Psychotherapieforschung: Gegenstand und Methoden

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Psychotherapieforschung: Gegenstand und Methoden Fakultät Math.Nat., Fachrichtung Psychologie, Institut für Klinische Psychologie Psychotherapieforschung: Gegenstand und Methoden Dipl. Psych. Katharina Schierz Professur für Behaviorale Psychotherapie Dresden, 05. Januar 2015

Ihre Dozentin für heute Diplom-Psychologin Katharina Schierz Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie Lehrstuhl für Behaviorale Psychotherapie Katharina.Schierz@mailbox.tu-dresden.de (0351) 463 36956 Forschungsthemen Diagnostik Sexueller Beeinträchtigungen Evaluierung des Strukturierten Interviews für Sexuelle Funktionsstörungen (SISEX) nach DSM-5 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Schwerpunkte und Ziele für die heutige Veranstaltung Forschungsfeld III: Anwendungsfeld Psychotherapieforschung Inhaltliche Schwerpunkte/Lernziele Entwicklung der Psychotherapieforschung im 20. Jahrhundert. Ablauf der Überprüfung einer psychotherapeutischen Intervention. Prinzipien und Methoden der Wirksamkeitsprüfung. Am Ende der Veranstaltung sollten Sie Die Eckpfeiler der historischen Entwicklung der Psychotherapie-forschung kennen. Einschätzen können, ob die Wirksamkeit einer Intervention überzeugend nachgewiesen ist und ggf. Konzept, Methodik und/oder Umsetzung kritisieren können. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Gliederung Gegenstand der Psychotherapieforschung Phasen der Psychotherapieprüfung Wirksamkeitsstudien Nutzen und Notwendigkeit der Psychotherapieforschung Grenzen der Psychotherapieforschung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Gegenstand der Psychotherapieforschung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Fragen der Psychotherapieforschung Wirkt PT? Warum wirkt PT? Warum wirkt sie manchmal nicht? Wie kann man untersuchen, ob PT wirkt? Wie wirkt sie, wenn sie wirkt? Warum ist es wichtig zu wissen, wie PT wirkt? Wirkt jede PT gleich? Wenn nein, worin sind Unterschiede begründet? Wenn ja, warum gibt es verschiedene PT ? 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Untersuchungsgegenstand Von „Wirkt die Psychotherapie an sich?“ Bis hin zu „Was muss speziell bei traumatisierten Patienten hinsichtlich der Methode der Reizkonfrontation beachtet werden?“ 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Legitimationsphase: Ist PT (an sich) wirksam? Wettbewerbsphase: Welche Form der PT ist besser (oder sogar am besten)? Verschreibungsphase: Welche Form der PT ist bei wem (unter welchen Umständen) indiziert? Prozessforschungsphase: Auf welche Weise wirkt PT? 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Klaus Grawe (1943-2005) - Pionier der Psychotherapieforschung - Zahlreiche Forschungen über die Wirksamkeit der verschiedenen Psychotherapierichtungen 1994 „Psychotherapie im Wandel“ Metaanalyse mit 897 Wirksamkeitsstudien Versuch, den Schulenstreit zu überwinden Als Gutachter zu Fragen des deutschen Psychotherapeutengesetzes Einsatz für ein schulenübergreifendes Modell Ziel der Entwicklung einer allgemeinen Psychotherapie Empirische Überprüfung der Grundlagen psych. Psychotherapie Extraktion therapieübergreifender Wirkfaktoren als notwendige Voraussetzungen für das Gelingen von PT: Therapeutische Beziehung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, Motivationale Klärung und Problembewältigung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Legitimationsphase  Ist PT (an sich) wirksam? Entwicklung psychotherapeutischer Verfahren anfangs fest in Therapieschulen verankert. In 1950er Jahren dienten meist unsystematische Fallstudien als empirische Basis. Begründer der Therapieschulen trennten dabei oft nicht zwischen Feststellung und Interpretation. Eysenck setzt 1952 Startschuss für moderne empirische Psychotherapieforschung mit seiner Kritik bisheriger Psychotherapie: „Psychotherapie ist nicht wirksamer als spontane Remission.“ 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Wettbewerbsphase  Welche Form der PT ist besser? Bemühungen, psychotherapeutische Interventionen zu legitimieren  Wettbewerb der Therapieschulen beginnt z.B. „Wirkt Psychoanalyse besser als Verhaltenstherapie?“. Überblicksarbeiten zu Psychotherapie-Vergleichsstudien (Luborsky et al., 1975; Smith & Glass, 1977) kommen zum Ergebnis, dass PT wirkt, die einzelnen Psychotherapieformen jedoch im Ausmaß ihrer Wirksamkeit keine bedeutsamen Unterschiede aufweisen „Dodo-Bird-Verdict“ gilt bis in die 1990er Jahre. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Wettbewerbsphase  Welche Form der PT ist besser? Klaus Grawe (1989): „Die Tatsache, dass die bisherige vergleichende Therapieforschung keine durchgängigen Unterschiede in der Wirkung der verschiedenen Therapiemethoden nachweisen konnte, darf nicht so interpretiert werden, dass es solche Unterschiede tatsächlich nicht gibt.“ Grawes Kritik: Therapieeffekte nicht ausreichend breit & differenziert gemessen. Mangelhafte Auswertungsmethodik. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Wettbewerbsphase  Welche Form der PT ist besser? Berner Therapievergleichsstudie (bis dahin umfangreichste Metaanalyse) (Grawe et al., 1990) Therapieformen unterscheiden sich hins. Wirksamkeit! Wirkungsvolle Therapiemethoden: Kognitive Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie und Psychoanalytische Therapien. Therapieerfolg stark abhängig von Problembereich und Patientenvariablen. Wege zur Veränderung therapieabhängig sehr verschieden. Empfehlung für Therapeuten: individuelle Anpassung an Patienten. Ablehnung des Dodo-Verdikts 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Verschreibungsphase  Welche Form der PT ist bei wem (unter welchen Umständen) indiziert? Differenzierung bei der Entwicklung und Überprüfung neuer therapeutischer Ansätze spätestens seit 1990er Jahren. Spezifische Interventionen sollen analog der Verschreibung von Medikamenten spezifischen Problemen zugeordnet werden. Zunehmend indikationsbezogene Therapieprogramme im Fokus, die sich häufig nicht mehr eindeutig Therapieschulen zuordnen lassen. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen psychologischer Interventionsforschung nach Grawe (1997) Prozessforschungsphase  Auf welche Weise wirkt PT? Die Prozessforschung untersucht die Psychotherapie selbst. Was geschah eigentlich in der Therapie? Kann man allgemeine und spezifische Wirkfaktoren bestimmen? Hier stehen also die Prozesse im Mittelpunkt, die in der therapeutischen Situation beteiligt sind (z.B. Therapiebeziehung) Phase 4 läuft parallel zu allen bereits genannten Phasen. Ziele Erklärung der gefundenen positiven Effekte. Grundlage für Neu- und Weiterentwicklung von Interventionen. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Der Kern der Psychotherapieforschung Die relevante Frage der Psychotherapieforschung ist also nicht: „Ist Psychotherapie wirksam?“ sondern: „Welche Form der Psychotherapie, durchgeführt von welchem Therapeuten ist bei welchem Patienten mit welcher Störung wie effektiv, und woran zeigt sich das?“ (Kiesler, 1966) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen der Psychotherapieprüfung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen der Psychotherapieprüfung (in Analogie zur Pharmaprüfung) Phase I Konzeptentwicklung Phase II Exploration mit Pilot-Studien Phase III Wirksamkeitsprüfung Phase IV Anwendung bei Routinebedingungen (Phase V Patient Focused Therapy) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen der Psychotherapieprüfung Phase I - Konzeptentwicklung Erarbeitung von Therapiekonzeptionen Beschreibung des Forschungsgegenstands anhand klinischer Erfahrungen, Plausibilität und hinsichtlich bereits etablierter störungsspezifischer oder allgemeiner Befunde. Dazu gehören auch Untersuchungen zur Verträglichkeit und Akzeptanz eines Verfahrens. Therapiemethode wird unter Zuhilfenahme theoretischer Annahmen u. Kasuistiken konstruiert. Die Intervention muss hinsichtlich expliziter Regeln beschreibbar sein (z.B. via Manual). 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen der Psychotherapieprüfung Phase II - Exploration Systematische Fortsetzung der Exploration z.B. Einzelfall- bzw. Zeitreihenanalysen mit bestimmten Patienten mit eng definierten Einschlusskriterien. Methodik ist hier noch nicht streng experimentell kontrolliert, sondern folgt den im Einzelfall angemessenen Erfordernissen für Plausibilitätsprüfungen und der Exploration von möglichen Risiken und Nebenwirkungen. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Phasen der Psychotherapieprüfung Phase III - Wirksamkeitsprüfung Die mittlerweile gut elaborierte Intervention kommt „auf den Prüfstand“ (erweiterte klinische Prüfung)  Efficacy-Studien Wirksamkeit muss konfirmativ belegt werden. Ist für den wissenschaftlichen Stellenwert eines Verfahrens von besonderer Bedeutung. Nachdem genügend Wirksamkeitsnachweise vorliegen, wird ein Verfahren i.d.R. anerkannt. i.d.R. prospektive, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien („randomized controlled trials“, RCT) an einer klar definierten Zielgruppe mit hohen methodischen Anforderungen. Prinzipiell können auch experimentelle Einzelfallstudien als Wirksamkeitsnachweis dienen. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Phasen der Psychotherapieprüfung Phase IV - Anwendung bei Routinebedingungen Verfahren müssen sich jetzt unter klinischen Alltagsbedingungen bewähren  Effectiveness-Studien Untersuchungen anhand erheblich vergrößerter Fallzahl unter Praxisbedingungen bei systematischer Lockerung der strengen Kontrollen der efficacy-Studien. Ziele Immer noch: Nachweis von Verbesserungen der Ziel-Symptomatik. Jetzt auch: Berücksichtigung breiterer, sekundärer Konstrukte, wie allgemeine Lebensqualität oder Kosten-Nutzen-Aspekte. Erhöhung der externen bzw. ökologischen Validität (vs. der Erhöhung der internen Validität in Phase III). 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Phasen der Psychotherapieprüfung Phase V - „Patient focused therapy research” = Ergänzung der Therapieevaluation Fortlaufende Dokumentation und Evaluation von Prozessen und Ergebnissen und Rückmeldung dessen eigenständige u. „progressive“ Weiterentwicklung der angewandten Therapie im Einzelfall. Ziele: Herauszukristallisieren von erfolgreichen und nicht erfolgreichen Therapien hinsichtlich der Patienten- oder Problemmerkmale, die rückgemeldet werden. Verbesserung der Qualität der Behandlungen über die Zeit, z.B. Minimierung von Misserfolgen und Therapieschäden Systematische Verstärkung positiver Effekte oder Reduktion von Behandlungsdauern. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Studienarten der Psychotherapieforschung Analyseebene Hauptsächliches Ziel der Untersuchung Metaanalyse Kosten-Nutzen-Analyse Untersuchung der Wirksamkeit Effektivitätsstudien Vergleichende Studien Untersuchung der vergleichenden Wirksamkeit Naturalistische Studien Untersuchung der Wirksamkeit unter Versorgungsbedingungen Parametrische Studien Untersuchung der differentiellen Indikation Analoguntersuchungen Kleingruppenstudien Einzelfallstudien Prozessanalysen (Untersuchung des Mikroprozesses der Veränderung) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Wirksamkeitsstudien 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Vokabeln zu Wirksamkeit Efficacy: Wirksamkeit von Therapieverfahren unter optimalen Bedingungen (kontrollierte Studie) Effectiveness: Wirksamkeit von Therapie unter Versorgungsbedingungen (z.B.: ohne Selektion von Patienten) Efficiency: Grad an Wirksamkeit in Relation zum Aufwand des Verfahrens Quelle: Reinecker (2005) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Wirksamkeitsstudien - Prinzipien - Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleisten Verbindlicher Leitfaden gemeinsamer Standards für die Beschreibung von Studien („Consolidated standards of Reporting Trials“, CONSORT) mit einer Checkliste von 22 Punkten, über die Studienautoren verbindlich berichten müssen (S. 617 in Wittchen & Hoyer, 2011). Prospektiv angelegtes Studienhandbuch Hier vorab Festlegung aller Fragestellungen, Hypothesen, Design-aspekte, Messmethoden, Auswertungsstrategien & Erfolgskriterien Vor Studienbeginn Stellungnahme der Ethikkommission einholen (und ggf. entsprechende Änderungen vornehmen) Fortlaufende Überwachung des Studienablaufs und Zwischenauswertungen 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Wirksamkeitsstudien - Prinzipien - Wahl von primären und sekundären Outcome-Variablen so dass Studienziel theor. & klinisch-praktisch beurteilt werden kann. Auswahl des Designs Parallelgruppendesign, Crossover-Design, faktorielles Design, Multicenterstudien Einschluss von Kontrollgruppe(n): Placebo vs. keine Behandlung (oft Wartegruppe) vs. unterschiedliche Behandlungsintensitäten vs. andere aktive Behandlung Minimierung von systematischen Verzerrungen Randomisierung Verblindung (blind, doppelblind) Stichprobengröße, Datenanalyse & Teststärkeproblematik Effektstärken als „gemeinsame Währung“ 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Wirksamkeitsstudien - Prinzipien - Vergleichsmöglichkeiten zur Wirksamkeitsprüfung Nachweis der Überlegenheit („superiority trail“). Nachweis der Äquivalenz/Nichtunterlegenheit („non-inferiority trail“). Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Wirksamkeitsstudien - Anerkennung einer Psychotherapiemethode - „Gut etablierte Therapien“ (nach Chambless & Hollon, 1998) Zumindest 2 gute Studien mit Kontrollgruppen, in denen die Effektivität demonstriert wurde, oder Eine Reihe von zumindest 9 Einzelfallstudien. Dabei müssen die Untersuchungen mit Behandlungsmanualen durchgeführt worden sein. Merkmale der Untersuchungsgruppen müssen spezifiziert sein. Die Effekte müssen von zumindest zwei unabhängigen Untersuchern bzw. Untersuchgruppen gezeigt worden sein.  Anerkennung einer Psychotherapiemethode Quelle: Reinecker (2005) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Nutzen und Notwendigkeit der Psychotherapieforschung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung - Kriterien der Erfolgsmessung - Betroffene Personen beurteilen Verfahren hinsichtlich Wahrscheinlichkeit für positive Veränderung Breite der Veränderung Stabilität der Veränderung Relation von Aufwand und erwartetem Nutzen der Therapie Subjektive Aspekte der Veränderung Gemeinschaft beurteilt Verfahren hinsichtlich Nutzen (Effekte, die für die Gemeinschaft wichtig sind, z.B. Arbeitsfähigkeit, Einsparungen im Versorgungssystem) Kosten (z.B. Dauer der Behandlung, Ausbildung von Therapeuten) Relation von Kosten und Nutzen Quelle: Reinecker (2005) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung - Nutzen und Notwendigkeit - PT-Forschung besitzt große Relevanz für die klinische Praxis, Gesundheitsverwaltung und Gesundheitspolitik. PT-Forschung sorgt für ein hohes Qualitätsniveau der täglichen Behandlungspraxis dient damit als gesundh. Verbraucherschutz des Patienten als Kunden. erhöht die Berufszufriedenheit der Therapeuten. fördert bei Therapeuten die Reflexion der eigenen Arbeit und fördert damit die berufliche Entwicklung. gewährleistet Kosteneffektivität gegenüber Kostenträgern. führt zu gesellschaftlichen Einsparungen (z.B. durch weniger Arztbesuche & Krankheitstage, Arbeitsfähigkeit etc.). 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Grenzen der Psychotherapieforschung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Grenzen der Psychotherapieforschung Allegiance = Bias in Richtung eigener therapeutischer Effekte Therapieergebnisse korrelieren mit bis zu .85 mit der Präferenz der Untersucher mit „ihrem“ Verfahren Kleine Stichproben/hohe Kosten Aufwand zur Durchführung von Psychotherapiestunden ist groß, bei beschränkten Ressourcen: zu kleine Stichproben Drop-out Ausfall von Patienten vor regulärem Therapieende oder vor Katamnese-Untersuchung Ergebnisse können bedeutsam verzerrt werden Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden 05.01.2015

Grenzen der Psychotherapieforschung Behandlungsintegrität „Experimentelle vs. Naturalistische Studien“: Sind die beforschten Interventionen überhaupt via Manual planbar? Externe bzw. ökologische Validität von Studien unter experimenteller Kontrolle eingeschränkt „Malen-nach-Zahlen-Psychotherapie“ Nur bei einem Teil unselegierter Patienten steht eine bestimmte Störung im Vordergrund. Schwierig für seltenere Störungen und komorbide Kombinationen von Störungen mehrfach evaluierte Therapieprogramme zu entwickeln. Eine einseitig störungsorientierte Sicht kann eine Berücksichtigung von Ressourcen erschweren. Eine zu starke Orientierung an störungsspezifische Vorgehensweisen kann ein Maximieren von Therapieeffekten erschweren. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Grenzen der Psychotherapieforschung Immer mehr Psychotherapeuten arbeiten integrativ d.h., sie beziehen Konzepte und Interventionen aus anderen als ihrer angestammten Therapierichtung mit ein (abh. vom Einzelfall). Diese Art von therapeutischer Arbeit ist jedoch nach verbreiteten Normen (Forderung nach Manualen) schwer untersuchbar. Andere Möglichkeiten (z.B. klares Definieren von Prinzipien, genaues Untersuchen und Beschreiben, was dann tatsächlich in den Therapien abläuft) müssten noch vermehrt genutzt werden. Es erfordert aber immer erheblichen Zusatzaufwand, nicht nur die Handlungen und Reaktionen der untersuchten Patienten zu erheben und auszuwerten, sondern auch stets zu beachten und zu supervidieren, was die Therapeuten tun. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Zusammenfassung 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Zusammenfassung Nach Grawe unterscheidet man 4 Phasen der Entwicklung der Psychotherapieforschung. Wobei die ersten drei Phasen konservativer Natur sind, indem sie der Legitimation von PT, dem Nachweis der Überlegenheit von Verfahren & der Optimierung von Indikationsentscheidungen dienen. Die Prozessforschungsphase progressives Potential besitzt, indem durch das bessere Verständnis der Wirkungsweise von PT Neu- bzw. Weiterentwicklungen von Interventionen stattfinden können. Der idealtypische Ablauf der Psychotherapieprüfung erfolgt ebenfalls in vier (+1) Phasen. Besondere Bedeutung hat dabei die Wirksamkeitsprüfung. Eine große Herausforderung ist die Balance zwischen interner (Efficacy-Studien) und externer Validität (Effectiveness-Studien). 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Zusammenfassung Die Wirksamkeitsprüfung von Interventionen orientiert sich (idealerweise) an strengen Regeln An deren Ende die Anerkennung einer Therapiemethode steht. Der Nutzen von Psychotherapieforschung sollte auf Ebene des Einzelnen und der Gemeinschaft betrachtet werden. Wobei im Einzelnen sowohl das Wohl des Patienten (Symptom-verbesserung bei angemessenen Aufwand-Nutzen-Verhältnis) als auch das optimale Arbeiten des Therapeuten gemeint ist. Gesamtgesellschaftlich stehen Effizienzaspekte im Vordergrund. Die Grenzen von Psychotherapieforschung sollten im Blick behalten und Studien mit Achtsamkeit betrachtet werden Richtlinien/Leitfäden helfen, die Güte von Studien zu beurteilen. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Literatur Jacobi, F. (2011). Entwicklung und Beurteilung therapeutischer Interventionen. In: H.-U. Wittchen & J. Hoyer (Hrsg.), Klinische Psychologie & Psychotherapie (2. Auflage). Berlin: Springer, S. 609-640. Zusatzliteratur: Caspar, F. & Jacobi, F. Psychotherapieforschung (2007). In: W. Hiller, E. Leibing, F. Leichsenring, S. Sulz (Hrsg.), Lehrbuch der Psychotherapie (Band 1: Wissenschaftliche Grundlagen der Psychotherapie. 4. Auflage). CIP-Medien, S. 395–410. Reinecker, H. (2005). Grundlagen der Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz. 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Back-up 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden Entwicklungsprozess der Psychotherapie als Wechselwirkungsprozess zwischen Therapieentwicklung und Erfahrungsgewinn (Grawe, 1995) Neue Fakten Immer wirksamere therapeutische Vorgehensweisen schaffen erfordern Immer „wahrere“ und nützlichere Therapie Methoden Neue Erklärungen 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Kriterien für Erfolgsmessung auf individueller Ebene Kriterien für den Grad der Veränderung A1. Veränderungsmessung globale retrospektive Schätzung oder spezielle Methoden der Veränderungsmessung A2. Beobachtbarer Differenzwert Differenz zwischen Prä- und Postwert A3. Reliable Veränderung und Effektstärke das Ausmaß der Veränderung kann durch die Berechnung der Effektstärke berechnet werden 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Kriterien für Erfolgsmessung auf individueller Ebene Kriterien für den Grad der Zielerreichung B1. Zufriedenheit (subjektive Schätzung, 1-Punkt-Messung) individuelle Zufriedenheit als globales Urteil zu Therapieende erhoben B2. Zielerreichung (empirischer Differenzwert, 2-Punkt-Erhebung) individuelle Zielerreichung: Vergleich des Postwertes mit Zielwert Normativer Vergleich: Vergleich mit einer Norm B3. Klinische Relevanz (statistische Definition) Festlegen von Cut- off- Werten 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden

Wirksamkeitsstudien - Kriterien der Erfolgsmessung - Wann kann ein Ergebnis als Erfolg angesehen werden? der mit dem Messinstrument zu Therapieende erzielte Wert ist Basis für Erfolgsbeurteilung > Vergleich mit Bezugs- oder Normwert das Resultat dieses Vergleichs bildet das Erfolgskriterium 2 Arten des Vergleichs: Vergleich mit Ausgangszustand vor Therapiebeginn > Grad der Veränderung (empirischer Wert) Vergleich mit dem Zielzustand oder einer Norm > Grad der Zielerreichung (Werturteil) 05.01.2015 Psychotherapieforschung: Gegenstand & Methoden