Abmahnung und “Vertrauenskapital”

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 Präsentation transkript:

Abmahnung und “Vertrauenskapital” 27.03.2017 Abmahnung und “Vertrauenskapital” Dr. Peter Schrader Fachanwalt für Arbeitsrecht

Barbara E., genannt Emmely I. Die Vorgeschichte I. Die Vorgeschichte Barbara E., genannt Emmely Supermarktkassiererin Vorgesetzter übergab Pfandbons (1.30€ ) zur Aufbewahrung

Nach Beweisaufnahme stand für LAG fest: I. Die Vorgeschichte Nach Beweisaufnahme stand für LAG fest: Barbara E. hatte diese für sich privat verwendet! Tatkündigung!

Entschuldigungsgründe waren widerlegt. I. Die Vorgeschichte Entschuldigungsgründe waren widerlegt. Kolleginnen und Tochter zu Unrecht beschuldigt. Verfahren begleitet von publizistischen „Schlachten“

II. Das Urteil Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe. Erforderlich ist eine Interessenabwägung im Einzelfall. Auch geringwertige Vermögensdelikte können Kündigung rechtfertigen BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09

Leitsatz 2 wörtlich: „Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung - zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht.“ Folge: Entscheidend für die Wirksamkeit einer Kündigung ist die Frage der Interessenabwägung. II. Das Urteil

III. Die Interessenabwägung Schwere der Pflichtverletzung Grad des Verschuldens Mögliche Wiederholungsgefahr Dauer und Störungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses

III. Die Interessenabwägung Ergebnis der Interessenabwägung: Mildere Reaktionsmöglichkeiten? „Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen.“

III. Die Interessenabwägung Pflichtwidrigkeit Verhalten steuerbar Folge: Abmahnung

III. Die Interessenabwägung Weitere Pflichtverletzung Steuerbares Verhalten Ordentliche Kündigung

III. Die Interessenabwägung Grobe Pflichtverletzung Hinnahme durch AG nicht zu erwarten Außerordentliche Kündigung

IV. Die Prüfungsreihenfolge Daraus folgt eine systematisch geänderte Prüfung der verhaltensbedingten Kündigung:

IV. Die Prüfungsreihenfolge Schritt 1: Bei Schritt 1 muss geprüft werden, ob überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegt. Der Grad und die Schwere der Pflichtverletzung bleiben zunächst einmal außen vor, entscheidend ist allein die Feststellung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt oder nicht.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Schritt 2: Im zweiten Schritt wird geprüft, ob der Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt hat oder nicht. Denn ein Verschulden des Arbeitnehmers ist - von Ausnahmefällen und besonderen Umständen einmal abgesehen - Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Schritt 3: Gewichtung der Pflichtverletzung unter Berücksichtigung einer Interessenabwägung (Grad und Schwere der Pflichtverletzung, Wiederholungsgefahr, Störungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses, Verschuldensgrad) mit dem Ergebnis:

IV. Die Prüfungsreihenfolge Rechtsfolge Abmahnung, wenn zwar eine Pflichtverletzung vorliegt, aber davon auszugehen ist, daß der Arbeitnehmer nach einem entsprechenden Hinweis (Abmahnung) sein Verhalten ändert,  

IV. Die Prüfungsreihenfolge Rechtsfolge ordentliche Kündigung, wenn es sich beispielsweise um eine wiederholte Pflichtverletzung handelt und dem Arbeitgeber eine Fortsetzung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist und im äußersten Fall  

IV. Die Prüfungsreihenfolge Rechtsfolge außerordentliche Kündigung, wenn eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegt, bei der er von einer Hinnahme und Akzeptanz durch den Arbeitgeber nicht ausgehen durfte.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Die Abmahnung ist daher als Rechtsfolge ein Ergebnis der Gewichtung der Pflichtverletzung im Verhältnis zu den Argumenten der Interessenabwägung.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Der Fall „Emmely“ macht diese Prüfung deutlich: Unter der Feststellung, daß eine Abmahnung im konkreten Fall nicht entbehrlich sei, prüft das Bundesarbeitsgericht   ob eine über lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört wird; über wie viele lange Jahre hinweg ein Arbeitnehmer beanstandungsfrei und loyal gearbeitet hat.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Je länger ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, um so mehr ist davon auszugehen, dass sich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Vertrauen aufbaut. Die Frage ist, ob dieses Vertrauen durch eine Vertragspflichtverletzung bereits vollständig oder unwiederbringlich zerstört wird. Kommt man zu dem Ergebnis, dass durch lange Jahre der Zusammenarbeit das erdiente „Vertrauenskapital“ sei verbraucht, würde die Kündigung greifen, kommt man zu dem Ergebnis, sie sei nicht verbraucht, hätte der Arbeitgeber nur die Möglichkeit, auf alternative Gestaltungsmittel, wie die Abmahnung, zurückzugreifen.

IV. Die Prüfungsreihenfolge Arbeitsverhältnis Lang und störungsfrei Pflichtverletzung (auch ggf. grob) Maßstab: Objektiver Dritter Folge: IdR primär Abmahnung

Konsequenz Folge: Identischer Sachverhalt kann zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen führen!

V. Auswirkungen auf Abmahnung 1. Abmahnung und Zeitablauf

V. Auswirkungen auf Abmahnung Bisher: Hat die Abmahnung mit Zeitablauf ihre Wirkung verloren, entsteht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes das Recht des Arbeitnehmers, ihre Entfernung aus den Personalakten verlangen zu können.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Zeitablauf abhängig vom Einzelfall (Schwere und Art der Pflichtverletzung) Keine Regelfrist Fristen in Rechtsprechung zwischen 23 Monaten und ca. 3,5 Jahren In jedem Fall Wirkungsdauer nach mehr als 10 Jahren beendet.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Kann daran bei Abstellen auf Vertrauenskapital bei Interessenabwägung noch festgehalten werden? Argumente dagegen: AG wird Nachweis des Verbrauchs des Vertrauenskapital faktisch unmöglich, wenn er auf Abmahnungen nach einem bestimmten Zeitablauf nicht mehr zurückgreifen kann.

V. Auswirkungen auf Abmahnung AN dagegen könnte sich auf störungsfreies Arbeitsverhältnis berufen. AG wäre ab einem gewissen Zeitablauf faktisch Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Lösung: Neue, vierte Funktion der Abmahnung

V. Auswirkungen auf Abmahnung Konsequenz ist, dass die automatische Verwirkung einer Abmahnung nach einem gewissen Zeitablauf, also das Recht des Arbeitnehmers, diese nur wegen des Zeitablaufes aus der Personalakte herausnehmen zu lassen beziehungsweise die nicht bestehende Möglichkeit des Arbeitgebers, sich auf die Warnfunktion der Abmahnung noch zu berufen, nicht aufrechterhalten werden kann. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, kann differenziert werden:

V. Auswirkungen auf Abmahnung An der bisherigen Rechtsprechung, dass die Warnfunktion nach einem gewissen Zeitablauf ihre Wirksamkeit verliert, kann und sollte festgehalten werden. Insoweit dürfte es mit dem Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz und dem Ultima-ratio-Prinzip einer Kündigung nicht vereinbar sein, wenn bei langjährigen Arbeitsverhältnissen als vorherige einschlägige Abmahnung eine solche herangezogen wird, die bereits ebenfalls langjährig zurückliegt. Es ist richtig und nachvollziehbar, dass der Arbeitnehmer, der sich eine gewisse Zeit beanstandungsfrei verhält, sich darauf berufen kann, die Warnfunktion habe ihre Wirkung verloren.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Bisher damit verbundene Folge, daß der Arbeitnehmer per se ein Recht auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hatte beziehungsweise der Arbeitgeber sich auf die Abmahnungen nicht mehr berufen durfte, kann und sollte nicht aufrechterhalten werden. Solche Abmahnungen sollten in der Personalakte verbleiben dürfen, wobei der Arbeitgeber sich im Rahmen des eigentlichen materiellen Kündigungsgrundes nicht mehr auf die Warnfunktion berufen kann, allerdings im Rahmen der Interessenabwägung darauf, daß das Arbeitsverhältnis gerade nicht beanstandungsfrei gewesen sei.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Warnfunktion Hinweisfunktion Dokumentations-funktion Vertrauensvorrats-bestimmungsfunktion

V. Auswirkung auf Abmahnung Folge: Die Abmahnung ist nicht allein wegen Zeitablaufes aus der Personalakte zu entfernen. Es bleibt natürlich dabei, daß eine sachlich unzutreffende Abmahnung aus der Personalakte ggf. nach Klage zu entfernen ist.

V. Auswirkungen auf Abmahnung 2. Formell unwirksame Abmahnung Beispiele: - Pauschalvorwürfe - Sammelabmahnung

V. Auswirkungen auf Abmahnung Auch eine formell unwirksame Abmahnung kann nach der Rspr. des BAG die Warnfunktion einer Abmahnung erfüllen, weil auch eine mündliche Abmahnung wirksam sei, eine Abmahnung keine förmliche Willenserklärung, sondern rechtsgeschäftsähnliche Handlung sei sowie die reine Warnfunktion unabhängig von rechtlichen Formvorschriften sei.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Wenn der eigentliche Vorwurf erkennbar und die Abmahnung nur aus formellen Gründen unwirksam ist liegt kündigungsrechtlich eine wirksame Abmahnung mit Warnfunktion vor.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Eine formell unwirksame Abmahnung kann daher die für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche Warnfunktion insgesamt erfüllen, wenn - die Abmahnung wegen fehlender Anhörung aus der Personalakte entfernt werden müßte; - nur ein Teil der erhobenen Vorwürfe in einer Abmahnung zutreffend sind;

V. Auswirkungen auf Abmahnung - der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern eine unwirksame Kündigung ausgesprochen hat, sofern der Kündigungsgrund feststeht und die Kündigung nur aus anderen Gründen (zum Beispiel der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates) unwirksam ist.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Vertrauensvorrat und unwirksame Abmahnung: Die Frage, ob ein Arbeitgeber zu einem Arbeitnehmer Vertrauen hat oder nicht, ist keine Frage der Wirksamkeit oder der Unwirksamkeit einer Abmahnung, sondern allein eine Frage, ob mit der korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist. Dafür kommt es aber nur darauf an, ob eine Pflichtverletzung vorliegt und nicht darauf, ob diese formell ordnungsgemäß abgemahnt worden ist.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Eine formell unwirksame Abmahnung kann daher das Vertrauenskapital auf dem Vertrauenskonto reduzieren und abbauen, wenn konkrete Pflichtverletzungen in der Vergangenheit feststehen, ein Warnhinweis enthalten ist und die Abmahnung nur aus sonstigen formellen Gründen unwirksam ist.

V. Auswirkungen auf Abmahnung Wenn man der Abmahnung die vierte Funktion zubilligt, eine Vertrauenskapitalbestimmungsfunktion, ist es nur folgerichtig und konsequent, auch formell unwirksame Abmahnungen im Rahmen dieser Funktion zu berücksichtigen.

V. Auswirkungen auf Abmahnung 3. Vorratsabmahnung und Vertrauenskapital Pflichten ggfs iVm Warnhinweis in Arbeitsanweisung Schwarzes Brett Betriebsvereinbarung

V. Auswirkungen auf Abmahnung Für den Arbeitnehmer ist damit insgesamt klar ist, ob der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten toleriert oder nicht. Der Arbeitnehmer kann bei solchen entsprechenden Erklärungen, Aushängen oder Regelungen in einer Betriebsvereinbarung davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten gerade nicht hinnimmt, er konnte nicht von einem Akzeptieren durch den Arbeitgeber ausgehen.

V. Auswirkungen auf Abmahnung aA LAG Hamm (n. rk): Der Arbeitnehmer muß ein solches Verbot mit Kündigungsandrohung in einem Aushang oder einer Betriebsvereinbarung nicht ernst nehmen. NZB (+), AZ BAG 2 AZR 743/11

V. Auswirkungen auf Abmahnung Vorratsabmahnungen sind gerade unter Berücksichtigung eines Vertrauenskapitals zulässig weil, sie dem AN das objektiv erwartete Verhalten aufzeigen, deutlich machen, daß der AG ein anderes Verhalten nicht akzeptiert, den Aufbau eines Vertrauenskapitals verhindern, soweit es um ein bestimmtes Verhalten geht und damit für Berechenbarkeit sorgen.

V. Auswirkungen auf Abmahnung 4. Abmahnpraxis und Vertrauenskapital Der AG hat unter Umständen in der Vergangenheit bei kleineren Vorfällen keine Abmahnung ausgesprochen, da ihm an einem ungestörtes Arbeitsverhältnis und die Erhaltung des Betriebsfriedens lag. Zukünftig wird er darüber nachdenken müssen, vermehrt und eher Abmahnungen auszusprechen, um zu verhindern, dass das Vertrauenskapital auf dem Vertrauenskonto so hoch wird, dass er für den Fall eines gravierenden Verstoßes eine Kündigung nicht wird durchsetzen können. V. Auswirkungen auf Abmahnung

V. Auswirkungen auf Abmahnung 5. Die Verdachtsabmahnung Urheber: Ritter, NZA 2012, 19ff Prämisse: Eine Verdachtskündigung darf der AG aussprechen, warum also nicht eine Verdachtskündigung? Beispiel: Diebstahlsverdacht, geringwertiger Gegenstand

V. Auswirkung auf Abmahnung Kündigungsersetzende Verdachtsabmahnung: Verdachtskündigung (+) Ultima-ratio: AG muß nicht kündigen, warum soll er wie bei der Tatkündigung nicht statt dieser eine Abmahnung aussprechen? Nicht kündigungsersetzende Verdachtsabmahnung: Verdachtskündigung (-) (Wert?) Tb an sich erfüllt, es soll aber nicht für eine Kündigung reichen: Wenn Vertrauen auf- und abgebaut werden kann, müsste auch die Verdachtsabmahnung zulässig sein.

V. Auswirkungen auf Abmahnung 6. Zwischenergebnis: These1: Neben den drei Funktionen Warnung, Hinweis und Dokumentation hat die Abmahnung eine vierte Funktion, nämlich die Vertrauensvorratsbestimmungsfunktion. Zur Wahrung dieser Funktion sind die Abmahnungen ohne zeitliches Limit in der Personalakte aufzubewahren, der automatische Entfernungsanspruch nach Zeitablauf entfällt.

V. Auswirkungen auf Abmahnung These 2: Für die Frage des Abbaus des Vertrauenskapitals kommt es nicht darauf an, ob eine Abmahnung formell wirksam erteilt wurde oder nicht. Entscheidend ist, daß der abgemahnte Sachverhalt genau bezeichnet ist, entscheidend ist, dass ein Warnhinweis enthalten ist, dass der Arbeitnehmer also weiß, welche Konsequenzen für den Fall der Missachtung drohen. Entscheidend ist aber nicht, ob die Abmahnung formell wirksam ist.

V. Auswirkungen auf Abmahnung These 3:Vorratsabmahnungen sind wirksam, sie führen dazu, dass für den Fall der Missachtung das Vertrauenskapital auf dem Vertrauenskonto sich entsprechend reduziert.

V. Auswirkungen auf Abmahnung These 4: Das Erfordernis des Vertrauenskapitals wird in der Abmahnungspraxis dazu führen, dass Arbeitgeber, die eher zurückhalten mit dem Ausspruch von Abmahnungen waren, um das Arbeitsverhältnis und den Betriebsfrieden nicht zu belasten, dazu übergehen, Abmahnungen auszusprechen, um das Entstehen eines Vertrauenskapitals für die Zukunft zu verhindern.

V. Auswirkung auf Abmahnung These 5: Die Verdachtsabmahnung ist zulässig, egal ob kündigungsersetzend oder nicht. Dies ist Folge der Notwendigkeit des Arbeitgebers Vertrauen oder dessen Abbau zu belegen.

VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich Wie wirkt sich das Vertrauenskapitals auf arbeitsgerichtliche Verfahren aus?

VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich Arbeitnehmerrechte: Klage auf Entfernung Gegendarstellung Beschwerden nach §§ 84, 85 BetrVG Gar nichts machen (dann ggfs inzident im KSchVerfahren)

VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich Falls Klage: Häufig Beendigungsvereinbarungen oder Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte Problem: Bei einer solchen Regelung wird der AG sich bei zukünftiger Kündigung auf Vertrauensvorratsreduzierung durch diese Abmahnung nicht berufen können. VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich

VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich Musterformulierung: „1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Inhalt der Abmahnung vom … zutreffend ist. 2. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, sich ab dem … auf die Abmahnung vom… nur noch im Hinblick auf eine Interessenabwägung nach einem eventuellen Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung zur Bestimmung des Vertrauenskapitals zu berufen.“ Für bessere Formulierungsvorschläge bin ich verbunden! VI. Auswirkungen auf arbeitsgerichtlichen Vergleich

Ansonsten gilt: Rechtsprechung und Gesetzgebung sorgen dafür, daß wir immer genug zu tun und diskutieren haben!