbedarf (Output-Steuerung, Mandat für die Delegierten, gemeinsame Abstimmungen)

Fusionen (polit. Gemeinden)

Es gibt keine optimale Gemeindegrösse Je nach Art der Gemeinde ist eine andere Grösse optimal. Je nach Art der Aufgabe ist ein anderer Perimeter optimal.

Argumente für und gegen IKZ und Fusion Pro IKZ: Pro Fusion: Grössenvorteile und mehr Professionalität Aufgaben überschreiten Gemeindegrenzen Abstimmung von Angebot und Nachfrage Bessere Qualität, tiefere Kosten Ämter besser besetzt Höhere Responsivität Kanton wird entlastet Höhere Standortattraktivität Contra IKZ: Contra Fusion: Autonomieverlust Demokratiedefizite Fehlendes Kongruenzprinzip Bürokratiegefahr Teurer Aufgaben haben unterschiedliche Grössenoptima Anonymisierung

Entwicklung Fusionskantone: TG, FR, TI, GR, LU, GL und AG Nicht die kleinen und schwachen Gemeinden fusionieren. Es braucht einen starken Partner. Die Zukunft liegt bei FOCJ, Zweckgemeinden oder Zweckregionen? Vgl. NZZ vom 5.5.2004 Zudem: Auch in SH gibt es Anstrengungen