Deliktrekonstruktion med. pract. Ramon Vettiger Psychiatrisch-Psychologischer Dienst (PPD), Justizvollzug Kanton Zürich, Feldstrasse 42, 8090 Zürich - www.zurichforensic.org
Deliktrekonstruktion: Entwicklung Deliktrekonstruktion (nach Urbaniok) Spezifisch definiertes Interventionskonzept klare „handwerkliche“ Regeln z.B. keine beliebige Deliktschilderung 1992-1995: Intervention zunächst mit Rollenspielern, „inneren Stimmen“ und Elementen u.a. aus Gestalttherapie, Psychomotorischer Therapie und Imaginationstechniken ab 1997: Reduktion auf wenige, effektiv wirksame Schlüsselelemente Implementierung als Standardtechnik in deliktorientierten Therapien und zunehmende Verwendung in Gutachten im Rahmen des Zürcher PPD-Modells Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Deliktmechanismus Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Der Deliktmechanismus Person Persönlichkeits-merkmale (Risikorelevanz) Delikt- mechanis-mus ???? Delikt Tatmerkmale Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Funktionen der Deliktrekonstruktion Deliktrekonstruktion Identifizierung des Deliktmechanismus Gutachten & Risikoeinschätzungen Identifizierung Deliktmechanismus = zentrales Element für Legalprognose und Schuldfähigkeitsbeurteilung Therapieintervention Identifizierung Deliktmechanismus = Täter als Experte für eigenes Tatverhalten Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Spezialtherapeutische Konzepte Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Ansatzpunkte für deliktpräventive Veränderungen Kompensationsfähigkeiten (Steuerung ) Aufbau kompensatorischer Fähigkeiten Keine Veränderung risikorelevanter Persönlichkeitsmerkmale Risikorelevante Grundproblematik unverändert Persönlichkeitsveränderung (Deliktmotivation ) Verringerung risikorelevanter Persönlichkeitsmerkmale Kein Aufbau kompensatorischer Fähigkeiten Risikorelevante Grundproblematik verändert Kompensationsfähigkeiten & Persönlichkeitsveränderung Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Therapiebeginn (idealtypisch nach FOTRES) ST-R DY-R BEE Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Therapieerfolg (idealtypisch nach FOTRES) BEE A-ST-R DY-R ST-R Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Was soll erreicht werden? Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Die Tat als Informationsquelle Deliktrelevante Gedanken Deliktrelevante Gefühle Deliktrelevante Wahrnehmungen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Die Tat als Therapietarget: Deliktrekonstruktion Deliktrelevante Gedanken verstehen frühzeitig erkennen modifizieren Deliktrelevante Gefühle verstehen frühzeitig erkennen modifizieren Deliktrelevante Wahrnehmungen verstehen frühzeitig erkennen modifizieren Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Deliktrekonstruktion: Erhöhung der Steuerungsfähigkeit Bewusstseinsnähe erhöht Steuerungsfähigkeit Sensibilisierung erhöht Steuerungsfähigkeit Labeling & Früherkennung erhöht Steuerungsfähigkeit Training erhöht Steuerungsfähigkeit Wissen und Kompetenz erhöht Steuerungsfähigkeit Support erhöht Steuerungsfähigkeit Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Deliktrekonstruktion: Verminderung der Deliktmotivation (Persönlichkeitsveränderung) Auseinandersetzung mit risikorelevanten Persönlichkeitsteilen verändert die Deliktmotivation Aufhebung kognitiver und affektiver Verzerrungen verändert die Deliktmotivation Beseitigung von persönlichen Defiziten verändert die Deliktmotivation Erfolgreiche Deliktprävention verändert die Deliktmotivation Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Technische Zielsetzungen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Hauptziel: Wiedererleben statt (kognitives) Erinnern Wiedererleben statt Erinnern! Der Täter wird zurück in die Tatsituation versetzt Der Täter erlebt die Tatsituation wieder Gefühle, Kognitionen, Sinneswahrnehmungen und Körperwahrnehmungen werden aktualisiert und wieder erlebt Der Täter berichtet „live aus der Tatsituation“ Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fokus des Therapeuten / Gutachters Hauptfokus des Therapeuten/Gutachters: Den Täter aus dem „Hier und jetzt“ in den Zustand des Wiedererlebens der Vergangenheit bringen und dort - zumindest in relevanten Passagen - halten. Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Point of high emotion / interest Schlüssel-Sequenz: Der Deliktmechanismus ist greifbar im Raum Meistens 1-2 emotionale Peaks = Schlüssel-Emotionen Häufig ausgelöst bzw. begleitet durch Schlüssel-Kognitionen Häufig verbunden mit klar spürbaren Körperwahrnehmungen bzw. Körperreaktionen (Fast) jede DR liefert Schlüsselsequenzen Hauptziel der DR: Schlüsselsequenzen ermöglichen und erkennen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Prinzipien Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Ebenen der Deliktrekonstruktion Ebene des Verhaltens Welche Handlungen? Ebene der Kognition Welche Gedanken? Ebene der Emotion Welche Gefühle? Ebene der Körperwahrnehmung Welche körperlichen Wahrnehmungen? Ebene der Sinneswahrnehmung Welche Sinneswahrnehmungen? Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Einverständniserklärung Kontrakt über Arbeit und Ziel Therapie Risikoverminderung Gutachten Klärung Deliktdynamik Gründe für DR transparent machen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Einführung für den Klienten Warum DR? "Experte für die Tat werden" "Wissen erhöht Steuerung" Zeitlupen-Metapher Kompetenzgewinn für den Täter Beispiele anführen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Professionelle (therapeutische) Haltung Den Klienten ... ernst nehmen annehmen Als Therapeut... Kompetenz ausstrahlen Orientierung geben Sachlichkeit vermitteln Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Rahmenbedingungen des Kontakts Klare Definition des Gesprächsrahmens Welcher Rahmen? Therapieintervention ? Gutachten ? Welche Bedingungen? Behandlungsvertrag ? Risikoverminderung als Ziel beim Klienten etabliert? Welches Ziel? (Prognostische) Diagnostik = Identfizierung Deliktmechanismus Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Gesprächsatmosphäre Auf subtile Botschaften achten Räumlichkeit Eigene Gesten, Blicke, Verhaltensweisen etc. Wohlwollender Kontakt - aber keine "Verbrüderung" Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Kontraindikationen Stark psychotisches Erleben Starke Traumatisierung Zunächst Traumaarbeit Allenfalls deliktfernen Fokus wählen und sukzessive Desensibilisierung Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Mögliche Schwierigkeiten Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Mögliche Schwierigkeiten: Defizite Erinnerungslücken Generelles Erinnerungsdefizit Situatives Erinnerungsdefizit Geringe Selbstwahrnehmung Emotionen Kognitionen Sinneswahrnehmung Körperwahrnehmung Geringe Emotionalität Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Mögliche Schwierigkeiten: Widerstände I Taktische Motive Verbergen relevanter Inhalte Vortäuschen „falscher Deliktdynamiken“ Verdrängung Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Mögliche Schwierigkeiten: Widerstände II Hemmende Gefühle Schamgefühle Angst (z.B. bei Traumatisierung) Angst vor Kontrollverlust / Ohnmacht Überflutung mit Gefühlen Diskrepanz zum eigenen Idealbild Vermeidungsverhalten Rechtfertigungstendenz Fehlende Integration des eigenen Täteranteils Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Technik Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Wahl des Deliktes Bewusste Entscheidung wichtig Das Schwerwiegendste Das Letzte Das Erste Das Leichteste Das am wenigsten Schambesetzte Das Gestandene Das Typische Das am besten Erinnerbare etc. Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Start Deliktablauf kurz im Überblick abstecken Vereinbarung mit Klient über Start-Punkt Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Tracking Den Klienten als "Wanderführer" begleiten, aber nicht direktiv lenken Keine Deutungen Keine Interpretationen Keine eigenen Ideen als Vorschläge Keine Belehrungen Keine Konfrontationen Eigene Vertiefung in die Szene: Der Therapeut/Gutachter bewegt sich auch in der rekonstruierten Szenerie Aber: Nur der Klient kennt das Gelände Informationen müssen durch Fragen generiert werden Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Augen schliessen Augen schliessen meist für Vertiefung vorteilhaft Manche Klienten erzielen gleiche Effekte mit geöffneten Augen Widerstände (z.B. Angst vor Kontrollverlust) möglich Allenfalls auf einer Meta-Ebene aufgreifen (z.B. Time-Out) Augen schliessen vorschlagen, aber nicht forcieren Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Offene Fragen im Präsens Offene Fragen, konsequent im Präsens, z.B.: Was fühlen Sie jetzt? Was ist der Gedanke, jetzt? Was fühlen Sie in Ihrem Körper? Wie spüren Sie das? Wie fühlt sich das an? Was nehmen Sie wahr? Wie nehmen Sie das wahr? Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Wiederholungen Sätze oder Begriffe mit den Worten des Klienten wiederholen Der Klient wird fokussiert, ohne abgelenkt zu werden Der Therapeut/Gutachter signalisiert Präsenz, ohne zu stören Der Therapeut /Gutachter kann so die Geschwindigkeit steuern (Bremseffekt) Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Verdichtungen Das Erleben verdichten: Timing von Verdichtungen Erinnerung von Details fördern z.B.: Wetter Stimmung Sinneswahrnehmungen abfragen, sich in die Szene mitnehmen lassen Geschwindigkeit verlangsamen Timing von Verdichtungen am Start: Standard Unterwegs: häufig gut investierte Zeit Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Time-Out Time-Outs = Wechsel ins „Hier und Jetzt“ jederzeit möglich immer klare Kontextmarkierung vornehmen Stets die Kontaktdichte (TH/GA - KL) scannen Deutliche Konzentrationsbrüche aufgreifen Allenfalls „Kontrakt“ erneuern Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Timing Fliessenden Prozess anstreben und aufrecht erhalten Kognitive Aktivierung im „Hier und Jetzt“ vermeiden Nicht zu stark Abbremsen Nicht zu stark Beschleunigen Auf Schlüssel-Szenen fokussieren weniger relevante Szenen durchlaufen lassen Schlüssel-Szenen vertiefen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Verlaufstypen Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 1: Idealfall Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 2 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 3 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 4 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 5 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Fall 6 Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Summary Start-Punkt bewusst festlegen Offene Fragen Therapeut / Gutachter: Immer im Präsens Tracking Keine Deutungen, keine Interpretationen, keine eigenen Ideen als Vorschläge, keine Belehrungen, keine Konfrontationen Wiederholungen Verdichtungen Gutes Timing Prof. Dr. med. Frank Urbaniok
Zürcher Opferschutz-Charta: Internet Forschung & Studien: www.zurichforensic.org FOTRES: www.fotres.ch Weiterbildung: www.iotschweiz.ch Behandlungsinitiative (D): www.bios-bw.de Zürcher Opferschutz-Charta: www.z-o-c.org Prof. Dr. med. Frank Urbaniok