Ass. Prof. Dr. Günther Ossimitz Universität Klagenfurt 17.1.2001 Kepler-Kolloquium Universität Linz Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel in der Wirtschaft Ass. Prof. Dr. Günther Ossimitz Universität Klagenfurt 17.1.2001
Vorab: Unterbrechen Sie mich! Fragen und Anmerkungen sind jederzeit willkommen! Diesen Vortrag gibt es zum Download unter http://go.just.to/pap Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Was ist systemisches Denken? Systems Thinking Vernetztes Denken man findet in der Literatur: Feedback Thought Komplexes Problemlösen Organizational Learning System Dynamics Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Was ist systemisches Denken? (Definition von G. Ossimitz) Vier Dimensionen Systemischen Denkens: Vernetztes Denken: indirekte Wirkungen, eskalierende und stabilisierende Rückkoppelungen, Wirkungsnetze Dynamisches Denken: zeitliche Eigendynamik, Verzögerungen, Schwingungen, Bestände vs. Flüsse Denken in Modellen: Modelle sind Vereinfachungen, Bewusster Unterschied Modell – Realität, Modellannahmen Systemisches Handeln: Steuerung v. Systemen, "leverage point", richtige Intensität und richtiges Timing Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Vernetztes Denken: Beispiel Wettrüsten + Aufrüstung A + B fühlt sich bedroht A fühlt sich bedroht + Aufrüstung B + Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Das Ergebnis des Wettrüstens: Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Dynamisches Denken: Bestandsgrößen vs. Flussgrößen Bestandsgrößen: Bevölkerungsstand, Lagerstand, Kontostand, Bilanzgrößen (math.: Integratoren) Bestandsgrößen sind immer zeitpunktbezogen! Flussgrößen: Zuflüsse und Abflüsse, die einen Bestand verändern: Geburten, Sterbefälle, Lager- veränderungen, Kontobewegungen, G&V-Rechnung Flussgrößen sind immer zeitintervallbezogen! math: Bestand : Fluss <=> Funktion : Ableitung Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
"Staatsverschuldung vs. Budgetdefizit" In Fantasien nennt man den Betrag, um den die Staatsausgaben in einem Jahr höher sind als die Staatseinnahmen, "öffentliches Budgetdefizit". Im Jahr 1998 betrug das öffentliche Budgetdefizit in Fantasien 60 Mrd. Taler, Ein Jahr später lag es bei 40 Mrd. Taler. Kreuzen Sie an, welche der folgenden Aussagen richtig bzw. falsch bzw. nicht beantwortbar sind! Klgft: 63% Im Jahr 1999 wurden 20 Mrd. Taler Schulden zurückbezahlt Der Finanzminister konnte die Staatsschulden von 1998 auf 1999 um ein Drittel senken 30% Wenn es gelingt, das Budgetdefizit auf 0 zu senken (ausgeglichen zu budgetieren), dann hat Fantasien keine Schulden mehr. 62% Die Schulden sind sowohl 1998 als auch 1999 gewachsen. 42% Wenn es gelingt, das Budgetdefizit auf 0 zu senken, dann hat Fantasien seinen höchsten Schuldenstand erreicht. 56% Ein geringeres Budgetdefizit bedeutet eine geringere Staatsverschuldung. 41% Klagenfurt: n=104 (BWL) Graz: n=25 (USW) Wien: n= 25 (WU,TU, Uni) Diese Performance hätte man auch durch Münzwurf erreicht! Graz: µ=0,76 Wien: µ=0,8 Graz: µ=0,44 Wien: µ=0,52 Graz: µ=0,16 Wien: µ=0,28 Graz: µ=0,4 Wien: µ=0,56 Graz: µ=0,64 Wien: µ=0,72 Graz: µ=0,32 Wien: µ=0,68
Aufgabe 2 Schnittpunkt Klgft: µ=0,14 Graz: µ=0,16 Wien: µ=0,4 Wie kann man aus der Grafik rasch und elegant (ohne mühsames Nachrechnen, sondern direkt durch Hinschauen) ermitteln, wann die meisten Gäste im Hotel waren? Erklären Sie, wie Sie dies bewerkstelligen würden! Klgft: µ=0,14 Graz: µ=0,16 Wien: µ=0,4 Schnittpunkt
Aufgabe 2 27.12. An welchem Tag waren die meisten Gäste im Hotel? Klgft: µ=0,18 Graz: µ=0,24 Wien: µ=0,48 27.12.
An welchem Tag gab es die meisten Abreisen? Aufgabe 2 An welchem Tag gab es die meisten Abreisen? Klgft: µ=0,90 Graz: µ=1,0 Wien: µ=0,96 6.1.
Wenn Anreisen > Abreisen Zahl steigt Aufgabe 2 Nach welchem Kriterium kann man rein visuell aus der Grafik beurteilen, ob an einem bestimmten Tag die Zahl der Gäste steigt oder fällt? Klgft: µ=0,16 Graz: µ=0,36 Wien: µ=0,28 Wenn Anreisen > Abreisen Zahl steigt Wenn Anreisen < Abreisen Zahl sinkt
Fazit: Staatsverschuldung mit Budgetdefizit verwechselt! Große Schwierigkeiten, aus Flussgrößen auf Bestandsgrößen zu schließen! Große Probleme beim Interpretieren der Grafiken von Ankünften und Abreisen! Probleme beim Unterscheiden von Beständen und Flüssen! Didaktische Forschung und Entwicklung zum Stock-Flow-Denken (Denken in Beständen und Flüssen) ist gefragt! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Dynamisches Denken: Denken in Zeitabläufen Prinzip: Kurzfristige Vorteile bringen oft langfristige Nachteile! Worse before better: man muss oft kurzfristige Nachteile für langfristige Vorteile in Kauf nehmen Investment als Beispiel für worse before better. Better before worse: man vermeidet kurzfristig Nachteile zu Lasten langfristiger Nachteile. "Shifting the Burden" Beispiel: Leben auf "Pump". Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Shifting the Burden - Problemverschiebung Problem Zahnweh: Aspirin statt Zahnarztbesuch. Problem "Hoher Heizölpreis": Zuschüsse für Ölheizungen statt Förderung sinnvoller Alternativen. zu viele Arbeitslose: Änderung der statistischen Kriterien, wer als "arbeitslos" zählt. Hohe Staatsverschuldung: Schulden ausgliedern. quick-and-dirty-Lösungen: helfen sofort und nützen langfristig nichts! Prinzip: Symptomkur statt fundamentaler Lösung! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Denken in Modellen: Heroinmarkt 1 Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Preiselastizität von Heroin 10 kg Heroin am Markt: 1000 S/kg: 10 Mio S Umsatz 9 kg Heroin am Markt: 2000 S/kg: 18 Mio S Umsatz ! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Denken in Modellen: Heroinmarkt 2 Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Lehren aus den Heroinmodellen Wirkungsdiagramme sind nützliche Darstellungshilfen Dieselbe Situation kann verschieden modelliert werden Kleine Unterschiede können große Wirkungen haben Was als eine Lösung erscheint, kann das Problem im System verschärfen! "Mehr desselben - oder wenn die Lösung zum Problem wird" (Watzlawick 1974 - Streitendes Ehepaar) Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Wie kann man systemisch denken lernen? "Awareness of Systems": Bewusstsein für Systeme und ihre Eigenschaften entwickeln Systeme darstellen und untersuchen: qualitatives Systemmanagement, Wirkungsdiagramme Systeme modellieren und bewusst steuern: quantitatives Systemmanagement, System Dynamics "Step out of the System": Lösungen auf der Metaebene! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Systemisches Denken und systemisches Darstellen Systemisches Denken braucht geeignete Darstellungsmittel! jeder Systemansatz hat typische Darstellungsformen Kommunikation von systemischen Ideen/Modellen braucht geeignete Darstellungsformen Systemisch Denken Lernen erfordert systemische Darstellungsformen Messen systemischen Denkens: durch Analyse von systemischen Darstellungen Systemisches Denken = Umgang mit systemischen Darstellungsmitteln! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Richmond (1991): "Systems Thinking Activities" Drei der vier "Systems Thinking Activities" sind eigentlich Darstellungsformen! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Darstellen von Systemmodellen Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Wirkungsdiagramme (causal loop diagram, influence diagram) Vom Leben der Hilus Der afrikanische Stamm der Hilus lebt von der Rinderzucht. Sein Einkommen hängt davon ab, wie viele Rinder er pro Jahr verkauft; je größer die Herde ist, desto mehr Tiere werden verkauft. Da es selten regnet, legen die Hilus einen Tiefwasserbrunnen an und errichten eine Bewässerungsanlage. Mit zunehmender Bewässerung werden die Weidegebiete immer fruchtbarer, und je fruchtbarer das Weideland ist, desto größer wird die Herde. So ist die Bewässerungsanlage kräftig in Betrieb, denn die Hilus wissen: Nimmt das Futterangebot ab, dann verkleinert sich ihre Herde wieder. Die Bewässerung hat jedoch einen Nebeneffekt: Die in dieser Region beheimatete Tse-Tse-Fliege fängt an, sich stark zu vermehren, und je feuchter die Weidegebiete sind, desto stärker vermehrt sie sich. Die Hilus sind über diese Entwicklung ziemlich erschrocken; die Tse-Tse-Fliege ist nämlich die Überträgerin der gefürchteten, zumeist tödlich verlaufenden Rinderschlafkrankheit. Versuche, diese Zusammenhänge so in einer Skizze darzustellen, dass man das Wichtigste auf einen Blick erkennt! Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Flussdiagramme - System Dynamics Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Die Rolle der Mathematik Fischer (1984): "Offene Mathematik": Mathematik als Darstellungs- und Kommunikationsmittel Mathematische Darstellungen ermöglichen regelhaftes Operieren Unterschiedliche Darstellungsformen erlauben verschiedene Denk- und Handlungsmöglichkeiten Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Nun: was tun? Weitere Untersuchungen zum Stock-Flow-Denken Crash-Kurs zur Entwicklung von Stock-Flow-Denken systemisches Denken für die Wi-Praxis Aufbau eines österreichischen SystemDenker-Netzwerkes Kooperationen in der SystemDenker-Forschung: wie kann systemisches Denken entwickelt werden? Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Zusammenfassung vier Dimensionen systemischen Denkens vernetztes Denken – dynamisches Denken Denken in Modellen – systemisches Handeln Mängel beim systemischen Denken und Darstellen Systemisches Denken braucht systemische Darstellungen systemische Darstellungsformen: u.a. Wirkungsdiagramme und Flussdiagramme Mathematik als Kommunikationsmittel Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
Literatur Dietrich Dörner (1989): Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Gomez/Probst (1987): Vernetztes Denken im Management Günther Ossimitz (2000): Entwicklung systemischen Denkens George Richardson (1991): Feedback thought. Barry Richmond (1991): Systems Thinking: four key Questions. Gerhard Schwarz (1999): Konfliktmanagement Peter Senge (1990): Die fünfte Disziplin. (Organisationales Lernen) John Sterman (2000): Business Dynamics. Systems Thinking and Modeling for a Complex World Frederic Vester (1999): Die Kunst, vernetzt zu denken Günther Ossimitz: Systemisches Denken und mathematische Darstellungsmittel
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