Bildung, Zuwanderung, Eingliederung Zehn Bemerkungen zu einer komplexen Materie Heinz Fassmann Universität Wien.

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Bildung, Zuwanderung, Eingliederung Zehn Bemerkungen zu einer komplexen Materie Heinz Fassmann Universität Wien

1. Thematische Zuwendung Thematische Befassung durch die AK ist begrüßenswert Zuwanderung nach Österreich keine Ausnahme der Zeit, sondern strukturelle Eigenschaft einer alternden Gesellschaft.; Österreich ist zu einem Einwanderungsland geworden, nicht selbst verordnet und anfänglich kaum bemerkt, aber wir sollten diese Veränderung heute zur Kenntnis nehmen.

2. Einwanderungsland sucht Einwanderungspolitik Entwicklung einer pro-aktiven und zielorientierten Einwanderungspolitik Obergrenzen der Zuwanderung festlegen; ökonomischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Bewertungen berücksichtigen; Auf Passgenauigkeit achten, das erhöht die Akzeptanz der legalen Zuwanderung.

3. Qualifikationsorientierte Zuwanderung Bekenntnis zur qualifikationsorientierten und limitierten Zuwanderung Strukturkonservierender Effekt einer unbegrenzten und billigen Arbeitsmigration; In einem solchen Fall: Kapitalintensität pro Arbeitsplatz sinkt und langfristig auch die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft.

4. Qualifikation erhöht Wettbewerbsfähigkeit Umgekehrt: Qualifizierte Zuwanderer erhöhen die Humankapitalausstattung einer Volkswirtschaft; ermöglichen oder erleichtern eine höhere Intensität von Forschung und Entwicklung und beschleunigen den technischen Fortschritt; Voraussetzung ist aber eine einigermaßen qualifikationsorientierte Beschäftigung der Zugewanderten.

5. Politisches Dilemma: zwischen dequalifizierter Beschäftigung und fehlenden (?) Fachkräften Ruf nach Fachkräften und gleichzeitig dequalifizierte Beschäftigung Analyse zeigt Ausmaß der dequalifizierten Beschäftigung (LFS 2006) Gesamt: 78% qualifikationsadäquat, 15,6% dequalifiziert und 6,5% überqualifizierte Berufstätigkeit; InländerInnen: 14% dequalifiziert, 7% überqualifizierte Beschäftigung. AusländerInnen: Relation umgekehrt; Dequalifikation bei den Zuwanderern aus den neuen Mitgliedstaaten (42%) besonders hoch, bei den traditionellen Gastarbeitern niedrig.

6. Systemwissen senkt Dequalifikation Zusammenhänge zwischen der Aufenthaltsdauer und dem Ausmaß an dequalifizierter Beschäftigung ein eindeutiger und signifikanter Zusammenhang (LFS 2006) Zuwanderer, vor 1980 nach Österreich, sind zu rund 80% qualifikationsadäquat, rund 16% dequalifiziert und rund 6% über der Qualifikation tätig. Abstand zum österreichischen Durchschnitt minimal; Zuwanderer, nach 2000 nach Österreich, sind nur mehr zu zwei Drittel qualifikationsadäquat beschäftigt, aber 30,2% dequalifiziert und Aufsteiger sind so gut wie nicht zu finden.

7. Kognitive Dimension – Schlüsselgröße der Integration Theoretische Begründung Integrationsbegriff nach Esser 4 Dimensionen hervorzustreichen: eine kognitive, eine strukturelle, eine soziale und eine identifikative Dimension. Die kognitive Dimension erfasst im Wesentlichen Wissen und Bildung, Sprachkompetenz und Fähigkeiten des Zurechtfindes im Zielland. Kognitive Fähigkeiten sind Voraussetzung für strukturelle Platzierung; soziale Interaktion und Identifikation können folgen.

8. Kritische Reflexion der Bildungsbeteiligung Empirische Befunde (LFS 2006) statistisch messbar sind formale Bildungsabschlüsse: Ex-jugoslawische oder türkische Staatsbürger (Geburtsort nicht Österreich): 45% nur Pflichtschule; Ex-jugoslawische oder türkische Staatsbürger (Geburtsort Österreich): 40% nur Pflichtschule, 11% AHS/BHS und rund 1% Universität Österreicher (im Inland geboren): 14% nur Pflichtschule, 20% AHS/BHS und rund 10% Universität

9. Ursache der geringen Bildungsbeteiligung Hilde Weiss und Anne Unterwurzacher (2007) Analyse der Zweiten Generation (in Ö geboren) Erben der Gastarbeit sind überproportional in HS und Sonderschulen zu finden; Übertritt von der VS in die AHS-Unterstufe bzw. HS werden beeinflusst: dominierender Effekt des sozialen Status; Weniger wichtig sind religiöse Traditionsbindungen oder auch die Rückkehrorientierung; Insgesamt ähnliche Beweggründe wie bei inländischen Familien.

10. Bildungspolitik zentral für integrationspolitische Maßnahmen Migrationspolitik ohne integrationspolitische Entwürfe bleibt ein Torso; Versäumnis der Gastarbeiterpolitik; Bildungsmaßnahmen für die Erste und Zweite Generation: Sprach- und Qualifizierungskurse für Neuzuwanderer und bereits im Land lebende Migranten; vorschulischen Sozialisation in Form eines verpflichtenden Vorschuljahres; Stütz- und Begleitlehrer für Quereinsteiger; Öffentlichkeitsarbeit für mehr Bildung.