Ethik-Kodex und Forschungsfinanzierung in Deutschland Johannes Spatz

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Ethik-Kodex und Forschungsfinanzierung in Deutschland Johannes Spatz

Direkte und indirekte Einflussnahme 1998: Master Settlement Agreement: Die Tabakindustrie beendet in Folge der Prozesse in den USA ihre bisherigen Forschungsprogramme und muss ihre internen Geschäftspapiere in das Internet stellen. Aus ihnen geht hervor, dass die Tabakindustrie systematisch die Weltgesundheitsorganisation unterwandert, Wissenschaftler und Ärzte durch hohen finanziellen Aufwand auf ihre Seite gezogen und durch Kampagnen die öffentliche Meinung manipuliert hat. Von 2002 – 2005 wird ein neues Forschungsprogramm aufgelegt (Philip Morris Extern Research Program). Nach starkem Protest in den USA wird es 2007 beendet. Die gesellschaftliche Beeinflussung wird immer noch durch die Finanzierung von einzelnen Forschungsvorhaben, von kulturellen und sozialen Projekten fortgesetzt.

Warum finanziert die Tabakindustrie Forschung? Image Glaubwürdigkeit Rekrutierung von Beratern Zweifel scheinbar wissenschaftlich zu untermauern

Warum finanziert die Tabakindustrie Forschung? Notiz eines Wissenschaftlers von Philip Morris: Maß für den Erfolg Kenntnis des Produkts wertvolle Erkenntnisse für die Wissenschaft beisteuern Wohlwollen an Glaubwürdigkeit gewinnen.. junge Wissenschaftler finden!!! Quelle: 2073347241

Beteiligung von Wissenschaftlern an dem External Research Programm von Philip Morris in Deutschland (2002 – 2005) Berlin: Herzzentrum, Prof. Eckart Fleck Bielefeld: Prof. Markus Sauer Dortmund: Institut für Arbeitsphysiologie, Prof. Dr. Hermann M. Bolt Dresden: HNO, Prof. Dr. Thomas Hummel Frankfurt a. Main: Johann-Wolfgang- Goethe-Universität, Ingrid Fleming Giessen: Prof. Dr. Hans Michael Piper Halle- Wittenberg: Institut für Umwelttoxikologie, Prof. Dr. Heidi Foth Hamburg: Umweltmedizin Hamburg e.V., Dorothee C. Dartsch. Hamburg: Umweltmedizin Hamburg e.V., Prof. Dr. Wolfgang Pfau. Hamburg: Uni.-Klinikum Eppendorf, Alan Daugherty. Hamburg: Zentrum für Molekulare Neurobiologie, Prof. Dr. Melitta Schachner Mainz: Institut für Pathologie, Prof. Dr. Hans-Anton Lehr München: Ludwig-Maximilian-Universität, Dr. Stephan Lang. München: Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Prof. Dr. Elmar Richter, Prof. Dr. Huber J. Stein Potsdam-Rehbrücke: Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIFE), Dr. Hansruedi R. Glatt Wuppertal: Bergische Universität Wuppertal (BUGH), Prof. Oliver J. Schmitz

Gründe, warum Universitäten Geld der Tabakindustrie zurückweisen sollen An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland jährlich mehr als 140.000 Menschen. Weltweit sterben daran jährlich 5,4 Millionen Menschen. Im ganzen 21. Jahrhundert werden es 1 Milliarde sein. Quelle: WHO: WHO Report on the Global Tobacco Epidemic 2008 Es werden mehr Menschen durch das Rauchen getötet als durch AIDS, legale und illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Mord und Selbsttötung zusammen. Quelle: Mackay, J., Eriksen, M.: The Tobacco Atlas. WHO 2002 Tabak ist das einzige Verbrauchsprodukt, das jeden zweiten Konsumenten tötet, wenn er exakt nach den Vorgaben des Herstellers das Produkt konsumiert. Die Tabakindustrie behauptet, Kinder und Jugendliche nicht zu umwerben. Bis heute jedoch kann nachgewiesen werden, dass sie mit raffinierten und aggressiven Marketingmethoden Kinder umwirbt. Quelle: Spatz, J.: Marketingstrategien der Tabakindustrie. Aus: Machenschaften der Tabakindustrie. Hrsg: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin und Forum Rauchfrei, Berlin 2010

Weitere Gründe, warum Universitäten Geld der Tabakindustrie zurückweisen sollen Die Tabakindustrie versucht, Vertreter der medizinischen Forschung durch die Finanzierung von Forschungsvorhaben an sich zu binden. Die Tabakindustrie hat wissenschaftliche Einrichtungen infiltriert und irreführende Forschung gefördert. Sie hat ineffektive Präventionskampagnen finanziert. Die Tabakindustrie will ihr Image stärken.

Ethik-Kodex des Forum Rauchfrei 2004

Der Ethik-Kodex des Forum Rauchfrei wurde seit 2004 von über 50 Organisationen unterschrieben: Universitäten Berlin School of Public Health, Charité. Elternkolleg der Klinik für Geburtsmedizin, Charité Krankenhäuser Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg Schlosspark-Klinik Berlin Park-Klinik Weißensee Berlin Fachklinik Kamillushaus GmbH Essen Krankenhaus Waldfriede Berlin Deutsches Netz Rauchfreier Krankenhäuser Berufsverbände Berufsverband der Kinder und Jugendärzte Internationale Union gegen Tuberkulose und Lungenerkrankungen Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte e.V. Berufsverband der Pneumologen NRW Bundesverband der Pneumologen Ärztekammer Berlin Gesundheitsförderung Bundesvereinigung für Gesundheit e.V. Gesundheit Berlin e.V. Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung Saarland Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Mecklenburg-Vorpommern e.V. Landesinstitut für Schule – Suchtprävention Bremen Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung Schwerin

Weiterhin wurden von einzelnen Organisationen Erklärungen abgegeben, kein Geld der Tabakindustrie zu akzeptieren: Deutsches Krebsforschungszentrum Deutsche Gesellschaft für Pneumologie Deutsche Lungenstiftung e.V.

Unvollständige Erklärungen Deutsche Krebshilfe „Zuwendungen durch Hersteller, deren Erzeugnisse eine nachweisbar krebserregende Wirkung haben, werden von der deutschen Krebshilfe nicht angenommen.“ Quelle: deutsche Krebshilfe, Geschäftsbericht 2008

Unvollständige Erklärungen Das Forum Rauchfrei hat die 16 oben aufgeführten Wissenschaftler, die aus dem „External Research Program“ von Philip Morris finanziert wurden, mit der Bitte angeschrieben, den Ethik-Kodex des Forum Rauchfrei zu unterschreiben. Wir erhielten lediglich zwei Antwortschreiben, in denen auf unsere Bitte nur indirekt eingegangen wurde: Hamburg: Zentrum für Molekulare Neurobiologie, Prof. Dr. Melitta Schachner: Sie schreibt uns: „Sonst hatte und habe ich keine Verbindung zur Tabakindustrie…“ Dresden: HNO, Prof. Dr. Thomas Hummel: „Ich plane auch nicht, solche Gelder in Zukunft zu beantragen.“

Vivantes, GmbH, die sich im Besitz des Berliner Senats befindet („Größtes Krankenhaus-Unternehmen in Deutschland“), wurde von uns dreimal gebeten, den Kodex zu unterschreiben. Bis heute gab es keine Antwort. Wir haben den Vorsitzenden der Charité in Berlin gebeten, den Ethik-Kodex zu unterschreiben. Die Geschäftsstelle des Vorstands war nicht bereit, den Ethik-Kodex zu unterschreiben. Sie gab nur gewundene Erklärungen ab: „die Charité lehnt Drittmittelförderung, die nicht im Einklang mit der ärztlichen Berufspflicht und der guten wissenschaftlichen Praxis steht, ab.“ 28.04.09 „Die Charité hat in Ihren Drittmittelrichtlinien strenge ethische Maßstäbe verankert, die die Annahme von Geldern der Tabakindustrie, aber nicht nur solche, klar ausschließen.„ 02.11.09

Folgende Universitäten der USA haben erklärt, keine Gelder der Tabakindustrie anzunehmen: Quelle: Stanton Glantz, 2007

Cancer Research UK lehnt im Gegensatz zu der Deutschen Krebshilfe ganz entschieden Gelder der Tabakindustrie ab. Es nimmt auch keine Spenden von Firmen an, die über 15 Prozent der Einnahmen aus der Herstellung von Gütern gewinnt, die für die Produktion von Tabakwaren notwendig sind. In Deutschland würde dies u.a. auf die Körber-Stiftung anzuwenden sein, deren Umsatz zu 40 Prozent auf die Herstellung von Maschinen zur Produktion von Zigaretten zurückgeht. Cancer Research UK ruft zur Isolierung der Tabakindustrie auf:

www.forum-rauchfrei.de aktionszentrum@forum-rauchfrei.de