Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie GKPD/04/01/01 © Peter Weichhart Modul 04/01 Die Revolution: ein Paradigmen- wandel – Erklärungsansätze der.

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Grundkonzepte und Paradigmen der Geographie GKPD/04/01/01 © Peter Weichhart Modul 04/01 Die Revolution: ein Paradigmen- wandel – Erklärungsansätze der Wissenschaftstheorie SS VO 2 Std., 3 ECTS-Punkte Mittwoch 16:30 – 18:15, HS II (NIG), 29.01; 29.02; 29.05; 29.06; (B11-3.4) (B07-1.2) (L2-b1) (D3, nur für Studierende, die diese Lehrveranstaltung nicht schon im Diplomstudium absolviert haben )

Paradigma GKPD/04/01/02 Das Wort Paradigma wird in zwei Bedeu- tungen verwendet: 1.) in einem allgemeinen Sinn in der Bedeutung Beispiel oder Muster- beispiel; 2.) als spezifischer Fachausdruck der Theorie von Thomas S. KUHN.

Paradigma im Sinne von KUHN GKPD/04/01/03 Unter einem Paradigma versteht man eine forschungsleitende Perspektive oder Sichtweise, die für eine bestimmte Zeit und bestimmte Gruppe von Wis- senschaftlern konsensbildend ist.

Der Entwicklungsprozess der Forschung nach KUHN GKPD/04/01/04 Am Anfang steht die mühsame Suche nach Fakten. Es liegen noch keine Se- lektionskriterien der Datenerhebung in Form von Hypothesen und Theorien vor. Protowissenschaftliche oder vorparadigmatische Phase

Der Entwicklungsprozess der Forschung nach KUHN Es existieren verbindliche und als adäquat angesehene Konzepte und Beschreibungs- kategorien zur Darstellung und Erklärung der Realität; man verfügt über bewährte Strategien zur Lösung fachlicher Probleme. Normalwissenschaftliche Phase GKPD/04/01/05

Funktionen eines Paradigmas GKPD/04/01/06 Ausbildung von dogmatischen Überzeu- gungen, die gegen alle Einwände gesichert erscheinen; Basiskonzepte werden gleichsam außer Streit gestellt; soziale Bedeutsamkeit: das Erlernen des Paradigmas ist ein Sozialisationsprozess, der zu einem gemeinsamen Weltbild führt.

Minimalbestandteile von Paradigmen GKPD/04/01/07 Symbolische Verallgemeinerungen ontologische Modelle heuristische Modelle Werte und normative Festlegungen (abgekürzte Redeweisen: Geofaktoren, Kompartimente) (paradigmenspezifische Vorstellungen über die Strukturen und Ele- mente der Realität) (Rezepte und Algorithmen für das Lösen spezifischer Probleme) (Genauigkeitsforderungen, Werturteilsfreiheit (?), ethische Standards) Erkenntnistheoretische Grundpositionen (verschiedene Spielarten des Realismus, Konstruktivismus …) Theorien (verallgemeinernde Behauptungen über Kausalzusammenhänge zwischen bestimmten Phänomenen der Realität)

Symptome einer Grundlagenkrise von Paradigmen GKPD/04/01/08 Intensivierung methodisch-konzeptioneller Diskussionen; Entwicklung eines Krisenbewusstseins; Ausbrechen offener Unzufriedenheit bei bestimmten Teilgruppen der Scientific Community. Die Bühne für eine Revolution wird aufgebaut

Ein neues Paradigma tritt auf den Plan GKPD/04/01/09 Verheißung einer neuen Weltsicht; grundlegend neue ontologische, heuristi- sche und methodische Modelle, neue normative Festlegungen; andersartige Probleme, andere Lösungs- ansätze.

Das zentrale Problem der Neuerer: GKPD/04/01/10 Die Vorzüge des neuen Paradigmas lassen sich nicht mit rationalen Argumenten plausi- bel machen. Aus der Sicht ihrer Gegner (der Anhänger des alten Paradigmas) sind diese Begründungen nur Scheinargumente.

Die Entscheidungsschlacht GKPD/04/01/11 Die Auseinandersetzung zwischen den kon- kurrierenden Paradigmen hat den Charakter eines Glaubenskrieges; das Old Establishment setzt sich mit allen disziplinpolitischen Mittel zur Wehr und nutzt die bestehenden Machtpositionen für die Verteidigung. Schließlich kann sich das neue Paradig- ma durchsetzen (biologische Lösung).

Implikationen des KUHNschen Entwicklungsmodells GKPD/04/01/12 Die Geschichte von Wissenschaften ist durch einschneidende Traditionsbrüche gekennzeichnet; bestimmte Phasen der Fachgeschichte las- sen sich sehr umfassend mit dem Konzept des Paradigmas beschreiben; Ein Paradigmenwechsel bewirkt die Zerstö- rung eines sozialen Bezugsrahmens.

GKPD/04/01/13 Paradigmenwandel als revolutionärer Prozess - die radikale Lesart KUHNs t normalwissen- schaftliche Phase P 1 Anomalien normalwissen- schaftliche Phase P 2 P 1 ist inkommensurabel mit P 2 (P1 und P2 sind rational unvergleichbar) In der normalwissenschaft- lichen Phase ist immer nur ein Paradigma vorhanden! revo- lutio- näre Phase

Die axiomatischen Grundlagen von Paradigmen GKPD/04/01/14 Erkenntnisobjekte werden im Rahmen von Paradigmen postuliert und durch einen Pa- radigmenwandel verändert; auch die Wissenschaftstheorie gründet auf axiomatischen Vorannahmen und Setzun- gen, die nicht beweisbar sind.

Vorentscheidungen der Philosophie GKPD/04/01/15 Die Tatsache, dass man in der Philosophie nicht ohne gewisse Entscheidungen aus- kommt ist neuerdings von verschiedenen Seiten hervorgehoben worden. H. ALBERT, 1961, S. 508 (Verweis auf K. R. POPPER, V. KRAFT, P. K. FEYERABEND und W. STEGMÜLLER.)

Normative Konzeptionen GKPD/04/01/16 Auch die Auffassung, dass es keine Aussa- gen geben dürfe, die der rationalen Diskus- sion und der kritischen Überprüfung im Lichte der Logik und der Erfahrung prinzipiell ent- zogen sind, geht auf eine Entscheidung zu- rück, nämlich die Entscheidung zum Ratio- nalismus, der insofern eine normative Kon- zeption ist. H. ALBERT, 1961, S. 508/9

Rationalismus als nicht begründ- bares methodisches Prinzip GKPD/04/01/17 Die Anerkennung einer solchen Auf- fassung schließt eine dogmatische Be- gründung... prinzipiell aus... Ein so for- mulierter Rationalismus ist nicht eine ontologische Auffassung über die Be- schaffenheit der Welt und ihre Erkenn- barkeit,... sondern nur ein methodisches Prinzip... H. ALBERT, 1961, S. 509

Weitere methodische Setzungen bei den empirischen Wissenschaften GKPD/04/01/18 Festsetzungen bezüglich der Relevanz von Beobachtungen; Entsprechend der spezifischen Zielsetzung einer Disziplin sind axiomatische Vorannah- men zu treffen: Festsetzungen, welche die intersubjektive Prüfbarkeit von Aussagen betreffen.

Beispiel: Falsifizierbarkeits- Kriterium GKPD/04/01/19 Eine erfahrungswissenschaftliche Theorie ist grundsätzlich so zu formulieren, dass sie die prinzipielle Möglichkeit aufweist, an der Erfahrung scheitern zu können.

Die Folgerung: GKPD/04/01/20 Wer derartige methodische Festsetzun- gen nicht anerkennt, kann natürlich nie- mals mit rationalen Mitteln gezwungen werden, seine Überzeugung zu revidie- ren. Letzten Endes geht die Lösung aller Gültigkeitsprobleme auf solche Basisent- scheidungen zurück. Nur wer sie aner- kennt, muss die Gültigkeit bestimmter inhaltlicher Aussagen zugeben. H. ALBERT, 1961, S. 509

Konsequenzen für den Vergleich von Paradigmen GKPD/04/01/21 Weil die grundlegenden Vorentscheidun- gen der Wissenschaftstheorie auf norma- tiven Setzungen basieren, kann es keine objektive und endgültige vergleichende Bewertung von Paradigmen geben.