Krank durch... elektromagnetische Felder?

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Elektromagnetische Felder und Gesundheit
 Präsentation transkript:

Krank durch... elektromagnetische Felder? INSTITUT UND POLIKLINIK FÜR ARBEITS-, SOZIAL- UND UMWELTMEDIZIN DIR.: PROF. DR. MED. DENNIS NOWAK Krank durch... elektromagnetische Felder? Dipl.-Psych. Tobias Weinmann Prof. Dr. Katja Radon, MSc SS 2012

http://www.bfs.de

Ionisierende Strahlung Besitzt genügend Energie, um Atome und Moleküle zu ionisieren, das heißt aus Atomen und Molekülen positiv und negativ geladene Teilchen zu erzeugen Oberhalb des sichtbaren Lichts Gammastrahlung Röntgenstrahlung Neutronenstrahlung (Kernspaltung in Kernreaktoren) UV-Strahlung der Sonne (liegt zwischen dem sichtbaren Licht und der ionisierenden Strahlung) http://www.bfs.de

Nichtionisierende Strahlung Ist zu energiearm, d.h. es können keine Atome oder Moleküle in einen elektrisch geladenen Zustand versetzt („ioniseren“) werden Niederfrequente Felder Hochfrequente elektomagnetische Felder

Niederfrequente Felder Umfassen Bereich der elektrischen und magnetische Wechselfelder mit Frequenzen zwischen 1 Hz und 100 kHz. Im Alltag Exposition der Bevölkerung hauptsächlich durch Stromversorgung mit 50 Hz und elektrifizierte Verkehrssysteme wie Eisenbahnen mit 16,7 Hz.

Magnetfeldexposition (µT) 50 m entfernt von Hochspannungsleitung : 0,4-1,5 µT Grenzwertempfehlung von 100 µT

In-vitro/ In-vivo Studien Niederfrequente Felder und Krebs Mehrheit der Studien: Kein direkter Effekt auf die DNA Allerdings Diskussion: Promotionseffekt Effekte auf Immunantwort Endokrines System: Melatonin In-Vivo Keine Evidenz für Kanzerogenität Keine Effekte auf Leukämien oder Lymphome in den meisten Studien Epidemiologische Studien Hinweise auf erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern Assoziation zwischen beruflicher Exposition und Leukämie möglich Melatonin: Hormon für Stoffwechsel

WHO Empfehlung 06/2007 Magnetfelder sind "möglicherweise kanzerogen" Der zugrunde liegende Wirkmechanismus ist unbekannt und die epidemiologischen Beobachtungen werden von zahlreichen Studien am Tiermodell nicht unterstützt. Kindliche Leukämie ist bezogen auf die Weltbevölkerung eine relativ seltene Krankheit (weltweit etwa 49 000 neue Fälle pro Jahr). Eine zeitlich gemittelte häusliche Magnetfeldexposition > 0,3 µT ist ebenfalls selten (nur etwa 1 bis 4% der Kinder sind über 0,3 µT exponiert). Falls kausal: ≥100 Fälle pro Jahr weltweit auf häusliche Magnetfeldexposition zurückzuführen (in D 3-4 Fälle) http://www.who.int/peh-emf/publications/elf_ehc/en/index.html

Niederfrequente Felder und neurodegenerative Erkrankungen Keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit Parkinson Zunehmende Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang mit Alzheimer In vitro, in vivo und mechanistische Studien erklären diese Assoziationen nicht Bias? Unbeachtete Störgrößen? Relevante Exposition (Konstante Expo?)?

WHO Empfehlung 06/2007 Studien an anderen Phänomenen wie Krebs bei Erwachsenen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Entwicklungsstörungen, immunologische Veränderungen, Verhaltensänderungen, etc. zeigen keine Assoziation zu Magnetfeldern. http://www.who.int/peh-emf/publications/elf_ehc/en/index.html

WHO Empfehlung 06/2007 Um akute und gut untersuchte gesundheitsrelevante Wirkungen von Magnetfeldern zu vermeiden, sollten die Länder die auf internationaler Ebene erarbeiteten Grenzwertempfehlungen (ICNIRP 1998) einführen. Dies ist in Deutschland durch die 26. BImSchV bereits erfolgt. Grenzwert 50 Hz Magnetfeld: 100 µT 16 2/3 Hz Magnetfeld: 300 µT http://www.who.int/peh-emf/publications/elf_ehc/en/index.html

Hochfrequente elektromagnetische Felder

Mobilfunk-Teilnehmer in Deutschland

Mobilfunknutzung Mobilfunk wird in allen Bevölkerungsschichten und in jedem Alter genutzt Nutzung beginnt früh Schnurlose Heimtelefone (DECT-Telefone) gehören für die Mehrheit der Bevölkerung zum Alltag Besorgnis über mögliche Gesundheitseffekte durch Mobilfunk ist relativ groß Im Vordergrund der Besorgnis stehen Mobilfunkbasisstationen

Vermutete Effekte Thermische: Athermische Effekte: Effekte auf Grund von Erwärmung (Kataraktbildung) Bei Einhaltung der Grenzwerte auszuschließen Athermische Effekte: Liegen unterhalb der thermischen Wirkungsschwelle Krebs, Kognitive Störungen, Befindlichkeitsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten

Wirkungen von Mobilfunkfrequenzen - Krebs- Keine reproduzierbaren und plausiblen Mechanismen auf Zellebene gefunden, wie Mobilfunkfrequenzen auf den Organismus wirken könnten Keine wissenschaftliche Evidenz, dass EMF des Mobilfunkbereichs Krebs beim Tier verursachen können Bislang keine konsistenten Hinweise auf erhöhtes Tumorrisiko (vor allem Hirntumorrisiko) durch Mobilfunknutzung oder Mobilfunkbasisstationen beim Menschen

Wirkungen von Mobiltelefonen - Krebs Bislang keine klaren Hinweise auf erhöhtes Hirntumorrisiko Evtl. Risiko bei älteren Mobiltelefonmodellen – nicht berücksichtigte Störgrößen? INTERPHONE: Erhöhtes Risiko für ipsilaterales Auftreten von Gliomen bei >1640 h Handynutzung Insgesamt kein erhöhtes Risiko Internationale Studie an Kindern begann 03/09 (MOBI-KIDS)

Kein Zusammenhang zwischen Mobilfunkfrequenzen und Wirkungen von Mobilfunkfrequenzen auf die Gesundheit - Kurzzeiteffekte- Kein Zusammenhang zwischen Mobilfunkfrequenzen und Befinden Schlaf Aufmerksamkeit Verhaltensveränderungen? Studien an Mobilfunknutzern: bislang keine eindeutige Assoziation Cave: Latenzzeit könnte zu kurz sein

Elektrosensibilität keine einheitliche Definition Prävalenz: ca. zwei Prozent der Allgemeinbevölkerung Bisher konnte kein einheitliches Symptommuster bzw. charakteristisches Krankheitsbild gefunden werden Provokationsstudien und/oder Studien zur Aufdeckung zugrunde liegender Ursachen bzw. Wirkmechanismen

Definition nach Leitgeb Elektrosensibilität = Fähigkeit, elektromagnetische Felder zu spüren, ohne dass damit bereits Krankheitssymptome verbunden sind Elektrosensitivität = Entwicklung von Krankheitssymptomen als Folge der Einwirkung elektromagnetischer Felder

Wirkungen von Mobilfunkfrequenzen - Kurzzeiteffekte- Keine Hinweise, dass sich selbst als “elektrosensibel” einstufende Personen EMF tatsächlich besser wahrnehmen können Hinweise auf Nocebo-Effekt Der Nocebo-Effekt ist, analog zum Placebo-Effekt die Bezeichnung einer Reaktion auf ein Präparat ohne eine spezifische Wirkung. Im Gegensatz zur positiven Wirkung beim Placebo-Effekt erfolgt beim Nocebo-Effekt eine negative Reaktion

Woher kommt die Besorgnis? Wissenschaftlicher Disput und von einander abweichende Studienergebnisse sind auf allen Gebieten der Wissenschaft normal Kritische Diskussion bilden die Basis für wissenschaftlichen Fortschritt Hauptproblem: Wissenschaftliche Ungewissheit und deren Interpretation bei der Aufstellung von Grenzwerten

Psychologische Beschwerden in Verbindung mit „Elektrosensitivität“ Rubin et al. 2008: Elektrosensitive Probanden berichteten höhere Werte hinsichtlich Symptomen von z.B.: Chronischer Erschöpfung Emotionalen Problemen Depressiver Verstimmung Fibromyalgie Rubin GJ, Cleare AJ, Wessely S. Psychological factors associated with self-reported sensitivity to mobile phones. J Psychosom Res. 2008 Jan;64(1):1-9

Wie kann man mit der Besorgnis umgehen? Allgemeine Empfehlungen an behandelnde Ärzte: Unterstützende, nicht wertende Herangehensweise (aber auch Information über professionelle Meinung und aktuellen Forschungsstand) Fokus mehr auf Behandlung der Symptome als auf Suche nach einem spezifischen kausalen Faktor WHO Workshop on Electrical Hypersensitivity, Prag, 2004 http://www.who.int/peh-emf/meetings/hypersens_wgrep_oct04.pdf

Was sollte hängen bleiben? Der Studierende soll nach der Vorlesung in der Lage sein, dem Patienten die aktuelle Evidenz zum Thema elektromagnetische Felder und Gesundheit zu erklären. verschiedene arbeitsepidemiologische Studientypen bewerten zu können. neben organischen Ursachen auch psychologische Ursachen für Erkrankungen zu erwägen und einzuordnen. Kollegen und Patienten über den verantwortungsvollen Umgang mit elektromagnetischen Felder aufzuklären.

Lernfall zum Thema „Elektrosmog – begründete Angst vor Strahlen. ” (UM * UM = Umweltmedizin

Lernfall „Statistische Doktorarbeit“ Nach Bearbeitung dieses Lernfalls können Sie – eine epidemiologische Doktorarbeit planen, – Literaturdatenbanken bedienen, – Statistik-Grundlagen anwenden, – mit SPSS umgehen etc. Der Fall: Güterzug-Unglück, Kesselwagen mit Epichlorhydrin explodiert, gesundheitliche Beschwerden von Feuerwehrleuten und Anwohnern, Landesregierung erteilt Studienauftrag „Exposition und gesundheitliche Beschwerden“, Ihre Doktorarbeit ist Teil der Studie... Feuerwehreinsatz bei Zugunglück