Reelle quadratische Abbildungen: das Feigenbaum-Szenario

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Reelle quadratische Abbildungen: das Feigenbaum-Szenario

Inhaltsübersicht: Einleitung Was hat eine Kaninchenpopulation mit einer quadratischen Abbildung zu tun? Das Feigenbaum-Diagramm: Was für Strukturen sind sichtbar und wie lassen sie sich erklären?

Einleitung Chaostheorie Ende des 19. Jahrhunderts durch den franz. Mathematiker Henri Poincaré ins Leben gerufen Früher: Chaos und Ordnung galten als Gegensatzpaare Aber: Viele natürliche Systeme gehen den Weg von der Ordnung ins Chaos

Kaninchenpopulation Szenario 1: Beliebige Menge von Kaninchen wird ausgesetzt. Die Population pendelt sich nach einigen Generationen auf einem stabilen Wert ein. Szenario 2: Die Population oszilliert über mehrere Generationen (Jahre) zw. Maximal- und Minimalwert. Szenario 3: Die Population schwankt von Generation zu Generation sehr stark und zeigt chaotisches Verhalten.

Wie kann man die Generationsstärke x einer Population darstellen? xn+1 = a·xn mit a: Reproduktionsrate und xn: Generationsstärke im n-ten Jahr xn = an·x0 Besser: Reproduktionsrate a durch a(1-xn) ersetzen (Element negativer Rückkopplung) logistisch bzw. quadratische Abbildung: xn+1 = a·xn (1-xn) fa(x) = a·x (1-x)

Graphische Iteration für fa(x) = a·x für fa(x) = a·x (1-x) mit a = 2

Darstellung des Langzeitverhaltens des quadrat. Iterators für a = 2 Zeitreihe und Endzustand

Darstellung des Langzeitverhaltens des quadrat Darstellung des Langzeitverhaltens des quadrat. Iterators für a = 1,75 und a = 2,75

Feigenbaum-Diagramm

Feigenbaum-Punkt soo=3,5699456... trennt den Periodenverdopplungsbaum vom chaotischen Bereich.

Mitchell Jay Feigenbaum geboren am 19.12.1944 in Philadelphia, USA

graphische Iteration für a = 1,75 und a = 2,75 Winkelhalbierende schneidet die Parabel an den Fixpunkten p0= 0 stößt die Iteration ab und heißt deshalb abstoßender oder instabiler Fixpunkt pa heißt attraktiver oder stabiler Fixpunkt

Der Fixpunkt pa ist superattraktiv für a=2

Was passiert nun für a > 3 ? a= 3,1 und x0 = 0,075 bzw. 0,65 pa verliert für Parameter a > b1 = 3 (Verzweigungspunkt) seine Stabilität.

Was bedeutet dies für das Endzustands-Diagramm ? Zeitreihe mit Anfangswert x0 = 0,1 Es kommt zur Oszillation zwischen dem tieferen Wert xl(a) und dem höheren Wert xh(a). Der 2er-Zyklus {xl(a), xh(a)} ist stabil.

Genaue Berechnung der Fixpunkte Da es zu einer Oszillation zwischen zwei Fixpunkten kommt, muss die zweite Iteration fa(fa(x)) = f ²a(x) betrachtet werden. Die Fixpunktgleichung ist dann: fa(fa(x)) = x -a³x4 + 2a³x³ - (a²+a³)·x² + (a²-1)·x = 0 Lösungen:

Betrachtung der graphischen Iteration für fa(fa(x)) Der Abschnitt im Quadrat sieht aus wie die umgekehrte Parabel von fa(x) Die Polylinie weist in diesem Abschnitt ähnliches Verhalten auf, wie bei die Iteration von fa(x)

Systematischer Vergleich der Graphen von fa(x) und f2a(x) a = 1: Fixpunkt p0 = 0 wird instabil; für alle a > 1 existiert nun neuer Fixpunkt pa a = 2: superattraktiver Fall

Systematischer Vergleich der Graphen von fa(x) und f2a(x) a = b1 = 3: periodenverdoppelnde Verzweigung; pa verliert seine Stabilität. Es entstehen 2 zusätzliche Fixpunkte xl(a) und xh(a) a = s1= : superattraktiver Fall für f2a(x) a= b2 3,4495: xl(a) und xh(a) von f2a(x) werden instabil. Für a > b2 werden Fixpunkte von f2a(f2a(x)) entstehen, die sich bei xl(a) und xh(a) verzweigen

Systematischer Vergleich der Graphen von f2a(x) und fa(x) Alle Veränderungen, die für fa(x) mit 1 < a < 3 vorliegen, können auch für f2a(x) mit 3 < a < b2 3,4495 beobachtet werden.

Es gibt 2 Folgen wichtiger Parameter s1, s2,....bei denen superattraktive Fälle auftauchen. Der kritische Punkt xcrit = 0,5 ist dann Fixpunkt von fs1, fs2, fs3,.. b1, b2,...liefern periodenverdoppelnde Verzweigung. Die beiden Folgen konvergieren gegen einen bestimmten Wert. Dieser Wert bedeutet das Ende des Bereichs, in dem sich die Perioden verdoppeln.

 selbstähnliche Struktur Feigenbaum-Punkt Vergrößerungsfaktor von einer Vergrößerung zur nächsten entlang der horizontalen Achse: d = 4,6692... Vergrößerungsfaktor von einer Vergrößerung zur nächsten entlang der vertikalen Achse ist etwa 2,3  selbstähnliche Struktur

Betrachtung des Abstandes dk zweier aufeinander folgender Verzweigungspunkte dk = bk+1 – bk , k = 1, 2, 3, .. verkleinert sich rapide Diese Verkleinerung ist annähernd geometrisch: Für wachsende k gilt:

Feigenbaum-Konstante d Im Oktober 1975 von Feigenbaum entdeckt Sie ist universell, d.h. sie tritt in vielen anderen Systemen ebenfalls auf/ ist für eine große Klasse verschiedener Iteratoren gleich. Im Umfeld von Chaos ist sie eine Konstante mit ähnlich großer Bedeutung wie p in der Geometrie.

Feigenbaum-Punkt soo: Eintritt ins Chaos Schematische Darstellung des Periodenverdopplungsbaumes unter Berücksichtigung der Skalierungsfaktoren 4,6692... und 2,3.  Blätter des Baumes bilden eine streng selbstähnliche Cantor-Menge (fraktale Dimension: 0,5376 < D <0,5386)

Darstellung der Oszillation

Betrachtung des rechten Teils des Feigenbaum-Diagramms s00 < a < 4 Chaotisches Spiegelbild des Periodenverdopplungs-Baumes Chaos von Fenstern der Ordnung unterbrochen

a = 4 : nur ein einziges Band a < 4 : verengt sich das Band langsam a = m1 : Aufspaltung des Bandes in 2 Teile a = m2 : jedes dieser Bänder spaltet sich wieder in 2 Teile .....

Es gibt unendliche Folge von Parametern m1, m2, m3, .. Die Folge mk konvergiert gegen den Feigenbaum-Punkt moo = soo Quotient der Abstände der Verschmelzungspunkte (dk = mk+1 – mk):

Genauere Untersuchung für a = 3,67 (etwas unterhalb von m1) Zeitreihe von fa Zeitreihe von f²a

Vergleich von fa und f²a mittels graphischer Iteration für a = 4 und a = m1 = 3,678... Parabel für a = 4 : logistische Parabel, passt genau in das Einheitsquadrat. Polynom vierten Grades für a = m1 = 3,678... : enthält logistische Parabeln. In diesen Bereichen ist die Iteration gefangen und chaotisches Verhalten ist zu erwarten. Für a = mk sind ebenfalls logistische Parabeln zu finden fa f²a

Aber wie erklärt sich das Durchschimmern der Bänder für a mk ? Betrachtung der ersten 4 bzw. 8 Iterierten von xcrit = 0,5 für soo < a < 4 aber: im Endzustands-Diagramm sind nicht alle Linien vollständig zu sehen  Fenster

Fenster Es gibt unendlich viele Fenster, die alle zu stabilen, periodischen Bahnen gehören. Größtes Fenster zwischen a = 3,828.. und a = 3,857.. : Fenster der Periode 3

Fenster der Periode 3 Selbstähnlichkeit Im Fenster der Periode 3 baut alles auf f³a(x) auf. Bei a = 3,8415.. liegt ähnliches Verhalten vor wie beim Feigenbaum-Punkt soo (Übergang zum chaotischen Verhalten)

Fenster der Periode 6 Im gestrichelten Rechteck findet man alles aus dem gesamten Diagramm wieder jedoch mit verdoppelter Periode

Wie kommen diese Fenster zustande? a = w3 = 3,82843... : Anfang des Fensters der Periode 3 a > w3 : stabiler Zyklus der Periode 3 a < w3 : Chaos völlig anderer Weg ins Chaos, als über periodenverdoppelnde Verzweigungen

Zeitreihe für x0 = 0,5 und a = 3,82812 < w3 Das Chaos kommt erst im Langzeitverhalten zum Vorschein.  Intermittenz

Wie kommt Intermittenz zustande? Wieso scheint der Verzweigungsbaum bei a = 1,7264... Aus dem Nichts zu entstehen? Was geschieht für a < 1,7264... ?  graphische Iteration

a = 1,6 und a = 1,7 : Iteration führt zum attraktiven Fixpunkt 0 Graph rückt immer näher an die Winkelhalbierende. a = 1,7264... : Winkelhalbierende berührt Graphen tangential bei xs (Sattelpunkt) a = 1,9 : zwei neue Fixpunkte

Zurück zum bekannten quadratischen Iterator Graph von f³a für a = 3,81 und a = w3 = 3,82843....  Es ist eine Tangentialverzweigung beim Sattelpunkt xs zu erkennen.

Verhalten des quadrat. Iterators für a < w3

Abschließend: was geschieht bei a > 4 ? Die Parabel sprengt das Einheitsquadrat. Die Bahnen streben entland der negativen y-Achse ins Unendliche

Zeitreihe für a = 4,001 Bahn beginnt mit chaotischem Bereich, verhält sich aber nur über wenige Iterationen chaotisch. Das Langzeitverhalten der Bahn ist vollkommen bestimmt und vorhersagbar.  Zusammenbruch des Chaos in der Krise

Literatur: H.-O. Peitgen, H. Jürgens, D. Saupe, Chaos- Bausteine der Ordnung, Springer-Verlag, 1994 K. Richter, J.-M. Rost, Komplexe Systeme, Fischer Verlag, 2002