Das Humanitäre Völkerrecht und die "Privatisierung des Krieges"

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 Präsentation transkript:

Das Humanitäre Völkerrecht und die "Privatisierung des Krieges" "Mehr Biss für das Humanitäre Völkerrecht" - 60 Jahre Genfer Konventionen und 150 Jahre Solferino. Bregenz, 2.Oktober 2009 Botschafter Paul Seger

Hintergrund Starke Zunahme des Einsatzes von PMSC seit 1989 Unklarheit über rechtlichen Status Frage der Aufsicht, Verantwortlichkeit Abdeckung durch nationale Regelungen lückenhaft Abdeckung durch Völkerrecht eine offene Frage Es herrscht der Eindruck, dass PMSC in einem rechtlichen Vakuum operieren Increase in PMSC use The best known figures are on Iraq: According to the Congressional Budget Office of the US Congress (August 2008 Report): From 2003-2007: $85 billion worth of contracts, i.e. 20% of total funding for Iraq. By the end of 2008 (counting from 2003 onwards), the USA will have spent $100 Billion on contractors in Iraq. Estimate that 40% are local nationals; 20% Americans and 40% other non-Iraqi nationals. Qualitative change of activities Most is still logistical support, construction, food, fuel. But the nature of their activities has changed. In addition to the more traditional logistical support, PMSCs have more and more been involved in activities that bring them close to the heart of military operations – and thereby into close proximity to persons protected by international humanitarian law. Those activities include the protection of military personnel and assets, training and advising armed forces, the maintenance of weapons systems, or the interrogation of detainees. However, of the estimated 190,000 contractors serving in Iraq, only about 25,000-30,000 (2008 estimates) are private security companies in a narrow sense, of which 3/4 are armed. The rest are mainly working in logistics or provide similar services "inside the wire". Source: Congressional Budget Office, Report August 2008. Accountability issue How and where to bring contractors to court if they commit serious violations of IHL or HRL? Problem: the territorial state’s judicial system is often weak or dysfunctional; even if it wants to prosecute, the company will just leave. The exporting state on the other hand doesn’t have jurisdiction or lacks political will to prosecute. Even if there is prosecution by exporting state: problem of evidence gathering; witness protection.

Der Aufstieg der PMSC Source The Economist, August 2008. During the Gulf War, the ratio of uniformed military to contractors was 50:1. The ratio is now 1:1. See also Congressional Budget Office, Report August 2008.

Besteht hier eine Rechtslücke? The Economist, April 2004: "…As for international law, that does not seem applicable either. The law on mercenaries is drafted too narrowly to apply to private guards. And although the Geneva Convention covers civilians accompanying armies, it was not intended to apply to armed guards. Arguably, all these are teething problems. But the quicker they are addressed, the better. For the military changes that produced the private security boom are here to stay, and so is the industry." Source The Economist, April 2004

Die Schweizer Initiative (1) Aufgrund des traditionellen humanitären Engagements der Schweiz Anfang 2006 gemeinsam mit dem IKRK lanciert Ziel: Förderung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts (HVR) und der Menschenrechte (MR)  Verringerung der Gefährdung für die Bevölkerung Unpolitisch, unparteiisch (nicht legitimierend), pragmatisch, operationell einsetzbar ICRC perspective From an ICRC perspective, it was important to counter the legal-limbo argument: therefore, a reaffirmation of existing obligations was important. But the document was also meant to be practical and provide useful guidance: hence the idea of the good practices.

Die Schweizer Initiative (2) Zusammenführen eines breiten Know-hows Staaten, die durch PMSC besonders betroffen sind Staaten mit einem besonderen Interesse am HVR PMSC und Zivilgesellschaft 4 informelle Workshops + 4 Treffen von Regierungsexperten Schlusstreffen in Montreux (CH), September 2008 Ergebnis: "Montreux Dokument" = Rechtlich unverbindliches Kompendium des geltenden Völkerrechts (HVR, MR) sowie "guter Praktiken" im Umgang mit PMSC. Angenommen von 17 Regierungen (inkl. Stakeholder wie USA, GB, Irak, Afghanistan, aber auch an der Einhaltung des HVR interessierte Staaten wie A oder S) Additional information The process started in early 2006 with an inter-governmental expert meeting, in which the participants mapped out the humanitarian and legal issues. At the end of 2006, in the second inter-governmental expert meeting, participants agreed on the format that the outcome document would take. Over 2007, four smaller expert meetings were held (in collaboration with the Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, DCAF, and the International Peace Academy, IPA): to discuss legal framework, and good practices for home states, host states and contracting states. The Document was then finalized in the last two meetings in Montreux in April and September 2008. Participant governments Afghanistan, Angola, Australia, Austria, Canada, China, France, Germany, Iraq, Poland, Sierra Leone, South Africa, Sweden, Switzerland, the United Kingdom, Ukraine, and the United States of America. Russia was originally part of the process but dropped out in September 2008. Since March 2009, Ecuador, the Netherlands, Albania and Macedonia are also participating States.

Das Montreux-Dokument Teil I: erinnert an die Anwendbarkeit von 27 völkerrechtlichen grundlegenden Verpflichtungen für Staaten, PMSC und Angestellte Teil II: beschreibt 73 «Good Practices» für Staaten, um die Regierungen bei der Einhaltung dieser Verpflichtungen zu unterstützen Weist auf die Verantwortlichkeit von drei Typen von Staaten hin: Auftraggebende Staaten Territorialstaaten Herkunftsstaaten Wichtigste Schlussfolgerung: Regelungen und Grundsätze gelten auch für PMSC The two main objectives of the Montreux Document to reaffirm that international law rules (especially IHL and HRL) do apply to activities of PMSCs and that States have obligations under these bodies of law, even though the industry appears to privatize warfare. to provide practical guidance, because although experts might know what the rules mean (to ensure respect for IHL, to protect HR), but they will only be efficient if they are translated, at national level, into practical measures.

Teil I: Rechtliche Verpflichtungen (1) Für Staaten: Die wichtigsten Verantwortlichkeiten gelten immer (dürfen nicht umgangen werden), z.B. UNO-Charta, HVR und MR: Verpflichtung zur Verhinderung von Fehlverhalten Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung der Urheber von Fehlverhalten Möglichkeit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Vorgesetzten Volle Verantwortlichkeit, wenn das Verhalten einer PMSC einem Staat zurechenbar ist

Teil I: Rechtliche Verpflichtungen (2) Für PMSC und ihre Angestellten: volle Verpflichtung zur Einhaltung des HVR volle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen (inkl. Vorgesetzte) normalerweise Status von Zivilpersonen und nicht von Kombattanten gemäss Genfer Konventionen wenn nichts anderes bestimmt, volle Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetzgebung des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet eine PMSC tätig ist

Teil II: «Good Practices» (1) Einschränkung gewisser Tätigkeiten wie unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten Einrichtung eines Bewilligungssystems für PMSC nur Auswahl/Zulassung von PMSC, die voraussichtlich HVR und MR einhalten werden PMSC müssen HVR und MR einhalten und sich entsprechend organisieren Überwachung der Einhaltung und der Verantwortlichkeiten Transparenz und klare Identifikation Hauptgedanke: Sicherstellung eines verantwortungsbewussten Verhaltens im Felde

Teil II: «Good Practices» (2) An example The cover illustrates difficulties of distinguishing between PMSCs (here: MPRI) personnel and regular soldiers. Source From Peter Singer's book "Corporate Warriors" (2003).

Verbreitung des Dokuments Auf Regierungsebene Bekanntmachung bei UNO, NATO, EU, OSZE, Europarat Bilaterale Präsentationen bei einzelnen Regierungen Regionale Seminare in Asien, Afrika, Lateinamerika Auf Branchenebene Branchenweiter Verhaltenskodex Einführung von wirksamen Mechanismen, mit denen Urheber von Verstössen zur Verantwortung gezogen werden können Abbreviations OSCE = Organisation for Security and Cooperation in Europe COE = Council of Europe

Teilnehmerstaaten (Stand 18.9.2009)

Zusammenfassung Das Montreux-Dokument bildet ein aktuelles Referenzwerk: Erstmals überhaupt fasst ein von massgeblichen Staaten akzeptierter Text die zentralen Normen des Völkerrechts zusammen, welche für PMSC gelten. Das Dokument widerlegt damit den Eindruck eines "rechtlichen Vakuums". Um die nationale Regulierung von PMSC zu fördern, enthält das Montreux-Dokument eine Beschreibung von «Good Practices» Ziel: Förderung der Einhaltung des HVR und der MR in bewaffneten Konflikten und damit Verringerung der Gefährdung der Zivilbevölkerung For further information For the Montreux Document: Google it. Today the Montreux Document is available in all UN languages: English, French, Russian, Chinese, Spanish, and Arabic. For the Swiss Initiative Swiss MFA side : Daniel Klingele (daniel.klingele@eda.admin.ch) and Nikolas Stürchler (nikolas.stuerchler@eda.admin.ch) For the Swiss Initiative ICRC side: Cordula Droege (cdroege@icrc.org)