Zugangswege sowie juristische und verantwortungsethische Dimensionen in der Behandlung jugendlicher Suchtkranker im Rahmen der Veranstaltung Netzwerke.

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 Präsentation transkript:

Zugangswege sowie juristische und verantwortungsethische Dimensionen in der Behandlung jugendlicher Suchtkranker im Rahmen der Veranstaltung Netzwerke zur Erfassung und Behandlung jugendlicher Suchtkranker von Dr. Wilfried Huck am im Westf. Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Hamm

1 Einleitung Zugang zu minderjährigen drogenabhängigen Jugend- lichen (veränderte Suchtlandschaft, veränderte institu- tionelle Bedingungen) Zugang zum inner working model der Jugendlichen Erarbeitung eines Handlungsauftrags Aufbau eines tragfähigen Arbeitsbündnisses Motivationsarbeit Umgang mir destruktivem Verhalten Akzeptanz aller Beteiligten von Rahmenbedingungen

Rahmen

2 Aktuelle Situation Jüngere Patienten : Altersdurchschnitt von 15 Jahren (vor 5 Jahren noch 17 Jahre) Trend zur Polytoxikomanie und Anstieg der Partydrogen radikalere Lebensstile Zunahme der Comorbidität am Beispiel Sucht und Psychose in Kombination mit anderen Suchtformen wie PC- und Internetsucht

Leiterbild mit Wolke

Aktuelle Situation Anstieg der Anzahl der Klienten aus Jugendhilfeeinrichtungen Zunahme des Anteils der Eltern mit eigenem Drogenhinter- grund Ausgeprägte parentale Hilflosigkeit

Podest und Peitsche

Rucksackbild Aktuelle Situation Erhebliche Traumatisierungen

Aktuelle Situation Narkotisierendende und anästhetisierende Funktion der Drogen Gefahr der Chronifizierung transgenerationaler Sucht- und Kommunikationsmuster Typische Prädiktoren für die weitere Prognose Erheblich gesunkene Verweildauer Gefahr der Drehtürpsychiatrie Erhebliche Mängel an Angeboten von vorbeugenden Maßnahmen und Aussteigehilfen Kommstruktur von Suchtberatungsstellen Meist wollen die Eltern Hilfe und dann erst die Jugendlichen

Positive Beispiele für Kooperation Malteser Werke GmbH Auxilium Hamm Therapeutische Wohngruppen Verselbständigungs- gruppen Westfälisches Institut f. Kinder- Jugendpsychiatrie Hamm Qual. EntzugDrogen-Plusmed. Reha

Positives Beispiel für Kooperation Behandlungszeiten Westfälisches InstitutMalteser Werke Auxilium Hamm Qual. Entzug med. Reha./ DrogenPlus Verselbständi- gungsgruppe Therapeutische Wohngruppe 2-6 W.1 Jahr

3 Konkretes Fallbeispiel (Britta, 15. Jh.) Verdeutlichung der therapeutischen und pädagogischen Strategien im Umgang mit minderjährigen Drogen-Klienten Brittas Vater: Seit vielen Jahren psychisch krank, Alkoholprobleme mit aggressiven Impulsdurchbrüchen Britta: Zeigt keine Motivation zu einer Verhaltens- änderung und Abkehr von ihrem radikalisierten Lebensstils

Bananenbild

Brittas Haltung Britta ist der Meinung, ihre Eltern sollten sich ändern Sie lehnt bis zu 20 involvierte Personen ab und entwertet alle Hilfsangebote Sie entwickelt das Selbstbild einer Erwachsenen Sie erlebt Angebote als Eingriffe in ihre Autonomie

Auswirkungen bei den Helfern Es kommt zu ständigen Machtkämpfen, zu zunehmenden burn-out-Phänomenen der Helfer sowie zu Ausstoßungsmechanismen und sich abwechselnden Schuld- und Scham-Zyklen Institutionen und Helfer entwickeln gemeinsame Strategien Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit und Ohnmacht

Auswirkungen auf Britta Britta soll in ihrem Autonomiewahn ernst genommen werden Übergabe der Verantwortung an Britta - trotz ihres Minderjährigen-Status Alle Beteiligten ziehen sich zurück Britta werden die Gefahren ihres radikalen Lebensstils und der zu erwartenden Auswirkungen aufgezeigt

Stuhlbild

Weitere Auswirkungen auf Britta Die Funktion ihres Drogenkonsums wird positiv konnotiert Gleichzeitig erhält sie ein Hilfsangebot

Fliegenglas

3a Paradoxe Interventionsmuster Anerkennung der Tatsache, dass Eltern nicht mehr die Referenzpunkte für die Jugendlichen sind, sondern die Szene Ein liebesvolles gegen die Wand laufen lassen Bündnis aller relevanten Bezugspersonen und Erziehungsberechtigten

Rahmen

Paradoxe Interventionsmuster Bestärkung der Abgrenzungsbemühungen der Eltern Umformulierung des Problem als ein transaktionelles Problem Aufzeigen der destruktiven transaktionellen Muster und Wege aus der parentalen Hilflosigkeit Stärkung ihrer Kompetenzen Thematisierung von Fragen wie: Zeitdauer der Prozesse, der Geduld, der Ängste und der möglichen juristischen Verwicklungen (z.B. Strafbarkeit wegen Aussetzung der Hilfe nach § 221 StGB)

Paradoxe Interventionsmuster Abschied der Eltern von ihrem Normalitäts- konzept Wahrnehmung der Sorgen als nicht stoff- gebundene Suchtform Wahrnehmung der Untergangsszenarien und Katastrophenängste und -wünsche Verdeutlichung des Auslebens der geheimen Wünsche der Eltern Veränderung des therapeutischen Umgangstils Sog. Mobile-Effekt

Mobile

3b Bilder und Metaphern Bilder, Metaphern und ikonographische Schemata als weitere wichtige Zugangswege Visualisation der suchtspezifischen Muster und Kommunikationsstile

3c « indirektes Videofeedback »

3d Fragen nach den aufrechterhaltenden Bedingungen der Symptomatik Fragen wie : Angenommen, ihr ping-pong-Muster würde Sie die nächsten Jahre begleiten, wie sähe es in Ihrer Familie dann aus?

4 Suchtspezifische Muster und Kommunikationsregeln Kenntnis der suchtspezifischen Muster und Kommu- nikationsregeln Handlungsweisen und dahinterliegende Ideen der Jugendlichen als Ausdruck einer Revolte gegen die bisherigen Grundannahmen und Glaubensüberzeu- gungen der Familie, z. B. "Man muss sich beherrschen, darf sich nicht gehen lassen."

5a Eigene Entwicklungsschritte der Eltern Eingeständnis und Bewusstwerden der eigenen Ohnmacht und der eskalierenden Bindung Erfahrung des Loslassens Verantwortungsübernahme Erfahrung einer neuen Selbstfürsorglichkeit Entfaltung neuer und gemeinsamer Dynamiken und damit Kompetenzgewinn Reduktion der Diskurskontrolle durch den Jugendlichen

5b: Eigene Entwicklungsschritte der Eltern Wiedereinführung der exkommunizierten Themen in die Kommunikation Aushandeln eines neuen Entwicklungsrahmens mit neuen Handlungsoptionen (Konstruktion eines neuen Lebensscripts) bezogene Individuation (Stierlin) Hinführung zu einer selbstgetroffenen Entscheidung als ersten Schritt zur Verantwortungsübernahme Verständnis des eigenen Rückfallwegs

6a: Juristische und verantwortungsethische Dimensionen Vernetzung aller relevanten Bezugspersonen, Austausch und Finden gemeinsamer Positionen und Haltungen ist ein verantwortungsethischer Aspekt Zeichen gegen einen Verantwortungs-Nihilismus Auswirkungen der Übergabe der Verantwortung an minderjährige Jugendliche im juristischen und verant- wortungsethischen Sinne keine Enthaltsamkeit des Handelns

6b: Juristische und verantwortungsethische Dimensionen Anerkennung der Tatsache: Wirksame Hilfe ist nur dann möglich, wenn die Hilfe durch den Jugendlichen auch angenommen wird. Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung und eines neoliberalen Selektions- und Verelendungshandels Verantwortungsethisches Handeln und die Frage: Was sollen, was können, was müssen wir – angesichts der Verweigerungshaltung – tun?

7 Alternativen 7a: Geschlossene Unterbringung nach § 1631 b BGB als Gegenmodell Normalerweise keine massive Eigen- und Fremdge- fährdung bei jungen Drogenabhängigen Novelle des Kindschaftsrechts (BGBI I 135/2000) Problem: Minderjährige erteilen selbst die Einwilligung für einen Eingriff - das zugrundeliegende Rechtsgeschäft (Behandlungsvertrag) ist von den Eltern abzuschließen Der Wille des Kindes und des Jugendlichen als Kriterium für Bearbeitung und Entscheidung familienrechtlicher Konfliktfälle. Beachtung der Kinderrechtskonvention der UNO

7b Alternativen Zugangswege und Rahmenbedingungen bei strafrechtlich in Erscheinung getretenen drogenabhängigen Jugendlichen § 57 JGG: Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung § 35 BtMG

8 Verantwortungsethische Positionen Aufzeigen der inneren Verbindung des radikalisierten Lebensstils mit seinem Autonomiewahn in engster Abhängigkeit des abgelehnten Lebensstils der Erwach- senen Reifen kann nur an einer neuen Aufgabe oder im Austausch mit anderen Menschen geschehen Erfahrung der sozialen Anerkennung als Bedingung der Identitätsentwicklung Anerkennung der Paradoxie der Abhängigkeit von Anderen

Verantwortungsethische Positionen Gemeinsames Aushandeln von Normen Verantwortungsvolles Handeln verlangt, dass wir als Handelnde ethische Prinzipien internalisiert haben Leitsätze ethischen Handelns: - Der Mensch darf nie zum bloßen Mittel gemacht werden. - Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten größer wird. (ethischer Imperativ, H. von Foerster) Selbstbestimmung des gelingenden Lebens Beurteilung der Lebensqualität Argumentative Suche nach plausiblen und somit für alle Betroffenen tragbaren Ergebnissen im Diskursverfahren

Ende