Bewaffnete Drohnen – ethische Probleme

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 Präsentation transkript:

Bewaffnete Drohnen – ethische Probleme Ringvorlesung Friedensbildung 14. November 2013 Universität Hamburg Bernhard Koch, Institut für Theologie und Frieden Hamburg/ Goethe-Universität Frankfurt

Zwei Weisen ethischen Überlegens deontologisch z. B. Zehn Gebote „Du sollst Vater und Mutter ehren.“ „Du sollst nicht töten.“ Die Handlungsweise selbst wird unabhängig von Folgen beurteilt teleologisch z. B. Utilitarismus Jede Handlung ist danach zu bemessen, ob sie bestimmte äußere Güter verwirklicht Alles Gewicht liegt auf den Folgen oder Wirkungen * Es kamen ja schon in Herrn Brzoskas Vortrag Gesichtspunkte zur Sprache, die auch in der ethischen Diskussion vorgebracht werden Wir überlegen ja alle immer auch schon in ethischer Hinsicht. Ethik ist kein technisches Wissen oder Know-How. Und wer ethisch reflektiert muss immer wieder sehr grundsätzlich werden.

Wirkungsbezogene Argumente in der Drohnendebatte 1 Pro: Schutz für Soldaten Zivilisten Contra: Fernsteuerung löst Begrenzung auf ein Kriegsgebiet auf Gefährdung einer größeren Zahl von Personen In der teleologischen Perspektive haben die wirkungsbezogenen Argumente natürlich alle Gewicht Soldaten stehen nicht mehr so exponiert dem Gegner gegenüber – das ist sicherlich ein Mehr an Schutz. Drohnen sind präziser, können länger vor Ort sein, und so treffen wir daher mit größerer Genauigkeit diejenigen, die wir treffen wollen (und das sind ja nicht die Zivilisten, sagen wir dann. – Aber: De facto sind es sehr oft Zivilisten (völkerrechtlich gesehen), die wir treffen wollen, aber das sind solche Zivilisten, die sich direkt an den Feindseligkeiten beteiligen. „sofern und solange sie sich unmittelbar an den F. beteiligen“ Humanitäres Völkerrecht - Schutzwirkung durch Einhegung des bewaffneten Konflikts die Einhegungswirkung geht jetzt aber möglicherweise verloren, da ja auch die Drohnenbediener für den Gegner angreifbare Ziele darstellen Auch Kollateralschäden möglich (Obama im Juni in D) Noch dazu ist das Pro-Argument ja selbst umstritten. Vielleicht kommt es gerade zu größeren Kollateralschäden.

Wirkungsbezogene Argumente in der Drohnendebatte 2 Contra: Ferngesteuerte Waffensysteme senken die Schwelle zum Einsatz von Gewaltmitteln ad bellum (politisch) in bello (im militärischen Einsatz -„Joystick-Mentalität“) Pro: Effektivere Politik internationalen Rechtsschutz wird möglich Statt Joystick-Mentalität eher größere Traumatisierung bei den Bedienern Geringere politische Kosten, da weniger Opfer (in demokratischen Staaten wichtiger Gesichtspunkt) Distanz auch psychisch – Nein, sagen manche: eher größere Nähe. Und zum Kostenargument: Ja, Kosten sinken, aber gerade das ermöglicht internationale Rechtswahrung und Menschenrechtsschutz (Stichwort R2P)

Wirkungsbezogenes Argument 3 „Autonome Waffensysteme“ Contra: Aus Systemen mit „operator in the loop“ werden Systeme mit „operator on the loop“ und letztlich Systeme mit „operator out of the loop“. „Maschinen dürfen aber nicht über das Leben von Menschen entscheiden!“ Pro: Menschen machen Fehler Maschinen können präziser und zuverlässiger „handeln“ Weniger menschliche Opfer in den bewaffneten Konflikten „Postkutsche“

Ethik teleologisch deontologisch Die Wirkungsargumente beruhen auf Prognosen, die noch unsicher sind. Hier ist nicht die Arbeit des Ethikers, sondern die des Empirikers gefragt. Der Ethiker kommt ins Spiel, wenn es um die Auswahl der zu verwirklichenden Ziele geht. deontologisch Welche Pflichten werden durch den Einsatz von (bewaffneten) Drohnen missachtet? Welche Rechte werden durch den Einsatz von (bewaffneten) Drohnen verletzt? Gibt es rollenspezifische Pflichten für Soldatinnen und Soldaten? Manchmal werden Gesichtspunkte als „ethische“ Gesichtspunkte verbrämt. Da bin ich immer alarmiert, wenn ich den Eindruck habe, hier wird Ethik für ein vorgängig bereits entschiedenes politisches Ziel in Anspruch genommen.

Ein Beispiel für eine deontologische Überlegung www.livingunderdrones.org Darf man Menschen der psychischen Dauerbelastung durch Drohnenüberflug aussetzen? Natürlich lässt sich diese Frage wieder teleologisch auflösen, in dem man auf die Wirkungen verweist, z. B. die steigenden Ressentiments gegenüber dem Westen usw. Anders gefragt: Verletze ich grundlegende Rechte einer Person, wenn ich sie permanent mit einer bewaffneten Drohne überwache und letztlich auch bedrohe?

Dezidiert friedensethische Frage www.livingunderdrones.org Ist es Frieden, wenn er für den Preis der Dauerüberwachung und Dauerdurchsetzungs-bereitschaft erkauft wurde?

Neue militärische und außermilitärische Praktiken „Targeted Killings“ Namentlich gesuchte Person wird verfolgt und durch einen Drohnenschlag getötet Keine Gefangennahme möglich „Signature Strikes“ Personen, die ein bestimmtes Verhaltensmuster zeigen, werden präventiv angegriffen Keine Gewissheit über Absichten Warum sind „targeted killings“ im strengen Sinne moralisch unzulässig? – Weil sie nicht auf Gefahrenabwehr aus sind, sondern auf das Töten eines Menschen. Das steckt bereits im Begriff. Die Handlung erreicht ihr Handlungsziel, wenn die Person getötet wird oder wurde. Aber wie sollte das zu rechtfertigen sein – außerhalb eines strafrechtlichen Legitimationsschemas, das versucht die Todesstrafe zu begründen. In der Abwehr einer Bedrohung reicht es immer, die bedrohende Gefahr „kampfunfähig“ zu machen. Vgl. Thomas von Aquin S Th. ii ii 64, 7 oder humanitäres Völkerrecht (z. B. Petersburger Erklärung dass der einzige rechtmässige Zweck, den die Staaten während des Krieges sich vorzusetzen haben, die Schwächung der Militärkräfte des Feindes ist; dass es zu diesem Zwecke genügt, möglichst viele Mannschaft kampfunfähig zu machen; In beiden Fällen: Mehr oder weniger risikoloses Handeln für den die Drohne einsetzenden Kämpfer, aber erhöhte Risiken (z. B. durch Irrtum) für den (vermeintlichen) Gegner und Zivilisten Übergänge sind fließend, sowohl von der Bekämpfung von Kombattanten zum targeted killing wie auch vom targeted killing zum signature strike.

Ansatz über das (Völker-) Rechtsregime Völkergewohnheits- recht (VGR), insbesondere im humanitären Völkerrecht und im Menschen- rechtsschutzregime Ausbildung von VGR durch Staatenpraxis und opinio juris Konventionen, insbesondere Waffen- kontrollregime

Barack Obama am 23. Mai 2013 „Angefangen bei unserer Weise, Drohnen zu benutzen, bis hin zur Weise, wie wir Terroristen festsetzen – die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden bestimmen, welche Art von Nation – und Welt – wir unseren Kindern überlassen.“

Müssen sie auch Risiken auf sich nehmen, um ihre Gegner zu schonen? Debattenfrage: Müssen / Sollen Soldaten höhere Risiken tragen um Zivilisten zu schützen als gewöhnliche Bürger beim Einsatz für Dritte? Müssen sie auch Risiken auf sich nehmen, um ihre Gegner zu schonen?

Danke für Ihre Aufmerksamkeit koch@em.uni-frankfurt.de