Ausschnitt aus der Novelle „Lenz“: „Den 20

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Ausschnitt aus der Novelle „Lenz“: „Den 20 Ausschnitt aus der Novelle „Lenz“: „Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen. Es was nasskalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht – und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump. Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts im Weg, bald auf-,bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte. Anfangs drängte es ihm in der Brust, wenn das Gestein so wegsprang, der graue Wald sich unter ihm schüttelte und der Nebel die Formen bald verschlang [...]; es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlornen Träumen, aber er fand nichts. Es war ihm alles so klein, so nahe, so nass [...]“(S.3ff)

Georg Büchner: „Lenz“ Gliederung: 2. Entstehungsgeschichte 3. Inhalt 4. Aufbau/Form 5. Darstellung des Wahnsinns 6. Lenz‘ Begegnung mit Goethe 7. Weitere Werke 8. Quellen

2. Entstehungsgeschichte (seine Quellen) - 8. Februar 1778: Verfassung eines Rechtfertigungsberichtes durch Johann F. Oberlin über den 20tägigen Aufenthalt von Jakob M. R. Lenz bei ihm - seit Frühjahr 1825: Abschrift dieses Berichts dient Büchner als Konzeptionsvorlage - die kritikbehafteten Alterserinnerungen an J.M.R.Lenz von Goethe in der Autobiographie „Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit“ - Schriften des französischen Trivialautors Paul Merlin Nutzung der Vorlagen nur als Rohmaterial ~ Um-/Neugestaltung ästhetisch-kritische Reflektion des Stoffs teilweise starke Veränderung: Darstellung eines Gegenentwurfs zur Vorlage 1839: erste Veröffentlichung in der Zeitschrift „Telegraph für Deutschland“

3. Inhalt Darstellung der seelischen Leiden des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz

Ankunft beim Pfarrer Oberlin in Waldbach: freundliche Aufnahme große Unruhe in der Nacht von Angstzuständen heimgesucht hält an einem Sonntag in der Kirche die Predigt ~ innere Aufruhr Besuch seines Freundes Kaufmann Zustände werden akuter und häufiger nächtliche Wanderung > gelangt zu einem kranken Mädchen dort: Übernachtung ~ verwirrte Rückkehr erfährt vom Tod eines Kindes in Fouday ~Versuch des Wiederbelebens andeutungsweises Erzählen von einer unglücklichen Liebesgeschichte ist überzeugt, Friederike, seine Geliebte, sei gestorben Zunahme seiner geistigen Verwirrung mehrere Selbstmordversuche Oberlin beschließt, ihn nach Straßburg zu bringen Novelle endet mit der Fahrt dorthin (Lenz ist in absolute Apathie verfallen)

4. Aufbau und Form keine reine pathologische Fallstudie und wirklichkeitsgetreuer Krankenbericht im medizinisch-psychiatrischen Sinn Schilderung mit Sympathie und Mitleid die Leidensgeschichte Lenzens Mittelpunkt = kranke Person Beschreibung der einzelnen Krankheitsausbrüche nehmen breiten Raum ein wiederkehrendes Strukturprinzip = Lenz‘ Angstzustände, sein Kampf um Selbsterhaltung Beschreiben der Krankheitsabläufe durch Sachlichkeit, Genauigkeit, Anschaulichkeit und Einfühlung Versetzten des Lesers in die Gefühlswelt des kranken Dichters subjektive Wahrnehmung = für Lenz die objektive Wirklichkeit Darstellung der inneren Labilität, das verwirrte Zeitgefühl, die Unerfülltheit und Getriebenheit Lenzens

Lenzens Wahnsinn wird durch den Perspektivenwechsel von innen und außen deutlich Perspektive Lenzens Perspektive seiner Mitmenschen seine Schuld und die Gefahr zeigt sich als objektive Wirklichkeit seine Schuld und die Gefahr zeigt sich als Wahnvorstellung erzähltechnisches Prinzip = Mischung aus personalem Erzählen und erlebter Rede Entstehung einer Doppelperspektive verschiedene sprachliche Mittel der Perspektivierung - Richtungsangaben - Wiederholungen ~ gefühlsmäßige Intendierung - elliptisch verkürzte Sätze - lange Reihungen von Hauptsätzen Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verwischen nie dem Leser bleibt es möglich zwischen Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden

5. Darstellung des Wahnsinns

die Erzählung wird durch das sich verändernde Verhältnis Lenzens zur Realität inhaltlich zusammen gehalten er verliert immer stärker den Bezug zu ihr einleitende Naturbild gestaltet das, was Lenz‘ Schicksal sein wird: der Zerfall der Wirklichkeit + den Verlust der Orientierung in der Welt, noch als Gefahr und nicht als zwangsläufig erreichter Endzustand „Drängen“: Unruhe, Kampf, Widerstand weitgespannte Schlusssatz: Gegenwehr, will Ordnung bewahren rettende Instanzen: „Wiegenlied und Glockengeläut“

„Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg „Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen. Es was nasskalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht – und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump. Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts im Weg, bald auf-,bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte. Anfangs drängte es ihm in der Brust, wenn das Gestein so wegsprang, der graue Wald sich unter ihm schüttelte und der Nebel die Formen bald verschlang [...]; es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlornen Träumen, aber er fand nichts. Es war ihm alles so klein, so nahe, so nass [...]“(S.3ff)

1. Phase: - Besserung seines Zustands - Gefühl der Beruhigung/Entspannung - Nacht: Krankheit zeigt sich wieder - Angst vor der Dunkelheit = Angst vor dem Abgleiten in den Wahnsinn „ [...] die Finsternis verschlang alles. Eine unnennbare Angst erfasste ihn.“ „Aber nur solange das Licht im Tale lag, war es ihm erträglich; gegen Abend befiel ihn eine solche Angst, er hätte der Sonne nachlaufen mögen.“ - Zufügen von Schmerzen: Herstellen eines spürbaren Verhältnisses zur Wirklichkeit - familiäre Integration und Sozialisation ~ psychischer Halt - anfängliche Besserung durch Besuch Kaufmann‘s zunichte gemacht - Abreise Oberlins = Verlust der Bezugsperson ~ instabiler Zustand 2. Phase: - religiöser Wahn ~ Versuch des Wiederbelebens eines toten Kindes - Atheismus = Lehre, die die Existenz Gottes leugnet 3. Phase: - endgültiger Wendepunkt in Lenz‘ psychischer Verfassung - Wandel des Verhältnisses zwischen ihm und Oberlin - zunehmende Verschlechterung des Zustandes - absolute Apathie - Selbstmordversuche - Kommunikationsabbruch ~ stammelt, stockt - Nihilismus als Endzustand - Selbstaufgabe, entsetzliche Leere ~ „So lebte er hin.“

6. Lenz‘ Begegnung mit Goethe Jakob Michael Reinhold Lenz *12.1.1751 in Sesswegen 1771: Reise nach Straßburg Bekanntschaft mit Goethe Goethe wurde sein künstliches Vorbild in folgenden Jahren: mehrere Treffen ~ Freundschaft April 1776: folgte Goethe nach Weimar verscherzte sich die Gunst des Hofes durch sein exzentrisches, unbeherrschtes Wesen nicht überlieferter Vorfall Nov.: Verweis aus der Stadt Goethe bricht Kontakt ab + 24.5.1792

7. Weitere Werke 1834 „Der Hessische Landbote“ – Flugschrift (zusammen mit F. L. Weidig) 1835 „Dantons Tod“ – Drama 1836 „Leonce und Lena“ – Lustspiel 1837 „Woyzeck“ – Fragment

8. Quellen Georg Büchner: „Lenz“ Hamburger Lesehefte Verlag 161. Heft Data Becker Lexikon Texte, Themen und Strukturen interaktiv Microsoft Encarta Enzyklopädie 2005 http://www.etextlab.uni-muenchen.de/aktuelles/Literarische_Krankengeschichten/Lenz.htm http://www.xlibris.de/Autoren/Buechner/Kurzinhalt/Lenz http://gutenberg.spiegel.de/?id=19&autor_nachname=Lenz