Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Ablauf Begrüßung und Einführung.

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 Präsentation transkript:

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Ablauf Begrüßung und Einführung Vortrag 1: Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen - Das Ausmaß von Teen Dating Violence unter hessischen Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 18 Jahren und daraus abzuleitende Präventionsansätze - (Dr. Brzank) Pause Vortrag 2 - Teil I: Einblicke in die Erfahrungen, Bewertungen und Bewältigungen von betroffenen Mädchen (S. Krenzel) Vortrag 3: Probleme und Möglichkeiten der Anzeigenerstattung bei Strafverfahren gegen die sexuelle Selbstbestimmung (H. Saarmann) Vortrag 2 - Teil II Abschluss 1 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Das „Mädchenhaus Bielefeld e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein und entwickelt seit 1987 als anerkannter Träger der Jugendhilfe spezifische Angebote für Mädchen und junge Frauen in Not- und Krisensituationen. Ein wesentliches Prinzip des Vereins ist die feministische Grundhaltung und die Parteilichkeit für Mädchen. Die Arbeit des Mädchenhauses ist interkulturell ausgerichtet. Angebote: Beratungsstelle, Interkulturelle Onlineberatung, Anonyme Zufluchtstätte, Clearinghaus für minderjährige Flüchtlingsmädchen, Fachberatungsstelle gegen Zwangsheirat, Mädchenwohnen Linah, Projekt „Gewaltschutz bei Behinderung“ Mädchenhaus Bielefeld e.V.

Beratungsstelle Für Mädchen ab 12 Jahren und junge Frauen und deren Bezugspersonen Beratung und Fallsupervision für Fachkräfte Persönliche und telefonische Beratung, Onlineberatung, therapeutische Begleitung Intensive Unterstützung in Krisensituationen Unterstützung im Umgang mit sexualisierter Gewalt Beistand im Umgang Institutionen und Behörden (Schule, Jugendamt etc.) Unterstützung bei Strafanzeigen, Vorbereitung auf die Hauptverhandlung, Begleitung während und nach der Hauptverhandlung

Beratungsanliegen Bei den Beratungsanliegen handelt es sich immer um Mehrfachanliegen. Sexualisierte Gewalt Körperliche Misshandlung Essstörungen Anzeigenerstattung/ Prozessbegleitung Konzentrationsstörungen Ängste, Selbstzweifel, Panikattacken Schulprobleme/ Schulverweigerung Probleme mit den Eltern Selbstverletzendes Verhalten Suizidale Gedanken /Absichten Schlafstörungen, Alpträume Psychosomatische Symptome Kontaktschwierigkeiten

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Beratungsstelle

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Vortrag 1 Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen - Das Ausmaß von Teen Dating Violence unter hessischen Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 18 Jahren und daraus abzuleitende Präventionsansätze Dr. Petra Brzank, Zentrale Frauenbeauftragte der TU Berlin 8 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Pause 9 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Vortrag 2 - Teil I Einblicke in die Erfahrungen, Bewertungen und Bewältigungen von betroffenen Mädchen Dipl. Psych. Sylvia Krenzel, Leiterin der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 10 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Erfahrungen/Erleben der Mädchen Bewertungen der Mädchen Spezifische Situation der Mädchen „Fallstricke“ für die Wahrnehmung und Verarbeitung der Erfahrung von Gewalt in Liebesbeziehungen Unterstützung durch das soziale Umfeld 11 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Einblicke in die Erfahrungen, Bewertungen und Bewältigungen von betroffenen Mädchen Ausgangspunkt: Von welchen Gewalterfahrungen in (ersten) Liebesbeziehungen berichten die Mädchen/jungen Frauen bei uns in der Beratung/Therapie? Psychische Gewalt wie z.B. Kontrolle, verbale Aggression, Zwang, Abwertung, Drohung, unter Druck gesetzt werden, sexuelle Wünsche zu erfüllen Körperliche Gewalt wie z.B. geohrfeigt, geschlagen, festgehalten werden Sexualisierte Gewalt wie z.B. Grenzüberschreitungen, mit Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen werden, Vergewaltigung 12 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Einblicke in die Erfahrungen, Bewertungen und Bewältigungen von betroffenen Mädchen Beispiele 13 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Verschiedene Gruppen von Erfahrungen/Erleben der Mädchen Vergewaltigung durch Freund oder Ex-Freund, von dem betroffenen Mädchen klar wahrgenommen, benannt und eingeordnet  Trennung, Abstand, Schutzmaßnahmen, ggf. Anzeige etc. Sexualisierte Übergriffe in (beginnender) Liebesbeziehung, die klar als solche von dem betroffenen Mädchen wahrgenommen, benannt und eingeordnet werden  Trennung, Abstand Sexualisierte Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung in (beginnender) Liebesbeziehung, unter denen das Mädchen leidet, die (noch) nicht klar wahrgenommen oder eingeordnet werden können, da z.B. Überforderung und eigene Unsicherheit in die Bewertungsfähigkeit vorliegen, die Gewalt Teil des eigenen sexuellen Skripts ist oder das Mädchen retraumatisiert ist Sexualisierte Übergriffe/ Missbrauch in Beziehung (nicht Liebesbeziehung), von außen als Partnerschaft wahrgenommen, aufgrund von aktueller Traumatisierung und aktualisierter Traumatisierung/Missbrauchserfahrung in Kindheit nur begrenztes Wehren, Aushalten der Situation Sexualisierte Grenzüberschreitungen, wie z.B. unter Druck gesetzt werden, gefilmt zu werden, selbst Fotos an den Freund zu schicken, wird von dem Mädchen als negativ erlebt, aber in Kauf genommen, auch in der Hoffnung, dass sich das noch ändert Sexualisierte Gewalt, die ausgeblendet wird und erst über die Behandlung oder Beachtung von Belastungssymptomen wie gestörtes Essverhalten, selbstverletzendes Verhalten eine Möglichkeit des Ausdrucks und der Wahrnehmung findet 14 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Exemplarische Bewertungssätze der Mädchen bezogen auf die erlebte Gewalt „Obwohl ich weiß, dass ich nicht schuld bin, fühle ich mich schuldig.“ „Ich bin selber schuld, ich hätte deutlicher sein müssen.“ „Weil ich am Anfang mitgemacht habe, bin ich mit schuldig.“ „Er hat mich immer zum Sex gezwungen. Als wir noch zusammen waren, war das ja normal, aber nach der Trennung nicht.“ „Vielleicht habe ich das alles falsch wahrgenommen.“ „Ich hab dreimal nein gesagt, dann hab ich aufgegeben.“ „Aber eigentlich liebt er mich.“ „Es kann keine Gewalt gewesen sein, er ist ja nicht böse.“ „Er hat gesagt, dass er das nie machen würde, also kann das gar nicht sein.“ „Das ist wohl so normal, das gehört dazu.“ 15 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Exemplarische Bewertungssätze der Mädchen bezogen auf die erlebte Gewalt „Ich schäme mich so.“ „Das darf niemand erfahren.“ „Mir wird keiner glauben, wir waren ja zusammen.“ „Ich kann ja von unseren gemeinsamen Freunden nicht verlangen, dass die ihn jetzt nicht mehr einladen.“ „Wenn ich nicht getrunken hätte, dann wär das vielleicht nicht passiert.“ „Was bedeutet das jetzt: muss ich den (Täter) heiraten?“ „Ich will ihn trotzdem nicht verlieren.“ „Ich liebe ihn immer noch.“ 16 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Bewertung der Mädchen bezogen auf die erlebte Gewalt in der Liebesbeziehung Schuldgefühle entstehen unabhängig von Alter und Geschlecht als Folge von sexualisierter Gewalterfahrung: In dem Betroffene sich selbst die Schuld geben, deuten sie das Geschehen um: Selbst Schuld zu haben, bedeutet, gehandelt zu haben – und wer handelt, ist nicht mehr ohnmächtig. Menschen, die Opfer wurden, bekommen so die – scheinbare – Kontrolle über die Situation zurück. Deshalb können Schuldgefühle als eine der stärksten Überlebensstrategien der Seele bezeichnet werden (C. Kerger-Ladleif) 17 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Allgemeine Folgen von sexualisierter Gewalterfahrung Gefühle: Schuld, Scham, Angst, Wut, Hilflosigkeit, Unsicherheit Selbstwertminderung Wahrnehmungsverzerrung Körperliche/psychische Beschwerden: Schlafstörungen, Ängste, Ekel, Unruhe, Dissoziation, Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung … Verhalten: emotionaler Rückzug, Risikoverhalten, Alkoholkonsum, Ängstlichkeit, Aggressivität, Leistungsabfall, Konzentrationsschwäche 18 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Was ist spezifisch an der sexualisierten Gewalterfahrung in der Liebesbeziehung auf Seiten der Mädchen? Mädchen fällt es z.T. schwer, die sexualisierte Gewalterfahrung als solche für sich einzuordnen, als Gewalt zu bewerten, da der Wunsch nach einer Liebesbeziehung dem entgegensteht Beziehungsorientierung versus Selbstschutz und Selbstgefühl Mädchen möchten dem Jungen vertrauen, nehmen Signale der Gewalt nicht oder zu spät wahr (Aktivierung Bindungssystem) Wenn in „sexuellen Skripten“ der Mädchen Teile der Gewalterfahrung als integraler Bestandteil von Sexualität bewertet werden, dann Wahrnehmung/Bewertung der Gewalterfahrung beeinträchtigt Geschlechtsstereotype Rollenerwartungen an sich und den Freund Besondere Vulnerabilität wegen der Unerfahrenheit bzgl. Sexualität und der sexuellen Grenzen Noch schlecht ausgebildete Fähigkeit der Benennung von Bedürfnissen und Grenzen, insbesondere auch auf den Körper bezogen Schwierig für Mädchen, sich an Erwachsene zu wenden, wenn sie sexualisierte Gewalt erlebt haben in der Liebesbeziehung, wenn evtl. Sex/Beziehung von den Eltern verboten ist oder diese den Freund ablehnen Erpressbarkeit durch den Täter, wenn Beziehung oder Sexualität verboten ist (Gefahr der digitalen Medien) Insgesamt wenden sich Mädchen in dem Alter weniger an Erwachsene und sind gleichzeitig besonders abhängig von der Reaktion und den Konsequenzen der Erwachsenen 19 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

„Fallstricke“ für Mädchen in der Bewältigung und Verarbeitung der Gewalterfahrung in der Liebesbeziehung Risiko sozialer Isolation wenn keine hilfreiche Peergroup, oder diese eher mit dem Täter verbunden sind, Gefahr größer in Schuld stecken zu bleiben Schwierigkeit, sich aus einer Beziehung trotz Gewalterfahrung zu lösen, wenn emotionale Fixierung auf den Freund, insbesondere bei Mädchen aus Familien mit häuslicher Gewalt oder starker Einschränkung der Selbstbestimmung Gefahr, dass Erfahrung chronifiziert, wenn keine korrigierenden Erfahrungen und korrigierende Bewertungen gemacht werden besonders wenn auch schon sexualisierte Gewalterfahrung oder Grenzüberschreitung in der Kindheit Abhängigkeit von Rahmenbedingungen, Peergroup: wie kann sie vom Täter Abstand haben, wenn dieser im Freundeskreis, in der Schulklasse, Uni etc.? 20 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

„Fallstricke“ für Mädchen in der Bewältigung und Verarbeitung der Gewalterfahrung in der Liebesbeziehung Wenn die Gewalterfahrung nicht dem Stereotyp einer Gewalterfahrung entspricht, d.h. fremd, Täter in böser Absicht, körperlich massiv, Opfer körperlich gewehrt, dann für Mädchen oft schwierig, diese selbst als solche wahrzunehmen und besonders schwierig, sich damit ans Außen zu wenden Größere Abhängigkeit der Mädchen, dass ihnen geglaubt wird und dass das Umfeld hellhörig ist und klar reagiert Typische Dynamik bei sexuellen Übergriffen: je mehr Zeit seit der Tat vergangen ist und je weniger eindeutig von den Verantwortlichen/erwachsenen Bezugspersonen reagiert wurde, umso mehr löst sie sich im Nebel der Bagatellisierungsstrategien des Täters und des gesamten Umfeldes auf 21 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Vulnerabilitätsfaktoren für Opfererfahrungen aus Forschung und Praxis Mädchen und junge Frauen sind mit Täterhandeln und Täterstrategien auch in der Liebesbeziehung konfrontiert Sexueller Missbrauch und Erfahrung von Wertlosigkeit in der Familie bei Mädchen und Frauen  Reviktimisierung Sexueller Lebensstil: Opfer haben oft früher Erfahrungen mit Sexualität und mehr Partner Sexuelle Skripte: Jugendliche die in ihren Skripten mehr Risikofaktoren sexueller Aggressionen integrieren, praktizieren mehr Risikoverhalten und werden häufiger Opfer Kommunikationsstrategien beim Aushandeln sexueller Intimität wichtig, Unklarheit Risikofaktor für Viktimisierung Sexuelle Skripts/ Verhaltensdrehbücher geben Orientierung: Viele Jugendliche teilen ein sexuelles Skript, das die Verschleierung sexueller Absichten und die Legitimität der Durchsetzung sexueller Interessen gegenüber einem widerstrebenden Partner als integrale Bestandteile enthält  Implikation für die Prävention und sexualpädagogische Intervention: Konsens zwischen den Partnern wichtig, klare Kommunikation der sexuellen Absicht und Aushandlung, klare Ausgrenzung von sexueller Aggression/sexualisierter Gewalt (Krahé, 2010) 22 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Bewältigung der Gewaltfolgen und Bewältigung der Gewalterfahrung Dysfunktionale und funktionale Bewältigungsformen Abhängig von individuellen und sozialen Ressourcen der Mädchen Eine Form der Bewältigung kann eine Strafanzeige sein 23 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Vortrag 3 Probleme und Möglichkeiten der Anzeigenerstattung bei Strafverfahren gegen die sexuelle Selbstbestimmung Heidi Saarmann, Rechtsanwältin 24 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Vortrag 2 - Teil II Einblicke in die Erfahrungen, Bewertungen und Bewältigungen von betroffenen Mädchen Dipl. Psych. Sylvia Krenzel, Leiterin der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 25 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Was ist wichtig für das soziale Umfeld/ wie kann Unterstützung aussehen für Mädchen, die Gewalt in ihrer Beziehung erlebt haben? Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung hinsichtlich Geschlechterrollen, Partnerschaft, Sexualität und Auseinandersetzung mit Mythen über sexualisierte Gewalt, ggf. mit den eigenen Gewalterfahrungen Offenheit für Signale der Gewalterfahrung bei den Mädchen Parteilichkeit für Opfer von Gewalt Kein Infrage stellen der Erfahrung, Bagatellisieren oder Beschuldigen Brücke zur professionellen Hilfe, bei akuter und zurückliegender Gewalterfahrung, nach akuter Vergewaltigung Möglichkeit anzeigenunabhängiger Spurensicherung Psychische und medizinische Erstversorgung bei akuter Gewalterfahrung 26 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Was ist wichtig für das soziale Umfeld/ wie kann Unterstützung aussehen für Mädchen, die Gewalt in ihrer Beziehung erlebt haben? Korrigierende Instanz der Bewertung: Modell für klare Ausgrenzung von sexueller Aggression/ Aggression, die sexualisiert ausgeübt wird Modell für gleichberechtigte gleichwürdigende Partnerschaften Trennung von Verhalten und Persönlichkeit sowohl bei „Tätern“ als auch bei „Opfern“ Sowohl für die Prävention als auch für die Intervention: Ein klares Gegenüber mit deutlicher Positionierung gegen Gewalt, für ein klares Recht auf Selbstbestimmung Als Gesellschaft eine klare Haltung zum Thema Gewalt vertreten: „Die Macht der Täter entspringt dem Schweigen der Opfer und dem Wegschauen der Anderen und des Helfersystems“ (Lutz Besser) 27 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Was ist wichtig für das soziale Umfeld/ wie kann Unterstützung aussehen für Mädchen, die Gewalt in ihrer Beziehung erlebt haben? Wichtig ist ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Mädchen ein Recht haben auf das Entdecken ihres eigenen Wollens und Nicht- Wollens, welches zu jedem Zeitpunkt überprüft und korrigiert werden darf dass Mädchen nicht mitschuldig werden, wenn sie einfach nur „nein“ gesagt haben dass Mädchen ein Recht auf die Herstellung und das Experimentieren an und mit der eigenen Schönheit, Attraktivität und Sexualität haben, ohne dass damit eine unerfragte Zustimmung zu sexuellen Handlungen verbunden ist dass Mädchen das Recht haben, sich auch bei attraktiven und liebenswerten Jungen innerhalb oder außerhalb einer Beziehung zu wehren, wenn diese zu weit gehen. dass sexualisierte Gewalt (egal von wem an wem) öffentlich benennbar wird und Ächtung erfährt 28 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,

Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen Fachveranstaltung der Beratungsstelle Mädchenhaus Bielefeld e.V. 29. Oktober 2015 Gibt es Fragen bzw. Diskussionsbedarf? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Vielen Dank auch der Gemeinde der Altstädter Nikolaikirche, die uns diesen Raum heute unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat. 29 © Sylvia Krenzel, Gewalt gegen Mädchen in Teenagerbeziehungen, Fachveranstaltung Mädchenhaus Bielefeld e.V.,