Weinkultur im Dialog mit der Weinbereitung und dem Weingenuss

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 Präsentation transkript:

Weinkultur im Dialog mit der Weinbereitung und dem Weingenuss 19. Treffen der Gemeinschaft Deutschsprachiger Weinbruderschaften vom 19. bis 22. Juni 2008 Weinkultur im Dialog mit der Weinbereitung und dem Weingenuss Dr. Georg Binder Weinbruderschaft der Pfalz

Tradition und Moderne – ein Widerspruch? Tradition bezeichnet eine Geisteshaltung, die am Herkömmlichen, Gewohnten, Überlieferten festhält und Neuerungen eher skeptisch gegenübersteht. Der Begriff Moderne bezeichnet einen Umbruch in allen Bereichen des individuellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens gegenüber der Tradition. Die Tradition ist die Innovation von gestern

..der Weinbauer als Multitalent „Bauer und Künstler, Arbeitstier und Phantast, Hedonist und Masochist, Alchimist und Buchhalter – alles das ist der Winzer nun schon seit der Sintflut“ Hugh Johnsons Weingeschichte, Hallwag-Verlag, 2004

Ursprung des Weines ca. 5 000 v.C.

Ursprung und Tradition- Georgien

Kwewri für qvino - Georgien

Ursprung und Tradition in Ägypten Darstellung aus dem Grab von Kha‘emwese in Theben (um 1450 v. Chr.)

„Die Völker des Mittelmeeres begannen dem Barbarentum zu entwachsen, als sie den Ölbaum und den Weinstock zu kultivieren lernten“ 5.Jh. V.Chr. – Thukydides, Geschichtsschreiber Athen

Dionysos und Herakles trinken um die Wette Mosaik aus Antiochia 100 v Dionysos und Herakles trinken um die Wette Mosaik aus Antiochia 100 v. Chr.

Dionysos auf dem Weg nach Italien Malerei des athenischen Malers Exekias – um 550 v. Chr. Kantharos Thyrsosstab –Zepter des Weingottes und Symbol seiner Macht

Wein als Medizin und Philosophie Hippokrates-ca. 460 v. Chr. geboren - als Vater der Medizin bezeichnet Wein spielt in fast allen überlieferten Arzneien eine Rolle zum Kühlen des Fiebers, als harntreibendes und allgemein keimtötendes Mitte Stärkungsmittel für Rekonvaleszenten– Empfehlung bestimmter Weine Längerer Genuss von Wein führt zu Schwachsinn Sokrates-(469 bis 399 v.Chr.) - der weiseste aller griechischen Philosophen „Wein befeuchtet und temperiert den Geist und wiegt die Sorgen des Gemüts in Schlaf… er belebt unsere Freuden und ist Öl auf die sterbende Flamme des Lebens. Wenn wir mäßig und in kleinen Zügen trinken …dann begeht der Wein keinen Raub an unserer Vernunft, sondern lädt uns ein zu freundlicher Heiterkeit.“ Plato- (427 bis 347v.Chr.) – Gründer der Platonischen Akademie „Knaben bis zum achtzehnten Lebensjahr sollen überhaupt keinen Wein trinken Leute bis zu dreißig Jahren dürfen zwar ein wenig Wein genießen, aber nur mit Maß Einer mit vierzig Jahren soll zum heiteren Fest der Alten auch Dionysos einladen, Denn der hat gegen den finsteren Ernst des Greisentums die Gabe des Weins geschenkt, so dass wir wieder jung werden und alle Schwermut vergessen.“

Die Römer und ihr Wein -der Wein kam ca. 800 v. Chr. aus Griechenland nach Süditalien und Sizilien -im Jahr 194 v.Chr. wird die erste Scheidung wegen Trunkenheit beurkundet -erstes ausführliche Buch über Weinbau wurde „De agricultura“ von Cato -in Pompeji wurden 29 Weingüter ausgegraben – Vesuvausbruch 79 n.Chr. -erste Ausfuhr und Verbreitung des Weines in Spanien, Gallien, Burgund, Rhein -65 n. Chr. erscheint „De re rustica“ von Lucius Columella (Von ländlichen Angelegenheiten) (ausführlich über Rebsorten, Kostenkalkulationen, Weinbergsarbeiten, Erträge, Wein) -92 n.Chr. Edikt des Kaisers Domitian – Rodung der Weinberge und Verbot v. Neuanpfl. -erst 280 n.Chr. Aufhebung des Ediktes und neue Weinpflanzungen durch Probus -nach Niedergang Roms lag die Zukunft bei den Provinzen des Imperiums

Wein im Mittelalter -größere Weinbergsflächen und Weinbereitung in Klöstern-z.B. Zisterzienser-Orden -Vermehrung der Reben erfolgte durch Stecklinge oder Absenker im nördlichen Europa bis zu 20 000 Weinstöcke pro Hektar In südlichen, trockenen Gegenden etwa 5 000 Stöcke/ha Auswahl der Rebsorte einfach 5 – 6 verschiedene Sorten durcheinander „Théatre d‘Agriculture“ um 1600 von Olivier de Serres-Lehrbuch der Landwirtschaft -im 13. Jh. wurde am Rhein zwischen „hunnischem“ und „fränkischem Wein“ untersch. (Massenwein und feiner Wein)  Preis von fränkischem Wein doppelt so teuer

Weinbehandlung um das Jahr 1800 „Der vollkommene Weinwirth und Weinkellermeister welcher practisch lehret wie man verfälschte Weine erkennen kann“ (erschienen in Gratz, 1813, 7. Auflage) Erstmals Gedanken über den Wein als Qualitäts- und nicht nur als berauschendes Getränk Sauberkeit und Ordnung erste Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Weinber. Gebrauch von reinem Wasser zur Säuberung der Fässer Einschwefeln der Fässer vor Gebrauch als „Einschlag“ Langsame Gärung verbessert den Geschmack des Weines Ein Aufbrausen und Toben des Mostes ist nicht erwünscht Die reine Hefe („Geleger“) von starken, guten Weinen ist für andere Weine sinnvoll Aber auch folgende Empfehlungen… Blitz darf nicht in den Keller leuchten Donner und Blitz schaden dem Geschmack der Weine (“man lege ein Eisenblech oder –platte mit Salz oder Kieselsteinen auf den Spund“) Gegen Kahm wird ein noch warmes Ei aus dem Neste empfohlen, dass zum Spundloch in das Faß sinken sollte

„gute alte zeit“ um 1800 ??? Für das „Richten des Weines“ waren zugelassen: Ingber, Zimmetrinde, Paradieskörner, weißer Weihrauch, Anieß, Veilchengewürz, Gewürznelken, Muskatnuß, Cardobenedicten „Oh tempora , oh mores“ – andere Zeiten andere Sitten und Gebräuche  Es gab schon Bestrebungen die ausländischen Weine nachzumachen! Kapitel: „Kunst, aus inländischem Weine fremde zu machen“ „fremde Weine können durchaus nachgemacht werden, ohne daß deren Genuß der Gesundheit nachteilig ist…“ Man bedient sich des gefrorenen oder eingekochten Mostes, um fast alle ausländischen Weine nachzumachen“ Übereinstimmender Grundsatz: „Die Haupteigenschaft eines guten Weines ist endlich, daß er dem menschlichen Körper nicht schädlich sondern gesund sey.“

Schwefeleinsatz bei der Weinbereitung -vage Hinweise zum Schwefeleinsatz schon bei Homer und Plinius -erst 1487 erste urkundliche Erwähnung der Weinschwefelung -Verbrennung von Hobelspänen mit Pulverschwefel, Kräuter u. Weihrauch im Fass -Wirkungen bekannt: Haltbarmachung, Abtöten von Keimen, kein Braunwerden -in Deutschland regelmäßiger Einsatz „von, an Luft verbranntem Schwefel“ -in Frankreich erst im 18. Jh. Zulassung der Schwefelung -ursprünglich zugelassene Menge betrug 18,8 Milligramm pro Liter (d.h. 18,8 ppm) (außergewöhnlich geringe Menge  heute je nach Restsüße zw. 160 – 400 mg/l)

Meilensteine in der Weinbereitung Mikroskopische Entdeckung der Hefen als gärungsverursachende Mikroorganismen (Pasteur 1822 – 1895) Chaptalisieren und Gallisieren der Weine, ab 1860 Herstellung von Reinzuchthefen – ab 1896 in Geisenheim Einführung der Edelstahlgefäße – Beginn des 20. Jh. Vollerntereinsatz ab den 80er Jahren Moderne Kühltechniken zur Weißweinbereitung Maischegärung- und Maischeerhitzungsverfahren zur Rotweinbereitung Steuerung des Biologischen Säureabbaus in Rotweinen Perfekte Klärung und Stabilisierung der Weine Einsatz der schonenden pneumatischen Presstechnik ab 20. Jh. Sichere Analysentechnik der Inhaltsstoffe und sensorischen Kontrolle Folge: die aktuellen Weine sind die Besten die je hergestellt worden sind!

Woher kommt der Liberalisierungsdruck für neue oenologische Verfahren? GATT, WTO: Reduktion der Handelsbarrieren durch Harmonisierung von zugelassenen Methoden und gegenseitige Anerkennung von weingesetzlichen Regeln EU: Aufbau der neuen Weinmarktordnung Bilaterale Abkommen zwischen der EU und USA, Australien, Chile (Südamerika) und Südafrika Schwächung der OIV durch bilaterale Abkommen und Austritte von USA und England Etablierte Verfahren der Lebensmitteltechnologie (Milch) halten vermehrt Einzug in der Weinbereitung.

Spinning Cone Column (Schleuderkegelkollonne) Teilweise Entalkoholisierung von Wein mit Aromarückgewinnung Aroma-fraktion Alkohol Teilweiseentalko-holisierter Wein Ausgangs-wein Abtrennung einer Aroma- und Alkoholfraktion

Spinning Cone Column Zweistufige Produktionsanlage in Australien (www.memstar.com) Versuchsanlage im Test an der FA Geisenheim

Technologien zur Fraktionierung von Wein werfen neue Fragen auf Sollen Fraktionen aus Wein noch Wein sein? Kann die Fraktionierung als temporärer Prozess in einem geschlossenen Kreislauf akzeptiert werden? Sollte eine beliebige Rekombination von Weinfraktionen bestehend aus Alkohol, Wasser, Aromen, Tanninen oder Farbpigmenten noch als Weinbereitungsverfahren akzeptiert werden? Wie verhält es sich, wenn Aromafraktionen von einem Wein in den anderen transferiert wird? Gibt es überhaupt einen Bedarf für verschiedene Fraktionierungstechnologien (Membranverfahren, Destillation)?

In den Augen der Verbraucher hat die Zukunft bereits begonnen ... Umzug zum Weinlesefest 2006 in Neustadt an der Weinstraße

Grundsätzliche Statements II Die Traube ist alleinige Basis für die Weinherstellung, die Zuführung weinfremder Stoffe ist zu vermeiden

Grundsätzliche Statements I Die Fraktionierung zum Ziel der beliebigen Rekombination von Zucker, Alkohol, Tanninen, Farbstoffen oder Aromastoffen zerstört die Wahrnehmung der Natürlichkeit von Wein.

Grundsätzliche Statements III Wein muss als authentisches Gefüge gesehen werden, das maßgeblich von der regional unterschiedlichen Zusammensetzung der Traube geprägt ist.

Zusammenfassung Wein ist von altersher mit einem besonderen Mythos umgeben Wein hat bei antiken Völkern das ganze Leben, ihre Kultur und Gesittung beeinflusst Der Wein lehrte die Menschen die ersten Lektionen in Ökologie, Medizin, Pflanzenphysiologie oder Biochemie Die Facetten der Weinkultur sind so vielfältig, wie es Völker und Weinregionen gibt Heute gibt es in der Welt eine größere Vielfalt an guten Weinen als je zuvor Neue oenologische Verfahren sind eine Weiterentwicklung der traditionellen Oenologie Die Herstellung klar definierter Weinstile entspricht den Verbraucherpräferenzen, die mit Hilfe der Marktforschung auf den weltweiten Märkten ermittelt werden Wein ist ein bedeutender internationaler Wirtschaftszweig Wein ist eines der schönsten Geschenke der Natur

Tradition und Moderne – ein Widerspruch? Wir sind Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen. Wir können weiter sehen als unsere Ahnen und in dem Maß ist unser Wissen größer als das ihrige und doch wären wir nichts, würde uns die Summe ihres Wissens nicht den Weg weisen. Bernhard von Chartres (1080-1167) Wenn die Tradition mit den Mitteln der Moderne weiterentwickelt wird, ohne sie ad absurdum zu führen, steht die Moderne nicht im Widerspruch zur Tradition, sondern geht eine Symbiose mit ihr ein.

Dr. Georg Binder Abt. Weinbau und Oenologie DLR Rheinpfalz Aus Alt mach Neu- Möglichkeiten der Aufbereitung gebrauchter Barriquefässer Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! Dr. Georg Binder Abt. Weinbau und Oenologie DLR Rheinpfalz